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Achill. Held und Frevler

E-BookEPUB0 - No protectionE-Book
506 Seiten
Deutsch
Edel Elements - ein Verlag der Edel Verlagsgruppeerschienen am07.06.20181. Auflage
Ein gefürchteter Frevler oder ein Held? In der spannungsreichen Geschichte Achills enthüllt sich seine schicksalhafte Einmaligkeit. Als Sohn der Göttin Thetis steht er zwischen der Welt der Menschen und der Götter. Modern und archaisch, dramatisch und sprachgewandt eröffnet Sabine Wassermann einen ganz neuen Blick auf den Mythos von Troja.mehr

Produkt

KlappentextEin gefürchteter Frevler oder ein Held? In der spannungsreichen Geschichte Achills enthüllt sich seine schicksalhafte Einmaligkeit. Als Sohn der Göttin Thetis steht er zwischen der Welt der Menschen und der Götter. Modern und archaisch, dramatisch und sprachgewandt eröffnet Sabine Wassermann einen ganz neuen Blick auf den Mythos von Troja.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783962151676
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format Hinweis0 - No protection
Erscheinungsjahr2018
Erscheinungsdatum07.06.2018
Auflage1. Auflage
Seiten506 Seiten
SpracheDeutsch
Artikel-Nr.3438279
Rubriken
Genre9200

Inhalt/Kritik

Leseprobe
I.

Der Monat Sphagianios, der erste Monat des Sommers, hatte gerade begonnen, aber es war bereits jetzt unerträglich heiß. Kein Windhauch regte sich, und nicht die kleinste Wolke versprach Abkühlung. Hier im kargen Südwesten Kizzawatnas gab es nichts, das Schatten spendete. So lockte diese kleine Stadt die Umwohner in Scharen in ihre Mauern, um der Mittagshitze auf den trockenen Feldern zu entgehen. Düster erhob sie sich auf der weiten, vor Hitze flirrenden Ebene. Ackergerät lag verstreut herum. Dazwischen grasten ein paar Ziegen und meckerten voller Unmut darüber, in der prallen Mittagssonne zurückgelassen worden zu sein.

Ein Mann kniete an einem Bach, der jetzt nicht mehr als ein Rinnsal war, und löschte mit dem lauen Wasser seinen brennenden Durst. Er wußte, daß diesmal nicht die erbarmungslose Sonne die Bauern und Feldarbeiter ihr Tagwerk hatte liegenlassen. Auch auf seinem Weg von der nahen Küste bis hierher war er niemandem begegnet. Schlimme Kunde ist schnell, und so lagen alle Landstriche und Dörfer auf seiner langen Reise in den Osten wie ausgestorben da, weil die Menschen in den Städten Schutz suchten. Doch auch diesmal flohen sie umsonst. Die hölzernen Mauern, nur an manchen Stellen durch Wälle aus Stein ersetzt, konnten die Plünderungen durch die achaiischen Eroberer vielleicht kurze Zeit aufhalten, aber nicht verhindern. So war es heute das kizzawatnische Theben, das sich Achilleus von Phthia beugen mußte, wie so viele Orte auf seinem Weg entlang der Küste Asiens, von denen er kaum mehr wußte als ihre Namen und die er längst aufgehört hatte zu zählen.

Vielleicht würde dies endlich seine letzte Stadt sein. Mißmutig legte Achilleus die Hand vor die Augen und suchte den Mauerkranz nach Bewegungen ab. Weder das Aufblitzen von Metall noch irgendein Geräusch deutete die Anwesenheit der Späher an, aber er zweifelte nicht daran, daß unter der Oberfläche scheinbarer Ruhe die Menschenmenge dicht gedrängt wartete, bewaffnet mit allem, was in der Eile zur Verfügung stand. Achilleus befreite sein Gesicht von Staub und Schweiß, so gut es mit dem erdigen Wasser ging. Aus einem kleinen Lederbeutel an seinem Schwertgürtel holte er ein Kohlestück und ein winziges Tiegelchen hervor, das mit einer grünen öligen Farbe gefüllt war. Mit Hilfe eines Holzsplitters und der Kohle bemalte er Stirn und Wangen, um die Keren, die Todesgöttinnen, abzuhalten. So geübt war er darin, daß er keinen Spiegel benötigte, um die Zeichen aufs genaueste zu malen. Es gab Krieger, die eher auf einen Schild verzichten würden, als auf diese Zeichen. Achilleus war von ihrer Schutzwirkung nicht unbedingt überzeugt. Besaß man nicht die Gunst der Götter, mochten sie wohl wenig helfen. Dennoch verwendete er sie recht häufig, denn sie verliehen seinem schöngeschnittenen Gesicht ein furchteinflößendes Aussehen. Mit dem Kohlestück umrahmte er die leicht schräggestellten Augen, die von einem solch leuchtenden Grün waren, daß sie die Farbe der Piktogramme an Intensität noch übertrafen.

Er warf seine langen blonden Haare zurück, die im Sonnenlicht rötlich schimmerten, und erhob sich. In dem Bewußtsein, daß jede seiner Bewegungen von zahllosen Augen beobachtet wurde, straffte er die Schultern, griff nach seinem Speer und ging auf das Stadttor zu, das nur wenige Pfeilschußlängen von ihm entfernt war. Sofort zeigten sich Männer mit gespannten Bogen über dem Torsturz. Sie starrten Achilleus feindselig an. »Stehenbleiben!« rief einer der Männer, ein kräftiger Kerl mit nacktem Oberkörper und einem zu Zöpfen geflochtenen Haarschopf, der ihm ein wildes Aussehen verlieh. »Was willst du?«

Achilleus verstand die Worte nicht, die der Thebaner in seiner Heimatsprache gerufen hatte, aber er kannte ihre Bedeutung. Es waren stets die gleichen, mit denen er an den Toren der Städte begrüßt wurde. Er ging gerade so weit, daß er außerhalb der Reichweite der Bogen blieb, aber nahe genug, um nicht allzu laut brüllen zu müssen. »Ich nehme an, ihr wißt, wer ich bin?« rief er in der Sprache der Hethiter, die hier überall gesprochen wurde.

»Du bist der räudige Plünderer aus dem Ahhiyawaland!« schrie der Thebaner hinunter. »Aber hier gibt es für dich nichts zu holen! Es wäre besser für dich, du machtest wieder kehrt, bevor wir dich mit Pfeilen spicken!«

»Versucht´s doch«, spottete Achilleus und trat herausfordernd weiter vor. Das wütende Zischen eines Pfeilhagels antwortete ihm. Die Thebaner waren hervorragende Bogenschützen, das mußte er anerkennen, denn alle Pfeile erreichten ihr Ziel. Nur, er befand sich nicht mehr dort. Er war einfach drei Schritte zurückgetreten, so daß die Geschosse wirkungslos vor seinen Füßen auf den Boden fielen. Verblüfft starrten ihn die Männer an. Angesichts dieses Mißerfolges stieg ihr Zorn noch, aber Achilleus gab ihnen keine Gelegenheit zu einem weiteren Versuch. »Da ihr wißt, woher ich komme, wißt ihr wohl auch, was ich will. Aber ich mag euch Bauerntölpeln nichts erklären. Ich will mit dem König reden - falls ihr überhaupt einen Anführer habt, der es wagt, sich König von diesem Dorf zu nennen!« Wütendes Stimmengewirr erscholl von der Mauerkrone, als hätte er mit diesen Worten in ein Wespennest gestochen.

»Du bist sehr dreist«, rief ein anderer Thebaner, offenbar eine Art Hauptmann, denn er trug im Gegensatz zu den meisten Männern, die nur Leinenkittel oder noch weniger anhatten, einen Lederpanzer und einen Bronzehelm. Er wirkte besonnener als sein aufbrausender Landsmann. »Weshalb sollten wir dich mit dem König sprechen lassen?«

Achilleus seufzte. Jedesmal die gleichen Spielchen, dachte er ungeduldig. »Ich bin allein gekommen«, antwortete er und wies zum Beweis seiner Worte auf die trostlose Ebene hinter sich. »Wenn ich ein zweites Mal kommen muß, dann mit einem Heer, das eure Mauern schleift und keinen Stein auf dem anderen läßt. Alle eure Häuser werden brennen. Alle eure Frauen werden euch ins Gesicht spucken, weil ihr es vorgezogen habt, in einen Kampf zu gehen, den ihr nicht gewinnen konntet, anstatt zu verhindern, daß sie geschändet werden. Noch ist es nicht soweit! Noch will ich mit eurem König nichts als reden.«

Einer der Krieger setzte zu einer heftigen Erwiderung an, aber der Hauptmann gebot ihm mit einer Geste zu schweigen.

»Der König ist bereits davon unterrichtet, daß du hier bist. Ich lasse ihn fragen, ob er überhaupt mit dir sprechen will.« Er gab den Männern den Befehl, die Waffen weiter auf Achilleus gerichtet zu halten, ohne jedoch unbedacht zu schießen, und verschwand aus dem Blickfeld. Gut, gut, dachte Achilleus, soweit wären wir schon.

Sicher war dies ein ungewöhnlicher, geradezu aberwitziger Weg, eine Stadt zu erobern, dennoch hatte er sich bisher als recht erfolgreich erwiesen. Ein Dutzend Städte hatte er angegriffen, und keine einzige hatte ihm widerstanden. Kurz und heftig waren die Kämpfe für ihn und seine Männer, aber verheerend für die Städte, deren wenige Überlebende die Warnung vor dem achaiischen Eroberer weitertrugen. Es hatte Achilleus nicht sehr überrascht, als die nächsten Städte das kleinere Übel vorzogen und sich ihm freiwillig unterwarfen. Und so war er dazu übergegangen, die Könige zur Kapitulation aufzufordern, bevor er mit seinem tausend Mann starken Heer vor den Toren erschien. Tatsächlich war man in den meisten Fällen auf seine beschämenden Forderungen eingegangen, um wenigstens ein Blutbad zu verhindern. Verschont zu werden kostete einen hohen Preis: Die Vierzig Schiffe, mit denen er auf diesem Plünderzug segelte, waren bereits zum Bersten voll mit Gold, Edelsteinen, kostbaren Stoffen und Teppichen, Sklavinnen und Waffen. Nur eines fehlte noch, um endlich in die Troas zurückkehren zu können. Deswegen schleppte er sein Heer noch immer von einer Stadt zur nächsten, obwohl seine Krieger erschöpft waren, und er nicht weniger.

Athene, Kriegsherrin, betete Achilleus, während er wieder einen gebührenden Abstand zwischen sich und die erhobenen Waffen brachte. Die ich dir von jeder Beute den dir zustehenden Anteil nicht versage, große Herrin, die du mich schnell und meinen Speer zielsicher machst, laß mich hier endlich fündig werden.

Das Kreischen eines Vogels antwortete hoch über ihm. Er hob den Kopf und erblickte eine Krähe, die in weiten Kreisen den tiefblauen Himmel durchpflügte. Seine Augen schmerzten bei dem Versuch, die Krähe, die im grellen Gegenlicht der Sonne ihre Kreise zog, nicht zu verlieren, aber sie flog so schnell dahin, daß ihre Umrisse verschwammen. Noch einmal schrie die Krähe, dann war sie fort.

Herrin, ich danke dir.

Das Knarren der Torflügel riß ihn aus seinen Gedanken. Der König trat heraus. Zwei Schwerbewaffnete begleiteten ihn mit erhobenen Schilden und Äxten. Ihre mit Bronzeplättchen besetzten Lederrüstungen klickten, als sie neben ihrem Herrn auf ihn zuschritten. Der König war ein hochgewachsener, schlanker Mann, wohl schon jenseits der Fünfzig, denn sein kunstvoll gedrehtes Haar war von hellgrauen Strähnen durchzogen. Er trug ein knöchellanges Gewand, das mit Fransenborten aus Goldfäden geschmückt war. Eine schwere Bernsteinkette lag um seinen Hals, und ein goldener Stirnreif in Form von zwei sich ineinander windenden Schlangen zierte als königliches Attribut seine Stirn. Er schien vor dem achaiischen Eroberer keine Angst zu haben, zumindest zeigte er sie nicht, denn er blieb erst innerhalb der Reichweite von Achilleus´ Schwert stehen.

»Ich bin Eetion, König von Theben«, sagte er hoheitsvoll, »und Ihr seid Achilleus von Achaia. Ich weiß, Ihr wollt meine Stadt. Ihr habt Euer Kommen ja durch den Rauch brennender Städte angekündigt. Aber ich weiß von Euch kaum mehr, als daß Ihr aus dem Ahhiyawaland gekommen...
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