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ZZZ - Zeltstadt Zeche Zollverein

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
192 Seiten
Deutsch
Grupello Verlagerschienen am01.06.20161. Auflage
Essen 2032. Ein spektakulärer Mord an einem Flaschensammler erschüttert die Stadt. Die Ermittlungen führen Milan Dragovich, Hauptkommissar für Altenkriminalität, und seine junge Kollegin Cigdem Flick bald auf das Gelände der Zeche Zollverein. Seit Langem hat diese ihren Status als Kulturdenkmal verloren, stattdessen beherbergt die Anlage eine gewaltige Zeltstadt. Im Polizeijargon kurz »ZZZ« genannt, fristen hier tausende Alte ein kümmerliches Dasein. Die Beamten treffen zunächst auf eine Mauer des Schweigens. Dann macht Dragovich eine Begegnung mit der Pro­stituierten Nelly stutzig. Unterstützt von Cigdem Flick setzt er nun alles daran, die Hintergründe der Tat aufzudecken. Im Dschungel der »ZZZ« und in der ehemaligen Zechenanlage stoßen die Kommissare auf immer neue Ungereimtheiten und machen schließlich eine ungeheuerliche Entdeckung. Der allgemeinen Lage im Jahre 2032 ist wenig abzugewinnen. Längst ist die Europäische Union zerfallen, Deutschland zur D-Mark zurückgekehrt. Die Überschuldung der großen Städte im Westen hat katastrophale Ausmaße erreicht. Selbst die notwendigsten öffentlichen Aufgaben können kaum noch wahrgenommen werden, die einstige Kulturlandschaft liegt am Boden. Duisburg wurde von den Chinesen gekauft, für dessen Einwohner ein zweifelhaftes Glück. Im ganzen Land grassiert eine verheerende Altersarmut. Straftaten von Alten sind für Polizei und Gerichte zur größten Herausforderung geworden. Denn die Alten, inzwischen zur neuen Problem-Generation mutiert, fordern ihr legitimes Recht zu leben auch mit Gewalt ein. ZZZ - ZELTSTADT ZECHE ZOLLVEREIN liefert einen erschreckenden Ausblick auf eine zukünftige Altersarmut, wie wir sie uns jetzt noch nicht vorstellen können. Bernd Desingers spannender Zukunftsroman zeigt eine kollabierte Gesellschaft, deren Niedergang sich auch in der Demontage ihrer Kultureinrichtungen widerspiegelt.

Bernd Desinger, geboren 1962 in Oberhausen, Studium der deutschen Sprache und Literatur, Geschichte, Psychologie und Film. Er arbeitete lange Zeit für das Goethe-Institut (u. a. in Toronto und Los Angeles) und ist seit 2009 Leiter des Filmmuseums Düsseldorf. Als Schriftsteller veröffentlichte er mehrere Romane sowie eine Auswahl seiner Rocklyrik und Gedichte. Daneben ist er Herausgeber und Co-Autor verschiedener Sachbücher.
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Produkt

KlappentextEssen 2032. Ein spektakulärer Mord an einem Flaschensammler erschüttert die Stadt. Die Ermittlungen führen Milan Dragovich, Hauptkommissar für Altenkriminalität, und seine junge Kollegin Cigdem Flick bald auf das Gelände der Zeche Zollverein. Seit Langem hat diese ihren Status als Kulturdenkmal verloren, stattdessen beherbergt die Anlage eine gewaltige Zeltstadt. Im Polizeijargon kurz »ZZZ« genannt, fristen hier tausende Alte ein kümmerliches Dasein. Die Beamten treffen zunächst auf eine Mauer des Schweigens. Dann macht Dragovich eine Begegnung mit der Pro­stituierten Nelly stutzig. Unterstützt von Cigdem Flick setzt er nun alles daran, die Hintergründe der Tat aufzudecken. Im Dschungel der »ZZZ« und in der ehemaligen Zechenanlage stoßen die Kommissare auf immer neue Ungereimtheiten und machen schließlich eine ungeheuerliche Entdeckung. Der allgemeinen Lage im Jahre 2032 ist wenig abzugewinnen. Längst ist die Europäische Union zerfallen, Deutschland zur D-Mark zurückgekehrt. Die Überschuldung der großen Städte im Westen hat katastrophale Ausmaße erreicht. Selbst die notwendigsten öffentlichen Aufgaben können kaum noch wahrgenommen werden, die einstige Kulturlandschaft liegt am Boden. Duisburg wurde von den Chinesen gekauft, für dessen Einwohner ein zweifelhaftes Glück. Im ganzen Land grassiert eine verheerende Altersarmut. Straftaten von Alten sind für Polizei und Gerichte zur größten Herausforderung geworden. Denn die Alten, inzwischen zur neuen Problem-Generation mutiert, fordern ihr legitimes Recht zu leben auch mit Gewalt ein. ZZZ - ZELTSTADT ZECHE ZOLLVEREIN liefert einen erschreckenden Ausblick auf eine zukünftige Altersarmut, wie wir sie uns jetzt noch nicht vorstellen können. Bernd Desingers spannender Zukunftsroman zeigt eine kollabierte Gesellschaft, deren Niedergang sich auch in der Demontage ihrer Kultureinrichtungen widerspiegelt.

Bernd Desinger, geboren 1962 in Oberhausen, Studium der deutschen Sprache und Literatur, Geschichte, Psychologie und Film. Er arbeitete lange Zeit für das Goethe-Institut (u. a. in Toronto und Los Angeles) und ist seit 2009 Leiter des Filmmuseums Düsseldorf. Als Schriftsteller veröffentlichte er mehrere Romane sowie eine Auswahl seiner Rocklyrik und Gedichte. Daneben ist er Herausgeber und Co-Autor verschiedener Sachbücher.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783899786019
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
Erscheinungsjahr2016
Erscheinungsdatum01.06.2016
Auflage1. Auflage
Seiten192 Seiten
SpracheDeutsch
Artikel-Nr.3255182
Rubriken
Genre9200

Inhalt/Kritik

Leseprobe

Arme, Alte, Kriminelle

Die Verbrechen der Alten ähnelten in vielerlei Hinsicht denen der früher überwiegend von Jugendlichen verübten Taten. Ladendiebstahl, einfacher Einbruch, Autoaufbruch, Nötigung und Drogenvergehen. Immer häufiger kam auch bewaffneter Raub hinzu. Bei letzterem ging es um Bargeld, Kreditkarten, Schmuck, aber auch tragbare Unterhaltungselektronik. Es war gerade bei jüngeren Menschen deshalb immer beliebter geworden, sich einen Musikchip unter die Kopfhaut implantieren zu lassen, der in einer mittlerweile ungefährlichen Prozedur direkt mit dem Hörnerv verbunden werden konnte. Der Chip war nicht einmal einen halben Quadratzentimeter groß und konnte vom Computer oder dem EDPP, dem ExtraDimensionPhonePad, aus programmiert werden. Draußen konnte man bei Bedarf mit einem einfachen Steuergerät die Lieder auch direkt auswählen, bei einem Überfall war dieses rasch in einen Busch zu werfen oder einfach abzugeben, denn es war praktisch wertlos. Attacken auf eingepflanzte Chips lohnten sich nicht, weil diese sich bei gewaltsamer Entnahme selbst zerstörten. Obwohl ihnen nicht ganz wohl dabei war, ließen viele besorgte Eltern diese Operation auch bei ihren minderjährigen Kindern durchführen. Wie oft war in den Nachrichten davon zu hören, daß Alte Kinder und Jugendliche drangsaliert, manchmal zu mehreren mit ihren Rollatoren und hochgehaltenen Stöcken in eine Ecke gedrängt und zur Herausgabe von Musik-Abspielgeräten und Bargeld gezwungen hatten. Häufig blieb es nicht nur bei Bedrohungen, sondern kam zu Tätlichkeiten.

Viele Delikte gehörten zur allgemeinen Beschaffungskriminalität, so auch die Prostitution. Auf den ersten Blick mochte sich »Seniorenprostitution« unwahrscheinlich anhören, doch die Gründe dafür waren mehr als nachvollziehbar. Alte mußten sich natürlich sehr viel billiger anbieten als Junge, bei der desolaten Wirtschaftslage waren sie damit dann generell erfolgreich. Viele Alte hatten in jüngeren Jahren auch intensive Körperpflege und Fitneßtraining betrieben, so daß sie durchaus noch optisch passabel, ja, in gewisser Weise attraktiv waren. Das größte Kundensegment waren erwartbar andere Alte. Und hier war der Bedarf nicht nur parallel zur gleichsam natürlichen Entwicklung der Scheidungsquoten seit dem Ende des letzten Jahrtausends entstanden, sondern vor allem durch die soziale Verelendung der Alten, die zu einer extrem hohen Zahl von beendeten Beziehungen geführt hatte und führte. So war der weit überwiegende Teil der Alten alleinstehend. Und da »Sex im Alter« schon seit Dekaden selbstverständlich geworden war, gab es natürlich überall das Verlangen nach körperlicher Liebe.

Wie viele seiner Kolleginnen und Kollegen war auch Dragovich in seiner Anfangszeit für Delikte Jugendlicher und Heranwachsender zuständig gewesen. Obwohl seine jetzige Zielgruppe die gleichen oder ähnlichen Verbrechen beging wie seine ehemalige, hatte er seine Kenntnisse und Erfahrungen kaum übertragen können. Allein aufgrund ihrer Lebenserfahrung stellten sich die Alten regelmäßig geschickter an, zogen bei geplanten Taten mehrere mögliche Ausgänge in Erwägung und versuchten die Untersuchungsansätze der Ermittler vorauszudenken. Sie brachten Fahnder auf falsche Fährten und wußten persönliche Eigenschaften wie Redseligkeit oder Zurückhaltung jeweils zu perfektionieren. Befragte man sie nur als Zeuge, oder mußten sie davon ausgehen, daß gar ein Anfangsverdacht gegen sie vorlag, gingen sie mit großer List vor. Ihre grundsätzlichen Rechte waren ihnen bekannt aus der Zeit, als die meisten von ihnen noch einen Fernseher besessen und entsprechende Gerichtsshows und Kriminalserien gesehen hatten. Wer ein EDPP sein eigen nannte, konnte diese Sendungen natürlich auch heute noch verfolgen. Natürlich hatten die meisten auch fast ein Leben lang Zeitung gelesen, zumindest solange es diese noch in Druck gegeben hatte, später auch in Online-Versionen. Viel seltener als die jugendlichen Delinquenten vor einigen Jahrzehnten verhedderten sie sich in Widersprüche. Dies mochte allein schon daran liegen, daß sie viel weniger bereitwillig Auskunft zu irgendwelchen Vorgängen gaben. Hatte man es geschafft, sie in ein Verhör zu bekommen, redeten sie entweder über alles Mögliche oder schwiegen mit stoischer Ruhe. Äußerst beliebt war das Vortäuschen eines medizinischen Notfalls, zumindest eines plötzlichen Herausbrechens der Symptome einer langwierigen Krankheit. So schwer sich dies auch immer aufrechterhalten ließ, noch herrschte Rechtstaatlichkeit. Wie lange noch konnte natürlich niemand sagen.

Jetzt aber war es so, daß wenn ein alter Mann oder eine Frau sich in die Herzgegend griffen, aufstöhnten, den Kopf auf den Verhörtisch sinken ließen, oder gar vom Stuhl zu Boden glitten, die Interrogation sofort beendet werden mußte, in nicht seltenen Fällen gar eine Fahrt zum Krankenhaus anstand. Dort wurde der Verdächtige medizinisch betreut, bekam drei Mahlzeiten am Tag, konnte sich duschen oder zumindest in einem hygienischen Umfeld waschen. Diese Ausgaben wollte der Stadtrat unter allen Umständen vermeiden. Dabei fungierte er ohnehin nur noch als Berater für den Finanzbeauftragten der zuständigen NRW-Bezirksregierung in Düsseldorf, die faktisch seit 20 Jahren den Haushalt führte. Das Land trudelte natürlich selbst auch; zunächst hatte der Bund versucht, dessen Haushalt wie auch den der anderen Länder unter seine Kontrolle zu stellen, sich damit aber politisch nicht durchsetzen können. War es doch der Bund, der vor allem die Kommunen in diese dramatische Lage überhaupt erst gebracht hatte. Und in der Folge eben auch die Länder, die sich stolz gegen den Eingriff in ihre Regierung wehrten.

Im Gegensatz zu den Jugendlichen damals konnte man auf die Alten auch nicht einwirken mit Sprüchen wie »Willst Du denn dein Leben versauen?« oder »Denk doch einmal an deine Zukunft! - Wenn Du jetzt kooperierst, können wir dir vielleicht helfen â¦« Die meisten Alten lachten bei solchen Bemerkungen kurz auf, nicht selten hämisch. Ihr Leben war bereits endgültig versaut, und eine Zukunft gab es nicht mehr für sie. Kam es wirklich einmal zu Geständnissen, dann nur aus dem einzigen Grund, daß die Betreffenden regelrecht verurteilt und ins Gefängnis geschickt werden wollten. Denn dort war es geheizt, man hatte ein Dach über dem Kopf, es gab eben mehrere kostenlose Mahlzeiten (sogar wenigstens eine warme täglich), Gemeinschaftsräume für Sport und Spiel, fließend warmes und kaltes Wasser und eine Bibliothek mit freiem Zugang zu EDPPs. Nicht zu unterschätzen die bestimmte Sicherheit durch das anwesende Wachpersonal. Völligen Schutz vor Übergriffen Mitgefangener gab es natürlich nicht, aber das Aggressionspotential im Gefängnis war insgesamt geringer. Da sahen die Verhältnisse in der gewaltigen Zeltstadt auf dem weiträumigen Gelände um die Zeche Zollverein radikal anders aus. Man hatte sie für die zahllosen Alten errichtet, die in keiner Weise mehr in der Lage waren, selbst in vormaligen Brennpunkten liegenden Wohnraum zu bezahlen.

Schon vor mehr als 20 Jahren war abzusehen gewesen, daß die für einen großen Teil der Senioren auf Sozialhilfeniveau oder nur wenig darüber liegenden Renten nicht im Ansatz dazu ausreichen würden, die völlig überzogenen Miet- und Mietnebenkosten aufbringen zu können. Obwohl niemand darüber gesprochen hatte, war man davon ausgegangen, daß angesichts der Heerschar zahlungsunfähiger älterer Menschen die Wohnkosten dementsprechend deutlich nach unten korrigiert würden. Dem war aber nicht so. Durch die extremen Gewinne, die Wohnungsgesellschaften oder vermögende Privatleute über Dekaden hatten anhäufen können, gab es noch keine Notwendigkeit, Wohnraum unter ihren Preisvorstellungen freizugeben. Zwar hatte es gelegentlich Hausbesetzungen durch Gruppen von Alten gegeben, die meisten waren jedoch bald kläglich gescheitert. Überhaupt war es viel schwieriger geworden, Häuser zu besetzen als in den siebziger oder achtziger Jahren des letzten Jahrhunderts. Häuser und Wohnungen hatten erheblich bessere Türschlösser, die allenfalls von professionellen Einbrechern, und selbst dann nicht immer geknackt werden konnten. Die Tür alternativ zu zerstören war sinnlos; die Besetzer wären dann anderen Eindringlingen gegenüber schutzlos gewesen. War tatsächlich eine Wohnung besetzt, konnte man dort nur während der Sommermonate leben, da die Heizungen abgestellt waren. Fließendes Wasser, erst recht warmes, war genauso wie Strom das ganze Jahr über nicht zu beziehen. Vielfach waren die gesamten Versorgungsanlagen computergesteuert und konnten nicht individuell manipuliert werden. Dennoch gelang es einigen wenigen Alten, meist mit Hilfe ehemaliger Spezialisten in diesen Bereichen, die Sperrmechanismen zu umgehen. Wurde die illegale Versorgung mit Elektrizität und Wasser entdeckt, was aufgrund von computergestützten Überwachungssystemen über kurz oder lang geschah, war ein Polizeieinsatz die schnelle und natürliche Folge. So blieben Hausbesetzungen insgesamt seltene Vorkommnisse, die den Behörden keine großen Kopfschmerzen bereiteten.

Das hieß nun nicht, daß sich die Alten in der Zeltstadt um die Zeche Zollverein, im Polizei-Jargon kurz ZZZ genannt, besonders wohl gefühlt hätten. Das einzig Positive war, daß die Zelte durch ein System von Rohrleitungen minimal beheizt wurden, und es einmal am Tag eine warme Mahlzeit gab - übrigens eine auffällige Ähnlichkeit zum Gefängnis. Hier allerdings nicht umsonst. Grundsätzlich handelte es sich dabei um eine Suppe auf Kartoffel-, Nudel- und Gemüse-Basis mit geringfügiger Wursteinlage. Es gab dafür Marken, deren Gegenwert dann allerdings von der Sozialhilfe oder Rente abgezogen wurde. Wenigstens bestand eine Entscheidungsfreiheit. Raucher und...
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Autor

Bernd Desinger, geboren 1962 in Oberhausen, Studium der deutschen Sprache und Literatur, Geschichte, Psychologie und Film. Er arbeitete lange Zeit für das Goethe-Institut (u. a. in Toronto und Los Angeles) und ist seit 2009 Leiter des Filmmuseums Düsseldorf. Als Schriftsteller veröffentlichte er mehrere Romane sowie eine Auswahl seiner Rocklyrik und Gedichte. Daneben ist er Herausgeber und Co-Autor verschiedener Sachbücher.