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Fremde Hände

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
384 Seiten
Deutsch
Unionsverlagerschienen am01.01.20171. Auflage
In der Müllverbrennungsanlage Zürich Nord wird in einer Autodachbox die Leiche einer jungen Frau gefunden. Bezirksanwältin Regina Flint und Kriminalpolizist Bruno Cavalli kommen im Zürcher Rotlichtmilieu Frauenhändlern auf die Spur, die vor nichts zurückschrecken. Je verworrener die Spuren werden, desto klarer erscheint das Motiv: Geld. Bis ein zweiter Mord geschieht, der viel mit dem Fall, aber gar nichts mit Geld zu tun hat. Gleichzeitig kämpfen Regina Flint und Bruno Cavalli gegen ihre Liebe an, die sie in der Vergangenheit bereits einmal an den Abgrund geführt hat.

Petra Ivanov verbrachte ihre Kindheit in New York. Nach ihrer Rückkehr in die Schweiz absolvierte sie die Dolmetscherschule und arbeitete als Übersetzerin, Sprachlehrerin und Journalistin. Heute ist sie als Autorin tätig und gibt Schreibkurse an Schulen und anderen Institutionen. Ihr Debütroman Fremde Hände erschien 2005. Ihr Werk umfasst Kriminalromane, Thriller, Liebesromane, Jugendbücher, Kurzgeschichten und Kolumnen. Petra Ivanov hat zahlreiche Auszeichnungen erhalten, u. a. zweimal den Zürcher Krimipreis (2010 und 2022).
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Verfügbare Formate
TaschenbuchKartoniert, Paperback
EUR14,00
E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
EUR12,99

Produkt

KlappentextIn der Müllverbrennungsanlage Zürich Nord wird in einer Autodachbox die Leiche einer jungen Frau gefunden. Bezirksanwältin Regina Flint und Kriminalpolizist Bruno Cavalli kommen im Zürcher Rotlichtmilieu Frauenhändlern auf die Spur, die vor nichts zurückschrecken. Je verworrener die Spuren werden, desto klarer erscheint das Motiv: Geld. Bis ein zweiter Mord geschieht, der viel mit dem Fall, aber gar nichts mit Geld zu tun hat. Gleichzeitig kämpfen Regina Flint und Bruno Cavalli gegen ihre Liebe an, die sie in der Vergangenheit bereits einmal an den Abgrund geführt hat.

Petra Ivanov verbrachte ihre Kindheit in New York. Nach ihrer Rückkehr in die Schweiz absolvierte sie die Dolmetscherschule und arbeitete als Übersetzerin, Sprachlehrerin und Journalistin. Heute ist sie als Autorin tätig und gibt Schreibkurse an Schulen und anderen Institutionen. Ihr Debütroman Fremde Hände erschien 2005. Ihr Werk umfasst Kriminalromane, Thriller, Liebesromane, Jugendbücher, Kurzgeschichten und Kolumnen. Petra Ivanov hat zahlreiche Auszeichnungen erhalten, u. a. zweimal den Zürcher Krimipreis (2010 und 2022).
Details
Weitere ISBN/GTIN9783293306356
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2017
Erscheinungsdatum01.01.2017
Auflage1. Auflage
Seiten384 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse3591 Kbytes
Artikel-Nr.3421513
Rubriken
Genre9201

Inhalt/Kritik

Leseprobe



2


Der Pausenplatz füllte sich langsam. Die Kinder schmissen ihre Schultaschen vor den Haupteingang und versuchten, ein Fußballspiel in Gang zu bringen. Mit lauten Stimmen handelten sie aus, wer mit wem zusammenspielen durfte.

Aurora verstand nicht, was die Kinder sich zuriefen. Doch die aggressiven Stimmen weckten sie aus einem tiefen, traumlosen Schlaf. Als sie das Aufprallen des Balles hörte, glaubte sie, sie befände sich in der Nähe des Kemal-Stafa-Stadions im Zentrum von Tirana. Oft hatte sie dort Zigaretten verkauft.

Der Konkurrenzkampf war groß gewesen. Als Mädchen hatte sie den Vorteil, dass sie mehr Mitleid erweckte als die Jungen. Dieser Vorteil hatte sich aber im Laufe der Jahre in einen Nachteil verwandelt. Bald wollten die Männer etwas anderes als Zigaretten. Sie verkaufte weniger und weniger, manchmal war sie mit leeren Taschen nach Hause gekommen.

Plötzlich war sie hellwach. Wie ein Wasserfall stürzten die Ereignisse der vergangenen Nacht über sie herein, und sie sprang hoch. Ihr Kopf stieß dabei heftig gegen das Holzdach des Spielhäuschens. In den vergangenen Monaten hatte sie oft genug geübt, Angst und Demütigungen zu verdrängen. Nun konnte sie sich ohne große Mühe auf das wichtigste Problem konzentrieren. Als Erstes musste sie ungesehen verschwinden. Danach brauchte sie etwas zu essen und wärmere Kleider. Vorsichtig schaute sie durch die kleine Tür nach draußen. Die Kinder waren so in ihr Spiel vertieft, dass sie kaum eine Sechzehnjährige mit kurzem, schwarzem Kunstlederrock bemerken würden. Sie war froh darüber, denn es würde ihr erlauben, unbemerkt vom Spielplatz wegzuschleichen.

Die Müllverbrennungsanlage Eschenholz lag im Nordosten der Stadt Zürich. Das Gebiet war ein Labyrinth von Überlandstraßen und Autobahnzufahrten. Schmid lenkte seinen Nissan stumm durch den Verkehr.

»Wie geht es Vera?«, fragte Regina. Seine Frau war im achten Monat schwanger.

»Das Gewicht macht ihr langsam zu schaffen«, antwortete er und strich sein feines Haar glatt, als hätte der Gedanke es durcheinandergebracht.

»Habt ihr wirklich keine Ahnung, ob es ein Mädchen oder ein Junge wird?«

»Natürlich nicht.«

Regina hatte dieselbe Frage schon einmal gestellt. Sie konnte nicht glauben, dass Schmid bei den Ultraschalluntersuchungen nicht auf dieses kleine Detail achtete. »Habt ihr schon alles eingerichtet?«

»Vera hat einen Hängekorb gekauft, das soll beruhigend sein«, erklärte er. »Wir haben in allen Zimmern Haken an der Decke montiert, so kann das Baby immer in unserer Nähe sein.«

Regina verkniff sich die Frage, ob er das denn wolle. Vor ihnen tauchte der Kamin der Verbrennungsanlage auf. Sie erkannte Cavallis grünen Volvo neben den Streifenwagen. Auch die Spurensicherung und der fototechnische Dienst waren schon da.

Von Weitem sah Regina eine mit weiß-roten Bändern abgesperrte Grube. Der einzige Zugang war ein kleiner Trampelpfad, wie die Polizisten den freien Durchgang nannten. Vor einem quadratischen Betonbau sprachen zwei Uniformierte mit einem älteren Mann. Auch Cavalli war dabei.

»Gleich neben der Verbrennungsanlage befindet sich die Fernwärmeanlage«, erklärte der Mann seinen Zuhörern. »Beim Verbrennen von Abfall entstehen Temperaturen von bis zu achthundertfünfzig Grad. Damit die Energie optimal verwertet werden kann, sind über den Öfen Kessel zur Dampferzeugung installiert. Der überhitzte Hochdruckdampf hat eine Temperatur von vierhundert Grad und kann mit einer Dampfturbine in Strom umgesetzt werden.«

Regina hatte das Gefühl, er habe diesen Vortrag schon wiederholt gehalten.

Cavalli hörte aufmerksam zu. Seine dunklen Augen fixierten den älteren Mann auf die ihm eigene Art. Ab und zu nickte er. Die Bewegung war eher eine Aufforderung weiterzusprechen als ein Zeichen dafür, dass er mit dem Gesagten einverstanden war. Regina musterte ihn.

In Cavallis Gesicht spiegelte sich seine ungewöhnliche Herkunft. Die hohen Wangenknochen erinnerten an seine Großmutter mütterlicherseits, eine Cherokee-Indianerin aus North Carolina. Von seiner Mutter, die in Straßburg lebte, hatte er die sinnlichen Lippen und seine bewegliche linke Augenbraue, die so ausdrucksstark war, dass er oft gar nicht in Worte fassen musste, was er sagen wollte. Seine aufrechte, selbstsichere Haltung schrieb Regina den Tessinern väterlicherseits zu. Nur Cavallis Nase, mehrmals gebrochen und deshalb leicht krumm, teilte er mit keinem seiner Vorfahren.

Regina ging auf die kleine Gruppe zu. Cavalli begrüßte sie und stellte ihr den untersetzten Mann vor, der die technischen Finessen der Wärme-Kraft-Koppelung lobte, als wolle er das Fernwärmesystem einem Kunden verkaufen.

»Herr Plaas hat den Fund gemeldet«, erklärte Cavalli. Er wandte sich an den nervösen Mann und bat ihn, nochmals zu erklären, was er beobachtet hatte.

Hugo Plaas begann Regina zuliebe nochmals von vorne.

»Das Eschenholz ist eine moderne Müllverbrennungsanlage mit Rauchgasreinigung, Entstickung und Reststoffverfestigung. Wir verbrennen -â«

»Erzählen Sie doch, was Sie heute Morgen gesehen haben«, bat ihn Cavalli.

»Es ist auch Privatpersonen gestattet, Sperrgut und Sondermüll im Eschenholz zu entsorgen«, holte Plaas aus, »natürlich gegen eine entsprechende Gebühr.«

»Und heute um acht Uhr«, half ihm Cavalli weiter.

»Heute um acht Uhr kam ein Mann, um eine Dachbox zu entsorgen. Wissen Sie, so eine, in der man Skier transportieren kann. Sie sehen aus wie graue Särge.« Er verschluckte sich am Wort. »Er stellte sein Fahrzeug auf meine Aufforderung hin auf die Waage, denn die Gebühr richtet sich nach dem Gewicht und nach der Zusammensetzung des Abfalls. Sondermüll beispielsweise kostet mehr, weil -â«

»Aber er wollte keinen Sondermüll entsorgen.«

»Nein, er wollte nur die Dachbox entsorgen, und zwar weil er sie nicht mehr öffnen konnte. Er hatte sie benutzt, um Werkzeuge zu transportieren - statt Skier, verstehen Sie, vielleicht fährt er ja nicht Ski -, und dabei ist ihm eine Dose Pistolenschaum aufgegangen.«

Regina hatte keine Ahnung, was Pistolenschaum war. Sie wollte den Mann aber nicht unterbrechen.

»Ich wollte natürlich in die Dachbox hineinschauen, es hätte ja Sondermüll drin versteckt sein können. Wenn Sie nämlich Sondermüll als Sperrgut entsorgen, so kommt Sie das viel günstiger. Aber wie gesagt, sie war vollständig zugeschäumt. Was hätte ich tun sollen? Ich ließ ihn die Dachbox geschlossen in die Grube werfen. Ich half ihm sogar noch dabei.« Plaas schüttelte den Kopf, und sein Doppelkinn wackelte hin und her.

»Aber es war kein Werkzeug drin«, sagte Cavalli.

Plaas schluckte und fuhr fort: »Als der Kunde die Abfallgebühr bezahlt hatte und weggefahren war, ging ich zur Grube zurück, weil ich mir dachte, wenn eine Dachbox sechzig Kilogramm wiegt, dann muss da eine Menge wertvoller Werkzeuge drin sein. Ein kleines Stück des Plastiks war beim Aufprall ... die Grube ist fünf Meter tief ... ein Stück der Dachbox war weggebrochen ... und ich sah ... einen Finger. Mit einem rot lackierten Nagel.«

Nieselregen hatte eingesetzt. Der verstörte Mann ließ sich in sein Büro führen und sackte auf einem Plastikstuhl zusammen. Mit zittrigen Händen zündete er sich eine Zigarette an.

»Können Sie den Mann beschreiben?«, fragte Regina.

Plaas nahm die Zigarette aus dem Mund.

»Er war etwas kleiner als ich«, sagte er langsam und stieß dabei den Rauch aus. »Und dunkel.«

»Dunkelhäutig?«, hakte Regina nach.

»Nein, seine Haut war normal«, begann Plaas.

Er verstummte und blickte zu Cavalli hoch, der ihm gegenüberstand. Seinen dunklen Teint konnte er nicht richtig einschätzen. Regina sah die Verwirrung in seinen Augen.

Plaas drückte sich anders aus: »Es war ein Weißer, aber mit dunklem Haar und dunklen Augen. Ein Italiener oder so.«

»Sprach er deutsch?«, wollte Cavalli wissen.

»Er hatte einen Akzent.«

»Können Sie sein Gesicht beschreiben?«, fragte Regina weiter.

Plaas schüttelte den Kopf. Unter seinen Armen breiteten sich Schweißflecken aus und verströmten einen unangenehmen Geruch. Regina versuchte, unauffällig einen Schritt zurückzugehen. Der Raum war so klein, dass sie dabei an den Schreibtisch stieß. »Notieren Sie jeweils die Autokennzeichen der Kunden?«, fragte sie.

Plaas schüttelte wieder den Kopf. »Datenschutz«, murmelte er.

Regina sah ein, dass es im Moment zwecklos war, Fragen zu stellen. Cavalli war zum gleichen Schluss gekommen.

Der Nieselregen war inzwischen in einen richtigen Regen übergegangen. Regina zog den Kragen ihres Mantels fester zu. Sie atmete tief ein und versuchte, die Wirkung, die Cavallis physische Nähe auf sie hatte, zu ignorieren. Sie konzentrierte sich jetzt auf die Menschentraube in der Nähe der Abfallgrube. Aus dem Augenwinkel sah sie, wie Cavalli sie anstarrte. Er holte gerade Luft, um etwas zu sagen, als ein Mitarbeiter des fototechnischen Diensts auf sie zukam.

»Ich mache mich schon mal auf den Weg ins Labor«, sagte dieser. »Die Techniker werden keine Chance haben, die Dachbox hier zu öffnen. Er fuhr sich mit...


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Petra Ivanov verbrachte ihre Kindheit in New York. Nach ihrer Rückkehr in die Schweiz absolvierte sie die Dolmetscherschule und arbeitete als Übersetzerin, Sprachlehrerin und Journalistin. Heute ist sie als Autorin tätig und gibt Schreibkurse an Schulen und anderen Institutionen. Ihr Debütroman Fremde Hände erschien 2005. Ihr Werk umfasst Kriminalromane, Thriller, Liebesromane, Jugendbücher, Kurzgeschichten und Kolumnen. Petra Ivanov hat zahlreiche Auszeichnungen erhalten, u. a. zweimal den Zürcher Krimipreis (2010 und 2022).

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