Hugendubel.info - Die B2B Online-Buchhandlung 

Merkliste
Die Merkliste ist leer.
Bitte warten - die Druckansicht der Seite wird vorbereitet.
Der Druckdialog öffnet sich, sobald die Seite vollständig geladen wurde.
Sollte die Druckvorschau unvollständig sein, bitte schliessen und "Erneut drucken" wählen.

Lange Beine, kurze Lügen

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
240 Seiten
Deutsch
Ullstein Taschenbuchvlg.erschienen am09.11.2018Auflage
Michael Buchinger hat gar keine langen Beine. Aber mit richtigem Filter und Winkel glaubt das auf Instagram jeder. Ist das schon eine Lüge? Oder eine Berufskrankheit? Buchinger schenkt uns eine unterhaltsame Anekdotensammlung mit jeder Menge Lügengeschichten, Märchen, Party-Flunkereien und einem radikalen Selbstexperiment: eine Woche ohne Lügen. Mit weniger Wahrheit ist das Leben aber eindeutig bunter!

Michael Buchinger, 1992 in Wien geboren, ist YouTuber und schreibt für Vice, Miss und Die Welt. Er hat Anglistik studiert und erhielt 2015 den Deutschen Webvideopreis in der Kategorie Lifestyle für das Format 'Michaels Hass-Liste'.
mehr

Produkt

KlappentextMichael Buchinger hat gar keine langen Beine. Aber mit richtigem Filter und Winkel glaubt das auf Instagram jeder. Ist das schon eine Lüge? Oder eine Berufskrankheit? Buchinger schenkt uns eine unterhaltsame Anekdotensammlung mit jeder Menge Lügengeschichten, Märchen, Party-Flunkereien und einem radikalen Selbstexperiment: eine Woche ohne Lügen. Mit weniger Wahrheit ist das Leben aber eindeutig bunter!

Michael Buchinger, 1992 in Wien geboren, ist YouTuber und schreibt für Vice, Miss und Die Welt. Er hat Anglistik studiert und erhielt 2015 den Deutschen Webvideopreis in der Kategorie Lifestyle für das Format 'Michaels Hass-Liste'.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783843718479
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2018
Erscheinungsdatum09.11.2018
AuflageAuflage
Seiten240 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse2473 Kbytes
Artikel-Nr.3425269
Rubriken
Genre9201

Inhalt/Kritik

Leseprobe
Früh lügt sich

»Hören Sie, es tut mir sehr leid, dass Ihre Katze einen Unfall hatte«, sagte der Airline-Mitarbeiter streng, »und das auch noch ausgerechnet an Ihrem Geburtstag. Aber ich kann Sie leider nicht ohne Ausweis ins Flugzeug lassen! Sie können gerne Ihren Pass oder einen anderen gültigen Ausweis von zu Hause holen und mit einem späteren Flugzeug nach Berlin fliegen.«

Wie unhöflich! Ja, rein objektiv gesehen entsprachen sowohl die Behauptung über meine Katze als auch die Sache mit dem Geburtstag nicht ganz der Wahrheit, da sie zu 100% gelogen waren. Ich hatte noch nicht mal eine Katze, und selbst wenn ich eine hätte, warum sollte sie dann ausgerechnet in Berlin wohnen, während ich in Wien residiere? Das ergibt schlichtweg keinen Sinn.

Obwohl ich die Details dieser Oscar-reifen Lüge eindeutig nicht gründlich genug durchdacht hatte, war ich davon ausgegangen, dass mir gezieltes Flunkern, kombiniert mit meinem treffsicheren Charme, mal wieder aus der Patsche helfen würden. Ich hatte mich schon darauf eingestellt, im Flugzeug Richtung deutsche Hauptstadt zu sitzen und meinen Tomatensaft feierlich zu erheben, während ich schallend lachen würde. »Ein weiteres Mal durch Lügen zum Sieg!«, hätte ich mir gesagt.

Aber nein, nicht dieses Mal. Ich hatte meine Lektion gelernt: Der Flughafen war wohl einer der wenigen Orte, an denen ein nettes Lächeln und eine kleine Notlüge kein bisschen halfen.

Melancholisch dachte ich an meine Jugend zurück, die Zeit, in der ich gelernt hatte, dass man sämtliche Regeln brechen durfte, wenn man dabei immer furchtbar nett war und die Wahrheit nur ein kleines bisschen überzog. Dabei hätte mir, der auf dem österreichischen Land groß geworden ist und mehr oder weniger katholisch erzogen wurde, doch klar wie Kloßbrühe sein sollen, dass Lügen kurze Beine haben und - außer vielleicht ganz fantastisches Schauspiel-Training - selten Gutes mit sich bringen.

Ich denke, ähnlich wie meine Vorliebe für einen guten Krimi geht dieser Schlamassel auf den Einfluss meiner Mutter zurück. Im Jugendalter wurde ich an jedem Schultag von meiner Mutter geweckt, die um sieben Uhr morgens mit einem derart strengen Blick in mein Zimmer kam, als wollte sie Schimmel inspizieren.

Da ich dafür bekannt bin, selbst den lautesten Wecker der Welt gekonnt zu verschlafen, war großes Durchsetzungsvermögen erforderlich, um mich aus dem Bett zu bekommen. Für gewöhnlich wankte ich nach diesem für beide Parteien äußerst mühsamen Weckritual halb tot zum Frühstückstisch, vertilgte mein Brötchen und machte mich im Tempo eines gelangweilten Faultiers auf den Weg in die Schule.

Alle drei Monate etwa aber hatte meine Mutter einen anderen Plan für uns: »Was wäre, wenn du heute die Schule schwänzt und wir gemeinsam nach Wien fahren? Shoppen?«, fragte sie mich dann. Anfangs war ich von diesem Angebot immer gänzlich schockiert.

»Schule schwänzen???«, erwiderte ich dann völlig aufgebracht. »Aber heute erwarten mich doch 20 spannende Referate im Deutschunterricht und in der Englischstunde wollen wir uns zum dritten Mal Die Farbe Lila ansehen!« In Anbetracht dieses Lehrplans dämmert mir rückblickend betrachtet übrigens, dass der Großteil unserer Lehrer offenbar ebenfalls keine Lust auf Schule hatte und wohl genauso gerne geschwänzt hätte.

»Du fehlst doch ohnehin so selten!«, entgegnete meine Mutter, als wäre sie die Schlange aus dem Garten Eden und wolle mich in Versuchung führen. »Komm schon, ich schreibe dir eine Entschuldigung!« Mehr brauchte es auch nicht, um mich zu überzeugen - 20 Minuten später saßen wir bereits im Zug und eine weitere Stunde später aß ich Eclairs in einem Wiener Feinkostladen.

Wenngleich ich meine Mutter nicht als schlechtes Vorbild bezeichnen würde, wurde mir durch Aktionen wie diese schon damals vermittelt, dass sämtliche »Regeln«, »Fristen« und »Deadlines« pro forma sind und, ähnlich wie Geschwindigkeitsbeschränkungen oder der Hinweis, Alkohol nicht mit Red Bull zu mischen, nicht wirklich für mich gelten.

Muss ich an dieser Stelle überhaupt noch erwähnen, dass meine Lügen aufgrund meiner neuen »Mein Stundenplan ist doch nur ein Vorschlag!«-Attitüde bald überhandnehmen sollten? Und dafür brauchte ich noch nicht mal mehr die Hilfe meiner Mutter.

Ich besuchte gerade die 11. Klasse, als unser Direktor stolz eine Neuerung der Schule präsentierte: »Von nun an gibt es ein virtuelles Klassenbuch!«, kündigte er an, als hätte er das Rad neu erfunden. »Hier wird virtuell eingetragen, wer kommt und geht. Aufgrund dieses Systems werden Fehlstunden nun mit nur einem Mausklick virtuell angezeigt!«

Mein Instinkt sagte mir, dass in seinem »Ein Fremdwort am Tag!«-Kalender an diesem Tag das Wort »virtuell« gestanden hatte.

Das virtuelle Klassenbuch wäre in der Tat eine tolle und hochsichere Neuerung gewesen, hätten die meisten Lehrer als Passwort dafür nicht einfach ihre Nachnamen verwendet. Dies fiel mir auf, als unsere Französischlehrerin, Frau Gruber, bei der Eingabe des Passworts laut mit sich selbst sprach. »Passwort: Gruber«, und dann buchstabierte sie auch noch ihren eigenen Nachnamen: »G-R-U-B-E-R! Und ich bin drin!«, rief sie stolz, wie ein Hacker in einem SciFi-Film.

Mein Wissen über den Zugang zum Klassenbuch, kombiniert mit der Tatsache, dass ich zu diesem Zeitpunkt bereits sämtlichen Gehorsam über Bord geworfen hatte, verhießen nichts Gutes für die Entwicklung meiner Ehrlichkeit. Mir dämmerte, dass ich ungestraft fehlen konnte, wenn ich mich im Namen meiner Lehrerin selbst aus dem virtuellen Klassenbuch austrug und die Austragung am Morgen nach meinem Fernbleiben einfach wieder löschte.

Die gesamte 11. Klasse lang war ich daher ein Gespenst: Menschen erzählten von mir und manche behaupteten sogar, mich hie und da gesehen zu haben, aber meistens war ich einfach nicht da. Wo war ich stattdessen? Ihr habt es erraten: in Wien, wo ich meistens alleine, manchmal aber auch mit Schulkameraden, die Teil meines Komplotts waren, ungestraft das süße Nichtstun genoss.

Seit meiner Schulzeit sind mittlerweile zwar zig Jahre vergangen, aber ich darf euch freudig berichten, dass ich nach wie vor mit Vorliebe Regeln breche und Sonderbehandlungen einfordere. Eigentlich ist es in den meisten Fällen wirklich simpel: Man muss nur ein bisschen nett zu Personen sein, die eine Machtposition innehaben, und ihnen genug Honig ums Maul schmieren, und dann darf man auch schon Dinge tun, die sonst eigentlich verboten sind. Probiert es mal aus!

Wenn ich Türsteher lieb frage, tun sie so, als würde ich auf der Gästeliste stehen. Beim Mittagessen mit Freunden immer dann lauthals »UND NOCH MAL ALLES GUTE ZUM GEBURTSTAG, BIANCA!« zu rufen, wenn gerade ein Kellner vorbeigeht, ist ein treffsicherer Weg, um gratis Desserts für alle zu garantieren. Und 2015 habe ich es sogar geschafft, ohne Ticket auf eine dreitägige Konferenz zu gelangen, weil ich besonders nett darum gebeten habe.

Eine Affinität zum Regelbruch, kombiniert mit ungezwungenem Charme, machen die »Buchinger-Methode« (wie ich sie liebevoll nenne) zu einer gefährlichen Strategie, die nie in die Hände von Terroristen-Gruppen kommen darf. Stolz kann ich behaupten, dass ich diese Methode seit Jahren anwende und dass sie mein Leben um einiges leichter macht.

Klingt doch fantastisch, oder? Umso grausamer war das Erwachen, als ich feststellen musste, dass die »Buchinger-Methode« zwar an der Feinkost-Theke und in der Schule gut funktioniert, in wichtigen Situationen wie etwa am Flughafen allerdings nur in etwa so viel ausrichten kann wie eine Tasse Kamillentee gegen pochende Kopfschmerzen.

Es war im Sommer 2016, als ich beruflich nach Berlin reisen sollte, um an einer dreitägigen, bezahlten Video-Produktion teilzunehmen. Da ich zu diesem Zeitpunkt in meinem Leben so gierig nach Geld schnappte, als wäre ich Super Mario auf Münzen-Jagd, sagte ich zu, bevor ich überhaupt das Thema der Videos erfahren hatte.

Alleine reisen ist ein oft notwendiger und selten angenehmer Teil meines Alltags. Da ich bereits mehrere Male einfach mein Handgepäck im Flugzeug liegen gelassen oder stundenlang am völlig falschen Terminal gewartet hatte, fühle ich mich immer unwohl, wenn ich keine gut organisierte Person an meiner Seite habe, die mich durch den Flughafen lotst, als wäre ich ein alter, gebrechlicher Mann.

Deshalb verreise ich meist nur ohne Begleitung, wenn am Ende des Trips eine Gage auf mich wartet.

Ich war gerade am Flughafen Wien angekommen und ganz begeistert davon, dass bislang noch gar nichts schiefgegangen war, als ich bemerkte, dass ich gar keinen Reisepass dabeihatte. Aber kein Grund zur Panik! Selbst ich als jemand, der immer nur den »Kultur«-Teil der Tageszeitungen liest und lange Zeit glaubte, dass James Cameron - der Regisseur von Titanic - nebenbei Premierminister des Vereinigten Königreichs war, hatte am Rande mitbekommen, dass man definitiv keinen Reisepass mehr brauchte, um von Wien nach Berlin zu reisen. Immerhin hatte ich meinen...
mehr