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Der Sport der Könige

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
960 Seiten
Deutsch
Penguin Random Houseerschienen am29.10.2018
Virtuos erzählt die Schriftstellerin C.E. Morgan von den Menschen, die das Erbe der amerikanischen Geschichte in sich tragen, und erschafft damit ein an Faulkner erinnerndes, großes modernes Epos.
Henry Forge und seine Tochter Henrietta haben einen Traum: Sie wollen das beste Rennpferd aller Zeiten züchten. Die Familie Forge gehört zu den ältesten und einflussreichsten Pferdezüchterdynastien von Kentucky, ihr Vollblut Hellsmouth bringt exzellente Vorraussetzungen mit. Doch als Allmon Shaughnessy auf der Farm anheuert, ein ehrgeiziger junger Schwarzer, und sich Henrietta in ihn verliebt, werden Kräfte freigesetzt, die seit Jahrhunderten das Leben in den Südstaaten bestimmt haben und immer noch machtvoll sind. Angst, Vorurteile und sexuelles Verlangen, Rassismus und Wut, die Kluft zwischen Arm und Reich, Unterdrückung, ja Gewalt sind die ständigen Begleiter dieses Lebens im Schatten der Sklaverei, die untrennbar verbunden ist mit der amerikanischen Geschichte.

C.E. Morgan lebt mit ihrer Familie in Berea, Kentucky. Ihr erster Roman »Die Glut der Sonne« ist 2010 erschienen. Ihr zweiter Roman »Der Sport der Könige« erregte in den USA großes Aufsehen, wurde mit mehreren Literaturpreisen ausgezeichnet und kam 2017 auf die Shortlist des Pulitzerpreises.
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Produkt

KlappentextVirtuos erzählt die Schriftstellerin C.E. Morgan von den Menschen, die das Erbe der amerikanischen Geschichte in sich tragen, und erschafft damit ein an Faulkner erinnerndes, großes modernes Epos.
Henry Forge und seine Tochter Henrietta haben einen Traum: Sie wollen das beste Rennpferd aller Zeiten züchten. Die Familie Forge gehört zu den ältesten und einflussreichsten Pferdezüchterdynastien von Kentucky, ihr Vollblut Hellsmouth bringt exzellente Vorraussetzungen mit. Doch als Allmon Shaughnessy auf der Farm anheuert, ein ehrgeiziger junger Schwarzer, und sich Henrietta in ihn verliebt, werden Kräfte freigesetzt, die seit Jahrhunderten das Leben in den Südstaaten bestimmt haben und immer noch machtvoll sind. Angst, Vorurteile und sexuelles Verlangen, Rassismus und Wut, die Kluft zwischen Arm und Reich, Unterdrückung, ja Gewalt sind die ständigen Begleiter dieses Lebens im Schatten der Sklaverei, die untrennbar verbunden ist mit der amerikanischen Geschichte.

C.E. Morgan lebt mit ihrer Familie in Berea, Kentucky. Ihr erster Roman »Die Glut der Sonne« ist 2010 erschienen. Ihr zweiter Roman »Der Sport der Könige« erregte in den USA großes Aufsehen, wurde mit mehreren Literaturpreisen ausgezeichnet und kam 2017 auf die Shortlist des Pulitzerpreises.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783641237059
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2018
Erscheinungsdatum29.10.2018
Seiten960 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse2073 Kbytes
Artikel-Nr.3400090
Rubriken
Genre9200

Inhalt/Kritik

Leseprobe


Die seltsame Familie der Dinge

Die Sanftheit deiner Gesinnung wird sich allmählich durch den ganzen Körper des Reiches verströmen, und alles wird sich nach der Ähnlichkeit mit dir bilden.

SENECA

»Henry Forge, Henry Forge!«

Wie weit kann man vor seinem Vater davonrennen? Der Junge verschwand im Mais, und die grünen Blätter streiften ihn wispernd, während er durch die zugewucherten Reihen lief. Er blieb einmal, zweimal an den Stängeln hängen und schrie auf wie ein verwundeter Vogel, griff nach seinem Ellbogen, aber er stürzte nicht. Er hatte einmal gesehen, wie ein Junge sich auf dem Schulhof den Arm brach; der Knochen hatte geknackt wie ein brechender Zweig, und als der Junge aufstand, hing sein Arm schief herab, und der Knochen ragte hervor wie ein gespaltener Küchenlöffel aus Eschenholz ...

»Henry Forge, Henry Forge!«

Erstens: Ich bin Henry Forge.

Die Stimme seines Vaters hallte über die gekrümmte Fläche der Erde, domine deus omnipotens, dictator perpetuo, vivat rex, Amen! Die dicken Hülsen reckten ihre Kolben dem Klang entgegen, doch der Junge flitzte über den fruchtbaren Boden, einen Boden, der seit Generationen diesen Mais hervorbrachte und irgendwann einmal dumm grasende, nach Mist stinkende Rinder ernährt hatte. Rinder hatte er satt, und er war erst neun.

Zweitens: curro, currere, cucurri, cursus. Ich laufe bis in alle Ewigkeit.

Der Dummkopf, wie sollte er wissen, dass ihn die Pflanzen verrieten, das flächserne Dach des Maises tanzend und schwankend, während er hindurchlief, und dann wieder in scheue Stille verfallend, wie sollte er wissen, dass sein Vater ihn nicht verfolgte, sondern seine törichte Flucht von der Veranda aus beobachtete? Im ersten Stock quietschte ein Fenster, und ein blonder, stummer Kopf tauchte auf, eine blasse, seltsam durchscheinende Hand gestikulierte zu John Henry, John Henry. Sie schlug zweimal aufs Fensterbrett. Doch der Mann blieb, wo er war, den Blick auf die überstürzte Flucht seines Sohnes gerichtet.

Durch den Abstand wiegte sich der kleine Junge fälschlich in Sicherheit und lief langsamer. Er boxte nach den Maispflanzen, von denen manche in einem Scheinangriff zurückschnellten und andere am Stängel abknickten. Es interessierte ihn nicht; seine Gedanken verweigerten sich irgendeinem Punkt in der Zukunft, an dem Entschädigung erwartet und gefordert werden könnte. Die Flucht machte Spaß, ging auf Kosten einer Zukunft, die ihm in diesem Augenblick unmöglich vorkam. Den Stier hatte er fast vergessen.

Drittens: Meine Herren Geschworenen, ich bin nicht schuldig!

Der Mais spie ihn aus. Das Gesicht vom Spießrutenlauf zerkratzt, mit wirr vom Kopf abstehenden Haaren, hielt er zwei Hände voll Hülsen umklammert und holte tief Luft. Hier ist das alte Land die alte Sprache: Der Rest des Bezirks fällt in Abhängen und Mulden von ihrer Grundstücksgrenze aus ab. Die Tabakpflanzen des Nachbarn erstrecken sich, so weit das Auge des Jungen reicht, so dass unglaublich viele verschiedene Grüntöne die bekannte Welt auszumachen scheinen, die wellige Erde ein weites grünes Meer, nur von den schwarzen Schiffen der Tabakscheunen gesprenkelt, ein so durchdringendes Grün, dass es einen Kilometer unter seinen Füßen einen kühlen, fruchtbaren Kern verheißt. In der Ferne wieder ansteigende Felder, die langsam aufwärts wogen, eine grasbewachsene Decke, ausgeschüttelt vor einem brachliegenden Himmel. Eine Baumreihe zeichnet auf dieser fernen Seite die Dünung nach und bildet einen dunklen Zaun zwischen zwei Farmen. Die Dächer der Farmhäuser sind tintenschwarz, die Fassaden von immergrünen Pflanzen verdeckt, und so ist die Welt ohne Unterbrechung schwarz und grün und schwarz und grün, in endloser Folge. Er weiß, dass die andere Seite jenes fernen Horizonts sich in denselben leuchtenden Wogen erstreckt, so wie er weiß, dass dieses ganze Land und noch mehr einmal ihnen gehörte, als sie durch das Gap kamen und es in Besitz nahmen, und falls sie nicht die erste Familie hier waren, so fehlte doch nicht viel. Sie seien in erster Linie Kentuckier, dann Virginier und schließlich Christen, und das Ganze sei ihr Verdienst, sagte sein Vater. Die ganze gottverdammte Unternehmung.

Viertens: Erstgeburt ist der beste Freund eines Jungen.

Hinter der Wand aus Mais hörte er Pferdegewieher und stürmte zu dem Zaun, der das Land der Forges vom ersten Tabakfeld trennte, das den Osbournes gehörte. Er kletterte über die grob behauenen Stangen. Als er über die Schulter blickte, sah er den stolzen rotbraunen Kopf eines Walkers um die Ecke biegen, flitzte zu den ersten hüfthohen Pflanzen, kroch dazwischen und warf sich auf das feuchte, aufgelockerte Bett. Presste das Gesicht auf den Boden, der weder rot noch braun wie Tonerde war und seine ramponierte Wange mit Kriegsbemalung färbte.

Pferd und Reiter bogen um die Ecke. Der Walker lief locker und leichtfüßig, Kopf und Hals äußerst aufrecht, die großen Augen sanft wie Monde, mit der angeborenen Gelassenheit seiner Rasse. Aus Gewohnheit überblickte das Pferd seine Umgebung, verlangsamte in der Nähe des Zauns sein Tempo und stolzierte an den Stangen entlang. Sein hoher Schweif strömte wie eine Fontäne aus der aufgerichteten Schweifrübe und ergoss sich dann über die verdeckten Fesseln fast bis zum Boden. Der Schweif zitterte und verriet das nervöse Blut, das in dem eher ruhigen Pferd strömte.

»Hmmmm«, sagte der Reiter so laut, dass der Junge an seinem schattigen Plätzchen auf dem Boden es hören konnte. Filip.

Fünftens: Diese Rasse war einmal eine Art von Besitz. So steht es in den Wirtschaftsbüchern.

Der Mann hielt sich so aufrecht wie das Pferd, sein Rücken kerzengerade, als wäre jeder Wirbel mit dem nächsten verlötet. Eine Hand hielt die Zügel, eine lag locker auf seinem Schenkel. Ein leuchtend grünes Blatt verdeckte seine Gesichtszüge, aber der Junge sah den glänzenden Kopf unter dem dunklen Kraushaar. Dieser Kopf auf dem starren Rücken wandte sich hin und her.

»Oh«, sagte der Mann plötzlich, lenkte das Pferd nach links, und nach einem tänzelnden vorbereitenden Schritt setzte es mit kraftvoller Anmut über den Zaun, worauf der erschrockene Junge durch die Pflanzen schoss wie ein heller Fisch und tiefer in das Tabakfeld tauchte. Das Pferd folgte ihm nicht, sondern blieb seitwärts tänzelnd am Rand des Feldes stehen, die aufgestellten Ohren auf die Stimme des Reiters fixiert.

»Mister Henry«, sagte Filip.

Henry kroch auf allen vieren davon.

»Martha White erwischt dich«, sagte Filip. »Glaubst du nicht?« Er wartete, dann: »Ich schnapp dich auch zu Fuß. Glaubst du nicht?«

Henry wusste nicht mehr, wo er sich in dem endlosen Tabak befand. Er schmiegte sich an den Fuß einer Pflanze und rief: »Ich war´s nicht!«

»Oh, ich weiß, dass du den Stier nicht getötet hast!«, brüllte Filip zurück.

»Ich schwör´s!«

»Ich weiß es, du weißt es. Das war irgendein anderer Dummkopf«, sagte Filip. »Und jetzt komm da raus.«

»Nein!«

»Na, komm schon ...«

Henry erhob sich mit wackligen Beinen, und es sah aus, als würde er auf der Flucht durchs Meer waten. »Vater ist wütend auf mich.«

Der Mann zuckte steif mit der Schulter. »Erklär´s ihm. Der Verständige folgt der Vernunft.«

»Er hat dich nicht hinter mir hergeschickt?«

»Nee«, sagte Filip. »Ich hab dich verduften sehen wie ´nen Fuchs, der das Weite sucht, da bin ich hinterhergejagt.«

Der Junge biss sich auf die Lippe und kämpfte mit seinen letzten Vorbehalten, dann bahnte er sich einen Weg durch die Pflanzen zum Rand des Feldes. Filip starrte über seine scharfgeschnittenen Wangenknochen hinweg, beugte aber nicht den Kopf vor, während er ihm die Finger seiner Pranke entgegenstreckte. Weiße Schwielen prangten auf seiner Haut wie Geschwüre.

»Wohin reiten wir?«, fragte der Junge misstrauisch und überlegte noch immer, wie seine Chancen standen.

»Wohin willste denn?«, fragte der Mann.

»Nach Clark County«, sagte Henry, der erste Ort, der ihm in den Sinn kam.

»Tatsächlich?«, sagte Filip, und seiner tabakrauen Kehle entrang sich ein trockenes Lachen. Der Junge begriff die Bedeutung des Lachens nicht.

»Steig auf«, sagte er, und Henry gehorchte.

Sechstens: Im Leben muss man etwas riskieren. Ein notwendiges Übel.

Durch Filips Kraft und seinen eigenen Sprung hinaufgeschwungen, kletterte er zum Schoß des Mannes und setzte sich auf den Widerrist. Der kurze, breite Hals des Pferdes zuckte und zitterte unter ihm wie ein träumender Hund. Von da, wo er saß, konnte er direkt über den schwarzen Schopf und die Nase hinweg bis zu den großen samtigen Nüstern sehen.

»Reiten wir los«, sagte er.

»Noch nicht. Ich will mir erst eine Zigarette drehen. Halt mal«, sagte Filip, der eine Schachtel aus der Brusttasche seines karierten Hemdes zog. »Hm, ich hab kein Zigarettenpapier.« Er betastete seine Tasche. »Willste mit mir zum Laden reiten?«

»Klar«, sagte Henry und drückte winzige Blutstropfen von seinen Knien auf den Hals des Braunen. Er rieb sie mit dem Finger ein, und sie verschwanden im Körper des Pferdes, der so dunkelrot war wie Wein.

Filip ergriff die Zügel, und Martha White machte einen Schritt zurück und stellte sich vor dem Zaun auf.

»Gut festhalten«, sagte Filip, und als das Pferd aus der Hinterhand sprang, klammerte sich der Junge ängstlich oben am Hals fest, der Mann beugte sich zum Rücken des Jungen vor, und sie...

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Autor

C.E. Morgan lebt mit ihrer Familie in Berea, Kentucky. Ihr erster Roman »Die Glut der Sonne« ist 2010 erschienen. Ihr zweiter Roman »Der Sport der Könige« erregte in den USA großes Aufsehen, wurde mit mehreren Literaturpreisen ausgezeichnet und kam 2017 auf die Shortlist des Pulitzerpreises.