Hugendubel.info - Die B2B Online-Buchhandlung 

Merkliste
Die Merkliste ist leer.
Bitte warten - die Druckansicht der Seite wird vorbereitet.
Der Druckdialog öffnet sich, sobald die Seite vollständig geladen wurde.
Sollte die Druckvorschau unvollständig sein, bitte schliessen und "Erneut drucken" wählen.

Geschichten von anderswo

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
304 Seiten
Deutsch
Hoffmann und Campe Verlagerschienen am15.09.2018
Eine Sammlung großartig verdichteter Miniaturromane. Sie spielen in Indien oder Argentinien, in Australien oder Bolivien, führen ins südliche Afrika, nach Singapur und Paris. Aber es sind nicht nur die geographischen Orte, die Nicholas Shakespeare auslotet. Er erzählt von mutigen, eigenwilligen Menschen, die vom Leben herausgefordert, überrascht und zu ungewöhnlichen Schritten angespornt werden. - 'Acht Goldstücke reinsten, kühnsten Geschichtenerzählens' (The Telegraph)

Nicholas Shakespeare, 1957 in Worcester/England geboren, wuchs als Sohn eines Diplomaten in Asien und Lateinamerika auf. Heute lebt er im englischen Wiltshire und in Swansea/Tasmanien. Er veröffentlichte mehrere Romane, darunter Sturm und Der Obrist und die Tänzerin, verfilmt unter der Regie von John Malkovich, und eine große Bruce-Chatwin-Biographie. Bei Hoffmann und Campe erschienen bisher u.a. das Sachbuch Priscilla. Von Liebe und Überleben in stürmischen Zeiten (2014)und der Erzählband Geschichten von anderswo (2018).
mehr

Produkt

KlappentextEine Sammlung großartig verdichteter Miniaturromane. Sie spielen in Indien oder Argentinien, in Australien oder Bolivien, führen ins südliche Afrika, nach Singapur und Paris. Aber es sind nicht nur die geographischen Orte, die Nicholas Shakespeare auslotet. Er erzählt von mutigen, eigenwilligen Menschen, die vom Leben herausgefordert, überrascht und zu ungewöhnlichen Schritten angespornt werden. - 'Acht Goldstücke reinsten, kühnsten Geschichtenerzählens' (The Telegraph)

Nicholas Shakespeare, 1957 in Worcester/England geboren, wuchs als Sohn eines Diplomaten in Asien und Lateinamerika auf. Heute lebt er im englischen Wiltshire und in Swansea/Tasmanien. Er veröffentlichte mehrere Romane, darunter Sturm und Der Obrist und die Tänzerin, verfilmt unter der Regie von John Malkovich, und eine große Bruce-Chatwin-Biographie. Bei Hoffmann und Campe erschienen bisher u.a. das Sachbuch Priscilla. Von Liebe und Überleben in stürmischen Zeiten (2014)und der Erzählband Geschichten von anderswo (2018).
Details
Weitere ISBN/GTIN9783455000849
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2018
Erscheinungsdatum15.09.2018
Seiten304 Seiten
SpracheDeutsch
Artikel-Nr.3425570
Rubriken
Genre9200

Inhalt/Kritik

Inhaltsverzeichnis
CoverTitelseiteWidmungMottoDas weiße Loch von BombayDie Fürstin der PampasBroken HillSüßwasserangelnDer Tod des MaratDer Castle-Morton-NebelDas StandbildDer GoldbauchsittichDanksagung und VeröffentlichungsnachweiseÜber Nicholas ShakespeareImpressummehr
Leseprobe
Das weiße Loch von Bombay

Jetzt, da ich nicht mehr in Indien lebe, muss ich an heißen Tagen stets an einen großen Swimmingpool in Bombay und an Sylvia Billington denken.

Wir lagen auf Liegestühlen - Sylvia, ihr Mann Hugh und ich -, auf einem Rasenstreifen unmittelbar neben dem Pool, mit Blick auf das Arabische Meer. Es war V-J Day, der Tag des Siegs über Japan im Zweiten Weltkrieg, und Geräusche und Ausblicke verschwammen in der Hitze des Vormittags. Von der Breach Candy Road war das Rauschen des Verkehrs zu hören, und ein schwacher süßsaurer Geruch von Müll hing in der Luft. Wenn ich meine Augen halb schloss, schwand die Welt bis auf ein Rechteck tiefblauen Himmels, das wahrscheinlich eine Spiegelung des Pools war.

Zu jener Zeit - den späten sechziger Jahren - war ich erst seit wenigen Wochen in Indien und als temporäres Mitglied des Breach Candy Swimming Pool Club mit dessen Hierarchien nicht vertraut. Zehn Meter von uns entfernt hatte das Personal des Russischen Konsulats ein Feld mit Netz, das immer dann dort hing, »wenn sie nicht gerade Dissidenten aufhängten«, um es mit Hughs Worten zu sagen. Sie redeten nicht viel, sondern schlugen einen ledernen Volleyball hin und her. Ich sah einen barfüßigen Gärtner mit Khakishorts, der in der Hocke saß und Unkraut zupfte. Etwas näher stritt eine Frau, die noch weißer war als ich und einen ähnlich spitzen englischen Akzent wie Sylvia hatte, mit ihrem halbwüchsigen Sohn. Auf dem Glastisch, an den ich mich auf Sylvias Drängen zu den beiden gesellt hatte, setzte ein Kellner in weißem Jackett das tausendste Tablett dieser Woche ab, verfolgt von den Blicken mehrerer hungriger Krähen.

Boinnnngggg!

Sylvia blinzelte angespannt nach oben. Links über uns federte ein muskulöser junger Mann in einer winzigen knallroten Badehose vom Sprungbrett.

Wuuuuusch! Er glitt ins Wasser.

Sekunden später tauchte ein blonder Kopf auf. Der Mann strich sich das Haar nach hinten wie jemand, der gern einen Spiegel hätte, und schwamm dann zu den Stufen für seinen nächsten Sprung.

Nach einem weiteren kurzen Blick auf den Kunstspringer setzte Sylvia ihre Sonnenbrille auf und nahm die Illustrated Weekly zur Hand.

Der Breach Swimming Pool Club lag an der Straße zum Gymkhana Club. Er war abends nie geöffnet, aber an schwülen Tagen kamen die in Bombay lebenden Ausländer oft hierher, um in den kühlen Pool zu springen und anschließend einen Nimbu Pani zu genießen, ein erfrischendes Getränk aus Limetten, Zucker und Wasser, das in Longdrink-Gläsern serviert wird. Abgesehen von einigen Filmstars gab es keine indischen Mitglieder. In den Kreisen, in denen die Billingtons verkehrten, wurde der Club jovial als »Das weiße Loch von Bombay« bezeichnet.

Die Billingtons zählten in jeder Hinsicht zu seinen ältesten Mitgliedern. Sie gehörten sozusagen zur Einrichtung, genauso wie der Planters Chair, der ständig ausgebessert werden musste, oder die glänzenden weißen Teller, von denen wir unsere Steak-Sandwiches aßen. Und wie der Club selbst - gut in Schuss, wenngleich sich die Ränder des Pools witterungsbedingt leicht wellten - strahlten sie eine gesetzte Mittelmäßigkeit aus. Von anderen Mitgliedern ging eine geschäftige Energie aus, da sie wussten, dass sie in achtzehn Monaten wieder weg wären. Die Billingtons würden sehr wahrscheinlich hier sterben.

Schon bevor ich sie kennenlernte, hatte ich das Bild eines sparsamen, kinderlosen Paars im fortgeschrittenen Alter gewonnen, das in einem bescheidenen Apartment in Malabar Hill lebte. Niemand schien je bei ihnen zu Hause gewesen zu sein, und der Tonfall, in dem das Wort »bescheiden« gesprochen wurde, deutete darauf hin, dass es Gründe gab, warum die Billingtons ihre sozialen Kontakte im Club pflegten.

Dies war erst unsere zweite Begegnung am Pool. Die erste hatte am Samstag zuvor stattgefunden. Ich war am späten Nachmittag an einem Liegestuhl vorbeigelaufen, als ich den forschenden Blick blauer Augen bemerkte, die mich über den Rand einer Zeitschrift ansahen.

»Sie sind nicht zufällig, ----------?« Sie sagte meinen Namen.

»Der bin ich.«

Die Frau nahm ihre Brille ab und stand auf. »Sylvia Billington.«

Ich sah in ein von den Tropen gegerbtes Gesicht. Die Haut unter ihrem Make-up war faltig, als hätte man sie zu sehr gespannt und dann losgelassen, und ihr strohblondes Haar, von dem sie mir später versicherte, es sei einmal »ellbogenlang und rot« gewesen, hatte sich zu dünnen, platt auf dem Schädel liegenden Löckchen verflüchtigt. Sie trug einen jadegrünen Badeanzug, der ihre Brüste betonte.

Mein erster Eindruck war der einer runzeligen, grellen, eher traurigen Frau, die ihren Einfluss dadurch sicherte, dass sie jeden kannte - und darauf achtete, dass jeder sie kannte. Vieles von dem, was sie mir erzählte, hatte ich bereits gehört: dass sie nach dem Zweiten Weltkrieg erstmals hierhergekommen sei, nach der Rückkehr ihres Mannes aus Birma. Dass ihr Mann - »Oh, wo steckt er nur? Sie würden gut miteinander auskommen« - lange für die British Biscuit Company gearbeitet hatte und jetzt bei Makertich&Co., einem Importeur für Textilmaschinen, angestellt sei.

Sylvia Billington betrachtete sich im Gegensatz zu den übrigen Leuten am Pool nicht als Ausländerin auf Durchreise, sondern als Einheimische mit weit zurückreichenden Wurzeln. Sie war in Indien geboren, als Tochter eines protestantischen irischen Baumwollhändlers. Dort hatte sie auch Hugh kennengelernt und geheiratet, bevor der Krieg ihn weiter nach Osten trieb.

Bei unserer ersten Begegnung hatte sie beiläufig die »Heldentaten« ihres Mannes erwähnt und wartete darauf, dass ich weiter danach fragte. Sie war sogar ziemlich beleidigt, dass ich nicht mitspielte und mich stattdessen umdrehte, als einer der Russen uns etwas zurief und ich einen Lederball in unsere Richtung hüpfen sah.

Er wurde von einem Mann abgefangen, der mir bis dahin noch nicht aufgefallen war: eine menschliche Bulldogge, offenbar Brite, in weißen Shorts und einem braunblauen Buschhemd. Er sprang vor und warf den Ball mit einer erstaunlich geschickten Bewegung hart und platziert zurück aufs Feld.

Bei der Aktion war seine Zigarette abgebrochen. Er trat die glühende Asche auf dem Boden aus und lief dann in unsere Richtung.

»Hugh, komm her«, sagte Sylvia und winkte ihm.

Hugh Billington erschien mir damals und in späteren Unterhaltungen als ein Mann von unaufdringlicher Natur, prinzipientreu, neidlos - und entwaffnend gleichgültig.

»Störe ich?« Er verscheuchte eine Fliege von seiner fleischigen Nase.

»Ich wollte ihm gerade von deiner Zeit in Birma erzählen«, sagte Sylvia.

Das einzige Körnchen Bitterkeit im Leben der Billingtons war Sylvias Enttäuschung darüber, dass Hugh aus seinem »sehr guten Krieg« nicht mehr Kapital geschlagen hatte, als habe er sich vorsätzlich darum bringen wollen. Aber der Stolz auf ihren Mann war rührend.

»Ich muss Lobeshymnen auf ihn singen«, sagte Sylvia zu mir. »Hugh ist so erzogen worden, dass er nicht viel redet, nicht wahr, Liebling? Aber du erinnerst dich an alles.«

Ich glaubte in Sylvias Blick die Intensität ihrer Sehnsucht zu erkennen, hinter dem Bierbauch und den weißen Haarsträhnen den tapferen Mann zurückzugewinnen, der für drei lange Jahre im Dschungel verschwunden war und lebend wieder herausgefunden hatte.

Und ich sah Hughs festen Entschluss, nicht dabei mitzumachen.

Er stand leicht zusammengesunken im Licht der Nachmittagssonne.

»Ich denke, schon«, sagte er, bereits eine neue indische Zigarette paffend, »aber einiges möchte ich gar nicht wissen.«

Und dann: »Wir sollten uns auf den Weg machen.«

»Haben Sie noch etwas vor später?«, wandte Sylvia sich plötzlich an mich, und bevor ich antworten konnte, fragte sie, ob ich zum Abendessen im Lancaster nebenan ihr Gast sein wolle.

Im einfachen Restaurant des Hotels waren die Billingtons an diesem Abend ziemlich beschwipst. Ich hatte alten Menschen immer gern zugehört, und anscheinend hatte ich ein Interesse an ihrer Geschichte gezeigt. Außerdem gefielen sie mir in ihrer unterschiedlichen Art. Sylvia, die ein knöchellanges Kleid trug und statt des pinkfarbenen einen maulbeerfarbenen Lippenstift aufgetragen hatte, bestritt einen Großteil der Unterhaltung. Ich versuchte Hugh ins Gespräch zu ziehen, indem ich ihn nach seiner Arbeit fragte, aber er gab nur ausweichende Antworten. In diesen Tagen, dreiundzwanzig Jahre nach der Kapitulation Japans, war er, seinen eigenen Worten nach, »eine ganz kleine Nummer«, jemand, den die hohen Tiere vor Ort britischen Geschäftsleuten, die ins Textilgeschäft einsteigen wollten, gern als leutseliges, vertrautes Gesicht präsentierten. »Viele von ihnen scheuen sich zu investieren, weil sie Angst haben, kein Geld zu sehen. Die Inder sind dafür bekannt, irgendwann zu zahlen, aber irgendwann reichte meiner alten Firma nicht.« Es schien ihm offenbar unwichtig, wie er auf andere wirkte, und das war löblich.

Lebhafter wurde er, als er auf die Russen zu sprechen kam (»nicht besser als die Japsen«). Oder Cricket (er war in seinem Regiment Torhüter gewesen). Oder - nach einigen Bieren - auf den traurigen Zustand, in den Birma abgerutscht war, wo er sich einst bei den Chindits unter General Wingates ausgezeichnet hatte. Das Problem war, dass Hughs Bosse bei Makertich&Co. in jüngster Zeit immer offener von ihm verlangten, er solle seine ihm absurderweise unterstellten lukrativen Kontakte zu Birma ausnutzen.

»Birma ist ein Land, von dem nur wenige...
mehr

Autor

Nicholas Shakespeare, 1957 in Worcester/England geboren, wuchs als Sohn eines Diplomaten in Asien und Lateinamerika auf. Heute lebt er im englischen Wiltshire und in Swansea/Tasmanien. Er veröffentlichte mehrere Romane, darunter Sturm und Der Obrist und die Tänzerin, verfilmt unter der Regie von John Malkovich, und eine große Bruce-Chatwin-Biographie. Bei Hoffmann und Campe erschienen bisher u.a. das Sachbuch Priscilla. Von Liebe und Überleben in stürmischen Zeiten (2014)und der Erzählband Geschichten von anderswo (2018).