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Borstal Boy

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
496 Seiten
Deutsch
Kiepenheuer & Witsch GmbHerschienen am10.01.20191. Auflage
Eine echte Wiederentdeckung: Der Klassiker von Brendan Behan. Der junge Ire Brendan wird mit 16 Jahren festgenommen, weil er im Dienste der IRA die Docks in Liverpool in die Luft jagen wollte. Im »Borstal«, der Besserungsanstalt, angekommen, lernt er nicht nur den rauen Gefängnisalltag kennen, sondern unerwartet auch Freundschaft, Zuneigung und Solidarität zwischen Iren und Engländern in der Zeit der Troubles. In Irland wegen seiner freimütigen Darstellung von Homosexualität und unverhohlener Kritik an der katholischen Kirche zunächst verboten, gilt »Borstal Boy« heute als Klassiker der irischen Literatur. Poetisch, großherzig und mit widerspenstigem Humor - ein unvergessliches Buch!

Brendan Behan (1923-1964), Enfant terrible der irischen Literatur, Bohemien, Journalist, IRA-Aktivist und Dramatiker von Weltruhm. »Borstal Boy« ist sein bekanntester Roman.
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Verfügbare Formate
TaschenbuchKartoniert, Paperback
EUR12,00
E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
EUR9,99

Produkt

KlappentextEine echte Wiederentdeckung: Der Klassiker von Brendan Behan. Der junge Ire Brendan wird mit 16 Jahren festgenommen, weil er im Dienste der IRA die Docks in Liverpool in die Luft jagen wollte. Im »Borstal«, der Besserungsanstalt, angekommen, lernt er nicht nur den rauen Gefängnisalltag kennen, sondern unerwartet auch Freundschaft, Zuneigung und Solidarität zwischen Iren und Engländern in der Zeit der Troubles. In Irland wegen seiner freimütigen Darstellung von Homosexualität und unverhohlener Kritik an der katholischen Kirche zunächst verboten, gilt »Borstal Boy« heute als Klassiker der irischen Literatur. Poetisch, großherzig und mit widerspenstigem Humor - ein unvergessliches Buch!

Brendan Behan (1923-1964), Enfant terrible der irischen Literatur, Bohemien, Journalist, IRA-Aktivist und Dramatiker von Weltruhm. »Borstal Boy« ist sein bekanntester Roman.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783462318913
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2019
Erscheinungsdatum10.01.2019
Auflage1. Auflage
Seiten496 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse1672 Kbytes
Artikel-Nr.3409950
Rubriken
Genre9201

Inhalt/Kritik

Leseprobe


Nicht dass wir nicht auch auf andere Weise an den Sonntag erinnert worden wären.

Die Glocken von hundert Kirchen klangen und dröhnten mir den lieben langen Morgen in den Ohren. Das war nicht übel, zumal ich den Vormittag mag, und der Tag begann erst trübe zu werden, als das Licht gegen Nachmittag aus dem Himmel wich. Dann läuteten die Glocken von Neuem, und ich ließ ihr Hallen wehrlos und trostlos über mich ergehen.

Ich konnte nicht einmal auf und ab wandern, ich kauerte, in die Decken gewickelt, auf meinem Bett, Tränen im Herzen, Tränen im Sinn, und wünschte, ich könnte erwachen und feststellen, dass ich nur geträumt hatte, könnte zu Hause aufwachen und sagen: So etwa fühlst du dich, wenn du in England geschnappt wirst, keine Paraden mehr mitmachen kannst, aus der IRA ausscheiden musst, wenn du dich von jetzt an um deinen eigenen Kram kümmern kannst, zum Tanzen oder dergleichen ausgehst und heiratest. Wenn mir bei der Ostersonntagparade, während beim Dröhnen der Trommeln und Kreischen der Dudelsackpfeifen die vier Bataillone der Dubliner Brigade mit »Augen links« und gesenkten Fahnen langsam an der Oberpostdirektion vorbeimarschieren und die dicht gedrängte Menschenmenge zu beiden Seiten der O´Connell Street die Köpfe entblößt - wenn mir an diesem Festtag das Blut in die Schläfen schießen würde, könnte ich immer an die Nacht zurückdenken, als ich träumte, ich sei in Liverpool von der Polizei festgenommen worden, und gleich würde mein Blut beruhigt und gleichmäßig durch die Adern kreisen.

Schon oft haben Träume den Menschen vor Unheil bewahrt, das er über sich bringen würde, sofern er sich nicht änderte. Draußen dachte ich nie an solche Dinge, und wenn ichs tat, nur, um darüber zu lachen. Aber hier waren solche Dinge durchaus denkbar, sodass es gut war, still zu sein. Freilich hieß still sein hier nicht, den Republikaner spielen. Selbst Roger Casement, den die Loyalisten zu Hause achteten - jede Zeitung, einschließlich der Irish Times und des Independent, forderten einstimmig die Auslieferung seiner sterblichen Überreste, und W.B. Yeats hatte ein Gedicht verfasst, in dem es hieß: »Der Geist von Roger Casement klopft an unsere Tür« -, selbst Casement wurde geschmäht und von dem Hauptinspektor am Freitagabend als »der alte Hurensohn Roger Casement« betitelt.

Nun, ich begann zu begreifen, dass darin eine gewisse Gerechtigkeit lag. Er konnte es hier tun, wir konnten die alte Hunger-Königin zu Hause schmähen oder die Black and Tans, und so jeder Mensch im eigenen Land. Wenn einer aber hierherkam und Bomben legte, konnte er nicht erwarten, dafür noch gelobt zu werden. Vielmehr konnte er nur noch aufwachen und den Traum als Warnung nehmen oder zusehen, wie er aus der Sache herauskam. Verdammt, selbst freigelassen zu werden und nie mehr heimfahren zu können, war ein Ausweg. Würde es den Briten nicht Geld sparen, von allem anderen abgesehen? Ja, so konnte man die Sache sehen. Wenn ich das Gericht anerkannte und mich schuldig bekannte oder erklärte, jemand habe mir das Zeug zum Aufbewahren gegeben und ich hätte, bis ichs in meinem Zimmer hatte, nicht gewusst, was es enthielt, würde ich dann vielleicht nur ausgewiesen werden?

Ich hörte Schritte auf der Treppe, der Wärter öffnete die Tür und holte mich in den erleuchteten Gang hinaus. Dort lagen meine Schuhe, Socken und meine Hosenträger auf dem Boden.

»Zieh sie an«, sagte er.

Ich werds tun, bei Gott, Sir, ich danke Ihnen. Vielleicht würde ein Wunder geschehen. Vielleicht würden sie mich nach Hause schicken und sagen: »Lass dich hier nicht mehr blicken!« Ich würds tun, weiß Gott, und dankbar dafür sein.

»Komm mit, oben will dich jemand sprechen.«

Ich ging dicht auf seinen Fersen hinter ihm her und wurde in ein Zimmer geführt. Dort standen mein Sergeant und Vereker, der mich anlächelte. Der Sergeant deutete blinzelnd auf einen Dritten, einen ziemlich großen, gut gekleideten, gut aussehenden Mann. Er hatte die dünnen Lippen eines Engländers, auch das war in Ordnung - war es nicht sein Land, und konnte er nicht die Lippen haben, die er wollte?

»Das ist Mr O´Sullivan, Brendan«, sagte der Sergeant.

Noch besser, er nannte mich Brendan, und der gut gekleidete Herr war Ire - vielleicht von der Sankt-Vincent-de-Paul-Gesellschaft oder etwas Ähnlichem - und wollte mich nach Hause bringen. Er lächelte sogar kurz und sagte:

»Ich bin Ire, genau wie du. Ich bin aus Cork.«

»O´Sullivan ist ein Name aus der Grafschaft Cork, Sir«, antwortete ich.

»So ist es«, sagte er, »aber was für ein Name ist Behan?«

»Ein altirischer Name, Sir. Der Name einer Schriftstellerfamilie, die einst in South Leinster berühmt war. Die irische Form O Beachäin von beach a bee , also einer, der Bienen hält, Angilcé, Behan, Beggan, Beegan . Es steht in Sloinnte Gad agus Gail. Das ist irisch, Sir. Die Namen der Iren und Normannen ist der englische Titel. Vielleicht lesen Sie nicht irisch, aber es ist eine zweisprachige Ausgabe, irisch auf der einen, englisch auf der anderen Seite. Auch Ihr Name steht darin, Sir.«

»Ich lese kein Irisch, Behan. Ich spreche es auch nicht. Was sollte ich auch damit anfangen? Was nützt Gälisch schon außerhalb Irlands?«

»In Neuschottland, Sir, in Cape Breton, wird nur Irisch gesprochen. Dort gibt es eine Zeitung in gälischer Sprache.«

»Das ist schottisches Gälisch - eine völlig andere Sprache.«

Ich wusste, dass das nicht zutraf, der einzige Unterschied in der Ausdrucksform »es ist« bestand zum Beispiel darin, dass die Schotten »Thá« sagten und wir Iren »tá«. Es wäre jedoch unklug gewesen, den Besserwisser zu spielen oder meinen Besucher bloßzustellen. »Wenn mans genau überlegt, haben Sie vermutlich recht, Sir.«

»Wie alt bist du, Behan?«

»Sechzehn, Sir.«

»Du bist dir vermutlich darüber im Klaren, dass du für diese Geschichte unter Umständen den größten Teil deines Lebens im Knast verbringen wirst. Die letzte Fünfergruppe, die in London verurteilt wurde, bekam zusammen hundert Jahre Zwangsarbeit. Zwanzig Jahre pro Kopf. Der sechste, der mit ihnen festgenommen wurde, sitzt in Birmingham, zum Tode verurteilt. Wegen eines feigen Mordes.«

»Es war kein Mord«, rutschte es mir raus.

»Es war kein Mord?« Seine Lippen pressten sich zornig zusammen. »Eine Bombe in eine überfüllte Straße zu werfen und fünf unschuldige Menschen zu töten?«

Die Empörung ging mit ihm durch, seine Stimme wurde schrill, und der Ton veränderte sich blitzartig. »Du verdammter kleiner Hurensohn!«, schrie er und holte mit der Hand aus, als könne er sich nicht mehr beherrschen, knirschte mit den Zähnen und trat auf mich zu. »Ich werde dir zeigen, was Mord ist.«

Der Sergeant und Vereker hielten ihn zurück, beide blickten mich vorwurfsvoll an. Ich senkte den Blick und wich einen Schritt zurück.

Mr O´Sullivan knurrte, als sie ihn festhielten: »Loslassen, verdammt noch mal!« Sein Gesicht war schrecklich anzusehen, seine Augen traten hinter seinen Brillengläsern aus dem Kopf. »Verdammt!«, sagte er.

»Na, na, Herr Inspektor«, sagte der Sergeant beschwichtigend.

»Schon gut, Sergeant, schon gut«, sagte Mr O´Sullivan verträglicher. Sie nahmen ihre Hände von ihm weg, und er sprach gleichmütig mit mir weiter.

»Komm mir nicht damit, Behan. Du bist hier nicht bei deiner Mörderbande in Dublin oder Belfast.«

»Jawohl, Sir«, sagte ich leise, etwas benommen, und fragte mich, was ich sagen sollte, um ihn nicht von Neuem aufzubringen. »Ich meinte nur, Sir, dass der Mann nichts damit zu tun hatte.«

Ungläubig blickte er mich an, und Vereker und der Sergeant seufzten und schauten kopfschüttelnd zu mir hin.

»Ich meine, Sir, ich meine ...«, stammelte ich.

»Du meinst, die Birminghamer Polizei hat einen Unschuldigen zum Tod verurteilt? Meinst du das, Behan? Ja? Antworte!« Wieder wurde seine Stimme lauter, und der Sergeant und Vereker bewegten sich auf ihn zu, er aber winkte ab und fügte weniger laut hinzu: »Antworte mir!«

Ich schluckte einmal und versuchte, mich vorsichtig auszudrücken. »Ich meine, Sir, dass vielleicht ein Irrtum vorliegt, Sir ...«

»Die englische Polizei, Behan, begeht keinen Irrtum. Weder in Birmingham noch in Liverpool.«

»Der Mann ist in London festgenommen worden, zusammen mit den anderen fünf, und war im Gewahrsam von Scotland Yard, bevor die Bombe in Coventry explodiert ist - eine ganze Stunde vorher.«

Ich war bereit, zurückzuzucken, aber er rührte sich nicht.

»Du scheinst ja gut Bescheid zu wissen, Behan. Vielleicht warst du bei der kleinen Operation, wie ihr Soldaten der Irischen Republik eure Morde nennt, beteiligt. Woher weißt du das alles?«

»Weil ichs in den Zeitungen gelesen habe, Sir, in englischen Zeitungen.«

»Du warst also zufällig in England, als das passierte?«

»Nein, Sir, ich war in Irland, zu Hause. Aber man kann in Dublin englische Zeitungen kaufen, Sir.«

»Ich verstehe. Schade, dass du beim Lesen nicht mehr gelernt hast.« Er sprach ganz vernünftig, und ich atmete auf. Dann steckte er seine Hand in die Tasche und zog ein Päckchen Zigaretten heraus, bot sie zuerst dem Sergeanten und Vereker, dann mir an.

»Nimm dir eine«, sagte...
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Autor

Brendan Behan (1923-1964), Enfant terrible der irischen Literatur, Bohemien, Journalist, IRA-Aktivist und Dramatiker von Weltruhm. »Borstal Boy« ist sein bekanntester Roman.Curt Meyer-Clason (1910-2012) übersetzt aus dem Englischen, Französischen, Spanischen und Portugiesischen u. a.Werke von Behan, Wiesel, Borges, García Márquez, Ribeiro, Rosa.