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Kalion. Die lautlose Woge

E-BookEPUB0 - No protectionE-Book
Deutsch
Periplanetaerschienen am20.01.2017
Die Neun Götter haben Kalion längst verlassen - nur der Stille Mahner am Firmament zeugt noch davon, dass die Welt einmal eine glücklichere war, bevor der Hochmut der Menschen sie zerstörte. Seit Generationen sind die Völker des rauen Kontinents Neroê zerstritten. Im Norden wütet eine rätselhafte Krankheit. Die verwöhnte Prinzessin Linederion aus dem Ostreich soll an einen fremden Hof verheiratet werden, der gefallene Feldherr Gellen ist auf der Flucht, weil er sein Geheimnis nicht preisgeben kann, die ehemalige Sklavin Nelei will Rache nehmen und die Schwägerin des Königs von Kendaré spinnt Intrigen, um ihren unbeliebten Sohn auf den Thron zu setzen. Doch sie alle ahnen nichts von der dunklen Gefahr, die sich im Westen zusammenbraut ... Ale? Pickar erschafft mit KALION ein facettenreiches, geheimnisvolles und vor allem düsteres Epos. Die lautlose Woge ist der Beginn einer Reise in eine rätselhafte und raue Welt und ein spannender Roman, der mit den Normen des High-Fantasy-Genres bricht.mehr

Produkt

KlappentextDie Neun Götter haben Kalion längst verlassen - nur der Stille Mahner am Firmament zeugt noch davon, dass die Welt einmal eine glücklichere war, bevor der Hochmut der Menschen sie zerstörte. Seit Generationen sind die Völker des rauen Kontinents Neroê zerstritten. Im Norden wütet eine rätselhafte Krankheit. Die verwöhnte Prinzessin Linederion aus dem Ostreich soll an einen fremden Hof verheiratet werden, der gefallene Feldherr Gellen ist auf der Flucht, weil er sein Geheimnis nicht preisgeben kann, die ehemalige Sklavin Nelei will Rache nehmen und die Schwägerin des Königs von Kendaré spinnt Intrigen, um ihren unbeliebten Sohn auf den Thron zu setzen. Doch sie alle ahnen nichts von der dunklen Gefahr, die sich im Westen zusammenbraut ... Ale? Pickar erschafft mit KALION ein facettenreiches, geheimnisvolles und vor allem düsteres Epos. Die lautlose Woge ist der Beginn einer Reise in eine rätselhafte und raue Welt und ein spannender Roman, der mit den Normen des High-Fantasy-Genres bricht.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783959960335
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format Hinweis0 - No protection
Erscheinungsjahr2017
Erscheinungsdatum20.01.2017
SpracheDeutsch
Artikel-Nr.3297848
Rubriken
Genre9200

Inhalt/Kritik

Leseprobe

Lakriels Spiegel

Gorkonai

Mit Geschepper warf Nelei ihre Waffen auf die Truhe. Die Armbrust blieb dort liegen, doch die Schwerter klirrten auf den Holzboden. Nelei beachtete es nicht. Sie trat zu der großen Schüssel und schüttete sich mit beiden Händen Wasser ins Gesicht.

Es war ein später Sommertag, mehr schon Herbst, noch immer mild und angenehm. Breite Sonnenstrahlen fielen durch das opake Dachfenster in ihr Zimmer und fröhliche Stimmen von Kindern drangen hinein. Die Morgenluft roch nach dem nächtlichen Regen frisch und schmeckte nach Laub.

Die misslungene Hinrichtung Gellens hinterließ eine wütende Spur der Zerstörung in Neleis Gefühlswelt. Vielleicht hatte Fojt recht und sie hätten ihn, allen Regeln und Gesetzen zum Trotz, dort im Morgengrauen erstechen sollen. Eine passende Erklärung dafür zu finden, wäre leicht gewesen. Doch sie verstand, dass dies Gedanken waren, die Fojt entsprachen. Hätte sie ihnen nachgegeben, wäre ihre Wut möglicherweise noch größer. Verdammter Gellen â¦

Nelei stützte sich gegen die Kommode und betrachtete sich im Spiegel. Dieses Kalidôr gehörte Lakriel und es gab Menschen, die vorbeikamen, nur um hineinzublicken. Die gorkonischen Spiegel galten als die besten auf Neroê und doch waren sie nur aus poliertem Metall und gaben ein verschwommenes Bild wieder. Aber diese runde Scheibe spiegelte das menschliche Gesicht mit einer solchen Schärfe, dass beinahe jeder in der Stadt von Lakriels Spiegel gehört hatte. Er bestand aus zahlreichen Mosaiksteinchen, getrennt durch Fugen, die so winzig waren, dass man die Oberfläche ganz nahe vor das Auge halten musste, um sie zu erkennen. Das leicht rötliche Bild erinnerte an den Wasserspiegel einer ruhigen See kurz nach dem Sonnenuntergang. Wenn man im richtigen Winkel Sonnenlicht einfallen ließ, färbte er sich in den Farben des Regenbogens. Viele sprachen von einem Zauberspiegel und verbreiteten sonderbare Geschichten darüber, wie Lakriel in seinen Besitz gekommen war. Nelei fand, dass es etwas voreilig war, um von Zauber zu sprechen, zumal der Spiegel weder Wünsche erfüllte, noch die Zukunft zeigte.

Am erstaunlichsten war das seltsame Material, aus dem dieses Kalidôr bestand. Denn der Spiegel war nicht dicker als eine Scheibe Papier und wog kaum mehr als ein Lufthauch. Es war möglich, ihn wie eine Schriftrolle zusammenzurollen, und ließ man los, rollte er sich von selbst wieder auf. Wie allweise waren die Götter einst, dass sie die Menschen solche wundersamen Dinge herzustellen lehrten? Wäre Diebstahl unter den Demenäern nicht so verpönt gewesen, Lakriel hätte zwei Wachen neben dem Kalidôr abstellen müssen.

Nelei? , erklang seine Stimme. Sie zuckte kurz zusammen. Ich habe Lärm gehört.

Es war nichts , rief sie über die Schulter. Sie hob die vom Gürtel umwickelten Schwerter vom Boden auf, hielt sie schuldbewusst an ihre Lippen und griff nach der Armbrust mit den Bolzen. Dann trug sie alles in ihre Waffenkammer.

Lakriel mochte den Spiegel haben und manch eine Frau wäre bereit gewesen, sein Bett zu teilen, nur um sich darin sehen zu dürfen. Doch der Ruhm des runden Spiegels war nicht zu vergleichen mit der Berühmtheit von Neleis Schwertern. Es gab Menschen, die jenseits von Demené oder der Gorkonai lebten und die dennoch Neleis Schwerter erkennen und benennen konnten. Die lange Waffe trug den Namen Kangbe. In Neleis Muttersprache, dem Tukwantar, bedeutete dies so viel wie Terror oder Schrecken. Das Kurzschwert hatte sie Daischaa genannt - das Gemetzel.

Die beiden Klingen waren das größte Geschenk, das Harada Dei seiner Tochter gemacht hatte. Sie waren auch das Einzige, was ihr von ihrem Vater, der sich bis an sein Lebensende weigerte, Besitztümer anzuhäufen, geblieben war.

Auf Neroê gab es Stich- und Hiebwaffen von unterschiedlicher Qualität. Manche waren aus Bronze und manche aus Eisen. Die teuren waren aus kendarischem Stahl. Doch die besten von ihnen wurden aus Kalidôr geschliffen. Ein Kalidôr war selten, doch überall in Kendaré, Tavanna und der Gorkonai wurde danach fieberhaft gesucht. Denn viele der Fundstücke konnten für die Herstellung guter Werkzeuge und neuer Waffen dienen. Handelte es sich um ein Metall, so wurde es geschmolzen, geschliffen oder gebogen und als Schmuck, Schwert oder Axt verwendet.

Doch nur Nelei besaß zwei vollständige Schwerter der Ahnen. Zwei unveränderte Kalidôr-Waffen, geschmiedet von den Vorfahren, vielleicht sogar von den Göttern selbst.

Die Priester glaubten, das Kalidôr sei kein Erbe der Ahnen, sondern eine göttliche Gabe. Wie sonst konnte es sein, dass das, was alt war, bessere Eigenschaften besaß, als das, was danach erschaffen wurde? Das machte Kangbe und Daischaa zu einem Geschenk der Allmächtigen.

Vor Wasser und Luft sicher verpackt, hatten die Schwerter unfassbare Zeitspannen überdauert. Dass Sibres Sibressin, ein wohlhabender gorkonischer Kalidôr-Baron, sie seinem demenäischen Sklaven vermacht hatte, belegte die eigentümliche Rolle ihres Vaters in der gorkonischen Gesellschaft.

Harada Dei hatte aus Kirschholz neue Griffe und Scheiden angefertigt und diese mit festem Leder überzogen. Dann hatte er beide Schwerter wochenlang geschärft und poliert, bevor er sie seiner Tochter schenkte. Mit dem Gebot, ihnen Namen zu geben und sich niemals von ihnen zu trennen.

Kangbe, das Langschwert, war kaum länger als ein ausgestreckter Männerarm und damit deutlich kürzer als vergleichbare Waffen dieser Zeit. Daischaa, das Kurzschwert, mutete den Beobachter eher wie ein zu lang geratener Dolch an. Beide Waffen besaßen weder den üblichen zweischneidigen Schliff noch eine typische Parierstange, wie sie bei den Kendari und Gorkonen gebräuchlich war. Stattdessen befand sich hinter der Fehlschärfe lediglich ein schlichter ovaler Ring. Leichtigkeit und Gleichgewicht waren neben unvergleichlicher Festigkeit und Schärfe die hervorragenden Eigenschaften dieser beiden Gefährten.

Die Erzählungen an fernen Lagerfeuern überhöhten ihre Schwerter. So machten die Krieger, denen Nelei begegnete, häufig den Fehler, von dem Aussehen der Waffen enttäuscht zu sein. Doch wer es jemals gewagt hatte, Säbel oder Schwert mit diesen Kalidôr zu kreuzen, lebte nicht lange genug, um diesen Irrtum zu bereuen.

Die Erinnerung an ihren Vater machte Nelei traurig. Die Demenäer gingen davon aus, dass er von der Seuche dahingerafft worden war, auch wenn ihn niemand hatte sterben sehen. Bei den ersten Anzeichen soll er ein kleines Schiff genommen haben und war zurück auf die Demené-Insel gefahren, um noch ein letztes Mal sein Geburtsdorf nördlich von Megar zu besuchen. Von dort sei er in See gestochen, mit dem tiefhängenden Stern der Demenäer vor dem Bug.

Nelei hatte ihr gesamtes Leben in der Gorkonai verbracht. Im Land der Herren und Sklavenhalter. Doch wie bei allen Demenäern war ihre Identität untrennbar mit dem Ewigen Licht verbunden. Sie hatte es erst nach dem Aufstand, als bereits erwachsene Frau, zum ersten Mal gesehen. Sotor eien - das Ewige Licht - war ein Symbol ihrer Heimat, der Demené-Insel. Ein Bild, das mindestens einmal am Tag in ihren Gedanken und nicht selten in ihren Träumen erschien.

Dieser seltsamste aller Sterne leuchtete unweit des nördlichen Horizonts und war deshalb nur von der Nordküste der Insel sichtbar. Befand man sich weiter südlich, verschwand das Gestirn bereits hinter dem Horizont des Erathiar-Meers.

Jedes Kind auf Neroê wusste, dass die Sterne sich nachts in Bewegung befanden und um eine im Norden gelegene Mitte kreisten. So mochten sie zwischen Abenddämmerung und Morgengrauen hinter den Bergen verschwinden, stets war darauf Verlass, dass sie am nächsten Tag wieder erschienen.

Doch Sotor Eien, der Stern der Demenäer, widersetzte sich diesen Gesetzen und schwebte seit Menschengedenken an derselben Stelle. Ein Segen durch den obersten Gott Arkron, den Herren über den Himmel und all seine Körper.

Aus der Verehrung des ruhenden Gestirns war ein Ritus entstanden, den man Lanka Sotorang nannte: den Weg des Lichts. Wer Schmach oder Unehre vermeiden wollte, der stach ins Meer und fuhr gen Norden, mit dem Kurs auf das Sotor Eien. Wer diese Reise antrat, galt als gereinigt und erhaben über Gebrechen. Nelei hatte niemals davon gehört, dass jemand von der Lichtreise zurückgekehrt sei.

Ihr Vater hatte keinen Abschied von ihr genommen. Sie war damals in Kanvä, er in Dakara. Von seinem Aufbruch erfuhr sie durch einen Boten. Sie vertraute der Nachricht, denn der Bote kannte die richtige Losung: Ma-ki schan mejen ti-ya.

Es war ein schlichter Satz in ihrer Muttersprache Tukwantar: Du bist der Sperling auf dem Tor.

Als kleines Mädchen hatte sie den Kenseti-Kämpfern beim Training zugesehen. Es war ein heißer Sommertag gewesen und der Staub des Übungsplatzes brannte an ihren nackten Füßen. Ein kleiner Vogel hatte sich auf den breiten Torflügel am Eingang gesetzt.

Du bist wie dieser Sperling , hatte ihr Vater gesagt. Du bist hier und nichts entgeht dir. Und doch ist es dein Schicksal, in die Ferne zu fliegen und frei zu sein.

Sie waren damals noch Sklaven und es erschien unwahrscheinlich, dass Nelei jemals irgendwohin als freie Frau gehen...

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