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Die Perlenfischerin

E-BookEPUB0 - No protectionE-Book
703 Seiten
Deutsch
Bastei Lübbeerschienen am29.03.20191. Aufl. 2019
Norddeutschland, an der Wende zum 13. Jh.: Bei der Zerstörung der alten Handelsstadt Bardowick wird die kleine Ida vom Rest ihrer Familie getrennt. Fortan wächst sie bei einer Einsiedlerin am Ufer des Flusses Ilmenau auf. In der Natur findet Ida Trost, und sie entwickelt ein Talent dafür, kostbare Perlmuscheln zu finden. Als sie Jahre später mehr über ihre wahre Herkunft erfährt, macht Ida sich gemeinsam mit ihrer Jugendliebe, dem Slawen Esko, auf die gefahrvolle Suche nach ihrer Familie. Ihr erstes Ziel: das noch junge Lübeck ...



Sabine Weiß, Jahrgang 1968, arbeitet nach ihrem Germanistik- und Geschichtsstudium als Journalistin. 2007 veröffentlichte sie ihren ersten Historischen Roman, der zu einem großen Erfolg wurde und dem viele weitere folgten. Im Sommer 2017 erscheint ihr erster Kriminalroman, Schwarze Brandung, dem weitere folgen. Unabhängig davon, ob sie gerade einen Krimi oder einen Historischen Roman schreibt: Sabine Weiß liebt es, im Camper auf den Spuren ihrer Figuren zu reisen und direkt an den Schauplätzen zu recherchieren. Sie lebt mit ihrer Familie in der Nordheide bei Hamburg.
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Produkt

KlappentextNorddeutschland, an der Wende zum 13. Jh.: Bei der Zerstörung der alten Handelsstadt Bardowick wird die kleine Ida vom Rest ihrer Familie getrennt. Fortan wächst sie bei einer Einsiedlerin am Ufer des Flusses Ilmenau auf. In der Natur findet Ida Trost, und sie entwickelt ein Talent dafür, kostbare Perlmuscheln zu finden. Als sie Jahre später mehr über ihre wahre Herkunft erfährt, macht Ida sich gemeinsam mit ihrer Jugendliebe, dem Slawen Esko, auf die gefahrvolle Suche nach ihrer Familie. Ihr erstes Ziel: das noch junge Lübeck ...



Sabine Weiß, Jahrgang 1968, arbeitet nach ihrem Germanistik- und Geschichtsstudium als Journalistin. 2007 veröffentlichte sie ihren ersten Historischen Roman, der zu einem großen Erfolg wurde und dem viele weitere folgten. Im Sommer 2017 erscheint ihr erster Kriminalroman, Schwarze Brandung, dem weitere folgen. Unabhängig davon, ob sie gerade einen Krimi oder einen Historischen Roman schreibt: Sabine Weiß liebt es, im Camper auf den Spuren ihrer Figuren zu reisen und direkt an den Schauplätzen zu recherchieren. Sie lebt mit ihrer Familie in der Nordheide bei Hamburg.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783732561407
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format Hinweis0 - No protection
FormatFormat mit automatischem Seitenumbruch (reflowable)
Erscheinungsjahr2019
Erscheinungsdatum29.03.2019
Auflage1. Aufl. 2019
Seiten703 Seiten
SpracheDeutsch
Artikel-Nr.3425989
Rubriken
Genre9200

Inhalt/Kritik

Leseprobe

1

Bardowick, im Jahre 1189 nach der
Fleischwerdung des Herrn, 26. Oktober

Wenn doch das Seil um ihren Bauch nicht wäre, das sie zurückhielt! Ida zerrte an dem Hanf, kam aber keinen Schritt tiefer in den Fluss. Nur ein kleines Stück fehlte. Sie streckte sich noch einmal. Als es ihr endlich gelang, das Leinenhemd in die Strömung zu halten, war die Sechsjährige so gebannt von dem Anblick, dass sie kaum mehr spürte, wie ihr Körper eingeschnürt wurde. Immer neue Formen und Muster nahm der Stoff im Spiel der Wellen an. Wolkengleich waberte er, verwandelte sich in ein Schiff und gleich darauf in ein springendes Pferd.

»Ida, bist du denn noch nicht fertig? Deine Hände und Füße sind bestimmt schon halb erfroren!«

Das war ihre Mutter! Vor Schreck ließ Ida das Hemd los. Oje, sie hatte geträumt! Das Hemd sank, verschwand beinahe in den Strudeln, gerade noch konnte sie den letzten Zipfel packen. Wieder schaute sie den Bildern zu, die der Fluss ihr vor Augen stellte.

»Obacht!«, schrie ihre Mutter.

Im gleichen Augenblick wurde Ida am Seil zurückgerissen. Wasser spritzte auf ihren hochgeschürzten Kittel.

Ihr Bruder stand am Ufer, das Seil in den Händen. »Siehst du den Prahm denn nicht, Trödeltrine?«, fragte Bendix. Bis an den Rand war das Boot mit Salzfässern beladen und hielt direkt auf sie zu.

»Aua! Das tut doch weh!«, schimpfte Ida.

Es war doch gar nichts passiert! Was Bendix sich einbildete! Dabei war er gerade mal acht, bloß zwei Jahre älter als sie. Ida fuhr mit der Zunge in die Zahnlücke, die ihre Vorderzähne hinterlassen hatten. Da war er, der neue Zahn; eine Spitze schaute schon heraus. Bald war sie groß, dann konnte sie machen, was sie wollte. Dann musste sie nicht mehr am Flussufer festgebunden werden. Sie konnte es kaum erwarten!

Ida stakste an den Frauen vorbei, die ebenfalls an der Furt wuschen oder Wasser holten.

Ein Pferd wieherte nervös. Wie immer warteten an der Hügelburg am anderen Ufer der Ilmenau Frachtwagen darauf, nacheinander die schmale Holzbrücke zu überqueren, die einzige weit und breit. Pferden machte der breite Fluss ebenso viel Angst wie ihrer Mutter; Magda sagte immer, die Ilmenau sei unberechenbar. Auch Ida hatte schon gesehen, wie ein Reiter in der alten, halb vergessenen Furt weggespült worden war - im Nu hatten die Fluten das kräftige Pferd mitgerissen. Das angstvolle Wiehern des Tieres war das Schrecklichste gewesen, das Ida je gehört hatte.

Die Mutter und Bendix hatten die saubere Wäsche bereits auf der Wiese zum Trocknen ausgelegt. Am Ufer nahm Magda Ida das Hemd ab und wrang es aus.

»Du bist ja ganz nass!« Ihre Mutter musterte sie streng. Ida schaute zu Boden und ließ andächtig den Flusssand zwischen ihren Zehnen hindurchquellen. »Ich glaube, wir werden auch dich in der Sonne ausbreiten müssen, was meinst du, Bendix?« Ihre Mutter umfasste sie wie ein Paket. Feixend ergriff ihr Bruder Idas Fußknöchel. Sie trugen Ida ins hohe Gras und kitzelten sie durch. Ida giekste und strampelte erleichtert, denn sie fand es ganz schrecklich, wenn ihre Mutter zürnte. Als sie vor Lachen nach Luft japsten, ließen die Geschwister sich auf die Wiese fallen, doch ihre Mutter scheuchte sie wieder hoch.

»Steht auf! Die Erde ist schon zu durchgekühlt, ihr holt euch was weg. Hoffentlich lässt das bisschen Herbstsonne unsere Hemden überhaupt trocknen. Vor dem Frühling werden wir kaum noch einmal waschen können«, sagte Mutter.

Bendix war mit einem Satz auf dem Findling, aber Ida versuchte erfolglos, sich hochzuziehen, bis ihr Bruder sich erbarmte und ihr half.

Erst jetzt bemerkte sie, wie kalt ihr geworden war, und schmiegte sich an ihre Mutter. Die drei sahen dem Spiel von Sonne und Wolken auf der sanften, von Flussarmen durchzogenen Landschaft zu und beobachteten Schiffer, fahrende Kaufleute und Wäscherinnen. So wohlig und geborgen fühlte Ida sich, dass ihr die Lider schwer wurden. Müde ruhte ihr Blick auf Magdas Kette. Das Lederband mit einem Kreuz aus kleinen Flussperlen in der Mitte, das von Kugeln aus Bernstein, Glas und Holz eingerahmt wurde, baumelte über dem lindgrünen Kleid und war wunderschön, wie Ida fand. Wie herrlich die Sonnenstrahlen die Glasperlen zum Funkeln brachten! Und wie geheimnisvoll das Perlweiß schimmerte! Die Kette war zauberhaft - genauso wie ihre Mutter selbst. Magda hatte volles honigblondes Haar, reine Haut und kastanienfarbene Augen. Obgleich Ida kaum noch die Lider aufhalten konnte, mochte sie doch den Blick nicht von dem Farbenspiel abwenden.

»Erzähl uns die Geschichte von den Perlen«, bat Ida ihre Mutter schläfrig.

Magda kraulte ihr den Rücken. »Eines Abends, nachdem dein Vater ein paar Muscheln geerntet hatte und wir uns zu einer Muschelmahlzeit niedersetzten ⦫

»Nicht diese Geschichte. Die ist langweilig!«, unterbrach Bendix sie.

»Welche dann?«

»Na, die Geschichte ⦠du weißt schon, Mutter ⦫ Ida fiel es schwer, die richtigen Worte zu finden.

»Darüber, woher die Perlen wirklich kommen«, half Bendix ihr. Ida nickte.

»Ihr fragt mich, wie Perlen entstehen?« Ihre Mutter lächelte versonnen. »Es heißt, Perlen sind befruchtete Tautropfen. In klaren Nächten steigen die Muscheln an die Ufer und empfangen den himmlischen Tau. Danach ziehen sie sich zurück und ruhen, bis sie ihre Perlen gebären können. Manche behaupten allerdings auch, dass Perlen die Tränen der Engel sind. Und das Wunderbare ist: Flussperlen sind vollkommen, von Natur aus. Nichts kann der Mensch ihnen hinzufügen, um sie zu verbessern. Wir dürfen einfach nur über ihre Schönheit staunen. Glasperlen hingegen ⦫

Ihre Mutter beendete den Satz nicht, denn plötzlich begann die Glocke von Sankt Petri zu läuten, als hätte sie Schluckauf. Ida rieb sich überrascht die Augen. War schon wieder Zeit für die Messe? Jetzt stimmten auch die Glocken von Sankt Stephan an der Hude sowie der fünf weiteren Bardowicker Kirchen ein.

Bendix sprang auf. Seine Augen - so warmbraun wie die ihrer Mutter - waren weit aufgerissen. »Brennt es irgendwo?«, fragte er. Über den hohen Wall aus Erde und angespitzten Pfählen lugten die Holz- und Strohdächer der Häuser und Kirchen. Rauch war nicht zu sehen, doch das Glockengeläut ging weiter.

Magda war ebenfalls hochgeschnellt. »Ich weiß es nicht. Aber wir müssen auf jeden Fall in die Stadt zurück! Eilt euch!« Schon zog sie ihre Kinder mit sich. Auch die anderen Frauen rannten nun, als ginge es um ihr Leben. Was war denn nur los?

»Mutter, die Hemden!«, rief Ida.

»Was nützen euch die Hemden, wenn es euer Leben kostet!«, rief ihnen Zwartje, die Frau des friesischen Schiffers Poppo, im Vorbeirennen zu. Ihr Gesicht war rot und fleckig, und sie hinterließ vor lauter Eile eine Spur aus Wäschestücken.

Trotz der Mahnung klaubten Magda und ihre Kinder die Leinenhemden und auch Zwartjes Wäsche auf.

Am Stadttor, wo die Wachen den Eingang kontrollierten, herrschte Gedränge. Bauern und Handwerker, die auf den Feldern vor der Stadt gearbeitet hatten, stürmten genauso hinein wie die Händler, die auf dem Heerweg unterwegs gewesen waren. Ida machte dieser Tumult ganz kribbelig. Bendix hingegen schien Angst zu haben, obgleich er doch der Ältere war. Ida nahm seine Hand, bis sie endlich hinter dem schützenden Stadtwall angekommen waren.

Die Mutter fragte Vorbeieilende, warum die Sturmglocken läuteten, bekam aber keine Antwort. Das Gerüst des Fachwerkhauses, das ihr Vater gerade errichtete, war verlassen. Ein halb angesägter Balken, frischer Lehm und biegsame Ruten für das Flechtwerk lagen bereit. Wo war der Vater?

Magda schob ihre Kinder weiter. »Nach Hause, schnell!«

Idas Herz klopfte wild in ihrer Brust, und auch Bendix Hand war schon ganz schwitzig.

An ihrer Hütte kam Vater ihnen entgegen. Ida und Bendix flogen ihm in die Arme, und er hob sie beide hoch, als wären sie federleicht. Gerold Ostmann trug einen Dolch am Gürtel und war gerade dabei gewesen, sein dickes Lederwams zu schnüren. Er war ein Mann, den so schnell nichts ins Wanken brachte, mit starken Muskeln, kantigen Gesichtszügen und widerspenstigem dunkelbraunen Haar. Gleichzeitig hatte er ein empfindsames Gemüt, das ihn über aus dem Nest gefallene Vögel genauso weinen ließ wie über einen schönen Sonnenaufgang. Aber was Ida am besten fand, war seine Schnitzkunst. Erst vor ein paar Tagen hatte sie ein handtellergroßes Holzpferd von ihm bekommen.

Jetzt waren Gerolds Gesichtszüge von Besorgnis verfinstert. Er küsste seine Kinder auf die Stirn und setzte sie ab. Ida klammerte sich an ihn, sie wollte ihren Vater nicht loslassen. Aber Gerold umfasste Magdas Schultern.

»Geht in die Hütte und bleibt dort. Wenn es brenzlig wird, lauft rüber zur Petrikirche, dort seid ihr in Sicherheit«, sagte er eindringlich.

»In Sicherheit? Was ist denn los?« Ida fiel auf, dass die Stimme ihrer Mutter viel höher und dünner klang als sonst.

»Herzog Heinrich zieht mit seinen Truppen auf Bardowick.«

Die Augen ihrer Mutter weiteten sich angstvoll, was Ida nur noch mehr erschreckte.

»Herzog Heinrich ist doch nach England verbannt!«, sagte Magda und begann, die letzten Bänder an Gerolds Lederwams zu schließen, als könnte sie sich damit beruhigen.

Gerold sah sich fahrig um. »Nicht mehr. Lüneburg war ohnehin sein Eigengut, das konnte man ihm nicht nehmen. Jetzt hat er ein Heer um sich gesammelt und will das Herzogtum Sachsen wieder in Besitz nehmen, das meldete ein Bote. Stade hat sich ihm anscheinend schon unterworfen. Angeblich will Herzog Heinrich nun die Schmach rächen,...

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Sabine Weiß, Jahrgang 1968, arbeitet nach ihrem Germanistik- und Geschichtsstudium als Journalistin. 2007 veröffentlichte sie ihren ersten Historischen Roman, der zu einem großen Erfolg wurde und dem viele weitere folgten. Im Sommer 2017 erscheint ihr erster Kriminalroman, Schwarze Brandung, dem weitere folgen. Unabhängig davon, ob sie gerade einen Krimi oder einen Historischen Roman schreibt: Sabine Weiß liebt es, im Camper auf den Spuren ihrer Figuren zu reisen und direkt an den Schauplätzen zu recherchieren. Sie lebt mit ihrer Familie in der Nordheide bei Hamburg.
Die Perlenfischerin

Bei diesen Artikeln hat der Autor auch mitgewirkt