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Ein unerwarteter Brief

E-BookEPUB0 - No protectionE-Book
317 Seiten
Deutsch
Bastei Lübbeerschienen am31.01.20191. Aufl. 2019
Franck lebt mit seiner Familie in ländlicher Idylle. Während seine Frau Gisèle als Tierärztin das Geld verdient, ist er seinen drei Töchtern ein liebevoller Vater, kümmert sich um den Haushalt, und herrscht als Hobbygärtner über ein wahres Pflanzenparadies. Er liebt seine Frau, der Sex ist gut, das Leben ist schön - bis zu dem Tag, als ein anonymer Brief ins Haus flattert: Gisèle betrüge ihn mit einem Arbeitskollegen. Franck bewahrt zunächst Ruhe. Aber er sieht Gisèle neuerdings mit anderen Augen. Mit ungeahnten Folgen für ihre Ehe ...

Nicholas Maleski ist das Pseudonym eines französischen Autors, der in der Verlagsbranche arbeitet. Ein unerwarteter Brief ist sein Romandebüt.
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Produkt

KlappentextFranck lebt mit seiner Familie in ländlicher Idylle. Während seine Frau Gisèle als Tierärztin das Geld verdient, ist er seinen drei Töchtern ein liebevoller Vater, kümmert sich um den Haushalt, und herrscht als Hobbygärtner über ein wahres Pflanzenparadies. Er liebt seine Frau, der Sex ist gut, das Leben ist schön - bis zu dem Tag, als ein anonymer Brief ins Haus flattert: Gisèle betrüge ihn mit einem Arbeitskollegen. Franck bewahrt zunächst Ruhe. Aber er sieht Gisèle neuerdings mit anderen Augen. Mit ungeahnten Folgen für ihre Ehe ...

Nicholas Maleski ist das Pseudonym eines französischen Autors, der in der Verlagsbranche arbeitet. Ein unerwarteter Brief ist sein Romandebüt.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783732560783
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format Hinweis0 - No protection
FormatFormat mit automatischem Seitenumbruch (reflowable)
Erscheinungsjahr2019
Erscheinungsdatum31.01.2019
Auflage1. Aufl. 2019
Seiten317 Seiten
SpracheDeutsch
Artikel-Nr.3425999
Rubriken
Genre9200

Inhalt/Kritik

Leseprobe


Es war Nacht, der Wald überzog die Berge mit der dunklen Schwere eines feindseligen Ozeans. Am Nachmittag hatte ich im Kräuterbeet eine dicke Schlange aufgeschreckt, die sich eiligst unter einen Steinhaufen flüchtete - ich hatte sofort die Hühner aus ihrem Gehege gelassen, um ihr klarzumachen, dass sie hier nichts verloren hatte. Dieser Garten war mein Werk, er hatte mich viel Mühe gekostet, und ich verbrachte unzählige Stunden dort. Jeden Tag gab es etwas zu tun, aber diese Tätigkeiten waren gleichermaßen beruhigend und befriedigend. Man sah die Früchte seiner Arbeit und wurde für seine Anstrengungen belohnt. Vorhin hatte ich gegossen, und noch immer verströmte die Erde den Geruch einer wohltuenden Abkühlung. Bei diesem späten Gang über die Bretter zwischen den Beeten ließ ich meinen prüfenden Blick noch einmal auf allem ruhen. Der Himmel war schwarz, hier und da schimmerten Lichtflecken wie die erleuchteten Fenster eines fernen Landsitzes. Mitten in den Rüben scheuchte ich einen Igel auf, der sich nur mühsam voranschleppte. Diese neugierigen kleinen Viecher suchen normalerweise mit unglaublicher Geschwindigkeit das Weite, sobald sie uns riechen. Das Exemplar hier vor mir jedoch war über und über von dicken Zecken befallen, und ich gab keinen Pfifferling mehr auf ihn. Schade, ich hatte nichts gegen diese einsamen Geschöpfe; wegen ihrer Vorliebe, Schnecken und Raupen zu vertilgen, sah ich in ihnen sogar so etwas wie konstruktive Partner. Mein Blick fiel auf eine Schaufel, die noch an einem Pflaumenbaum lehnte. Mit der Kante versetzte ich dem stachligen Panzer einen heftigen Schlag - das Tier wäre ohnehin auf irgendeiner Straße überfahren worden wie die meisten seiner Artgenossen. Bei der Attacke hatte ich ein paar Spritzer abbekommen, also wischte ich mir das Bein mit einem Büschel Gras ab, bevor ich die Überreste des Igels auf den Komposthaufen warf. Ein wenig herrschten hier Gesetze wie im Dschungel, Sentimentalität konnte man sich nicht immer leisten; auch die Bergwelt zeichnete sich dadurch aus, dass sie gleichermaßen wild und fruchtbar war. Hinter dem Schuppen pinkelte ich rasch noch.

Kurz zuvor war Gisèle aus der Klinik zurückgekommen. Ich war in der Küche am Spülbecken damit beschäftigt, eine angebrannte Auflaufform blank zu scheuern, und dachte an nichts Besonderes. Die Mädchen hatte ich bereits ins Bett gebracht, und die Waschmaschine lief auch schon. Jetzt musste ich noch aufräumen. Das Tischtuch war total verdreckt. Keine Ahnung, wie genau es dazu gekommen war. Sie trat zu mir und wollte mich küssen, da hielt ich sie fest und schob sie auf den Tisch. Hastig machte ich mich an ihrer Jeans zu schaffen und zog sie samt Slip herunter. Mit einer Hand knöpfte ich ihre Bluse oben auf, mit der anderen entblößte ich mich selbst. Dann erst sah ich ihr ins Gesicht, es wirkte arglos, sie schloss die Augen, und schon war ich in ihr. Mir wurde schwindlig. Aus dem Radio hinter uns klangen die Abendnachrichten herüber. Es war von einer Katastrophe die Rede, der Sprecher kündigte eine baldige erste Bilanz an, noch lägen keine Angaben über Opfer vor, aber man könne davon ausgehen, dass ihre Zahl hoch sein werde. Ich ging mit aller Gewalt zum Angriff über und presste mich keuchend an ihren Hals, während sich mein Schwanz bis zum Äußersten spannte und in heftigen Stößen verausgabte. Ich wollte gern noch in ihr bleiben, aber sie schob mich sanft und wortlos zurück. Schon bückte sie sich, um anmutig mit einer Hand ihre Kleidungsstücke aufzuheben, und huschte dann ins Badezimmer. Es war drei Wochen her, dass wir zum letzten Mal miteinander geschlafen hatten.

Das Wasser lief noch, als ich ins Haus zurückkehrte. Darüber führte ich erbitterte Streitgespräche mit den Kindern. Ich selbst duschte nur ein paar Sekunden, ich achtete darauf, dass die Wasserhähne zugedreht wurden, dass das Licht ausgemacht wurde und alle diese Dinge; Gisèle hingegen ließ das Wasser einfach fünfundzwanzig Minuten laufen â¦ Es ging schließlich nicht nur ums Geld, sondern auch ums Prinzip. Etwas Achtsamkeit würde uns außerdem ganz gut zu Gesicht stehen, denn wir hatten zwei Kredite am Hals, einen für die Hütte und einen für Gisèles Auto, und verfügten über keinerlei Rücklagen. Manchmal mahnte ich sanft zu etwas Mäßigung, aber meistens hielt ich den Mund, um die Stimmung nicht unnötig zu vergiften. Sie hatte ja doch das letzte Wort: Tagsüber besuchte sie die Bauernhöfe in der Gegend, dort stank es, sie kam mit Tieren in Berührung, sie schwitzte, es war staubig, überall wimmelte es von Mikroben â¦ Da konnte ich doch vielleicht einsehen, dass sie am Abend Lust hatte, ausgiebig zu duschen? Und ich versuchte tatsächlich, sie zu verstehen, die Mühe machte ich mir durchaus. Ich, der ich den Tag zu Hause verbrachte, ich bereitete ja lediglich das Essen zu, ich versorgte die Hühner, ich war im Garten unterwegs, ganz zu schweigen von der Wäsche, den Einkäufen, dem Haushalt und allem, was sonst noch anfiel â¦ Es war wie mit ihrem Allradler, ich wollte ja gern glauben, dass er für ihren Alltag unabdingbar war, dass sie ihn unbedingt brauchte, um auch zu den Kunden zu gelangen, die abgelegen auf einsamen Höfen weit oben in den Bergen wohnten, aber ich wusste, dass vor allem der Schein gewahrt werden musste und sie gegenüber ihren Tierarzt-Kollegen nicht ins Hintertreffen geraten wollte.

Während die letzten Tropfen auf die Kacheln klatschten, nahm ich mir einen Comic und machte es mir in einem Sessel im Wohnzimmer gemütlich. Der Raum war groß, mit niedriger Decke, sparsam möbliert und nur mäßig beleuchtet. Zur Küche hin war er offen. Aus dem Badezimmer waren jetzt Geräusche von Cremetiegeln zu hören, die wieder auf die Ablage zurückgestellt wurden. Als meine Frau wieder zum Vorschein kam, hob ich den Blick und ließ ihn auf ihren vor Feuchtigkeitslotion glänzenden nackten Beinen ruhen.

»Im Dampfgarer steht etwas zu essen«, gab ich beiläufig von mir.

»Schön, danke!«

Ich vertiefte mich erneut in meinen Comic, befand mich jedoch in Reichweite des Radios, das Gisèle nun leise wieder eingeschaltet hatte: Die Zahl der Toten hatte sich weiter erhöht, der Journalist klang so, als würde seine Betroffenheit ihn irgendwie stolz machen; sie brachten es tatsächlich fertig, stundenlang bei solch morbiden Ereignissen zu verharren, und verkauften uns diese Art der Berichterstattung dann schamlos als Nachrichten. Als sie ihre Mahlzeit beendet hatte, setzte sie sich aufs Sofa, streckte die Beine auf den niedrigen Tisch und biss in einen Apfel. Ihr weiches Nachthemd umschmeichelte ihre Hüften, es war ziemlich kurz und körpernah geschnitten.

»Ist heute alles gut gelaufen?«, fragte sie nun.

»Ja. Nichts Besonderes. Alle haben brav gelernt, brav gegessen und brav die Zähne geputzt â¦«

»Schön, schön â¦ Ach, übrigens, ich habe mit meinen Eltern gesprochen, sie haben die Flugtickets gekauft.«

»Gut. Es wäre schön, wenn wir danach alle fünf einmal zusammen wegfahren.«

»Ja, das wäre schön â¦«

»Wäre es das? Na, dann ist es abgemacht.«

»Nun ja, das kann ich jetzt noch nicht sagen. Es ist unglaublich viel zu tun im Augenblick. Außerdem ist die Rede von einer sehr kurzfristigen, flächendeckenden Impfung. Alles, was zwei Flügel hat, soll sie offenbar bekommen.«

»Aha! Sogar die Drachen?«

»Du Spinner!«, empörte sie sich amüsiert, ohne dass ihr ein wirkliches Lachen zu entlocken war. Jetzt stand sie auch schon wieder auf, um sich vor den Computer zu setzen - einen Augenblick lang blieb es still, und man spürte die leichten Windstöße, die durch das weit geöffnete Fenster hereinwehten. Vom Sessel aus sah ich sie im Profil: Mein Blick glitt über ihre vollen Lippen, ihren Hals, ihre Wange, den Träger ihres Nachthemds. Sie hatte eine umwerfende Haut.

»Wie lange ist es her, dass du zum letzten Mal zwei Wochen Urlaub genommen hast?«

»Ich weiß, Franck, ich weiߠ⦫, seufzte sie, ohne vom Bildschirm aufzublicken.

»Du könntest bei den Bauernhöfen kürzertreten, weniger Termine übernehmen und nicht weiterhin siebzig Stunden in der Woche arbeiten.«

»Findest du nicht, dass du jetzt ein wenig übertreibst? Und außerdem - vergiss nicht, dass ich erst zwanzig Prozent habe.«

Ich bohrte nicht weiter, denn ich wollte es nicht auf einen Streit ankommen lassen, und ich wusste nur zu gut, was ich zu hören bekommen würde: Alles würde besser werden, wenn sie sich erst einmal richtig in die Klinik eingekauft hatte. Da musste man jetzt eben durch. Man musste sich bewähren und geduldig sein. Sie hatten sie schließlich für die Nutztiere eingestellt, nicht für die Haustiere â¦ Sie stand auf und warf mir einen kurzen Blick zu, in dem Müdigkeit lag, immerhin aber eine wohlwollende Müdigkeit, eine Müdigkeit, die sich die immerwährende Nachsicht zu Hause nicht verscherzen wollte.

»Ich geh hoch, Franck. Ich bin total am Ende. Als Letztes stand heute noch eine Fetotomie an. Ich musste das tote Kälbchen im Innern der Mutter zerteilen und stückweise herausholen. Das reinste Massaker, sag ich dir.«

»Und wenn ich dir jetzt erzählen würde, dass ich im Garten einen Igel enthauptet habe?«

Als sie an mir vorbeikam, hätte ich beinahe nach ihrem Handgelenk gegriffen und eine weitere, ungeplante Nummer auf dem Sofa in Betracht gezogen, aber ich ahnte, dass sie sich mir elegant entziehen würde, und hatte keine Lust, das zu überprüfen und mich am Ende bestätigt zu sehen. Einen kurzen Augenblick verharrte ich regungslos an meinem Platz, dann ging ich in die Küche und stellte die Spülmaschine an. Ich war nicht müde. Ich legte...

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