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bestenfalls alles

E-BookEPUB0 - No protectionE-Book
Deutsch
Querverlagerschienen am25.08.2014
Eine Reise zu Sehnsucht und Illusion, zu harter Wahrheit und blauen Flecken, zu Liebe. Und zu der Erkenntnis, dass Suchen besser als Finden sein kann ... Tekgül Carragher könnte glücklich sein: Sie vereint spannende drei Kulturen in einem einnehmenden Körper und einem wachen Geist. Als sie nach vielen Bewerbungen endlich die Zusage der Berliner Kunsthochschule in den Händen hält, hängt sie ihren Modeljob an den Nagel, isst eine Pizza und beschließt, ihr Leben zu ändern. Dummerweise hat ihr Leben seinen eigenen Kopf. Ihre beste Freundin Nicoletta schlägt sich derweil mit Jugendsünden und Jugendlieben herum. Auf der Suche nach Antworten und Katharsis begeben sich die beiden auf eine gemeinsame Reise zu den Orten, an denen alles begann. Oder vielmehr: hätte beginnen können. bestenfalls alles ist ein turbulenter Roadtrip zu den vermeintlichen Wurzeln der Identität, ist Suche und die Erkenntnis, dass Finden nicht immer erstrebenswert ist.

Tania Witte lebt und schreibt in Berlin. Die Schriftstellerin, Spoken-Word-Performerin und Journalistin schreibt u.a. für taz, Missy Magazine, Siegessäule und das ZEITmagazin, widmet sich in inspirierenden Kooperationen vielfältigen Kunstprojekten, gibt Schreib-, Spoken-Word- und Drag-King-Workshops und liebt die Bühne. 2011 veröffentlichte sie den Roman beziehungsweise liebe, 2012 leben nebenbei und 2014 den Schluss der "Berliner Stadtgeschichten"-Trilogie bestenfalls alles.
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Produkt

KlappentextEine Reise zu Sehnsucht und Illusion, zu harter Wahrheit und blauen Flecken, zu Liebe. Und zu der Erkenntnis, dass Suchen besser als Finden sein kann ... Tekgül Carragher könnte glücklich sein: Sie vereint spannende drei Kulturen in einem einnehmenden Körper und einem wachen Geist. Als sie nach vielen Bewerbungen endlich die Zusage der Berliner Kunsthochschule in den Händen hält, hängt sie ihren Modeljob an den Nagel, isst eine Pizza und beschließt, ihr Leben zu ändern. Dummerweise hat ihr Leben seinen eigenen Kopf. Ihre beste Freundin Nicoletta schlägt sich derweil mit Jugendsünden und Jugendlieben herum. Auf der Suche nach Antworten und Katharsis begeben sich die beiden auf eine gemeinsame Reise zu den Orten, an denen alles begann. Oder vielmehr: hätte beginnen können. bestenfalls alles ist ein turbulenter Roadtrip zu den vermeintlichen Wurzeln der Identität, ist Suche und die Erkenntnis, dass Finden nicht immer erstrebenswert ist.

Tania Witte lebt und schreibt in Berlin. Die Schriftstellerin, Spoken-Word-Performerin und Journalistin schreibt u.a. für taz, Missy Magazine, Siegessäule und das ZEITmagazin, widmet sich in inspirierenden Kooperationen vielfältigen Kunstprojekten, gibt Schreib-, Spoken-Word- und Drag-King-Workshops und liebt die Bühne. 2011 veröffentlichte sie den Roman beziehungsweise liebe, 2012 leben nebenbei und 2014 den Schluss der "Berliner Stadtgeschichten"-Trilogie bestenfalls alles.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783896565662
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format Hinweis0 - No protection
Erscheinungsjahr2014
Erscheinungsdatum25.08.2014
SpracheDeutsch
Dateigrösse558 Kbytes
Artikel-Nr.3201833
Rubriken
Genre9200

Inhalt/Kritik

Leseprobe

EINS.

Das werden Sie bereuen!

So? Tekgül lässt sich auf den Sessel fallen.

Ganz bestimmt! Bitte, tun Sie das nicht! Die Frau streicht durch Tekgüls Haar, als wäre es aus Kaschmir, handgekämmt. Mindestens.

Und warum nicht? Die Frage pendelt zwischen Belustigung und Ärger.

Sie sind so schön!

Schön und dick und leicht gewellt und von einem Braun, das Haarfarbenvermarktungsfachmenschen vermutlich Edel-Zartbitter nennen würden. Aus ihrer semierfolgreichen, finanziell aber lukrativen Zeit als Model kennt Tekgül die Lobeshymnen der Stylisten, wenn es um ihr Haar geht. Sie kennt sie vorwärts und rückwärts. Sie kennt auch die Flüche über seinen Eigenwillen und den Enthusiasmus über seinen Glanz, den es Tekgüls regelmäßigen Olivenölkuren verdankt.

Und wie sie glänzen! Man sieht sofort, dass Sie nicht aus Deutschland kommen!

Tekgül schließt einen Moment lang die Augen. Sie hat das Gestolper, Gestammel, Gestotter der Menschen satt, wenn sie antwortet, dass sie sehr wohl aus Deutschland kommt. Aus Unna, um genau zu sein. Trotzdem sagt sie es. Natürlich. Und natürlich stolpert, stammelt, stottert die Friseurin, verhaspelt sich in Abmilderungen und macht damit alles noch schlimmer.

Würden Sie mir jetzt bitte , Tekgül betont das Wort, so sehr es geht, ohne ausfallend zu werden, einfach meine Haare abschneiden, oder muss ich mir einen anderen Friseur suchen?

Der Umweg über den Spiegel verschärft ihren Blick um eine Nuance.

Nein ⦠ich ⦠selbstverständlich! Die Frau schiebt sich eine kirschrote Strähne hinter das gepiercte Ohr und atmet tief durch. Was haben Sie sich denn vorgestellt?

Kurz , sagt Tekgül und zieht ein Bild aus der Tasche. Es hängt seit Jahren neben ihrem Spiegel - wahrscheinlich ist der Haarschnitt inzwischen hoffnungslos out. Egal: Er hat ihr so gut gefallen, dass sie das Foto ausgeschnitten und sich versprochen hat, sich genau diese Frisur zuzulegen, falls sie jemals an der Kunsthochschule angenommen würde. Wenn sie ihren Modeljob kündigen und ihre Agenturchefin Caroline kein Mitspracherecht mehr an ihrem Aussehen haben und ihr Körper wieder ihr gehören würde.

Jetzt.

Ihre Hände haben nicht einmal mehr gezittert, als sie heute morgen den Brief mit dem Stempel der Universität der Künste öffnete, denn nach fünf erfolglosen Bewerbungen in fünf auf­einanderfolgenden Jahren rechnete sie mit nichts als einer Absage. Und dennoch hat sie auch in diesem Jahr stoisch neue Unterlagen eingereicht.

Bestimmt haben sie mich genommen, weil es eine Altersquote gibt, die sie erfüllen müssen, um Subventionen zu kriegen , hat Tekgül zu ihrer Freundin Nicoletta gesagt, nachdem sie ihr die Zusage am Telefon vorgelesen hat.

Nicoletta lachte so laut, dass Tekgül den Hörer einen ausgestreckten Arm weit vom Ohr weghielt. Altersquote! Klar! Und vergiss nicht die für Migrantinnen.

Genau , beharrte Tekgül, die den Witz nicht verstand. Mit dreißig ein Studium anfangen ist ganz schön spät. Gerade im Kunstbereich! Warum sollte das da anders sein als beim Modeln: bisschen Altersförderung, bisschen Migrationsgeschichte und schon hast du deine positive Diskriminierung. Ich kenn das doch! Sie hatte sich in Rage geredet. Ohne meinen türkisch-irischen Genpool könnte ich längst nicht mehr von den Modeljobs leben.

Ohne Medusa auch nicht. Nicoletta verschluckte sich vor Lachen an ihrer eigenen Spucke und keuchte erbarmungswürdig ins Telefon.

Wasser , riet Tekgül ihr mitleidslos. Trink einen Schluck Wasser. Der Verweis auf die tätowierte Medusa, die seit fast zwei Jahren ihren Rücken schmückte, war durchaus berechtigt. Entgegen der Prophezeiungen ihrer Modelagentin hatte dieses Tattoo Tekgüls Karriere noch einmal gepusht. Sie war zwar von der Beauty - in die People -Kategorie gerutscht, aber die Aufträge deckten ihre Ausgaben noch immer und verschafften ihr Zeit für die Träume von der Kunsthochschule.

Schon mal daran gedacht, dass du Talent haben könntest? , schlug Nicoletta vor, als sie wieder sprechen konnte.

Warum haben sie mich dann fünfmal abgelehnt?

Warum kannst du dich nicht einfach freuen?

Und dann kam sie, die Freude. Zunächst ganz hinten im Hals, bis Tekgül zu lächeln, zu lachen und schließlich - Nicoletta noch immer via Telefonhörer in der Hand - im Zimmer herumzuspringen begann. Sie würde Kunst studieren! Ob trotz oder wegen ihres Alters spielte dabei überhaupt keine Rolle.

Der nächste Anruf galt der Agentur. Carolines Widerspruch gegen ihre Kündigung war verhalten - sie wussten beide, dass Tekgül längst zu alt für das Business ist. Die Medusa hat ihr Verfallsdatum verlängert, aber der dreißigste Geburtstag, den sie in diesem Jahr gefeiert hat, schlägt sich langsam auch in der Auftragslage nieder. Selbst wenn Caroline Tekgül von Anfang an als drei Jahre jünger verkauft hat.

Vielleicht magst du in zehn Jahren wiederkommen? , schlug ihre Agentin am Telefon vor. Als Best-Agerin wärst du der Knaller!

Best-Ager sind fünfzig plus, Caroline. Trotz jahrelanger Zusammenarbeit kostete es Tekgül noch immer Mühe, den Namen ihrer Ex-Chefin auszusprechen, wie die sich das ausbittet: Kärolein - englisch bitte schön, nicht deutsch.

Schon komisch, denkt sie jetzt, während die Friseurin ihr mit fühlbar schlechtem Gewissen die Haare einschäumt. Ich muss dauernd betonen, dass ich Deutsche bin - als wär das ein Gütesiegel -, und Caroline tut alles, damit sie auf keinen Fall für eine Deutsche gehalten wird. Weil das in ihrem Business nur dann ein Gütesiegel wäre, wenn sie in den USA leben würde. Da sie ihre Agentur aber in Berlin betreibt, ist ein amerikanischer Akzent genau der Hauch von Kosmopolitismus, der Karoline aus der Pfalz gefehlt hat.

Die Welt spinnt.

Sie zuckt zusammen, als ihr dieser Lieblingssatz ihrer Ex-Freundin Marte durch den Kopf schießt. Dann überlässt sie sich den Händen, die ihren Kopf massieren.

Als sie den Salon gute anderthalb Stunden später verlässt, fühlt sich Tekgül um Tonnen leichter. Der Wind durchstreift ihre Haare bis zur Kopfhaut. Sie fröstelt. Der Frühling zeigt sich in diesem Jahr vor allem an den Schaufensterdekorationen, in denen Hasen jeder Machart ihre übergroßen Ostereier um die Wette verstecken. In ein paar Tagen fährt sie nach Hause, Ostern ist ihrer Familie heilig. Das heißt, hauptsächlich ihrem Vater, dessen irische Wurzeln vor allem an den katholischen Feiertagen durchschlagen. Es ist neben Heiligabend der einzige Anlass, zu dem er in die Kirche geht. Obwohl sie sich jedes Mal ziert, geht Tekgül gerne mit in die kalte Kirche und den schweren Weihrauch-Geruch. Es ist eine Tradition, an der selbst ihre Mutter Filiz nicht vorbeikommt, auch wenn sie auf dem Papier Muslima ist. Filiz hält wenig von organisierten Religionen, aber sie liebt große Feste - deshalb feiert sie alles gleichermaßen passioniert: das Zucker- und das Opferfest, Weihnachten und eben Ostern. Inklusive Eiersuche und inklusive des Backens eines überdimensionierten Hefekranzes, weil das so typisch deutsch sei. Sie essen die ganze Woche nach Ostern Hefekranz, und wenn er zu trocken wird, stippen sie ihn in kräftigen Schwarztee. Ostern in der Familie Carragher ist eine beeindruckende Sache.

Es bedarf allerdings keiner übersinnlichen Fähigkeiten, um zu ahnen, dass es in diesem Jahr etwas komplizierter werden wird. Nicht nur der Haare wegen. Filiz liebt Tekgüls Haare.

Liebte, denkt Tekgül und fährt mit der Hand durch ihr neues Ich. Vielleicht hätte ich sie mitnehmen sollen.

Sie schlendert durch Friedrichshain zu dem kleinen Restaurant, in dem sie mit ihrer Ex-Freundin Marte verabredet ist. Tekgüls Hände beginnen zu zittern. Es ist das erste Mal, dass sie sich sehen, seit Marte und George wieder in der Stadt sind. Während George bereits rotiert, um vom Amt die fehlenden Papiere für die Eröffnung der Dependance zu erhalten, die sein südafrikanischer Arbeitgeber in Berlin aufziehen will, lässt Marte es langsam angehen und trifft ihre Freundinnen. Einzeln und der Reihe nach. Tekgül ist die dritte, mit der sie sich verabredet hat.

Sie wird mehr von den anderen wissen als ich, mutmaßt Tekgül. Was keine Kunst wäre, denn ihr bisheriges Jahr war geprägt von der hochkonzentrierten Arbeit an ihrer Bewerbungsmappe für die Kunsthochschule. Und dann, während sie auf die Entscheidung der Universität wartete, von Arbeit. Sie hat so viele Modeljobs wie möglich angenommen, um sich von ihrer Angst vor einer Absage abzulenken und um ihre Rücklagen aufzustocken - für den Fall, dass es mit dem Studium klappen sollte.

Der Kontakt war lose in den letzten Monaten, aber es ist gut zwischen ihnen, wehmütig manchmal, weil sie sich noch immer lieben und es dennoch nicht geklappt hat, aber gut. Sie stößt die Tür zu der kleinen Pizzeria auf.

Kein Salat ohne Dressing, aber bitte mit Zitronensaft ? Kein Risotto ohne Käse? Keine Pasta ohne alles? , frotzelt Marte. Pizza?

Tekgül grinst. Und ein großes Glas Orangensaft bitte!

Der Kellner, der sich als Eduardo vorgestellt hat, aber wahrscheinlich eher Erkan heißt (zumindest, hat Tekgül Marte bei ihrem Eintreffen gesteckt, sprach er türkisch in sein Mobiltelefon, ehe er an ihren rot karierten Tisch kam, um sie zu bedienen), notiert die sonderwunschlose Bestellung ungerührt.

Pizza und O-Saft! Und die...

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Autor

Tania Witte lebt und schreibt in Berlin. Die Schriftstellerin, Spoken-Word-Performerin und Journalistin schreibt u.a. für taz, Missy Magazine, Siegessäule und das ZEITmagazin, widmet sich in inspirierenden Kooperationen vielfältigen Kunstprojekten, gibt Schreib-, Spoken-Word- und Drag-King-Workshops und liebt die Bühne. 2011 veröffentlichte sie den Roman beziehungsweise liebe, 2012 leben nebenbei und 2014 den Schluss der "Berliner Stadtgeschichten"-Trilogie bestenfalls alles.