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Sister, Sister - Zwei Schwestern. Eine Wahrheit.

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
448 Seiten
Deutsch
Penguin Random Houseerschienen am14.01.2019
Zwei Schwestern. Eine erzählt die Wahrheit. Die andere ist eine Mörderin.
Eines wird Clare nie vergessen: den Tag, an dem ihr Vater ihre kleine Schwester Alice nach Amerika entführte. Nach zwanzig Jahren Ungewissheit kommt endlich ein Brief: Alice will ihre Familie wiedersehen. Überglücklich schließen sie die verloren Geglaubte in ihre Arme. Aber bald fallen Clare seltsame Dinge auf: Wieso trifft Alice heimlich Clares Chef? Was sucht sie nachts im Atelier von Clares Mann? Niemand nimmt ihre Bedenken ernst. Sie entdeckt, dass Alice ihre Kleider trägt - doch Alice behauptet, sie sei paranoid. Wer lügt, und wer sagt die Wahrheit? Eine von beiden spielt ein böses Spiel. Und jeder muss selbst entscheiden, wem er glaubt.

Sue Fortin wohnt im Süden Englands. Sie ist verheiratet und hat vier Kinder. »Sister, Sister« war ein Bestsellererfolg in England und ist nun der erste Roman der Autorin bei Penguin.
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Verfügbare Formate
TaschenbuchKartoniert, Paperback
EUR11,00
E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
EUR7,99

Produkt

KlappentextZwei Schwestern. Eine erzählt die Wahrheit. Die andere ist eine Mörderin.
Eines wird Clare nie vergessen: den Tag, an dem ihr Vater ihre kleine Schwester Alice nach Amerika entführte. Nach zwanzig Jahren Ungewissheit kommt endlich ein Brief: Alice will ihre Familie wiedersehen. Überglücklich schließen sie die verloren Geglaubte in ihre Arme. Aber bald fallen Clare seltsame Dinge auf: Wieso trifft Alice heimlich Clares Chef? Was sucht sie nachts im Atelier von Clares Mann? Niemand nimmt ihre Bedenken ernst. Sie entdeckt, dass Alice ihre Kleider trägt - doch Alice behauptet, sie sei paranoid. Wer lügt, und wer sagt die Wahrheit? Eine von beiden spielt ein böses Spiel. Und jeder muss selbst entscheiden, wem er glaubt.

Sue Fortin wohnt im Süden Englands. Sie ist verheiratet und hat vier Kinder. »Sister, Sister« war ein Bestsellererfolg in England und ist nun der erste Roman der Autorin bei Penguin.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783641224868
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2019
Erscheinungsdatum14.01.2019
Seiten448 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse3430 Kbytes
Artikel-Nr.3400151
Rubriken
Genre9200

Inhalt/Kritik

Leseprobe


Kapitel 1

Manchmal friert man nicht nur im tiefsten Winter, wenn einem der Atem wie eine Wolke vor dem Mund steht, die Zehen taub sind vor Kälte und die Finger steif gefroren. Manchmal friert man auch in der Wärme des eigenen Zuhauses, im Kreis der Familie.

Ich liege in einem Bett, das nicht meines ist; das steht fest. Erstens ist die Matratze härter. Die gewohnte, vertraute Nachgiebigkeit fehlt. Vorsichtig strecke ich die Finger aus und höre, wie Baumwolle leise an Plastik scharrt. Eine wasserdichte Matratze also.

Ich spüre das schwere Bettzeug auf mir. Wieder vermisse ich die tröstende Weichheit meiner mit Kunstfaser gefüllten Bettdecke. Ein starreres Gewicht lastet auf mir. Ich hebe den Finger und streiche damit über den Stoff. Noch mehr gestärkte Baumwolle. Vermutlich handelt es sich bei der zusätzlichen Schwere um eine Decke auf dem Laken. Ich schließe eine kleine Wette mit mir selbst ab, dass sie blau ist. Oder vielleicht doch eher grün ... vielleicht sogar weiß. In letzter Zeit habe ich zu oft danebengetippt. Aber ganz sicher ist sie geriffelt. So viel ist klar.

Bis jetzt habe ich mich gezwungen, nicht die Augen zu öffnen.

Durch die geschlossene Tür höre ich Stimmen von vorbeigehenden Menschen. Die Geräusche werden lauter und leiser, wie Wellen, die an die Küste schlagen.

Ein leichter Geruch von Desinfektionsmittel schwebt in der Luft und mischt sich mit dem süßlichen einer sterilen Umgebung, was meine Vermutung bestätigt: Ich bin in einem Krankenhaus.

Und da ist noch ein Geruch, einer, den ich sehr gut kenne. Es ist der Geruch seines Rasierwassers, der etwas von einer frischen Meeresbrise an sich hat. Ich habe es ihm letztes Jahr zum achten Hochzeitstag geschenkt. Es stammt zwar von einem teuren Designer, doch der Preis war mir egal. Es hat mich noch nie gestört, Geld für Luke auszugeben. Forever heißt es - für immer. Tja, anscheinend hat der Name nicht viel zu bedeuten. Ich bin nicht sicher, ob ich ihm dieses Jahr etwas zum Hochzeitstag schenken werde. Oder überhaupt jemals wieder.

»Clare? Clare, kannst du mich hören?« Es ist Lukes weiche Stimme dicht an meinem Ohr. »Bist du wach?«

Ich will nicht mit ihm reden. Ich bin noch nicht so weit. Ich habe zwar keine Ahnung, warum, aber ein Gefühl rät mir, nicht zu reagieren. Seine Finger schließen sich um meine. Ich spüre, dass er zudrückt. Obwohl ich das seltsame Bedürfnis habe, ihm meine Hand zu entreißen, bleibe ich völlig reglos liegen.

Ich höre, wie sich zischend die Tür öffnet. Schuhe mit Korksohlen bewegen sich schmatzend über den Linoleumboden. »Mr. Tennison?«, sagt eine leise Stimme. »Draußen ist ein Polizist. Er würde gern mit Ihnen sprechen.«

»Was, jetzt?«

»Er möchte sich auch mit Mrs. Tennison unterhalten, aber ich habe ihm gesagt, das sei jetzt noch nicht möglich.«

Lukes Hand gleitet aus meiner. Sein Stuhl schrappt über den Boden. »Danke«, antwortet Luke.

Ich lausche, als er und die Krankenschwester hinausgehen. Offenbar hat Luke die Tür nicht richtig geschlossen, denn ich verstehe jedes Wort des Gesprächs.

»DC Phillips«, verkündet der Polizist. »Entschuldigen Sie die Störung, Mr. Tennison. Wir hatten gehofft, Ihre Frau befragen zu können, aber die Krankenschwester sagt, sie sei noch nicht wieder voll bei Bewusstsein.«

»Ja, das ist richtig«, entgegnet Luke. Ich erkenne an seinem Tonfall, dass er mich schützen will, und male mir aus, wie er sich zu voller Größe aufrichtet und die Schultern strafft. So wie immer, wenn er sich durchsetzen will. So wie immer, wenn wir uns streiten.

»Vielleicht könnten Sie uns ja helfen.«

»Ich werd´s versuchen.« Inzwischen klingt er leicht gereizt. Wer ihn nicht kennt, würde es wahrscheinlich nicht bemerken. Ich habe es in letzter Zeit häufig genug erlebt, öfter, als mir lieb war.

»Wie würden Sie die Gemütsverfassung Ihrer Frau beschreiben, die zu dem gestrigen ... äh ... Zwischenfall geführt hat?«, erkundigt sich Phillips.

Zwischenfall? Was für ein Zwischenfall? Ich versuche mich zu erinnern, was der Detective meinen könnte, aber Fehlanzeige. Außerdem lenkt Lukes Antwort mich ab.

»Gemütsverfassung?«, wiederholt er.

»Ihre Stimmung. War sie glücklich? Traurig? Geistesabwesend? Besorgt?«

»Ich weiß sehr wohl, was Gemütsverfassung bedeutet«, unterbricht Luke. Diesmal ist nicht zu überhören, dass er sich ärgert.

Ich versuche mich zu erinnern: Wie habe ich mich in letzter Zeit gefühlt? Traurig, zornig und ängstlich lauten die Antworten, die in mir hochsteigen. Aber ich bekomme den Grund nicht zu fassen.

Luke lässt den Detective ein wenig schmoren. Vermutlich denkt er über die Frage nach, um auch ja nichts Falsches zu sagen. Wenn ich mich auf das winzige Gekräusel meines Gedächtnisses verlassen kann, werde ich mich wahrscheinlich später gegen seine Worte verwahren müssen.

Allmählich meldet sich die Erinnerung wieder, keine genauen Gedanken, sondern Gefühle. Außerdem nicht tröpfchenweise, sondern in Wellen. Ich spüre, wie sich der Zorn erneut meldet. Ob Luke Revue passieren lässt, wie wütend ich gewesen bin? Wie starrsinnig? Als was hat er mich während unseres letzten Streits bezeichnet? Ach ja, ich weiß es wieder: total durchgeknallt. Wird er das dem Detective verraten? Und wenn ja, wird er ihm auch erklären, warum ich »durchgeknallt« bin?

»Clare stand in letzter Zeit stark unter Druck«, meint er schließlich. »Sie hatte viel um die Ohren.«

»In welcher Hinsicht?«, hakt der Detective nach.

»Sie hatte Schwierigkeiten, sich an einige Veränderungen in ihrem Privatleben zu gewöhnen.« Das geht dich einen Scheißdreck an, denkt er vermutlich gerade.

Mein Verstand rast. Was will Luke mit »Veränderungen in meinem Privatleben« ausdrücken? Was zum Teufel ist mir bloß zugestoßen, dass ich im Krankenhaus gelandet bin?

Die Antwort erfolgt nicht sofort. Nur dass sich in diesen wenigen Momenten eine unheilvolle Vorahnung ins Zimmer einschleicht, sich an mich anpirscht und sich um meinen Körper schlingt. Mir wird kalt, und ich bekomme Gänsehaut an den Armen. Es muss etwas Schreckliches geschehen sein. Ich habe etwas so Entsetzliches getan, dass mein Verstand es abblockt. Etwas, das meinem gesamten Selbstverständnis widerspricht.

Ich, Clare Tennison, bin ein guter Mensch. Ich bin eine erfolgreiche Karrierefrau: Partnerin in der Anwaltskanzlei Carr, Tennison & Eggar. Ich bin meiner Mutter Marion eine fürsorgliche Tochter. Ich bin Chloe und Hannah eine zärtliche Mutter. Ich bin Luke eine liebevolle und treue Ehefrau. Herrje, ich sitze sogar im Elternbeirat der Schule. Clare Tennison begeht keine Verbrechen.

Warum dann also diese Furcht mit dem Beigeschmack eines schlechten Gewissens? Was habe ich angestellt?

Ich will nicht, dass die nächste Sekunde eintritt. Ich versuche sie wegzuschieben, die Zeit anzuhalten, nichts zu wissen. In Angst zu leben, so grauenhaft sie auch sein mag, ist immer noch besser als die Alternative: ein Leben mit dem Wissen, was ich getan habe.

Peng!

Es ist alles wieder da. Ich habe es so klar und deutlich vor mir, als betrachte ich es durch eine auf Hochglanz polierte Scheibe. Mein Vergehen.

Ich sehe meine Hände am Lenkrad. Sie steuern den Wagen durch die Seitenstraßen zurück zum Haus. Die Tachonadel schießt auf und nieder, der Drehzahlmesser rotiert mal schneller, mal langsamer, als ich immer wieder in einen anderen Gang schalte und das Auto durch die engen Straßen manövriere. Die Hecken verschwimmen, Bäume sausen vorbei wie im Nebel und erinnern mich an ein verschmiertes Aquarell.

Es dauert einen Moment, bis ich sie wahrnehme. Direkt vor mir auf der Straße, während mehr als eine Tonne Metall auf sie zuwalzt. Wie habe ich sie übersehen können? Am helllichten Tag? Sie ist einfach aus dem Nichts erschienen und steht vor mir auf der Straße. Ich schreie. Trete auf die Bremse. Ich höre das Quietschen von Gummi auf Asphalt, als die Reifen Haftung bekommen. Ich reiße das Steuer nach links herum, um ihr auszuweichen. Alles zu spät.

Von der deutlichen Erinnerung an den Aufprall wird mir übel. Ich glaube, dass ich mich gleich übergeben muss. Stattdessen steigt ein Geräusch aus meinem tiefsten Inneren hoch. Als es mir aus der Kehle dringt, hat es sich in einen schrillen, ungeschönten Schmerzensschrei verwandelt. Zu dickflüssig für Tränen. Mein Körper krümmt sich unwillkürlich zusammen. Wegen des Gipsverbands kann ich den linken Arm nicht bewegen, doch meine andere Hand bedeckt meinen bandagierten Kopf, als wolle ich mich in einem abstürzenden Flugzeug für die Notlandung wappnen. Ein Kabel zerrt an meinem Arm, etwas wird mir aus der Hand gerissen.

Im nächsten Moment bemerke ich, dass mehrere Krankenschwestern um mich herumwuseln. Die erste fordert mich beschwichtigend, aber nachdrücklich auf, ich solle mich beruhigen, alles würde gut werden. Die zweite teilt mir in strengerem Ton mit, ich solle aufhören zu zappeln. Ich würde mir die Infusion ziehen und mich selbst verletzen. Und dann ist da auch noch Lukes Stimme. Kraftvoll, aber sanft.

»Hey, hey, Babe«, spricht er mich mit dem Kosenamen an, den ich schon lange nicht mehr aus seinem Mund gehört habe. Er redet mit mir wie mit den Mädchen, wenn sie traurig sind. So wie mit Chloe, als sie gestürzt ist und sich am Knie verletzt hat. Oder mit Hannah, als sie entdeckt hat, dass es die Zahnfee nicht gibt. »Alles ist okay. Du bist okay. Es wird alles wieder gut, das verspreche ich dir.«

Wie gerne würde ich ihm glauben. Aber wie kann ich das, wenn ich so schwere Schuld auf mich geladen habe? Mein Körper zuckt, und wieder schluchze ich auf.

Ich erinnere...

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Autor

Sue Fortin wohnt im Süden Englands. Sie ist verheiratet und hat vier Kinder. »Sister, Sister« war ein Bestsellererfolg in England und ist nun der erste Roman der Autorin bei Penguin.