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Die unheimliche Krähe am See

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
224 Seiten
Deutsch
Julius Beltz GmbHerschienen am01.08.2017Originalausgabe
Irgendwas geht in dem schaurigen Dorf im Allgäu nicht mit rechten Dingen zu: Krähen greifen plötzlich Idas Oma an. Kaum sind Hendrik und sein kleiner Bruder Eddi da, um Ida zu helfen, wird auch Eddi von Krähen angefallen. Es ist, als läge ein schrecklicher Fluch über dem grün-blau glitzernden Stausee, der einst drei Dörfer überflutete. Sind die Krähen Boten aus der Anderswelt? Hat der Mann, der von der Rache der Götter faselt, etwas damit zu tun? Oder ist es die Rache der Natur? Ein schauriger-schöner Roman um Aberglauben und düstere Familiengeheimnisse

Martina Wildner, geb.1968 im Allgäu. Nach einigen Semestern Islamwissenschaften in Erlangen studierte sie an der Fachhochschule Nürnberg Grafikdesign. Heute lebt sie als freie Autorin mit ihrer Familie in Berlin. Bei Beltz & Gelberg veröffentlichte sie unter anderem die Romane »Jede Menge Sternschnuppen« (Peter-Härtling-Preis für Kinderliteratur), »Königin des Sprungturms« (Deutscher Jugendliteraturpreis) sowie die schaurigen Abenteuer mit Hendrik, Eddi und Ida: »Das schaurige Haus« (nominiert für den Deutschen Jugendliteraturpreis), »Die Krähe am unheimlichen See«, »Dieser verfluchte Baum«. Ihr neuester Roman »Der Himmel über dem Platz« ercheint im Frühjahr 2021.
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Verfügbare Formate
TaschenbuchKartoniert, Paperback
EUR9,00
E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
EUR6,99

Produkt

KlappentextIrgendwas geht in dem schaurigen Dorf im Allgäu nicht mit rechten Dingen zu: Krähen greifen plötzlich Idas Oma an. Kaum sind Hendrik und sein kleiner Bruder Eddi da, um Ida zu helfen, wird auch Eddi von Krähen angefallen. Es ist, als läge ein schrecklicher Fluch über dem grün-blau glitzernden Stausee, der einst drei Dörfer überflutete. Sind die Krähen Boten aus der Anderswelt? Hat der Mann, der von der Rache der Götter faselt, etwas damit zu tun? Oder ist es die Rache der Natur? Ein schauriger-schöner Roman um Aberglauben und düstere Familiengeheimnisse

Martina Wildner, geb.1968 im Allgäu. Nach einigen Semestern Islamwissenschaften in Erlangen studierte sie an der Fachhochschule Nürnberg Grafikdesign. Heute lebt sie als freie Autorin mit ihrer Familie in Berlin. Bei Beltz & Gelberg veröffentlichte sie unter anderem die Romane »Jede Menge Sternschnuppen« (Peter-Härtling-Preis für Kinderliteratur), »Königin des Sprungturms« (Deutscher Jugendliteraturpreis) sowie die schaurigen Abenteuer mit Hendrik, Eddi und Ida: »Das schaurige Haus« (nominiert für den Deutschen Jugendliteraturpreis), »Die Krähe am unheimlichen See«, »Dieser verfluchte Baum«. Ihr neuester Roman »Der Himmel über dem Platz« ercheint im Frühjahr 2021.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783407746979
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2017
Erscheinungsdatum01.08.2017
AuflageOriginalausgabe
Seiten224 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse3713 Kbytes
Artikel-Nr.3324129
Rubriken
Genre9200

Inhalt/Kritik

Leseprobe


Krähen


Grundsätzlich war unsere Aussicht vom Balkon beinahe phänomenal. An schönen Tagen konnte man bis zum Erzgebirge sehen, doch heute ließ eine fahle Nebelsuppe gerade noch das Nachbarhochhaus und den leeren Acker daneben erkennen.

Am Türrahmen zwischen Wohnzimmer und Flur lehnend, sah ich meinen kleinen Bruder Eddi bäuchlings auf dem Balkon liegen. Konzentriert spähte er durch den Spalt, den der Balkonboden und die metallene Balkonbrüstung bildeten. Ab und zu schlug er mit dem linken Fuß an die Brüstung, was ein leicht hallendes Dröhnen erzeugte. Kurz nach dem Dröhnen flog ein schwarzer Vogel über das Nachbarhochhaus hinweg in den grauen Himmel.

Was dieses Dröhnen mit dem Auffliegen eines Vogels zu tun hatte, war mir nicht ganz klar, doch jetzt schlug Eddi ganz oft mit dem Fuß an die Brüstung und daraufhin flogen viele schwarze Vögel über den Himmel. Fast der ganze Schwarm, der sich auf dem leeren Acker niedergelassen hatte, erhob sich.

Ich wusste nicht, ob es sich dabei um Krähen oder Raben handelte; den Unterschied kannte ich da noch nicht. Auch wusste ich nicht, dass es verschiedene Krähenarten gab, Aaskrähen und Saatkrähen zum Beispiel. Gar nichts wusste ich über diese Tiere. Ich wusste nur eines: Es war nicht gut, wenn sich Eddi allzu intensiv mit einer Tierart beschäftigte, wie zum Beispiel vor einem Dreivierteljahr, als er plötzlich mit Nacktschnecken kommunizieren konnte.

»Was macht Eddi da eigentlich?«, rief Mama aus der Küche. Sie bestückte gerade das neue Gewürzgläschenregal, das die Einrichtung unserer Küche, ja unserer ganzen Wohnung, komplettieren sollte. Von meinem Standort konnte ich auch sie sehen.

»Er haut mit dem Fuß an die Brüstung vom Balkon«, antwortete ich.

»Und warum tut er das?« Mama stellte ein weiteres Gewürzgläschen ins Regal und ging an mir vorbei ins Wohnzimmer, um nach Eddi zu sehen. Ich folgte ihr.

»Oje, oje«, rief Mama. »Er hat ja nur den dünnen Pulli an. Bei der Kälte! Und die Nachbarn werden sich beschweren!«

»Den Pulli sehen die Nachbarn doch gar nicht«, sagte ich.

»Ich meine nicht den Pulli, sondern den Lärm!« Mama runzelte die Stirn, als wollte sie noch etwas sagen, vielleicht über die Kälte, vielleicht über das Dröhnen, aber das tat sie nicht, sondern sie sagte: »Ida hat übrigens geschrieben.«

»Wie?«, fragte ich verwirrt.

Mama antwortete ebenso verwirrt: »Mit der Hand. Einen Brief.« Sie hielt mir einen blassgelben Umschlag hin. Blümchen waren daraufgemalt.

Mit dem Wort »Ida« war die Welt auf einen Schlag anders und mir fiel alles wieder ein. Unser Umzug in dieses kleine Dorf im Allgäu, das Haus, das wir bewohnt hatten, der schreckliche Spuk, in den wir dadurch auf einmal verwickelt waren, Ida, die uns bei der Aufklärung der gruseligen Geschichte geholfen hatte, und der Rückzug nach nicht mal einem ganzen Jahr hierher, nach C., also nach Chemnitz.

Ich hatte wirklich viel Mühe darauf verwendet, Ida einigermaßen zu vergessen, und ich glaube, sie umgekehrt auch. Nur ab und zu hatte sie mir übers Handy Neuigkeiten aus der Schule zukommen lassen, Tratsch aus der Klasse oder alberne Filmchen, doch Persönliches hatte sie nie geschrieben. Ich hatte dann bloß kurz geantwortet, aber selten etwas aus der Schule - Ida hätte ohnehin keinen gekannt. Es gab auch kaum Erzählenswertes. Meine alten Freunde waren schlimm im Stimmbruch, und ihr Wortschatz bestand aus allenfalls noch drei Wörtern, nämlich »Ey!«, »Digga!« und »Fail!«.

Dabei hatten sich meine Eltern wirklich um eine gute Wiederankunft bemüht und dafür gesorgt, dass ich wieder in dieselbe Schule kam, ja sogar in dieselbe Klasse. Dennoch hatten mich alle hier vergessen. Natürlich wussten sie, wie ich heiße, sogar meinen Geburtstag hatten die meisten noch im Kopf. Doch sie konnten nichts mehr mit mir anfangen. Was ich nicht wahrhaben wollte, war, dass auch ich nichts mehr mit ihnen anfangen konnte.

Aber auch die Lehrer machten komische Bemerkungen. Sie nannten mich »weit gereist« oder »Heimkehrer« oder wollten wissen, ob ich jetzt Schuhplattln könne. Keiner glaubte mir, dass man in Bayern ganz normal in Jeans und Kapuzenpulli in die Schule ging und nicht in der Lederhose. Innerhalb weniger Tage war ich »der Sepp«.

»Das ist doch süß von Ida, oder? Ein echter Papierbrief!«, sagte Mama und riss mich aus meinen Gedanken. »Ihr seid doch immer so gut ausgekommen!«

Ich sagte lieber nichts.

Mama saß den ganzen Vormittag über in der Wohnung, um die Antworten auf ihre Bewerbungsschreiben zu lesen und zu sortieren. Oft hatte sie schlechte Laune und steckte ihre Nase in Dinge, die sie nichts angingen. Der Briefumschlag, fiel mir auf, hatte eine ähnliche Farbe wie Idas Haar.

Doch dann zögerte Mama. »Hm«, machte sie und betrachtete noch mal kurz den Umschlag. »Aber sie schreibt gar nicht dir, sondern Eddi.«

»Wieso Eddi?«, fragte ich. Eddi ging gerade mal in die erste Klasse. Er hatte blitzschnell lesen gelernt, aber musste man ihm deswegen gleich einen Brief schreiben?

»Das weiß ich auch nicht«, sagte Mama, schüttelte kurz den Kopf und verschwand dann wieder in der Küche, um sich ihren Gewürzgläschen zu widmen.

Ich schaute hinaus. Der Tag war auf einmal noch grauer geworden, und mich ärgerte, wie Eddi da lag. Mich ärgerte, wie er mit dem Bein an die Brüstung schlug, mich ärgerte das Geräusch, das er dadurch erzeugte, mich ärgerte sogar der Vogel, der da aufflog. Aber am meisten ärgerte mich, dass Eddi einen Brief von Ida bekommen hatte.

Jetzt lag er auf einmal ganz still. Ich ging zur Balkontür, öffnete sie und sagte: »He, Eddi, Ida hat dir geschrieben!«

Eddi rührte sich nicht. Ich wollte schon wiederholen, was ich gesagt hatte, als er mit dem rechten Fuß dreimal hintereinander an die Balkonbrüstung klopfte.

»Hä?«, fragte er und hob seinen Kopf. Sein Gesicht sah ganz verschoben aus. Drei Vögel flogen nach rechts davon.

»Du hast einen Brief bekommen.«

»Echt jetzt?«

Ich fletschte die Zähne. Das hatte er sich von Monique abgeguckt, ein Mädchen aus dem Nachbarhochhaus, das mit ihm in die Klasse ging: bei jeder Gelegenheit »Echt jetzt?« zu sagen und dabei so zu klingen, als hielte man das, was der andere sagte, für eine Mischung aus wenig überraschend, lästig und sinnlos, wenn nicht gar für völlig bekloppt.

»Na, dann les ich halt Idas Brief«, sagte ich.

»Ida hat geschrieben? Warum sagst du das denn nicht gleich?«

»Das habe ich gleich zu Anfang gesagt«, erklärte ich.

»Echt jetzt?«

»Also, was ist?«, presste ich hervor. Allein sein Tonfall machte mich wahnsinnig. »Komm her oder ich mach ihn auf.«

»Du hast hier überhaupt nicht zu bestimmen, wann ich meine Briefe lese«, entgegnete Eddi sehr sachlich.

Ich sagte nichts. Eddi hatte recht. Immer hatte er recht. Und er hatte nicht nur immer recht, er hatte auch noch geerbt. Was ich sehr ungerecht fand. Genauso gut hätte auch ich das Haus im Allgäu geerbt haben können, denn ich hatte genauso viel dazu beigetragen, hinter das Rätsel dieses eigenartigen Spukhauses zu kommen. Gut dreißig Jahre zuvor waren dort zwei Brüder in unserem Alter ums Leben gekommen. Wir hatten herausgefunden, dass ihre Mutter, die seit damals alle verdächtigt hatten, in Wirklichkeit nicht am Tod ihrer Kinder schuld war. Zum Dank hatte sie Eddi das Haus vererbt.

Eddi kam jetzt herein. »Wo ist der Brief?«

»Hier«, sagte ich und gab ihm den Umschlag. Es waren Blumen draufgemalt. Ich war wirklich wütend. Eddi hatte den Brief überhaupt nicht verdient.

Er nahm den Umschlag und zog sich damit hocherhobenen Hauptes in sein Zimmer zurück. Ich ging in meines und setzte mich an den Schreibtisch, um Hausaufgaben zu machen.

Kaum hatte ich mein Mathebuch herausgeholt und mein Heft aufgeschlagen, klopfte es an der Tür. Eddi trat mit dem Brief in der Hand ein.

»Ich kann das nicht lesen«, sagte er verzweifelt.

Ehrlich gesagt hatte ich das gehofft. Ich nahm den Brief, warf einen Blick drauf und sagte: »Na ja, auch die Lehrer können Idas Schrift oft nicht entziffern.«

»Aber du doch?«, fragte Eddi.

»Natürlich«, sagte ich so gleichgültig wie möglich und wandte mich wieder meinem Mathebuch zu.

Eddi wedelte mit dem Briefbogen. »Kannst du ihn mir vielleicht vorlesen?«

»Vielleicht. Später.«

»Ach bitte. Jetzt.«

»Na gut.« Ich seufzte schwer, nahm gnädig den Brief entgegen und las ihn vor.


Lieber Eddi!

Ich...

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Autor

Martina Wildner, geb.1968 im Allgäu. Nach einigen Semestern Islamwissenschaften in Erlangen studierte sie an der Fachhochschule Nürnberg Grafikdesign. Heute lebt sie als freie Autorin mit ihrer Familie in Berlin. Bei Beltz & Gelberg veröffentlichte sie unter anderem die Romane »Jede Menge Sternschnuppen« (Peter-Härtling-Preis für Kinderliteratur), »Königin des Sprungturms« (Deutscher Jugendliteraturpreis) sowie die schaurigen Abenteuer mit Hendrik, Eddi und Ida: »Das schaurige Haus« (nominiert für den Deutschen Jugendliteraturpreis), »Die Krähe am unheimlichen See«, »Dieser verfluchte Baum«. Ihr neuester Roman »Der Himmel über dem Platz« ercheint im Frühjahr 2021.Anke Kuhl, geboren 1970, studierte freie Bildende Kunst in Mainz und Visuelle Kommunikation in Offenbach und lebt mit ihrer Familie als freie Illustratorin in Frankfurt/Main. Sie arbeitet in der Ateliergemeinschaft LABOR, die bei Beltz & Gelberg die Kinder Künstler Bücher veröffentlichen. Anke Kuhl illustrierte schon viele Bilder- und Kinderbücher. Für ihr Bilderbuch (mit Alexandra Maxeiner) >Alles Familie