Hugendubel.info - Die B2B Online-Buchhandlung 

Merkliste
Die Merkliste ist leer.
Bitte warten - die Druckansicht der Seite wird vorbereitet.
Der Druckdialog öffnet sich, sobald die Seite vollständig geladen wurde.
Sollte die Druckvorschau unvollständig sein, bitte schliessen und "Erneut drucken" wählen.

Gesundheits- und Sozialpolitik

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
186 Seiten
Deutsch
Kohlhammer Verlagerschienen am30.04.20141. Auflage
Die Gesundheitspolitik hat sich in den letzten zwanzig Jahren als ein wichtiger Bestandteil der wirtschaftspolitischen Debatte etabliert. Nichtsdestotrotz lässt sich der Paradigmenwechsel der deutschen Sozialpolitik, der sich u.a. im Rückzug des Solidarprinzips in unserer Gesellschaft ausdrückt, auch im Gesundheitswesen beobachten. Dies führt zu Zielkonflikten und Problemfeldern in den einzelnen Bereichen der Leistungserbringung, Finanzierung wie auch der Versorgung. Die Autoren stellen die Entwicklung im Bereich der Gesundheits- und Sozialpolitik aus unterschiedlichen Perspektiven und die daraus resultierenden Allokations- und Distributionsfolgen detailliert dar und zeigen neue, zukunftsweisende Wege auf.

Prof. Dr. Clarissa Kurscheid ist Studiendekanin für Gesundheitsökonomie an der Hochschule Fresenius in Köln, Prof. Dr. Andreas Beivers ist Studiendekan für Gesundheitsökonomie an der Hochschule Fresenius in München.
mehr
Verfügbare Formate
E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
EUR32,99
E-BookPDF1 - PDF WatermarkE-Book
EUR32,99

Produkt

KlappentextDie Gesundheitspolitik hat sich in den letzten zwanzig Jahren als ein wichtiger Bestandteil der wirtschaftspolitischen Debatte etabliert. Nichtsdestotrotz lässt sich der Paradigmenwechsel der deutschen Sozialpolitik, der sich u.a. im Rückzug des Solidarprinzips in unserer Gesellschaft ausdrückt, auch im Gesundheitswesen beobachten. Dies führt zu Zielkonflikten und Problemfeldern in den einzelnen Bereichen der Leistungserbringung, Finanzierung wie auch der Versorgung. Die Autoren stellen die Entwicklung im Bereich der Gesundheits- und Sozialpolitik aus unterschiedlichen Perspektiven und die daraus resultierenden Allokations- und Distributionsfolgen detailliert dar und zeigen neue, zukunftsweisende Wege auf.

Prof. Dr. Clarissa Kurscheid ist Studiendekanin für Gesundheitsökonomie an der Hochschule Fresenius in Köln, Prof. Dr. Andreas Beivers ist Studiendekan für Gesundheitsökonomie an der Hochschule Fresenius in München.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783170259621
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2014
Erscheinungsdatum30.04.2014
Auflage1. Auflage
Seiten186 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse2705 Kbytes
Illustrationen15 Abbildungen, 1 Tabellen
Artikel-Nr.3413527
Rubriken
Genre9201

Inhalt/Kritik

Inhaltsverzeichnis
1; Deckblatt;1
2;Titelseite;4
3;Impressum;5
4;Inhalt;6
5;Geleitwort zur Reihe;12
6;Die Autorinnen und Autoren;14
7;1 Architektur des Buches;18
8;2 Gesundheits- und Sozialpolitik in Deutschland;20
8.1;2.1 Die Ursprünge der Gesundheitspolitik und Sozialpolitik in Deutschland;20
8.2;2.2 Die Gesundheits- und Sozialpolitik seit Ende des Zweiten Weltkriegs;23
8.3;2.3 Strukturmerkmale der Gesundheitsund Sozialpolitik;26
8.4;2.4 Ausgabenund Steuerungsprobleme am Beispiel der Gesundheitsversorgung;28
8.5;2.5 Sozialstaat zwischen Umbau und Reformen;30
8.5.1;2.5.1 Gestaltungsprinzipien für eine Wettbewerbsordnung;31
8.5.2;2.5.2 Die ordnungspolitische Konzeption für eine Neugestaltung;33
8.5.3;2.5.3 Privateigentum;35
8.5.4;2.5.4 Vertragsfreiheit und Wettbewerbsaufsicht;35
8.5.5;2.5.5 Wettbewerbliche Preissteuerung und Markttransparenz für die Nachfrager;36
8.5.6;2.5.6 Offener Marktzutritt für die Anbieter;37
8.5.7;2.5.7 Umsetzung des Sozialprinzips;37
8.5.8;2.5.8 Versicherungsfremde Leistungen;37
8.6;2.6 Blick auf die Probleme - Fazit und Ausblick;38
8.7;Fragen zum Text;39
8.8;Literatur;39
9;3 Gesundheitspolitik - Herausforderungen für die Zukunft;42
9.1;3.1 Zusammenfassung;42
9.2;3.2 Einleitung;43
9.3;3.3 Problemfelder der Gesundheitsversorgung;44
9.3.1;3.3.1 Fehlanreize im Gesundheitswesen;44
9.3.2;3.3.2 Stationärer Bereich - Beispiel Total-Endoprothesen (TEP);45
9.3.3;3.3.3 Fehlanreize im ambulanten Bereich;47
9.4;3.4 Auf zu neuen Ufern - Gesundheitspolitik am Steuer. Anreizgestaltung mit dem Fokus auf dem Patientennutzen;48
9.4.1;3.4.1 Qualitätstransparenz als Dreh- und Angelpunkt;49
9.4.2;3.4.2 Ebene der Versicherer;50
9.5;3.5 Gesundheitsfonds: morbiditätsorientierter Risikostrukturausgleich (morbi-RSA);50
9.6;3.6 Wettbewerbsverzerrungen im Versicherungsmarkt - Zusammenführen von gesetzlicher (GKV) und privater Krankenversicherung (PKV);51
9.7;3.7 Zusammenführung von SGBV und SGBXI;51
9.7.1;3.7.1 Ebene der Patientinnen und Patienten;52
9.7.2;3.7.2 Ebene der Leistungserbringer Versorgungsintegration - Versorgungsbrüche an den Sektorengrenzen überwinden;53
9.7.3;3.7.3 Versorgungsintegration benötigt Vergütungsinnovation;54
9.8;3.8 Schlussfolgerung;55
9.9;Fragen zum Text;56
9.10;Literatur;56
10;4 Ethische Dilemmata im Gesundheitswesen;58
10.1;4.1 Problemstellung;58
10.2;4.2 Gründe für die Existenz ethischer Dilemmata aus philosophischer Sicht;59
10.2.1;4.2.1 Das ethische Fundamentalproblem;60
10.2.2;4.2.2 Individuelle Entscheidungsfreiheit und Opportunismus als Grundbedingung für ethische Dilemmata;62
10.3;4.3 Merkmale und Rahmenbedingungen des deutschen Gesundheitssystems und ihre Auswirkungen auf ethische Dilemmata;66
10.4;4.4 Lösungsansätze;71
10.5;4.5 Fazit;76
10.6;Fragen zum Text;76
10.7;Literatur;77
11;5 Qualität und Wettbewerb - Die guten Leistungserbringer müssen profitieren!;81
11.1;5.1 Vorbemerkung;81
11.2;5.2 Qualität und deren Messung;83
11.2.1;5.2.1 Qualitätsbegriff;83
11.2.2;5.2.2 Messbarkeit von Qualität - Qualitätsindikatoren;84
11.3;5.3 Maßnahmen der Qualitätssicherung und Qualitätsprüfungen (Institutioneller Rahmen);86
11.4;5.4 Qualität und Wettbewerb;88
11.4.1;5.4.1 Qualitätswettbewerb - Status Quo;88
11.4.2;5.4.2 Pay for Performance als Lösungsweg?;91
11.5;5.5 Rahmenbedingungen für Qualitätswettbewerb - Selektivverträge;92
11.5.1;5.5.1 Selektivvertragliche Regelungen;92
11.5.2;5.5.2 Verbesserungspotenziale bei den selektivvertraglichen Regelungen;93
11.5.2.1;5.5.2.1 Bürokratische Hürden für Selektivverträge;93
11.5.2.2;5.5.2.2 Inkonsistenter Gesetzesrahmen;94
11.5.2.3;5.5.2.3 Hürde Budgetbereinigung;94
11.5.2.4;5.5.2.4 Risiko von zusätzlichen Ausgaben;95
11.6;5.6 Rahmenbedingungen für Qualitätswettbewerb: Verbindung von Regelversorgung (Kollektivvertragssystem) und Selektivverträgen;95
11.7;5.7 Die Rolle der Krankenkassen;99
11.8;Fragen zum Text;101
11.9;Literatur;101
12;6 Gesundheits- und Sozialpolitik aus Sicht der forschenden Arzneimittelindustrie;105
12.1;6.1 Einleitung: Marktregulierung als gesundheitspolitische Handlungsmaxime in der Arzneimittelversorgung;105
12.2;6.2 Arzneimittelsteuerung als ordnungspolitisches Prinzip staatlichen Handelns;106
12.3;6.3 Arzneimittelsteuerung in der gesetzlichen Krankenversicherung - ein reformpolitischer Hort staatlicher Interventionen;108
12.4;6.4 Die Komplexität staatlichen Handelns am Beispiel des AMNOG;111
12.4.1;6.4.1 Ausgangssituation;111
12.4.2;6.4.2 Der Blick zurück: Kostenexplosion in der GKV?;112
12.4.3;6.4.3 Reformpolitische Zielsetzung und Instrumente;112
12.4.4;6.4.4 Wirkungsweise der AMNOG-Regulierungsinstrumente;113
12.4.5;6.4.5 Zwischenbilanz;116
12.5;6.5 Quo vadis Pharmaindustrie - Fazit und Ausblick;116
12.6;Fragen zum Text;118
12.7;Literatur;118
13;7 Gesundheitsund Sozialpolitik aus Sicht des ambulanten Sektors;120
13.1;7.1 Gesundheits- und Sozialpolitik als Rahmen für die ambulante ärztliche Versorgung;120
13.1.1;7.1.1 Vertragsärztliche Versorgung;120
13.1.2;7.1.2 Privatärztliche Versorgung;123
13.2;7.2 Einengung der Freiberuflichkeit in der ambulanten Versorgung durch die Gesundheitspolitik;124
13.3;7.3 Sektorale Abgrenzung der ambulanten Versorgung;127
13.4;7.4 Ambulante spezialfachärztliche Versorgung als neuer Weg der Gesundheitspolitik;128
13.5;7.5 Fazit und Ausblick;130
13.6;Fragen zum Text;132
13.7;Literatur;133
14;8 Ordnungspolitisches Spannungsfeld der deutschen Krankenhausversorgung am Beispiel der Mengensteuerung;135
14.1;8.1 Zentrale Regulierungen der deutschen Krankenhausversorgung;135
14.2;8.2 Das DRG-Vergütungssystem;136
14.3;8.3 Mengendynamik im deutschen Krankenhausmarkt;137
14.4;8.4 Hat die klassische Angebotsfunktion auch im Krankenhausmarkt Gültigkeit?;139
14.5;8.5 Versagen des Preismechanismus und die Theorie der externen Effekte;140
14.6;8.6 Lösungsansätze zur Internalisierung der externen Effekte;142
14.6.1;8.6.1 Lösungen mit staatlicher Einflussnahme;143
14.6.1.1;8.6.1.1 Ge- und Verbote;143
14.6.1.2;8.6.1.2 Die Pigou-Steuer;143
14.6.1.3;8.6.1.3 Versteigerung von Lizenzen, bzw. Eigentumsrechten;143
14.6.2;8.6.2 Private Lösungen bei externen Effekten;144
14.6.2.1;8.6.2.1 Verhaltensregeln, Moral oder Zusammenschluss;144
14.6.2.2;8.6.2.2 Private Verträge: Das Coase Theorem;145
14.7;8.7 Ausblick;145
14.8;Fragen zum Text;146
14.9;Literatur;146
15;9 Europäisierung der Gesundheitsund Sozialpolitik;149
15.1;9.1 Einleitung;149
15.1.1;9.1.1 Dimensionen einer »Europäisierung« der Gesundheits- und Sozialpolitik;149
15.1.2;9.1.2 Sozialmodell-Denken;150
15.1.3;9.1.3 Das Mehr-Ebenen-System des Verfassungsvertragsverbundes;151
15.1.4;9.1.4 Die Emergenz der geteilten Kompetenz;151
15.1.5;9.1.5 Reine und unreine Gewährleistungsstaatlichkeit;152
15.1.6;9.1.6 Der Algorithmus des Beihilferegimes;152
15.1.7;9.1.7 Erosionen an allen Ecken;152
15.1.8;9.1.8 Offene Zukunft, erkennbare Konturen;153
15.2;9.2 Grundrechte;153
15.3;9.3 DA(W)I;154
15.3.1;9.3.1 Differenz von DAI und DA(W)I?;154
15.3.2;9.3.2 Differente Verständnisse von Marktversagen;156
15.3.3;9.3.3 Hybridizitäten und Ambivalenzen;156
15.3.4;9.3.4 Quasi-Märkte: Regulierter Privatisierungs-Liberalismus;156
15.4;9.4 Verbraucherschutz;157
15.4.1;9.4.1 Entstehung und Aufgaben der Europäischen Verbraucherpolitik;157
15.4.2;9.4.2 Europäische Verbraucherpolitik zwischen Paternalismus und Lobbyismus anhand der Beispiele Regulierung des Tabakkonsums und Lebensmittelkennzeichnung;161
15.5;9.5 Offene Methode der Koordinierung;164
15.5.1;9.5.1 Steuerungslogik;166
15.5.2;9.5.2 Genese;167
15.5.3;9.5.3 Prozess;168
15.5.4;9.5.4 Mechanismen;170
15.5.5;9.5.5 Interpretation;171
15.6;9.6 Kohäsionspolitik;173
15.7;9.7 Fazit;176
15.8;Fragen zum Text;178
15.9;Literatur;179
mehr
Leseprobe
2          Gesundheits- und Sozialpolitik in Deutschland
Clarissa Kurscheid und Andreas Beivers

Im Folgenden sollen nun die Ursprünge der Gesundheits- und Sozialpolitik in Deutschland betrachtet werden. Dabei erfolgen zum einen eine temporäre Betrachtung des Gesundheitspolitik ausgehend von den Ursprüngen des 19. Jahrhunderts und zum anderen geht der Blick über die letzten Reformen hinweg zu den großen ungelösten Problemen im Kontext des deutschen Sozialstaats. Sozialpolitik wird inhaltlich als Querschnittsthematik betrachtet und ist per definitione eine »Intervention in Risikolagen« (Schulz-Nieswandt 2006). Gesundheitspolitik hingegen ist ein eigener Teil der Sozialpolitik und geht über die Intervention in Risikolagen hinaus, wenn beispielsweise Prävention als ein Teil von Gesundheitspolitik betrachtet wird. Bührlen u. a. gehen in ihren jüngsten Überlegungen davon aus, dass das Gesundheitswesen und die verantwortliche Politik Gesundheit als eine Wertschöpfung für die Gesellschaft betrachten sollte (Bührlen et al. 2013). Allein mit diesen Gedanken wird ein breiter Spannungsbogen aufgezeigt, der in den nachfolgenden Darstellungen keinen Anspruch auf eine vollständige Betrachtung erhebt, aber deutliche Blitzlichter setzt, Geschehnisse aus der Vergangenheit beleuchtet und vorsichtige Lösungsansätze für die Zukunft benennt.
2.1       Die Ursprünge der Gesundheitspolitik und Sozialpolitik in Deutschland

Die Gesundheits- und Sozialpolitik in Deutschland ist einerseits in hohem Maße von dem Sozialversicherungsprinzip Bismarck scher Prägung beeinflusst und zeichnet sich andererseits durch eine starke, barmherzig geartete Fürsorge in der historischen Betrachtung aus. Dieser systemimmanente Leitgedanke spiegelt sich u. a. in dem im deutschen Sozialversicherungssystem tief verwurzelten Subsidiaritätsprinzip, aber auch im Solidaritätsgedanken wider (Schulz-Nieswandt 2006). Die Wurzeln der Subsidiarität liegen in der katholischen Soziallehre und basieren auf dem Gedanken der Nachrangigkeit, das bedeutet, dass die Lasten, die nicht vom Einzelnen übernommen werden können, im Bedarfsfall die Solidargemeinschaft mitträgt. Das Solidarprinzip hingegen ist eines der zentralen Sozialstaatsprinzipien und beinhaltet beispielsweise im Krankheitsfall, dass die Solidargemeinschaft sich gegenseitige Unterstützung leistet und Hilfe gewährt (Simon 2013).

Im Hinblick auf die Versorgung von Krankheit in Deutschland spielen zusätzlich enorme Errungenschaften herausragender Forscher (zu nennen sind Lorenz von Stein oder Robert Koch) eine große Rolle, auf die nachfolgend noch eingegangen werden soll. Bereits in Antike und Mittelalter gab es von Seiten des Staates mehrfach Versuche, die materielle Not der Bürger zu lindern (Simon 2013; Rosenbrock und Gerlinger 2009), um Unruhen und Aufstände zu verhindern und politische Stabilität zu wahren. Hierbei gilt es festzuhalten, dass eine Vielzahl geschichtlicher, religiöser und auch ökonomischer Parameter zu der Ausgestaltung der einzelnen Sozialstaaten in Deutschland und in Europa beigetragen haben (Kahl 2005; Butterwegge 2005), welche hier allerdings nicht näher beleuchtet werden.

Fürsorgeorientierte, christliche Krankenhäuser, welche noch im Mittelalter zum Teil aus Armenhäusern hervorgingen, waren in der stationären Versorgung verbreitet. Später - nach der Reformation - wurde die Krankenversorgung größtenteils kommunalisiert und es entwickelten sich immer mehr städtische Spitäler zur Versorgung kranker Menschen (Simon 2013). Hier wurden gerade in der Struktur der Leistungserbringung früh rollenbasierte Standards - wie beispielsweise die fürsorgliche Hingabe der »Schwester« und der schon früh auf ärztliche Technik fokussierte Mediziner gesetzt. Ansonsten waren die Häuser stark mit dem Anstaltswesen verhaftet, da es sich insbesondere um eine in sich geschlossene Fürsorge handelte. Es kann auch mit einer Mischung aus Versorgung und Verwahrung beschrieben werden. Allerdings bedeutete diese Form der gesellschaftlichen Trennung in erster Linie ein Schutz der anderen (gesunden) Menschen vor den Kranken. Zusätzlich herrschte ein hierarchisch orientierter, paternal geprägter Umgang der Mediziner und Pflegenden mit den Kranken (Foucault 2002 sowie 2005; Schulz-Nieswandt 2003).

Einen wichtigen Beitrag für die Gesundheitsfürsorge und darüber hinaus für die Entwicklung der sozialen Reformen in Deutschland leistete Lorenz von Stein (18. November 1815-23. September 1890). Von Stein entwickelt in seinen Schriften zur Gesellschaftspolitik (später nennt er sie auch Sozialpolitik) ein »ordnungspolitisches Verständnis«, welches in seinen Grundzügen auch heute noch der aktuellen Sicht entspricht. In diesem Sinne hat ein sozialer Staat nach der Auffassung von Lorenz von Stein die Pflicht, die Lebensbedingungen der Arbeiterinnen und Arbeiter zu verbessern. Zu seiner Zeit standen hier insbesondere Fragen der Hygiene und der Gesundheit des Einzelnen im Vordergrund (Kaufmann 2003). Seine Motivation lag zudem in der Vermeidung möglicher Klassenkämpfe. Nach den Überlegungen von Steins war es notwendig, der nicht-herrschenden Klasse ein Minimum an sozialer Sicherheit, Gesundheitsfürsorge und Bildung zur Verfügung zu stellen (Grosseketteler 1998). Ein weiterer - im Hinblick auf die historische Betrachtung der Gesundheitsversorgung - wesentlich zu nennender Akteur ist Robert Koch (11. Dezember 1843-27. Mai 1910). Mit seiner Forschung als Bakteriologe hat er in der Gesundheitsvorsorge wesentlich zur Erkennung von Ansteckung und deren Verhinderung mittels hygienischer Maßnahmen beigetragen. Mit seiner Forschung als Mediziner und Mikrobiologe hatte er im hohen Maß Anteil daran, dass die Erreger der Tuberkulose, aber auch der Cholera entdeckt wurden.

Als Geburtsstunde des deutschen Sozialstaates heutiger Prägung können die in den Jahren 1881 bis 1888/89 gegründeten Zweige der Sozialversicherung durch die Bismarck-Administration bezeichnet werden, für die vornehmlich der sozialpolitische Gedanke prägend war. So wurde 1883 das Krankenversicherungsgesetz, 1884 das Unfallversicherungsgesetz und 1889 das Invaliden- und Altersversicherungsgesetz (später Rentenversicherung) eingeführt. Ziel war es vor allen Dingen, die industrielle Arbeitnehmerschaft, die sich mehr und mehr entwickelte, gegen die Risiken des Arbeitslebens abzusichern und so von den Gewerkschaften fernzuhalten. Um dies zu erreichen, stellten die damals führenden politischen Kräfte die solidarische Selbsthilfe in den Mittelpunkt. Damit war Deutschland weltweit wegweisend. Nicht der Staat selbst sollte die soziale Absicherung übernehmen, sondern die Betroffenen sollten sich durch solidarisches Zusammenschließen gegenseitig Hilfe gewähren. Damit entstand das Solidaritätsprinzip, das eng mit dem genossenschaftlichen Denken verwandt ist (Neubauer 2007; Butterwegge 2005).

Die weitere Entwicklung des Gesundheitswesens und der Gesundheitsversorgung vollzog sich innerhalb des historischen Kontexts auf Basis der Standessicherung, wie sie zu Ende des 19. Jahrhunderts gelebt wurde. Ausgehend von dem Mitte des 19. Jahrhunderts bestehenden Hilfskassenwesen etablierte sich mit der Einführung der gesetzlichen Krankenversicherung durch Bismarck 1883 die »Gesetzliche Krankenversicherung«. Mit der zunächst ausschließlichen Absicherung der Erwerbstätigen bei Krankheit wurde zu diesem Zeitpunkt das Gerüst des Gesundheitssystems gelegt, das in seinen Grundzügen bis in die Gegenwart Bestand hat (Lampert, 2007; Bäcker, Bispinck, Nägele, 2008). Die Leistungserbringung wurde bis zur Gründung der kassenärztlichen Vereinigung (1931) in Einzelverträgen verhandelt und erst nach 1931 auf Basis kollektivvertraglicher Vereinbarungen. Die Organisationsprinzipien basierten auf zunftähnlichen Strukturen, ausgehend von der Gründung der Kassen (1883), und die Finanzierung basierte aus Krankenkassenbeiträgen (Kassenärztliche Vereinigung Nordrhein 2012). Insgesamt ist zu konstatieren, dass sich die Krankenversicherung durch das Solidaritätsprinzip, Bedarfsprinzip und den Aspekt der Umverteilung (Knappe et al 2002) auszeichnete. Das Solidaritätsprinzip ermöglicht die vom gesellschaftlichen Status des Einzelnen unabhängige Leistung der Krankenversicherung im Bedarfsfall. Daraus ergibt sich das Bedarfsprinzip, d. h. diese Bedarfe werden in Form von Sachleistungen gewährleistet. Die Genossenschaftsartigkeit ist durch den reziprozitären Charakter der gesetzlichen Krankenversicherung gekennzeichnet, welches sich mit dem Prinzip auf Gegenseitigkeit erklären lässt. Die Umverteilung erfolgt horizontal wie vertikal. Beispielhaft sei hier die beitragsfreie Familienmitversicherung sowie die Umverteilung von jung nach alt - im Hinblick auf das sich im Alter entwickelnde höhere Krankheitsrisiko mit einer in...
mehr

Autor

Prof. Dr. Clarissa Kurscheid ist Studiendekanin für Gesundheitsökonomie an der Hochschule Fresenius in Köln, Prof. Dr. Andreas Beivers ist Studiendekan für Gesundheitsökonomie an der Hochschule Fresenius in München.