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192 Seiten
Deutsch
oekom verlagerschienen am02.10.2017
Der wichtigste Rohstoff der deutschen Industrie ist der Erfindungsgeist ihrer Ingenieure. Dieses Bonmot ist richtig, aber ganz ehrlich ist es nicht. Denn ohne Rohstoffe kommt auch der klügste Ingenieur nicht weit. Während Rohstoffe wie Eisen oder Aluminium unerschöpflich erscheinen, sieht es um die sogenannten Seltenen Erden anders aus - wenn auch vor allem deshalb, weil der Quasi-Monopolist China die Mengen diktieren kann, die dem Markt zur Verfügung stehen. Ihre besondere Bedeutung verdanken die 17 Metalle der Tatsache, dass sie in äußerst sensiblen Bereichen Einsatz finden: Von der Militär technologie bis zur Kommunikations- und Energietechnik gestalten wir mit ihrer Hilfe unseren modernen Alltag. Der zehnte Band der Reihe Stoffgeschichten gibt dem Unbekannten wie Unverzichtbaren ein Gesicht, informiert über Geschichte, Verwendung und Bedeutung von Neodym, Europium & Co.

LUITGARD MARSCHALL studierte Pharmazie und promovierte im Fach Technikgeschichte. Sie war als wissenschaftliche Mitarbeiterin an der TU München und am Wissenschaftszentrum Umwelt der Universität Augsburg tätig. HEIKE HOLDINGHAUSEN ist Autorin (u.a. »Der geschenkte Planet« mit Armin Reller) und Redakteurin der taz. Im Ressort Wirtschaft und Umwelt schreibt sie vor allem über Chemikalien-, Abfall- und Rohstoffpolitik.
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KlappentextDer wichtigste Rohstoff der deutschen Industrie ist der Erfindungsgeist ihrer Ingenieure. Dieses Bonmot ist richtig, aber ganz ehrlich ist es nicht. Denn ohne Rohstoffe kommt auch der klügste Ingenieur nicht weit. Während Rohstoffe wie Eisen oder Aluminium unerschöpflich erscheinen, sieht es um die sogenannten Seltenen Erden anders aus - wenn auch vor allem deshalb, weil der Quasi-Monopolist China die Mengen diktieren kann, die dem Markt zur Verfügung stehen. Ihre besondere Bedeutung verdanken die 17 Metalle der Tatsache, dass sie in äußerst sensiblen Bereichen Einsatz finden: Von der Militär technologie bis zur Kommunikations- und Energietechnik gestalten wir mit ihrer Hilfe unseren modernen Alltag. Der zehnte Band der Reihe Stoffgeschichten gibt dem Unbekannten wie Unverzichtbaren ein Gesicht, informiert über Geschichte, Verwendung und Bedeutung von Neodym, Europium & Co.

LUITGARD MARSCHALL studierte Pharmazie und promovierte im Fach Technikgeschichte. Sie war als wissenschaftliche Mitarbeiterin an der TU München und am Wissenschaftszentrum Umwelt der Universität Augsburg tätig. HEIKE HOLDINGHAUSEN ist Autorin (u.a. »Der geschenkte Planet« mit Armin Reller) und Redakteurin der taz. Im Ressort Wirtschaft und Umwelt schreibt sie vor allem über Chemikalien-, Abfall- und Rohstoffpolitik.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783960061915
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format Hinweis0 - No protection
FormatFormat mit automatischem Seitenumbruch (reflowable)
Erscheinungsjahr2017
Erscheinungsdatum02.10.2017
Seiten192 Seiten
SpracheDeutsch
Artikel-Nr.3349300
Rubriken
Genre9201

Inhalt/Kritik

Leseprobe


Einleitung

Postfossil und digital: Seltene Erden als Metalle unserer Zeit

Der wichtigste Rohstoff der deutschen Industrie ist der Erfindungsgeist ihrer Ingenieure. Dieses oft verwendete Bonmot ist natürlich richtig, aber ganz ehrlich ist es nicht. Denn ohne Eisen und Stahl, Kupfer und Aluminium, Wolfram, Neodym und Lithium kommt auch der klügste Ingenieur nicht weit. Was sich banal anhört, war in Unternehmen und Öffentlichkeit erstaunlicherweise lange Zeit kein Thema. Für die Wirtschaft schien es selbstverständlich zu sein, garantiert und zu akzeptablen Preisen über notwendige Stoffe verfügen zu können.

Doch dann kam das Jahr 2008, in dem fast alle wichtigen Rohstoffe sehr schnell unglaublich teuer wurden. Kurz danach stürzten die Preise stark ab. Die Unternehmen müssten sich wohl, urteilten Experten, künftig auf weniger stabile, vielmehr stark schwankende Preise einstellen. Zwei Jahre später, Unternehmen und Staaten kämpften mit der Wirtschafts- und Finanzkrise, gab China bekannt, dass es den Export Seltener Erden einschränken werde. Schon vorher hatte sich angedeutet, dass das Riesenreich andere Pläne hatte, als seine kostbaren Metalle zu Spottpreisen an die Industrienationen zu liefern; lieber würde die Regierung sie für eigene politische und wirtschaftliche Zwecke verwenden. Nun waren Industrie und Politik in den USA und Europa ernsthaft alarmiert, denn die Versorgungssicherheit mit Rohstoffen insgesamt schien nicht mehr sicher. So gelangte das Rohstoffthema ganz oben auf die wirtschaftspolitische Agenda. Der amerikanische Präsident drohte China mit einem Verfahren vor der Welthandelsorganisation WTO und tatsächlich kam es bald darauf zu einem langen Handelsstreit. Die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel thematisierte die Seltenen Erden auf einer Chinareise und mahnte offene Märkte an. In Deutschland meldeten sich besorgt die Unternehmen zu Wort: »Bosch befürchtet Engpass bei wichtigen Rohstoffen«, meldete eine Nachrichtenagentur, eine andere sah »Reserven nur noch für vier Wochen«.1

Die Metalle der Seltenen Erden standen im Zentrum für diese Entwicklung. Obwohl sie meist nur in kleinsten Mengen verwendet werden und ihre weltweite Jahresproduktion mühelos in einem Massengutfrachter Platz hätte, besitzen die meisten der 17 Metalle, die unter der Bezeichnung »Seltene Erden« zusammengefasst werden, eine große strategische Bedeutung - etwa in der Militärtechnologie oder der Kommunikations- und Energietechnik. Einzeln betrachtet, finden einige von ihnen häufiger Verwendung, etwa die supermagnetischen Elemente Neodym und Praseodym in Windturbinen. Andere haben geringe(re)n praktischen Nutzen, etwa metallisches Lutetium, das in kleinen Mengen als Katalysator in der Erdöl-Raffination eingesetzt wird.

Egal, ob sie häufig oder weniger häufig gebraucht, ob sie in kleinen oder sehr kleinen Mengen eingesetzt werden: Seltene Erden sind »Enabler« - »Möglichmacher« - von bestimmten Produkten und somit unverzichtbare Grundlage ganzer Industriezweige. Aufgrund ihrer besonderen Materialeigenschaften finden sie sich in zahllosen Produkten, in Mobiltelefonen, Laptops, elektrischen Zahnbürsten, Windrädern, Hybrid- und Elektroautos; sie sind in Lasersystemen und Beleuchtungsmitteln verbaut, von der Energiesparlampe bis zum Leuchtkugelschreiber. Darüber hinaus ermöglichen sie als Katalysatoren den reibungslosen und effizienten Ablauf vieler Produktionsprozesse, vor allem in der Erdöl- und Chemieindustrie. Ohne sie zu bemerken, gestalten wir unseren modernen Alltag von früh bis spät mit Hilfe der Seltenen Erden.

Von der Ankündigung Chinas - Quasi-Monopolist in der Produktion der Seltenen Erden - den Export der Metalle zu begrenzen oder gar einzustellen, fühlten sich die Industriegesellschaften also zu Recht existenziell bedroht.
War da was?

Umso erstaunlicher ist die Lage fünf Jahre später: »Der Hype um die Seltenen Erden ist vorbei«, heißt es 2015 lapidar in der Presse.2 Die US-amerikanische Mine Mountain Pass, nach Jahren des Stillstands 2010 unter großer öffentlicher Aufmerksamkeit als Konkurrenz zu China wieder eröffnet, hat ihren Betrieb inzwischen schon wieder eingestellt; die Anleger an der Börse sitzen auf einmal auf schlechten Rohstoffpapieren. Das so besorgniserregende Thema hat fünf Jahre später scheinbar seine Wirkung verloren. Neue Vorkommen wurden entdeckt, die Industrie habe durch den Ersatz Seltener Erden durch andere Metalle oder durch neue Technologien große Mengen an Seltenerdmetallen eingespart, heißt es. Wichtiger als die Versorgungssicherheit mit Rohstoffen sei für die Unternehmen inzwischen, den Eintritt in das digitale Zeitalter, die »Industrie 4.0«, nicht zu verpassen.3

Die große Aufregung und das nachfolgende Desinteresse passt gut zu den Metallen der Seltenen Erden, denn ihre Geschichte war schon immer voller Missverständnisse und Fehldeutungen. Chemiker aus Schweden, Finnland, Deutschland, Frankreich, Österreich und der Schweiz, die angetreten sind, um die Rätsel um die Seltenen Erden zu lösen, kämpften seit dem 18. Jahrhundert mit dürftigen Kommunikationsmöglichkeiten und unzweckmäßigen Analyse- und Trennmethoden.4 Sie arbeiteten zur gleichen Zeit an denselben Fragestellungen, ohne sich austauschen zu können; immer wieder warfen ungenaue und fehlerhafte Experimente und Berichte den Erkenntnisprozess zurück. Zum Teil verschwendeten die Wissenschaftler viel Zeit und Energie, um ihre Ansprüche als Erstentdecker oder Namensgeber durchzusetzen.

Insgesamt vergingen mehr als 150 Jahre, ehe alle 17 Elemente entdeckt und beschrieben waren. Heute bezeichnet die »International Union of Pure and Applied Chemistry« (IUPAC) mit dem Sammelnamen »Seltene Erden« oder »Seltenerdmetalle« Elemente des Periodensystems mit den Protonenzahlen 21 und 39 sowie 57 bis 71. Letztere tragen auch noch den alten Namen »Lanthanoide«, verliehen durch das Element mit der Ordnungszahl 57, das Metall Lanthan. In der Gruppe der Seltenen Erden werden jedenfalls folgende Metalle mit teils exotisch klingenden Namen zusammengefasst: Scandium, Yttrium, Lanthan, Cer, Praseodym, Neodym, Promethium, Samarium, Europium, Gadolinium, Terbium, Dysprosium, Holmium, Erbium, Thulium, Ytterbium und Lutetium.
Es begann in Ytterby

Ende des 18. Jahrhunderts - in Paris braute sich die Französische Revolution zusammen, überall in Europa wurden die Ideen der Aufklärer diskutiert - war der Soldat Carl Axel Arrhenius in dem Festungsstädtchen Vaxholm in den Schären vor Stockholm stationiert. Er interessierte sich für die Naturwissenschaften, besonders für Mineralogie und Chemie. 1787 reiste er nach Paris und traf dort den berühmten Chemiker Antoine Laurent de Lavoisier, der die moderne Chemie als Naturwissenschaft mitbegründete. Lavoisier war darüber hinaus Jurist - und einer der Inspekteure der Französischen Schießpulverfabriken. In diesem Amt sollte ihm Arrhenius in Schweden später nachfolgen - so, wie er der »neuen Chemie« Lavoisiers folgte, die sich u. a. auf überprüfbare Messmethoden gründete.

Kurz vor seiner Reise hatte der Hobbymineraloge ein kleines Bergwerk in der Nähe der heimatlichen Festung durchstöbert, in dem seit dem frühen 18. Jahrhundert Feldspat für die Porzellanindustrie abgebaut wurde. Die »Ytterby gruva«, die »Grube Ytterby«, hielt neben Silikat-Mineralen viele Überraschungen bereit. So fand Arrhenius 1787 einen auffällig schweren und pechschwarzen Stein. Aus diesem, nach seinem Fundort benannten »Ytterbit«, isolierte der finnische Chemiker Johan Gadolin 1794 - Arrhenius hatte längst im Militär Karriere gemacht - die bis dahin unbekannte »Yttererde«. Unter einer »Erde« verstanden Chemiker damals das Oxid eines Metalls - daher auch der Name »Tonerde« für Aluminiumoxid. Mit unserer heutigen Vorstellung von »Erde«, in die wir Blumen pflanzen, hat der Name also nichts zu tun.

In der Folge entpuppte sich die Yttererde indes als etwas anderes, nämlich als ein Gemisch verschiedener, eng miteinander verwandter Metalloxide. Wie viele es waren, blieb lange unklar, weil geeignete Trennmethoden fehlten. Immer wieder erwies sich ein vermeintlich neu nachgewiesenes Metall als weiteres Gemisch unterschiedlicher Metalle. Erst 1843 gelang es dem schwedischen Chemiker Carl Gustav Mosander, die Elemente Yttrium und Terbium in Reinform zu gewinnen und zu beschreiben. Seinen Landsmann Arrhenius hatte man zu diesem Zeitpunkt, als Major und Mitglied der schwedischen Akademie der Wissenschaften, schon lange beerdigt. Und erst 1949 wurde das letzte Seltenerdelement aufgespürt: Promethium, ein radioaktives Spaltprodukt des Uran. Jacob Marinsky, Lawrence Glendenin und Charles Coryell entdeckten es im Oak Ridge National Laboratory in Tennessee. Mit seiner kurzen Halbwertszeit von 18 Jahren kann es in der Natur nicht nachgewiesen werden.5
Seltenerdchemie

Mitte des 20. Jahrhunderts waren also alle Seltenerd-Elemente entdeckt - doch längst nicht alle Unklarheiten beseitigt. Noch immer galt die Seltenerdchemie als schwieriges und experimentell extrem anspruchsvolles Gebiet, auf dem die sonst üblichen Nachweis- und Trennverfahren versagten, da sich die einzelnen Elemente in ihrem chemischen und physikalischen Verhalten zu ähnlich sind. So stöhnte der britische Chemiker und Physiker Sir William Crookes 1902: »Diese Elemente verblüffen uns in unseren Untersuchungen, widersprechen unseren Annahmen und verfolgen uns in unseren Träumen. Sie erstrecken sich wie ein unbekanntes Meer vor uns, spottend und rätselhaft murmeln sie seltsame Offenbarungen und Möglichkeiten.«6 Bertram Boltwood, ein Radiochemiker aus den USA, schloss sich...

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