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Mörderische Freiheit

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
256 Seiten
Deutsch
Herder Verlag GmbHerschienen am02.10.20181. Auflage
In der Entwicklung des Nahen und Mittleren Ostens nimmt der Irak eine Schlüsselstellung ein. Mit dem Einmarsch der amerikanischen und britischen Truppen 2003 und dem Sturz Saddam Husseins, wurde nicht nur einer der zahlreichen Despoten der Region entmachtet. Eine ganze Region geriet in Bewegung. Die Arabellion in mehreren Ländern des Nahen und Mittleren Ostens wäre, wenn überhaupt, ohne den Sturz Saddam Husseins nicht so schnell erfolgt. Heute bestimmen Korruption, Vetternwirtschaft und Verteilungskämpfe, die zuweilen blutig ausgetragen werden, den politischen Alltag des Landes. Der politische Scherbenhaufen begünstigte den Aufstieg der Terrormiliz 'Islamischer Staat' (IS), die ihren Ursprung im Zweistromland hat. In spannenden Reportagen erzählt Brigitte Svensson von einem Irak, wie ihn im Westen kaum einer kennt. Der Irak ist mehr als nur ein Tummelplatz des IS und anderer militanter Gruppierungen. Und die Herausforderungen, denen er sich stellen muss, reichen weiter. Ob es um den Fluch und Segen des Öls geht, die missglückte Wiederherstellung eines Justizsystems, über die Lage der Frauen im Irak oder über die Jugend dort - das mitreißende Buch zeigt einen Irak zwischen Himmel und Hölle.

Birgit Svensson lebt und arbeitet seit 2003 in Bagdad. Als freie Journalistin an einem der aktuell gefährlichsten Orte schreibt und berichtet sie u.a. für 'Die Zeit', 'Die Welt', den Deutschlandfunk, den Schweizer Rundfunk und die Deutsche Welle. Sie ist eine der ganz wenigen westlichen Frauen, die vor Ort die dramatischen Veränderungen im Irak erleben.
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KlappentextIn der Entwicklung des Nahen und Mittleren Ostens nimmt der Irak eine Schlüsselstellung ein. Mit dem Einmarsch der amerikanischen und britischen Truppen 2003 und dem Sturz Saddam Husseins, wurde nicht nur einer der zahlreichen Despoten der Region entmachtet. Eine ganze Region geriet in Bewegung. Die Arabellion in mehreren Ländern des Nahen und Mittleren Ostens wäre, wenn überhaupt, ohne den Sturz Saddam Husseins nicht so schnell erfolgt. Heute bestimmen Korruption, Vetternwirtschaft und Verteilungskämpfe, die zuweilen blutig ausgetragen werden, den politischen Alltag des Landes. Der politische Scherbenhaufen begünstigte den Aufstieg der Terrormiliz 'Islamischer Staat' (IS), die ihren Ursprung im Zweistromland hat. In spannenden Reportagen erzählt Brigitte Svensson von einem Irak, wie ihn im Westen kaum einer kennt. Der Irak ist mehr als nur ein Tummelplatz des IS und anderer militanter Gruppierungen. Und die Herausforderungen, denen er sich stellen muss, reichen weiter. Ob es um den Fluch und Segen des Öls geht, die missglückte Wiederherstellung eines Justizsystems, über die Lage der Frauen im Irak oder über die Jugend dort - das mitreißende Buch zeigt einen Irak zwischen Himmel und Hölle.

Birgit Svensson lebt und arbeitet seit 2003 in Bagdad. Als freie Journalistin an einem der aktuell gefährlichsten Orte schreibt und berichtet sie u.a. für 'Die Zeit', 'Die Welt', den Deutschlandfunk, den Schweizer Rundfunk und die Deutsche Welle. Sie ist eine der ganz wenigen westlichen Frauen, die vor Ort die dramatischen Veränderungen im Irak erleben.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783451813214
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
Erscheinungsjahr2018
Erscheinungsdatum02.10.2018
Auflage1. Auflage
Seiten256 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse1574 Kbytes
Artikel-Nr.3430510
Rubriken
Genre9200

Inhalt/Kritik

Leseprobe

Schlüsselland Irak

Der Irak ist das Schlüsselland für die Entwicklung des Nahen und Mittleren Ostens. Der Irak ist das Schicksal für die Region: Nahe Vergangenheit und Zukunft liegen hier eng beieinander. Doch das Schicksal ist dieses Mal nicht die Verbreitung einer Hochkultur wie zu Zeiten Mesopotamiens, sondern eines weltumspannenden Terrors, der in Afghanistan begann, sich im Irak fortsetzte und dort vervollständigte. Die Kriege in Syrien, Libyen, Jemen und jetzt auch in der Türkei mit den Kurden sind die Folge. Die Krisen am Golf, im Libanon, die Flüchtlingskatastrophe in Jordanien, die Stellvertreterkriege zwischen Saudi-Arabien, dem Iran und Israel, der Terror in Ägypten wären ohne das Desaster im Irak schwer vorstellbar. Die Region sähe heute völlig anders aus. Ohne das Erstarken extremistischer religiöser Gruppen, dem die US-Administration tatenlos zusah, wäre der Bürgerkrieg in Syrien längst zu Ende, und im Jemen hätte er gar nicht erst begonnen. Ohne das Erstarken Irans, das durch das Machtvakuum im Irak begünstigt wurde, würde sich Saudi-Arabien nicht so massiv herausgefordert fühlen. Blutige Konflikte um die Vormachtstellung im Nahen Osten sind die Folge, die sich zu Weltkriegen auswachsen. Die neue Weltordnung der Amerikaner, wie sie sie in ihrer Hybris mit der Invasion in den Irak 2003 schaffen wollten, wurde zum Scherbenhaufen der Weltpolitik.

Einen Zusammenhang zwischen der sogenannten Arabellion in den Ländern Tunesien und Ägypten mit dem Desaster im Irak bezweifeln viele. Ich dagegen bin überzeugt, dass die Aufstände dort sehr wohl mit der Entwicklung im Irak zusammenhängen. Die Tatsache, dass ein »großer arabischer Führer« wie Saddam Hussein gestürzt werden konnte, hinterließ Spuren bei der jungen Bevölkerung Arabiens. Seine Unverwundbarkeit war plötzlich nicht mehr gegeben, alles wurde möglich. Die bewusste Demütigung des vermeintlich Unantastbaren, als er aus dem Erdloch herausgezogen und verhaftet wurde, verfehlte nicht die psychologische Wirkung. Das Foto, das Saddam verwahrlost und zerzaust zeigt, als er eine Speichelprobe zur Identitätsfeststellung abgeben musste, ging um die Welt und prägte sich in das Gedächtnis vieler, vor allem junger Menschen der Region ein. Dadurch wuchs die Begehrlichkeit, auch andere Gewaltherrscher loszuwerden. Der Dominoeffekt, auf den George W. Bush bei der Invasion in den Irak spekulierte, setzte also tatsächlich ein, verkehrte sich jedoch in das Gegenteil dessen, was der damalige US-Präsident erreichen wollte. Nicht Demokraten sind im Nahen und Mittleren Osten auf dem Vormarsch, sondern Autokraten, Diktatoren und Gewaltherrscher, die weit brutaler, rücksichtsloser und gewalttätiger sind als vordem. Oft mit dem Argument, keinen zweiten Irak zu wollen, lassen Regime wie das syrische und das ägyptische ihr Land eher untergehen, als dass sie Kompromisse eingehen, um Macht und Ressourcen zu teilen.

Viele Einwohner der Region sahen, sosehr sie sich Saddam zum Teufel wünschten, in der Invasion im Irak 2003 eine neue Demütigung und erinnerten sich an 1798, als Napoleon mit überlegenen Waffen in ihre Welt einbrach und nach Jahrhunderten islamischer Glanzzeit die westliche Überlegenheit demonstrierte. Oder an 1916, als durch das britisch-französische Sykes-Picot-­Abkommen die Region willkürlich auseinandergerissen und den Kolonialmächten zugeteilt wurde. Oder an 1967, als der ihnen aufgezwungene Nachbarstaat Israel im Sechstagekrieg die Ägypter und Syrer vernichtend schlug. Oder an 2001, als ihnen nach den Terroranschlägen in New York und Washington kollektive Verachtung und Misstrauen entgegengebracht wurde. Vor allem junge Araber unter 25 Jahren, die die Mehrheit in den meisten Ländern im Nahen Osten bilden, machen diese Entwicklungen für die heutige Misere verantwortlich und klagen die westlichen Länder an, zu lange die Lähmung ihrer Gesellschaften durch die Unterstützung der autokratischen Herrscher mit befördert zu haben - Vetternwirtschaft und Korruption inbegriffen. Der sich schnell formierende internationale Widerstand gegen die westlich dominierte Kriegsallianz im Irak vereinte Unzufriedene, Frustrierte und Wütende aus der ganzen Region.

Seitdem verlaufen unzählige Fronten aus dem Irak hinaus. Dabei werden Allianzen sichtbar, die vor 2003 undenkbar waren. Die sunnitisch-wahhabitischen Länder Saudi-Arabien und Katar, Verbündete des Westens, finanzierten ab 2005 den irakischen Widerstand gegen die US-geführte Allianz genauso wie der fundamentalistisch schiitische Iran. Teheran ließ Kämpfer der sunnitischen Terrororganisation al-Qaida ungehindert von Afghanistan in den Irak ziehen und stattete sie zuweilen sogar mit Geld und Proviant aus. Aus Syrien wurden Waffen und Munition auf einer Schmuggelroute über Rabia nach Mossul und in die Provinz Anbar geleitet, gekauft mit Geld aus Riad, Doha und anderen Golfstaaten. Die Befürchtung war groß, dass nach Saddam Hussein auch weitere Despoten der Region dem Untergang geweiht sein könnten. Der Irak durfte also nicht der Auslöser für einen Umbruch im Nahen Osten werden. Und wurde es dennoch. Jetzt sind sogar die einstigen Terrorfinanziers im Irak Saudi-Arabien und Katar verfeindet.

Zwar führen Israel und Iran schon lange einen Krieg der Stellvertreter und Geheimdienste. Die Islamische Republik rüstete noch vor dem Sturz Saddam Husseins die Hisbollahmiliz im Libanon mit mehr als 100 000 Raketen aus und versorgte die radikalislamische palästinensische Hamas mit Waffen und Geld. Hier wird deutlich, dass es sich eben nicht um einen Religionskonflikt handelt. Es geht um pure Machtinteressen. Während die Mitglieder der Hisbollah im Libanon Schiiten sind, ist Hamas rein sunnitisch. Jerusalem befürchtete deshalb von Anfang an, dass Irans Unterstützung letztlich die Absicht verfolgt, Israel zu vernichten. Doch erst der enorme Einflusszuwachs des Ajatollah-Regimes im Irak und der dadurch realisierbar werdende schiitische Halbmond unter der Ägide Teherans verschärft die Konturen und lässt die Absichten deutlich erkennen. Saudi-Arabien sieht seine bisherige Vormachtstellung in den arabischen Ländern gefährdet und tut derzeit alles, den Einfluss Irans einzudämmen. Von Damaskus bis ins jemenitische Sanaa befindet sich die gesamte arabische Welt mittlerweile in der Geiselhaft dieser beiden Regionalmächte. Sogar das ebenfalls wahhabitisch geprägte Katar bekam den Zorn der saudischen Glaubensbrüder zu spüren. Für den Versuch einer Annäherung an Teheran kassierte der Emir in Doha einen Boykott des Golfkooperationsrates unter der Führung Saudi-Arabiens.

Dafür geht Riad immer mehr Verbindungen mit dem Erzfeind Israel ein. Nach dem Motto, der Feind meines Feindes ist mein Freund, werden vermehrt gemeinsame Absprachen getroffen, Aktionen koordiniert und Absichten bekundet. Die Palästinenser im Westjordanland, die sich stets der Unterstützung Saudi-Arabiens und der Golfstaaten gegen Israel gewiss sein konnten, mussten nun mit ansehen, dass die Verlegung der amerikanischen Botschaft von Tel Aviv nach Jerusalem keinen Flächenbrand der Empörung in der arabischen Welt auslöste, wie es früher noch der Fall gewesen wäre. Die Israelis jubelten, die Saudis schwiegen, die Proteste blieben auf die Palästinensergebiete beschränkt. Wären die Spannungen zwischen Teheran und Riad nicht so gravierend, hätte der gesamte Nahe und Mittlere Osten eine Protestwelle nach der anderen verzeichnet. Denn sowohl Saudi-Arabien als auch Iran hatten jahrelang das Existenzrecht Israels in Abrede gestellt.

In Syrien tritt dieser Schattenkrieg seit Ausbruch des Bürgerkriegs 2011 noch offener zutage. Die Schmuggelroute über das irakische Rabia funktioniert nun in die andere Richtung. Aus al-Qaida ist der IS geworden, dessen Operationsbasis zunächst Syrien wird. Saudi-Arabien und auch Katar unterstützen islamistische Gruppen wie al-Nusra, die gegen Baschar al-Assad kämpfen, Teheran schickt militärische Ausrüstung und Truppen zur Unterstützung des Diktators. Der Irak indes unterstützt nahezu alle Bürgerkriegsparteien, je nach Zugehörigkeit. Im Vielvölkerstaat zwischen Euphrat und Tigris halten die schiitisch geprägte Regierung in Bagdad und die von Teheran unterstützten Schiitenmilizen zum Machthaber in Damaskus. Assad erhält Kämpfer aus Basra, Nadschaf, Kerbela. Nahezu wöchentlich kommen Särge mit toten irakischen Milizionären aus Syrien im Süden des Irak an. Nachdem sie die Terrormiliz IS aus dem irakischen Norden weitgehend vertrieben haben, kämpfen sie jetzt weiter in Syrien. Dort allerdings geht es nicht nur wie im Irak allein gegen den IS, sondern gegen unterschiedliche Gruppierungen. So finden sich sunnitische Milizionäre, die noch vor einigen Monaten zusammen mit ihren Stammesführern Ramadi oder Falludscha in der irakischen Provinz Anbar vom IS befreiten, in den Reihen der Freien Syrischen Armee oder dessen, was vom ursprünglichen Widerstand gegen Machthaber Assad noch übrig ist. Auch extreme sunnitische Rebellengruppen werden von den irakischen Stammesmilizen unterstützt. Ihre Kooperation mit Saudi-Arabien ist ein offenes Geheimnis. Irakische Kurden wiederum unterstützen ihre Volksgenossen in Nordsyrien gegen die Intervention der Türkei. Das Schicksal des Irak setzt sich also in Syrien fort.

Doch fünfzehn Jahre nach der Invasion im Irak und dem Sturz Saddam Husseins ändert sich das Bild allmählich. Die jungen Einwohner des Landes machen nicht mehr so sehr die Amerikaner und Briten verantwortlich für die Misere in ihrem Land. Sie schimpfen auf ihre eigenen Politiker, die es die ganzen Jahre nicht vermocht haben, das Land neu zu strukturieren und ihnen eine lebenswerte Perspektive zu geben. Junge Leute bekommen kaum Aufstiegschancen, geschweige denn einen Arbeitsplatz. Millionen von Petro-Dollars verschwinden in...

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Birgit Svensson lebt und arbeitet seit 2003 in Bagdad. Als freie Journalistin an einem der aktuell gefährlichsten Orte schreibt und berichtet sie u.a. für "Die Zeit", "Die Welt", den Deutschlandfunk, den Schweizer Rundfunk und die Deutsche Welle. Sie ist eine der ganz wenigen westlichen Frauen, die vor Ort die dramatischen Veränderungen im Irak erleben.
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