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Ein Bräutigam fürs Leben

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
136 Seiten
Deutsch
edition fünferschienen am24.08.2014
Mitte der 1970er entdeckte Natalia Ginzburg dieses literarische Kleinod von 1885 wieder, das mit schnörkelloser Raffi­nesse und feiner Ironie die lakonische Geschichte eines Entkommens erzählt: Nichts wünscht Denza sich sehnlicher als der ereignislosen Tristesse im Elternhaus zu entkommen. Im Piemont des 19. Jahrhunderts gibt es nur einen Weg: Heiraten. Und so verliebt sich Denza in einen Verehrer, den sie gar nicht kennt. Schon bevor sie ihm endlich begegnet, weiß sie, es ist Liebe. Wann wird er ihr endlich den ersehnten Antrag machen?

Marchesa Colombi ist das Pseudonym der italienischen Schriftstellerin Maria Antonietta­ ­Torriani (1840-1920), die Lehrerin war, bevor sie sich mit Soziologie und Feminismus ­beschäftigte und zu schreiben begann. In der Mailänder Gesellschaft des späten Ottocento eine Berühmtheit, war sie nach ihrem Tod lange in Vergessenheit geraten.
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Verfügbare Formate
BuchGebunden (Leinen)
EUR17,90
E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
EUR11,99

Produkt

KlappentextMitte der 1970er entdeckte Natalia Ginzburg dieses literarische Kleinod von 1885 wieder, das mit schnörkelloser Raffi­nesse und feiner Ironie die lakonische Geschichte eines Entkommens erzählt: Nichts wünscht Denza sich sehnlicher als der ereignislosen Tristesse im Elternhaus zu entkommen. Im Piemont des 19. Jahrhunderts gibt es nur einen Weg: Heiraten. Und so verliebt sich Denza in einen Verehrer, den sie gar nicht kennt. Schon bevor sie ihm endlich begegnet, weiß sie, es ist Liebe. Wann wird er ihr endlich den ersehnten Antrag machen?

Marchesa Colombi ist das Pseudonym der italienischen Schriftstellerin Maria Antonietta­ ­Torriani (1840-1920), die Lehrerin war, bevor sie sich mit Soziologie und Feminismus ­beschäftigte und zu schreiben begann. In der Mailänder Gesellschaft des späten Ottocento eine Berühmtheit, war sie nach ihrem Tod lange in Vergessenheit geraten.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783942374583
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2014
Erscheinungsdatum24.08.2014
Reihen-Nr.14
Seiten136 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse1377 Kbytes
Artikel-Nr.3129917
Rubriken
Genre9201

Inhalt/Kritik

Leseprobe
Einführung
Natalia Ginzburg

Ich habe diesen Roman vor sehr langer Zeit gelesen. Meine Mutter entdeckte ihn zufällig an einem Stand mit alten Büchern. Sie wollte ihn mir schenken, weil ich oft jammerte, ich hätte nichts zu lesen. Das Exemplar, das sie erwarb, war in dunkelblaues Packpapier eingeschlagen, auf dem der Name der Autorin sowie der Titel in Tinte geschrieben standen, in schiefer, krummer Krakelschrift. Ich war damals etwa sieben Jahre alt.

Meine Mutter las das Buch als Erste. Sie fand es »drollig, unterhaltsam und sehr schön«. Alle bei mir zu Hause lasen es, und alle fanden es schön und unterhaltsam. Sie sprachen und lachten viel darüber. Sie meinten, ich würde es bestimmt langweilig finden. Ich könne es lesen, wenn ich wolle, aber es werde mir nicht gefallen. Es sei ein Roman über die Liebe, sagten sie, und es gehe nicht um Kinder. Ich mochte keine Liebesgeschichten und wollte, dass in den Büchern, die man mir zu lesen gab, mindestens ein Kind vorkam. Meine Geschwister waren älter als ich, und ich hielt immer nach anderen Kindern Ausschau, in Büchern und überall sonst auch. Da ich aber nicht wusste, was ich lesen sollte, las ich dieses Buch. Die ersten Seiten langweilten mich furchtbar, sie enthielten nämlich, was ich am meisten an Büchern hasste, eine »Beschreibung«. Diese schien mir besonders lang. Es war eine minutiöse Auflistung von Hausrat und Zimmern. »Ein Haus hatten wir … Himmel, was für ein Haus!« Was mich hingegen faszinierte, war die Figur der Stiefmutter, die bei ihrem ersten Auftritt einen lila Mantel trägt und Sternanis kaut. Ich erhoffte sie mir böse. Ich steckte voller Geschichten, in denen die Stiefmütter böse waren und die wunderschönen Stieftöchter gut. Aber ich erkannte, dass man von den Figuren in dieser Geschichte nicht sagen konnte, ob sie gut oder böse waren, sondern dass sie von einem anderen, für mich neuen Gefüge getragen wurden. Außerdem fiel mir auf, dass sich mir alles, was ich hier las und als langweilig bezeichnete, fest ins Gedächtnis prägte: die Säcke voll Kartoffeln und Kastanien im Salon, die acht roten und die acht grünen Stühle, die vergilbten Handschuhe im gläsernen Kasten, die Weihwasserschalen. Das Mädchen, das erzählte, hieß Denza, ein Name, den ich sehr hässlich fand wie sie selbst ja auch. Die Mutter dieser Denza war tot, und ich rechnete mit Trauer und Tränen, aber stattdessen wurde sie in wenigen Worten abgehandelt, und es war nie wieder die Rede von ihr. Ein Kind kam zur Welt, der Sohn der Stiefmutter, aber man überschüttete den Kleinen nicht mit Zärtlichkeiten, wie ich es erwartet hatte, sondern er wurde nur beiläufig »das Gör« genannt und sonst kaum erwähnt. Mich befremdete die Art, wie Figuren und Szenen hier, ohne sie schönzufärben oder in höhere Sphären zu rücken, auf eine unverblümte, fröhliche und beiläufige Art dargestellt wurden, wie ich sie nicht gewöhnt war, da die Bücher, die ich sonst las, vor Honig trieften. Und ich gab sogar noch mehr Honig dazu, ja behielt ihn insgeheim den Büchern vor, weil ich es so schwer über mich brachte, ihn über die Meinen zu geben, die mir zerstreut und brüsk erschienen und deren Gesten und Erwiderungen für mich immer grob und unvorhersehbar waren. Bei der Lektüre dieses Buches also kam es mir vor, als wäre ich von Personen umgeben, die denen bei mir zu Hause sehr ähnelten, und ich hatte das Gefühl, in kaltes Wasser gefallen zu sein, während ich es bisher aus Büchern doch nur lauwarm und duftend kannte. Das beschriebene Zuhause fand ich weder schön noch hässlich, genau wie mein eigenes, und es erschien mir meinem sehr ähnlich, auch wenn es bei uns weder Stiefmütter noch Weihwasserschalen gab. Wenn ich sonst Romane las, hielt ich von Zeit zu Zeit inne, um mich in die Orte und Figuren, die darin vorkamen, zu versenken. Sorgfältig versetzte ich mich mitten in sie hinein, hüllte sie in kostbare Stoffe, tauchte sie in leuchtende Farben, ergötzte mich an ihrem und an meinem Honig, zelebrierte ihre und meine Pracht. Doch hier kam es mir gar nicht in den Sinn, etwas auszuschmücken oder zu zelebrieren. Die Orte und Personen waren klar umrissen, mit festen Konturen, und so hielt ich mich aus allem heraus. An ihnen war einfach kein Honig, und ich konnte mich nicht dafür begeistern, sie zu bewundern oder zu feiern. Die Farbe war die eines verschneiten, nebligen Wintertages, die gleiche Farbe, die ich draußen vor meinem Fenster hätte sehen können, wenn ich aufgeblickt hätte.

 

Zwischen meinem siebten und vierzehnten Lebensjahr las ich den Roman unzählige Male, immer und immer wieder. Der Vater und die Stiefmutter; die frömmelnde Tante, die heiter dahinschwand; Titina, die farblose Schwester; Denza, mit ihrem runden, mondweißen Gesicht, die wie ein »treudoofes Schaf« aussah und Frostbeulen an den Händen hatte; die eleganten Kusinen in ihren Wollmäntelchen; der reiche, geheimnisvolle Onorato Mazzucchetti im grauen Überrock, der behäbig und schwer wie ein Elefant vorbeizog; und schließlich der Warzenmann mit seiner höflichen monotonen Stimme. Diese Personen hatte ich all die Jahre immerzu vor Augen und beobachtete sie sehr aufmerksam. Und darauf beschränkte ich mich. Es gelang mir nicht, mich in ihr Leben einzumischen, wie ich es sonst bei Romanfiguren tat. Ich konnte mir für sie nichts anderes oder Besseres ausdenken, denn hier waren die Dinge, wie sie waren, und ich konnte keinen Deut davon abrücken. Ich konnte ihnen kein abenteuerliches, schillerndes Leben schenken, weil sie wirkten, als würden sie gar keine Geschenke annehmen, und weil sie mir in der ernsten und unveränderlichen Deutlichkeit alles Wahren vor Augen standen. Ich war mir nicht sicher, ob mir das gefiel, vielleicht tat es das nicht, aber es beseelte mich mit Neugier. Ich habe, denke ich, meinen Blick mit dem strengen Ernst und dem hingebungsvollen Staunen auf die Seiten dieses Buches gerichtet, mit dem wir als Kinder die Gesichter von Erwachsenen betrachten, die sich über uns beugen.

Ich fand das Buch nicht besonders schön. Dass es den anderen so gut gefallen hatte, schien mir eine Überspanntheit der Meinigen zu sein, die inzwischen gar nicht mehr darüber sprachen und es vergessen hatten. Ich ging davon aus, dass ihnen die schroffe, honigfreie Art, mit den Figuren, Gegenständen und Ereignissen umzugehen, gefallen hatte. Von den anderen Büchern, die ich las, erwartete ich auch weiterhin einen behutsamen und zurückhaltenden Umgang mit den Dingen, das Gefühl, sie nach Belieben manipulieren zu können und in angenehm lauwarmer Umgebung zu Gast zu sein. Es waren Bücher, die ich wunderschön fand, obwohl ich nichts oder fast nichts von ihnen behielt, nachdem ich sie zugeklappt hatte, und in Wahrheit nur den Titel und die letzten paar Worte erinnerte. Der Titel dieses Buches gefiel mir gar nicht. Und die letzten Worte gefielen mir auch nicht: »Tatsache ist, dass ich dick werde«. Ich verstand einfach nicht, ob Denza mit dem Warzenmann im Reisfeld nun glücklich war oder nicht. Dennoch kannte ich diesen Roman, den ich nicht besonders schön fand, den ich sogar heimlich las, weil man mir vorwarf, ich würde aus lauter Faulheit immerzu die gleichen Bücher lesen, bis ins letzte Detail und wusste ganze Sätze daraus auswendig. Dass ich alles so genau erinnerte, geschah für mich ganz unfreiwillig, ich rühmte mich damit weder vor den anderen noch vor mir selbst, es beschämte mich sogar ein wenig. Wenn ich ihn noch einmal las oder an ihn dachte, fühlte ich mich in winterliches Licht getaucht, das mir wirklicher und grauer vorkam als der echte Winter. Ich meinte, dieses winterliche Licht vor den anderen geheim halten zu müssen, meinte, es gehöre mir wie kaum etwas anderes auf der Welt.

Ich wollte nach Novara, in diese Stadt, die ich nicht kannte und von der ich hier zum ersten Mal gehört hatte. Sie schien mir fern und unerreichbar, wie Afrika oder Sibirien, wie uns alle Orte fern und unerreichbar scheinen, von denen in Büchern die Rede ist. Ich wusste, dass ich in Novara Straßen und Menschen gesehen hätte, die mir nichts bedeuteten: Und doch konnte ich mir nicht vorstellen, dort nicht sofort auf das Haarteil der Stiefmutter zu stoßen, auf den Paravent der Tante, die acht roten und die acht grünen Stühle, den auf dem feuchten Rindfleisch klebenden Liebesbrief, die zwei auf fünf kleine Teller verteilten Portionen Eis; ich konnte mir nicht vorstellen, auf den Straßen nicht die Sätze zu hören, die ich auswendig kannte: »Wie schön du bist, Denza!« »Am Sonntag komme ich in den Dom.« »Nun, heute Abend, scheint mir, ist er ein Vulkan.« »Ach, der Antrag von Mazzucchetti! Dein ewiges Geisterschiff!« »Er heiratet die Borani.« »Er heiratet die Borani!«

Es missfiel mir sehr, dass dieser unergründliche Elefant, nachdem er Denza jahrelang mit glühenden Blicken bedacht hatte, plötzlich eine andere heiraten sollte. »Er heiratet die Borani.« Jedes Mal, wenn ich diesen Satz las oder an ihn dachte, überkam mich eisige Enttäuschung. Doch hielt sie nicht sehr lange an. Ich hatte den Eindruck, dass hier gar kein...
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Autor

Marchesa Colombi ist das Pseudonym der italienischen Schriftstellerin Maria Antonietta­ ­Torriani (1840-1920), die Lehrerin war, bevor sie sich mit Soziologie und Feminismus ­beschäftigte und zu schreiben begann. In der Mailänder Gesellschaft des späten Ottocento eine Berühmtheit, war sie nach ihrem Tod lange in Vergessenheit geraten.