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Equinox

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
288 Seiten
Deutsch
Unionsverlagerschienen am06.11.20151. Auflage
Privatdetektiv Kristof Kryszinski muss schon auf der Flucht vor der albanischen Drogenmafia sein, um freiwillig den geliebten Ruhrpott zu verlassen und auf dem Luxusliner Equinox anzuheuern. Zwischen den Reichen und Schönen an Bord geben Kryszinski und sein Kumpel Jochen die Borddetektive, ein Job, der die beiden erst einmal so richtig in Feierlaune versetzt. Doch kurz nach dem Auslaufen ist Schluss mit lustig. Der Erste Steward wird enthauptet aufgefunden. Und er wird nicht die einzige Leiche an Bord der Equinox bleiben.

Jörg Juretzka, geboren 1955 in Mülheim an der Ruhr, ist gelernter Zimmermann und baute Blockhütten in Kanada, bevor er sich ganz aufs Schreiben konzentrierte. Sein Krimidebüt Prickel - der erste Fall für den abgerockten Privatermittler Kristof Kryszinski - erschien 1998. Für seine Romane wurde er mit dem Glauser-Preis 2022 und dreimal mit dem Deutschen Krimi Preis ausgezeichnet.
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Verfügbare Formate
TaschenbuchKartoniert, Paperback
EUR11,95
E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
EUR9,99

Produkt

KlappentextPrivatdetektiv Kristof Kryszinski muss schon auf der Flucht vor der albanischen Drogenmafia sein, um freiwillig den geliebten Ruhrpott zu verlassen und auf dem Luxusliner Equinox anzuheuern. Zwischen den Reichen und Schönen an Bord geben Kryszinski und sein Kumpel Jochen die Borddetektive, ein Job, der die beiden erst einmal so richtig in Feierlaune versetzt. Doch kurz nach dem Auslaufen ist Schluss mit lustig. Der Erste Steward wird enthauptet aufgefunden. Und er wird nicht die einzige Leiche an Bord der Equinox bleiben.

Jörg Juretzka, geboren 1955 in Mülheim an der Ruhr, ist gelernter Zimmermann und baute Blockhütten in Kanada, bevor er sich ganz aufs Schreiben konzentrierte. Sein Krimidebüt Prickel - der erste Fall für den abgerockten Privatermittler Kristof Kryszinski - erschien 1998. Für seine Romane wurde er mit dem Glauser-Preis 2022 und dreimal mit dem Deutschen Krimi Preis ausgezeichnet.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783293308664
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2015
Erscheinungsdatum06.11.2015
Auflage1. Auflage
Seiten288 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse2844 Kbytes
Artikel-Nr.3421097
Rubriken
Genre9201

Inhalt/Kritik

Leseprobe



1


Also, Doktor, was würden Sie sagen?« Ohne eine Miene zu verziehen, drehte Kapitän Zouteboom den an den Haaren gehaltenen Kopf des Ersten Stewards ein wenig hin und her und schluckte verstohlen, versunken in den mehr als gewöhnungsbedürftigen Anblick. Trotz der straffenden Wirkung des Zugs an der Frisur hingen Kinn und Lider schlaff herunter, die Haut war den Umständen entsprechend fahl, und Sehnen, Muskeln, Adern, Nerven, Teile von Rückgrat, Speise- und Luftröhre baumelten heraus, wo der Kopf bis vor Kurzem mit dem Rest des Stewardkörpers verbunden gewesen war.

»Eindeutig Selbstmord«, konstatierte Bordarzt Köthensieker, beide Daumen in den Gürtel der weißen Hose gehakt, wippte auf Gummisohlen bequem vor und zurück und sog an seiner ausgegangenen Pfeife.

Eindeutig was?

Ich äußerte etwas wie »Wa-Wa-Wa-?«, durchwirkt mit mehr als nur einem Hauch von Zweifel an dieser Diagnose. In meinem ganzen Leben hatte ich noch nie von einem Suizid durch Kopfabhacken gehört. Von keinem erfolgreichen zumindest. Sicher, mit einer Guillotine ginge es, theoretisch, doch davon war hier, am Fundort, zu Füßen des labyrinthischen Gewirrs aus Röhren, Leitungen und stählernen Treppen, das das Innere des Kreuzfahrtriesen zugänglich machte, weit und breit nichts zu sehen. Dafür eine Menge Blut. In allen Tönen, von verschmiertem Rosa bis hin zu diesem Beinahe-Schwarz, wo es sich zu dickeren Pfützen sammelte und zu stocken begann. Das meiste sicherlich auf dem Boden, rings um den kopflosen Leichnam, doch auch an die hellgelb lackierten Wände war einiges gespritzt und über die polierte Edelstahl-Konstruktion des Treppenaufgangs, von wo es wieder auf den in Dunkelgrau gehaltenen Boden troff. Selbstmord. Das konnte der Doktor nicht ernst meinen.

Ein kurzes Schweigen entstand, akzentuiert vom durchdringenden Wummern der beiden riesigen Diesel nur ein oder zwei Schotts entfernt und vom rhythmischen, konvulsivischen Gurgeln, mit dem sich der Erste Borddetektiv der Equinox in eine etwas weiter entfernte Ecke erbrach.

»Wa-Wa-Wa-?«, wiederholte ich, meines Zeichens Zweiter Detektiv und bemüht, wenn auch ohne rechten Erfolg, mich zusammenzureißen und meiner Skepsis Ausdruck zu verschaffen. Da packte mich Antonov am Arm. Antonov, auch genannt »Das Rote Quadrat«. Ein Spitzname, zusammengesetzt aus der Farbe seiner Körperbehaarung und dem Gerücht, seine Größe in Zentimetern entspreche exakt seinem Gewicht in Kilo. Antonov war Chef der Security an Bord und somit unser direkter Vorgesetzter.

»Hör zu, was der Doktor zu sagen hat«, raunte er eindringlich und drückte meinen Arm, als ob er Saft daraus pressen wollte.

»Ein langer, dünner Draht«, sagte der Doktor aufgeräumt, »irgendwo da oben befestigt«, und er nahm extra die Pfeife aus dem Mundwinkel, um mit ihrem S-förmig gebogenen Stiel die zehn Etagen technischen Wirrwarrs hochzudeuten, »am unteren Ende zu einer Schlinge verzwirbelt, diese um den Hals gelegt, von hoch oben heruntergesprungen und Zapp! «

Die abrupte Geste, mit der er das Zapp! begleitete, rang dem Ersten Detektiv in seiner Ecke einen weiteren Schwall ab. Hat einen empfindlichen Magen, der Jochen Fuchs. Immer schon gehabt. Schon in der Schule brauchte man ihn nur auf ein paar weiche Spaghetti in der Mitte seines gerade angebissenen Leberwurstbrötchens aufmerksam zu machen und - Hua!, Bluärrks!, Bröckelhusten meterweit.

»Nun, da das geklärt wäre«, meinte Kapitän Zouteboom und setzte ohne eine weitere Frage den Kopf auf einer der Stahlgitter-Treppenstufen ab, »und wenn die Herren Antonov, Fuchs und Kryszinski nichts einzuwenden haben, wovon ich ausgehe«, fügte er mit einigem Nachdruck hinzu, ehe ich auch nur den Mund aufmachen konnte, »ordne ich, auch um unsere Passagiere nicht zu beunruhigen, eine unzeremonielle Seebestattung in den frühen Morgenstunden an.« Und sich die Hände mit einem blütenweißen Taschentuch abwischend machte er sich, dicht gefolgt vom Doktor und meinem fassungslosen Blick, eilig an den Aufstieg, zurück ins immerwährende Sommerlicht des Nordens.

Ein Mann seiner Besatzung war tot, doch das hatte niemanden zu beunruhigen, am allerwenigsten die zahlenden Gäste. Der in Südafrika geborene Kapitän zur See wusste Schwerpunkte zu setzen. Und einen geschmeidigen Kurs zu steuern.

»Ihr habt den Käptn gehört«, betonte Antonov. »Und damit eines klar ist«, wandte er sich an mich und zerrte ein bisschen an der Front meiner Uniform herum, was mir mindestens so auf den Keks geht wie dieses ewige Am Arm-Packen, »in Anwesenheit der Schiffsleitung bin ich es, und ich allein, der die Wa-Wa-Was beisteuert. Kapiert?« Damit ließ er von mir ab, sah bohrend zu Jochen und wieder zu mir, seufzte und begann seinerseits, seine geschätzte Quadratsumme von fünfundzwanzigtausendsechshundert die ächzende Stahlkonstruktion hinaufzuwuchten.

»Jochen«, fragte ich nach einer Weile leise, »verstehst du, was hier abgeht?«

»Antonov«, spuckte Jochen, der in letzter Zeit schon mal gedanklich abschweifte, vor allem, wenn er ein paar Gläser intus hatte, »Fuchs«, spuckte er, wischte sich den Mund mit dem Ärmel ab und richtete sich mühsam zu voller Höhe auf, »und Kryszinski.« Er spuckte noch mal. »Weißt du, wie wir uns anhören?«, fragte er anklagend. »Wir hören uns an wie ein sozialistisches Joint Venture. Wie eine gescheiterte Mission. Antonov, Fuchs und Kryszinski bei Nordmeer-Expedition verschollen. So hören wir uns an.« Und er winkte mir, ihm die Treppe hoch zu folgen, während ich mir noch rasch mit den Fingerknöcheln dreimal seitlich gegen den Schädel klopfte. Ist gut gegen herbeigeredetes Unglück. Sagt man.

Bier. Ich blieb bei Bier. Jochen, den es, wie so viele gute Männer vor ihm, als Folge einer in die Hose gegangenen Liebesgeschichte zur christlichen Seefahrt verschlagen hatte, war da experimentierfreudiger, probierte seinen Kummer jeden Tag mit etwas anderem abzutöten. Rotwein, Gin, Wermut, Magenbitter, Eierlikör. Heute mit, wie es schien, exotisch betitelten Cocktails von schillernder Farbenpracht und überbordender Dekoration. Heather, die grotesk übergewichtige texanische Millionenerbin ihm gegenüber, tat es ihm gleich, und so nach und nach steckten die beiden auch die zwei Berliner an, die mit uns am Tisch saßen und nur auf eine Gelegenheit warteten, sich gehörig einen einzuschütten, um in ihre üblichen, lautstark vorgetragenen Ehestreitereien zu verfallen. Ein schriller Schrei und das Klirren einer zu Boden gegangenen Tablettladung Gläser deutete an, dass es der »Läufige Leopold«, ein zahnloser, im Rollstuhl hockender Kunsthändler aus München, mal wieder geschafft hatte, einer Kellnerin in den Schritt zu greifen. »Die blaue Stunde«, wie es die Bordzeitung liebevoll umschrieb, zog mit Macht herauf.

Der Kellner kam und stellte ungefragt ein Beck´s vor mich hin, bevor er an die anderen hohe Gläser verteilte, aus denen - wofür auch immer - schrillbunte Schirmchen ragten und von deren Rändern gekringelte Schalen von Südfrüchten baumelten wie Kartoffelschalen aus übervollen Treteimern.

»Auf die Kompetenz der Medizin«, rief Jochen, hob sein Glas und versuchte, gleichzeitig mir und der Texanerin vielsagend zuzuzwinkern, was eine schwer zu beschreibende Gesichtsakrobatik ergab, aber ich hatte andere Sorgen.

Also, da war tatsächlich ein Draht gewesen. Oben, in dem durch Laufgitter so unbehaglich transparenten, weit über zwanzig Meter hohen Treppenhaus des Maschinentrakts. Ein Draht mit Schlaufe. Genau so, wie es der Doktor gewusst hatte. Außer mir war anscheinend niemand auf die Idee gekommen, dieses Selbstmordinstrument näher zu untersuchen, und mich hatte selbst das Blut an der Schlaufe nicht von meiner Skepsis heilen können. Es hätte in dem Moment, in dem es Zapp gemacht hat, noch flüssig gewesen sein müssen, das Blut. Oder nicht?

Nachdenklich setzte ich die Flasche an und musste feststellen, dass sie schon wieder leer war. An diese Nulldreier-Fläschchen werde ich mich wohl nie gewöhnen.

Das Blut an der Drahtschlaufe war aber schon halb geronnen, als es irgendjemand darangeschmiert hatte. So sah es zumindest für mich aus. All das machte mir zu schaffen. Und noch etwas: Wir waren auf das eingeschwenkt, was mein Berufskollege die Zouteboom-Köthensieker´sche Linie getauft hat. Nicht ganz freiwillig eingeschwenkt, muss man dabei sagen - ich mit meinen eine Selbstmord-These wenig untermauernden Beobachtungen ganz bestimmt nicht -, doch eingeschwenkt nichtsdestotrotz.

Der »tragische Todesfall, wahrscheinlich als Folge privater Probleme« war vom Kapitän selber in der Mannschaftsmesse bekannt gemacht worden, und anschließend hatten Jochen und ich ihn noch mal beiseitegenommen. Vor allem ich war wohl ein bisschen hitzig in meiner Kritik an der Diagnose des Bordarztes, und Zouteboom war an die Decke gegangen.

»Jegliche Autorität an Bord dieses Schiffes liegt in meinen Händen!«, hatte er geschrien, und seine Hängebäckchen hatten gezittert, als er mit dem Fuß aufstampfte. »Und sämtliche medizinischen Aufgaben und Analysen obliegen Doktor Köthensieker und seinem Team. Ist das klar?«

Und Jochen und ich hatten genickt wie Schuljungen vorm Direx. Auf See herrschen andere Gesetze als an Land, und keiner von uns beiden hatte sich wirklich die Mühe gemacht, die Unterschiede vor Antritt der Fahrt zu...


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Autor

Jörg Juretzka, geboren 1955 in Mülheim an der Ruhr, ist gelernter Zimmermann und baute Blockhütten in Kanada, bevor er sich ganz aufs Schreiben konzentrierte. Sein Krimidebüt Prickel - der erste Fall für den abgerockten Privatermittler Kristof Kryszinski - erschien 1998. Für seine Romane wurde er mit dem Glauser-Preis 2022 und dreimal mit dem Deutschen Krimi Preis ausgezeichnet.

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