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Die Tote im Fechtsaal

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
432 Seiten
Deutsch
Ullstein Taschenbuchvlg.erschienen am21.09.2018Auflage
Ein hochspannender historischer Krimi vor der atemberaubenden Kulisse der Semperoper Dresden, 1869: Annie Troll betreibt die erste Fechtschule für Frauen und genießt deshalb einen zweifelhaften Ruf. Als eine ihrer Schülerinnen, eine Ballerina an der Semperoper, in ihren Räumen stirbt, gerät Annie unter Verdacht. Sie sucht Hilfe bei Daniel Raabe, dem ersten Privatdetektiv Sachsens. Er nimmt sich des Falles an und arbeitet mit einer ganz neue Methode: Er setzt auf Fingerabdrücke als Beweismaterial. Zusammen mit Annie sucht er den Tatort danach ab. Doch offiziell anerkannt ist dieses Verfahren noch nicht. Als Annie einen gefälschten Brief findet, in dem sie selbst den Mord zugibt und ihren eigenen Selbstmord ankündigt, bekommt sie es mit der Angst zu tun. Raabe erkennt, dass das Briefpapier das der Dresdner Freimaurerloge ist. Was hat die Loge mit dem Mord zu tun? Und wer hat ein gläsernes Herz an das Grab der Ermordeten gehängt?    

Helga Glaesener wurde in Niedersachsen geboren und studierte in Hannover Mathematik. 1990 begann die Mutter von fünf Kindern mit dem Schreiben historischer Romane, von denen gleich das Debüt, Die Safranhändlerin, zum Besteller avancierte. Sie lebt in Oldenburg. Neben dem Schreiben bringt sie angehenden Autoren die Kniffe des Handwerks bei. Seit 2010 lebt sie in Oldenburg. Weitere Informationen unter www.helga-glaesener.de
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Produkt

KlappentextEin hochspannender historischer Krimi vor der atemberaubenden Kulisse der Semperoper Dresden, 1869: Annie Troll betreibt die erste Fechtschule für Frauen und genießt deshalb einen zweifelhaften Ruf. Als eine ihrer Schülerinnen, eine Ballerina an der Semperoper, in ihren Räumen stirbt, gerät Annie unter Verdacht. Sie sucht Hilfe bei Daniel Raabe, dem ersten Privatdetektiv Sachsens. Er nimmt sich des Falles an und arbeitet mit einer ganz neue Methode: Er setzt auf Fingerabdrücke als Beweismaterial. Zusammen mit Annie sucht er den Tatort danach ab. Doch offiziell anerkannt ist dieses Verfahren noch nicht. Als Annie einen gefälschten Brief findet, in dem sie selbst den Mord zugibt und ihren eigenen Selbstmord ankündigt, bekommt sie es mit der Angst zu tun. Raabe erkennt, dass das Briefpapier das der Dresdner Freimaurerloge ist. Was hat die Loge mit dem Mord zu tun? Und wer hat ein gläsernes Herz an das Grab der Ermordeten gehängt?    

Helga Glaesener wurde in Niedersachsen geboren und studierte in Hannover Mathematik. 1990 begann die Mutter von fünf Kindern mit dem Schreiben historischer Romane, von denen gleich das Debüt, Die Safranhändlerin, zum Besteller avancierte. Sie lebt in Oldenburg. Neben dem Schreiben bringt sie angehenden Autoren die Kniffe des Handwerks bei. Seit 2010 lebt sie in Oldenburg. Weitere Informationen unter www.helga-glaesener.de
Details
Weitere ISBN/GTIN9783843718271
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2018
Erscheinungsdatum21.09.2018
AuflageAuflage
Seiten432 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse2534 Kbytes
Artikel-Nr.3428465
Rubriken
Genre9201

Inhalt/Kritik

Leseprobe


1. Kapitel

Jette konnte fliegen. Sie schwang die Arme, sie drehte Kreise, sie flitzte übers Eis, als gäbe es keine Schwerkraft. Die Sonne war nah und hell wie eine himmlische Laterne, ein Leierkasten spielte das Lied von der russischen Kalinka, und in ihrer Nase hing der Duft von Pfefferkuchen, Bratgewürzen und Käsekeulchen. Sie war glücklich.

Dschummm ... ein weiterer Bogen. Die Bäume, die am Elbufer standen, sausten an ihr vorbei. Sie hatten die Blätter verloren, aber der Winter hatte die Äste mit Girlanden aus Reif geschmückt und die Abendsonne ihre Kronen in Gold getaucht. Kurz überlegte Jette, eine Pirouette zu drehen. Sie konnte das, im Ernst, sie hatte es kürzlich auf einem zugefrorenen Teich ausprobiert. Aber die Elbe war voller Menschen, die mit ihr den Abend genossen, und da wollte sie sich nicht auf den Hintern setzen und sich blamieren.

Dschummm ... Das Eis knirschte unter den Kufen ihrer rostigen Schlittschuhe. Die Fische darunter glotzten sicher und staunten, wie schnell sie sich bewegte. Noch eine Drehung ... Vor ihr tauchte ein Schlitten mit einer Mutter und ihrem Kind auf, der von einem Mann über das Eis geschoben wurde. Die Fahrt war stürmisch, und das Kind drückte die Wange an die schützende Brust ihrer Mutter. Die Frau, in Pelze und Decken gehüllt, lachte, der Vater gab Acht, dass den beiden nichts geschah.

Beim Blick in sein bärtiges Gesicht piekte ein Stachel der Eifersucht direkt in Jettes Herz. So etwas geschah ihr gelegentlich. Annie war eine fabelhafte Mutter, die sie liebte und beschützte, so gut es eben ging, aber ihr Vater war gestorben, als Jette noch ein Säugling gewesen war. »Erst war er krank, dann war er tot«, hatte Annie kurz angebunden erklärt, als sie alt genug gewesen war, um nach ihm zu fragen. Und damit hätte Jette sich vielleicht abfinden können. Es starb ja immer irgendwer. Aber als sie ihrer Nachbarin, der Frau Kröger mit den dicken Brüsten und dem mageren Hals, davon erzählte, hatte die sie ausgelacht und behauptet, dass Jettes Mutter überhaupt nie verheiratet gewesen sei und ihr Vater wahrscheinlich keine Lust gehabt habe, sich von einer, die mit dem Erstbesten ins Bett stieg, einen Balg ans Bein binden zu lassen. Seitdem stach der Stachel der Eifersucht, wenn Jette Kinder mit ihren Vätern sah.

Aber ... ach was! Wenn die Fliege geschissen hat, hilft kein Heulen mehr, sagte Annie immer. Jette hob die Arme zu einer erneuten Drehung. Schneeflocken flogen ihr ins Gesicht wie zarte, kalte Küsse. Die Kröger log sowieso, das wusste die ganze Straße.

Sie zog eine besonders enge und damit gefährliche Kurve. Das Kunststück gelang, aber der Zauber des Nachmittags war bei dem Gedanken an ihren Vater verflogen. Plötzlich war Jette wieder zu einem zwölfjährigen Mädchen in geflickten Kleidern geworden, dessen Schlittschuhe vom Abfall stammten und das weder besonders klug noch besonders hübsch war. Die Sonne stand auf den Dächern, die Menschen strebten dem Ufer zu und warfen Blicke zum Himmel, weil Wolken aufzogen. Der Leierkastenmann deckte ein Tuch über seine Drehorgel und trat nach seinem Hund. Bald würde es dunkel sein, sie musste zusehen, dass sie nach Hause kam.

Kurz zögerte sie. Vielleicht zum Schluss doch noch eine kleine Pirouette, damit der Abend einen letzten Glanzpunkt bekam? Sie nahm Schwung auf ... und blieb an etwas hängen. Knie und Arme krachten aufs Eis, die Wange schrappte wie über Scherben, Schmerzen schossen durch ihren Körper. Benommen drehte sie sich auf den Hintern - und starrte in ein höhnisches Gesicht.

»Was ist los? Biste gefallen, Blödbacke?«, fragten die in einem buschigen Bart gefangenen Lippen, die über ihrem Gesicht schwebten. Casimir Schmitt. Der König der Dresdener Altstadt. Der Mann, der das Sagen hatte, wenn es dunkel wurde und zwielichtige Gestalten wie Ratten in die Schenken strömten, um krumme Geschäfte auszuhandeln. Er gehört zur Mischpoke, zum Gesocks, dem man aus dem Weg gehen muss, sagte Annie immer. Casimir Schmitt hatte ihr ein Bein gestellt.

Jette rappelte sich auf. Obwohl sie nicht besonders groß war, konnte sie ihm in die Augen blicken - Schmitt war nämlich ein Zwerg. Sein Kopf, der wie der eines erwachsenen Mannes aussah, saß auf einem schmächtigen Kinderkörper, und das verlieh ihm ein unheimliches Aussehen, genau wie der karottenrote Bart, der im grellen Gegensatz zu seinen kohlschwarzen Haaren stand und ihm etwas Verlogenes gab. Die untergehende Sonne hatte den Himmel so rot wie den Bart gefärbt, und einen Moment sah es aus, als bestünde sein Gesicht nur aus dem Rahmen des schwarzen Haares, der schwarzen Melone, die darauf thronte, und den dunklen Augen.

»Genug geglotzt?«

Casimir Schmitt sprach grob, trug aber feine Kleider: graugrüne Hosen, lederne Handschuhe, blanke Stiefel und einen pelzbesetzten, braunen Mantel. In der Hand hielt er einen Spazierstock mit einem silberfarbenen Griff, der extra für seine Größe gefertigt worden war.

Er redete weiter, doch Jette war so entsetzt, dass sie nur Wortfetzen aufschnappte. »... fette Henne ... Küken fressen ...«, hörte sie ihn giften. Er packte sie und begann sie zu schütteln. »Was ist? Biste auch auf die Klappe gefallen? ... hab deine Alte gewarnt ... wer nicht hören will ... biste dran, Blödbacke ... kann sie dich aus der Gosse kratzen! Komm, los ...«

Er packte sie am Arm, aber sie schaffte es, sich loszureißen und auf ihren rostigen Kufen abzuhauen. Fluchend setzte Schmitt ihr nach. Die Eisläufer, denen sie bei ihrer überhasteten Flucht vor die Füße lief, fluchten ebenfalls, eine Frau stürzte.

Ein gehetzter Blick über die Schulter zeigte Jette, dass der Zwerg ihr folgte, aber da er normale Stiefel anhatte, war sie für ihn auf dem Eis unerreichbar. Sie lachte hysterisch. Am Ufer löste sie mit zittrigen Fingern die Lederbänder und drängelte sich, die Schlittschuhe an die Brust gepresst, durch die Menschenmenge. Jemand schlug nach ihr, Bierbuden mussten umrundet werden ...

»... aus der Gosse kratzen.« Die Worte klebten in ihrem Kopf wie Plakate an der Annonciersäule. Schmitt und ihre Mutter hatten in der vergangenen Woche einen furchtbaren Streit gehabt, bei dem es um Geld gegangen war. Annie hatte gebrüllt, der Zwerg sehr leise gesprochen. Trotz der gedämpften Stimme war er Jette aber mächtiger und vor allem gefährlich vorgekommen.

Nach dem Streit war er gegangen. Ohne Geld. Mit dem Gelächter ihrer Mutter im Nacken. Und nun hat er sich aufgemacht, es uns heimzuzahlen, dachte sie. Leute wie der Zwerg gaben nicht nach. Jette rannte über die Augustusbrücke, hinter dessen Eisengeländer man im Sommer die Elbschiffe beobachten konnte und wo jetzt der Schnee auf den Holzbänken in den Ausbuchtungen lag, und dann auf den matschbedeckten Schlossplatz. Noch ein Blick über die Schulter - vom Zwerg nichts zu sehen. Sie wollte weiter Richtung Altmarkt, bog dann aber in kleinere Gässchen ab, weil sie sich dort sicherer fühlte.

Schließlich hielt sie inne. Ihre Lunge stach, die Seite auch. Keuchend blickte sie sich um. Häuser mit himmelstrebenden Giebeln verschlangen das wenige Abendlicht. Zwei Männer in Gehpelzen kamen näher und schlenderten an ihr vorbei, schenkten ihr aber keine Aufmerksamkeit. Jette blickte ihnen nach, bis sie in einem finsteren, langen Tunnel verschwanden, der die Straße überwölbte.

Der Tunnel. Er war unheimlich, aber auch sie musste da durch, wenn sie nicht über den Altmarkt wollte, wo der Zwerg vielleicht nach ihr Ausschau hielt. In der Mitte des Tunnels standen dicke Säulen, hinter jeder einzelnen könnte sich jemand verbergen, und wenn man sie dort umbrächte, würde es niemand merken. Ihr Herz hämmerte, aber sie rief sich zur Ordnung. Nur kein Schisshase sein. Annie verachtete Schisshasen. Sie rannte los, so schnell sie konnte, und kam heil auf der anderen Seite wieder ins Freie.

Mit den letzten Sprüngen rettete sie sich einige Stufen hinab in einen Dienstboteneingang. Erst mal verschnaufen und wieder Mut schöpfen. Durch ihre Schuhe drangen Nässe und Kälte. Die Schlittschuhe an die Brust gepresst, starrte sie zur Straße hinauf. Ihr kam ein neuer, grässlicher Gedanke: Der Zwerg hatte ihr nicht folgen können, da war sie sicher, aber was, wenn er einen seiner Leute am Ufer postiert hatte und der ihr gemächlich hinterhergeschlendert war? Einen von denen, die den Dreck für ihn erledigten, wie Annie es nannte.

Jette wusste, was ihre Mutter damit meinte: den Dreck erledigen. Im Sommer hatte sie gesehen, wie die Gendarmen einen Mann aus dem Cholerabrunnen beim Postplatz gezogen hatten. Sein Kopf, auf den die grünen Brunnenechsen Wasser gespien hatten, war aufgeplatzt gewesen, so dass das Gehirn rausquoll. Aber noch schlimmer hatte sein Gesicht ausgesehen. Jemand hatte das rechte Auge in den Kopf gedrückt - mit einer dünnen Eisenstange, vielleicht aus einem Zaun gebrochen, hatte der Gendarm, der ihn auf dem Pflaster ablegte, gemeint. Das geöffnete Lid hatte den Blick auf einen blutigen Brei freigegeben.

Allein die Erinnerung machte, dass Jette übel wurde. Sie presste sich gegen die eisige Mauer, ihr Rücken gefror, ihr Blick haftete ängstlich auf dem Pflaster über der obersten Treppenstufe. Schon bereute sie, sich in den Dienstboteneingang gerettet zu haben, wo sie wie die Maus in der Falle saß.

Die Glocke der Frauenkirche läutete das Angelus. Es war inzwischen völlig dunkel. Jette überwand sich und kehrte in die Gasse zurück. Der Schein der Gaslaternen zeichnete milchige Kreise in den Schneematsch. Hinter dem Fenster eines Hauses stand ein Mann mit erhobenem Zeigefinger. Sein Mund ging auf und zu wie bei einem Schattenspiel. Vielleicht drohte er seinem Hausmädchen. Ich muss heim, dachte Jette, der vor Kälte...

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Helga Glaesener wurde in Niedersachsen geboren und studierte in Hannover Mathematik. 1990 begann die Mutter von fünf Kindern mit dem Schreiben historischer Romane, von denen gleich das Debüt, Die Safranhändlerin, zum Besteller avancierte. Sie lebt in Oldenburg. Neben dem Schreiben bringt sie angehenden Autoren die Kniffe des Handwerks bei. Seit 2010 lebt sie in Oldenburg. Weitere Informationen unter helga-glaesener.de