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Mensch Mayer

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
112 Seiten
Deutsch
Silberburg-Verlagerschienen am26.10.20161. Auflage
Er war dreimal verheiratet, zeugte 22 Kinder, erfand nach etlichen Experimenten die Streichhölzer und das elektrische Feuerzeug, konstruierte die erste Handfeuerspritze der Welt und hinterließ ein in feiner Kurrentschrift verfasstes Tagebuch. Johann Samson Wilhelm Mayer (1787-1852), Kupferschmied aus Esslingen am Neckar, hat sein halbes Leben lang getüftelt: Lustfeuerwerk, Gewürztinte, Frostbalsam, Stiefelfett, probate Mittelchen gegen allerlei Schmerz und vieles mehr. 'Mensch Mayer!' Dieser respektvolle Ausruf gilt einem Mann, der sich gegen widrige Umstände zu behaupten wusste. Eberhard Neubronner ermöglicht ebenso farbige wie spannende Einblicke in das Milieu der Romantik und des Biedermeier bis hin zu Vormärz und Industrialisierung in Württemberg. Er rückt den talentierten Kupferschmied romanhaft ins Licht, das Ganze eingebettet in historische Tatsachen und Texte, manchmal erheiternd, nicht selten anrührend, zuweilen aber auch durchaus beklemmend. Ein besonderes Leseerlebnis.

Eberhard Neubronner wurde 1942 in Ulm geboren. Er fuhr zur See und ließ sich nach einer Fotografenlehre zum TV-Kameramann ausbilden. Es folgten mehrere Jahre als Zeitungsredakteur (Südwest Presse) und Radioreporter (Süddeutscher Rundfunk). Seit 1990 ist er freier Schriftsteller. Für sein Werk 'Der Weg' erhielt Neubronner den Literaturpreis des Deutschen Alpenvereins, zwei weitere Bücher befassten sich mit dem Leben piemontesischer Bergbauern.
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Produkt

KlappentextEr war dreimal verheiratet, zeugte 22 Kinder, erfand nach etlichen Experimenten die Streichhölzer und das elektrische Feuerzeug, konstruierte die erste Handfeuerspritze der Welt und hinterließ ein in feiner Kurrentschrift verfasstes Tagebuch. Johann Samson Wilhelm Mayer (1787-1852), Kupferschmied aus Esslingen am Neckar, hat sein halbes Leben lang getüftelt: Lustfeuerwerk, Gewürztinte, Frostbalsam, Stiefelfett, probate Mittelchen gegen allerlei Schmerz und vieles mehr. 'Mensch Mayer!' Dieser respektvolle Ausruf gilt einem Mann, der sich gegen widrige Umstände zu behaupten wusste. Eberhard Neubronner ermöglicht ebenso farbige wie spannende Einblicke in das Milieu der Romantik und des Biedermeier bis hin zu Vormärz und Industrialisierung in Württemberg. Er rückt den talentierten Kupferschmied romanhaft ins Licht, das Ganze eingebettet in historische Tatsachen und Texte, manchmal erheiternd, nicht selten anrührend, zuweilen aber auch durchaus beklemmend. Ein besonderes Leseerlebnis.

Eberhard Neubronner wurde 1942 in Ulm geboren. Er fuhr zur See und ließ sich nach einer Fotografenlehre zum TV-Kameramann ausbilden. Es folgten mehrere Jahre als Zeitungsredakteur (Südwest Presse) und Radioreporter (Süddeutscher Rundfunk). Seit 1990 ist er freier Schriftsteller. Für sein Werk 'Der Weg' erhielt Neubronner den Literaturpreis des Deutschen Alpenvereins, zwei weitere Bücher befassten sich mit dem Leben piemontesischer Bergbauern.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783842517523
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2016
Erscheinungsdatum26.10.2016
Auflage1. Auflage
Seiten112 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse3463 Kbytes
Artikel-Nr.3278322
Rubriken
Genre9201

Inhalt/Kritik

Leseprobe
1

»LICHT«, SAGT ER LEISE und wiederholt etwas lauter: »Licht, bitte ...« Was ist los? Nimmt ihn denn niemand wahr? »Herrgott«, ächzt Samson, »zündet doch endlich die Kerzen an. Ich seh ja nichts mehr! Line, wo bist du?«

Eine Tür knarrt. Caroline betritt das kleine Zimmer, in dem Johann Samson Wilhelm Mayer liegt. Ihr Mann, der Kupferschmied, wird wohl nicht wieder gesund. Man muss mit dem baldigen Ende rechnen. Sie nähert sich auf Zehenspitzen dem Bett. Nur keinen Lärm machen, denn Samson reagiert zunehmend empfindlich; selbst Doktor Steudel kommt seine sehr dünne Haut seltsam vor. Ernst Gottlob von Steudel kenne jeden Schmerz, hat Caroline Mayer gehört. Der sollte auch die Reizbarkeit lindern können. Wenn aber ein Arzt nur Rhabarberpulver zur Stärkung der Nerven verordnet, wem nutzt das? Dieses Mittel sei zwar erprobt, sagt er, doch seine Wirkung ist fraglich. Es kostet bloß Geld.

Caroline steht am Fenster und schaut gegen Nordost hinaus, wo der Kaisheimer Pfleghof schwach zu erkennen ist; man nennt ihn »Klösterle«. Alle Läden im Haus Mittlere Beutau 6 sind geöï¬net, Meister Samson hat keinen Grund zur Klage wegen angeblicher Dunkelheit, die Schlafkammer ist hell trotz des trüben Wetters. Jetzt, Mitte Dezember 1852, pudert Schnee das Dachmosaik der schwäbischen Oberamtsstadt Esslingen. Es sieht hübsch aus. Bis Heiligabend fehlen nur noch ganze neun Tage.

Mayers Ehefrau wird ins Untergeschoss gerufen. Sie bleibt eine halbe Stunde lang fort, kommt zurück und beugt sich über den Kranken: Feuchtes Haar, Bartstoppeln, hohle Wangen, bläulicher Mund. Samsons Hände zittern. Sein Atem geht schwer, dann folgt ein Hustenanfall. Hinterher zerren die Finger am Plumeau, als sei es zu kurz.

»Frierst du?«

Der Patient schweigt. Im selben Moment erinnert sich Caroline Mayer, Tochter des Tuchmachers Volz aus Calw, dass der Oberamtsarzt Steudel einmal gesagt hat, viele Sterbende wollten dem Tod entwischen und abtauchen. Er habe das oft registriert. Man dürfe jedoch keine Angst haben, wenn Freund Hein sich melde. Nichts schlage ihm ein Schnippchen, er hole nach Lust und Laune die Reichsten und Ärmsten. Sie reden ja anders als unser Pfarrer Schumann, hatte Caroline damals geantwortet, der meinem Samson immer wieder Trost spendet und vom Paradies spricht. Aber kennt denn ein Geistlicher die Atemnot oder Samsons Auswurf, den ich wegputzen muss, wenn der Napf kippt? Pfui Teufel. Wenn nicht Luise wäre, die bald 15 Jahre alt wird und mir im Haushalt hilft, sähe es schlimmer aus.

Luise heißt eigentlich Caroline Friederike Beate, doch jeder ruft sie »Luisle« zur Erinnerung an ein sehr jung verstorbenes Schwesterchen. Dieses Kind und seine Mutter wurden anno 1820 und 1833 begraben. Die Letztere kurz vor dem Christfest.

Nun ist er selbst dran, denkt Caroline Mayer. Durch dieses Datum wiederholt sich etwas. Soll man es Schicksal nennen? Ihr praktischer Sinn wahrt seit jeher Distanz vor großen Worten, doch Ergebenheit hat sie früh gelernt - was immer passiert, dient zum Besten. Caroline dreht sich um und betrachtet Samsons vielleicht letzte irdische Stätte, von der aus er zum Himmel fahren wird. Gott empfängt einen frommen Pietisten wie ihn freundlich und löscht sein Sündenregister, daran ist kein Zweifel erlaubt.

Inventur also: Unten gebohnerte Dielen, oben der vergilbte Plafond ohne Stuck. Ein schlichter, doppeltüriger Schrank, die furnierte Kommode, das Bett fürs Ehepaar mit geschwungenem Kopf- und Fußteil (in dem zehn Kinder gezeugt worden sind, von welchen noch vier bei Vater und Mutter leben). Rechts wie links je ein Nachtkasten, pot de chambre und Bibel haben dort ihren Platz. Zwischen zwei schmalen Fenstern der Waschtisch vor einem halbblinden Spiegel. Kein Bild an den Wänden.

Caroline seufzt hinter vorgehaltener Hand. Wie kurz ein Leben ist!

Tja, das Leben ... Fast lautlos quert Mayers Ehefrau den Raum und lässt Samson allein. Der scheint zu phantasieren. Sieht er jenes Land, das seine Söhne Adolf und Gustav anno 1848 aufgenommen hat? Gut drei Jahre sind seit ihrer Flucht in die Schweiz vergangen. Bürgerliche Revolutionäre waren sie, Kämpfer fürs oï¬ene Wort und gegen Bevormundung, aber im Innersten brav. Nach Hohem zu greifen ist nicht kriminell! Wenn beide nur wenigstens einmal geschrieben hätten. Etwa: »Habt keine Angst, liebe Eltern, wir kommen zurück.« Sind sie längst weitergewandert? Ihr alter Vater wird das Brüderpaar suchen, auch wenn es beschwerlich sein sollte. Los, Mayer, mach dich auf deinen Weg! Trotz der schwindenden Kraft.

Samson wundert sich darüber, wie dunkel die Welt plötzlich wird. Fremde Geräusche sind zu vernehmen, andere Stimmen als sonst. Gelten sie ihm oder wem? Rasend schnell spulen sich Bilder ab: Ein Kind hockt am Haus und formt kleine Tiere aus Dreck, Fuhrwerke rattern vorbei, Rösser schnauben, der Nachbar backt Brot. Seine Frau wird »d´Ulmere« genannt. Was bedeutet das, heißt sie wirklich so? Wenn Vater und Mutter mit ihm reden, sagen sie Sami. Vor dem heftigen »Saamiii« muss man Respekt haben, denn dann setzt es den Klaps hintendrauf. Ist der Papa schlecht gelaunt, weil die Werkstatt nichts zu tun hat, nennt er seinen Filius demonstrativ Johann Samson Wilhelm. Alsbald sucht dieser das Weite.

Während Sami im Matsch spielt, stürmen erboste Bürger am 14. Juli 1789 in Paris das Stadtgefängnis Bastille. 98 Menschen sterben dabei, 73 sind zum Teil schwer verletzt. Als Jacob Wilhelms Sohn Samson noch keine sechs Jahre alt ist, wird der längst entmachtete französische König Ludwig XVI. Mitte Januar 1793 zum Tod verurteilt und kurz darauf geköpft. Die jakobinische Diktatur folgt. Während Maximilien de Robespierres Herrschaft fließt ebenfalls Blut, vom revolutionären Motto Liberté - Égalité - Fraternité entfernt man sich immer mehr.

Ebenfalls streng, aber nicht halb so brutal geht Jacob Wilhelm Mayer, Obermeister der Kupferschmiede zu Esslingen, mit Sami um. Schon sein eigener Vater Georg hatte das traditionelle Handwerk betrieben und die Reichsstadt am Neckar mit Geräten versorgt. 1768 meldete das Ratsprotokoll: »... trägt eine von ihm neu verfertigte kleine Feuer-Sprize zu kaufen an und oï¬erirt sich, solche in einem billigen Preiß zu erlassen. Weil dem Vernehmen nach von denen bei löblichem Hospital befindlichen 2 Feuer-Sprizen die eine nur wenig, die andere aber gar nicht zu gebrauchen ist, so wird löbliches Amt recommandirt, dieses in der damit angestellten Prob sehr gut befundene Werklein des Meisters Mayer zu erhandeln ...«

Dessen Enkel Johann Samson Wilhelm kommt am 10. März 1787 gegen Abend zur Welt, Esslingen zählt damals nur 8000 Seelen. Samsons Mutter Paulina, Tochter des Schlossers Johann Martin Brinzinger, hat Schmerzen während jenes beißend kalten Samstags. Sie quält sich und stöhnt, bis der Sohn endlich geboren ist. Er wird das einzige Kind bleiben.

Fast zur selben Stunde sitzt im Wasserschloss Hohenheim bei Stuttgart die frühere Mätresse und jetzige Ehefrau des württembergischen Herzogs Carl Eugen. Franziska, geborene Freiin von Bernerdin, schreibt wie stets ohne Scheu vor Fehlern in ihr »Tagbuch«, das aus losen Blättern besteht: »Mit die Gesondheids umstande des Hertzogs [er leidet an Gicht] war es noch immer eins, u. der Tag wurde fast hingebracht wie gestern, nur daß man nicht so weid spatziren fur.«

Exakt ein Jahr später wird sie notieren: »Um 1 uhr geng Es nacher Stuttgardt, dorden wurde hof gehalden u. man blieb bis 6 uhr da u. kam gegen 8 uhr wieder hier [in Hohenheim] an.«

Zu einer Zeit, in der viele Säuglinge den ersten Monat nicht überleben, sind Ärzte oft hilflos. So oder so treten zwei Männer und Frauen als Samsons Paten auf: Onkel Johann Tobias Mayer, seit Jahresfrist Hofrat sowie Professor für Mathematik und Physik in Erlangen, genießt den Vorrang. Dieser sehr beschäftigte Ordinarius bleibt leider fern, doch von ihm wird man noch positiv hören. Drei ortsfeste Leute immerhin sind beim Taufakt präsent - der Sattler Johann Samson Rieger (er steuert zwei Vornamen bei), die Stadt-Cassiers-Tochter Elisabeth Wickersreuter und die Hospitalverwalters-Tochter Catharina Bahnmayer. Beide sind laut Niederschrift ledig. Was Johann Georg Schättler »unterthänigst, gehorsamst und dienstwilligst« bezeugt. Als Mesner der evangelischen Hauptkirche Sankt Dionys hat er ein wichtiges Amt.

Wo befinden wir uns? Ein Anonymus schreibt 1790 über die damals noch Freie Reichsstadt:

»Eßlingen hat eine sehr angenehme und, wie mich...
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Autor

Eberhard Neubronner wurde 1942 in Ulm geboren. Er fuhr zur See und ließ sich nach einer Fotografenlehre zum TV-Kameramann ausbilden. Es folgten mehrere Jahre als Zeitungsredakteur (Südwest Presse) und Radioreporter (Süddeutscher Rundfunk). Seit 1990 ist er freier Schriftsteller. Für sein Werk "Der Weg" erhielt Neubronner den Literaturpreis des Deutschen Alpenvereins, zwei weitere Bücher befassten sich mit dem Leben piemontesischer Bergbauern.