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Die Teufelsmalerin

E-BookEPUB0 - No protectionE-Book
270 Seiten
Deutsch
Edel Elements - ein Verlag der Edel Verlagsgruppeerschienen am07.06.20181. Auflage
Künstlerin, Geliebte, Hexe Mainz 1631: Seit dreizehn Jahren wütet der große Krieg, Hexenfurcht geht um in deutschen Landen, und in Mainz wird der Malerstochter Henrietta Güntelein bei Todesstrafe verboten, den Pinsel zu führen. Doch ihr Vater ist schwerkrank, und sein Meisterwerk wartet auf die Vollendung. Da besetzen die Schweden die Stadt. Mit ihnen kommt ein Maler, der fasziniert ist von der begabten und ehrgeizigen jungen Frau. Er ahnt nicht, wie weit sie gehen wird, um ihren Lebenstraum zu verwirklichen ...mehr

Produkt

KlappentextKünstlerin, Geliebte, Hexe Mainz 1631: Seit dreizehn Jahren wütet der große Krieg, Hexenfurcht geht um in deutschen Landen, und in Mainz wird der Malerstochter Henrietta Güntelein bei Todesstrafe verboten, den Pinsel zu führen. Doch ihr Vater ist schwerkrank, und sein Meisterwerk wartet auf die Vollendung. Da besetzen die Schweden die Stadt. Mit ihnen kommt ein Maler, der fasziniert ist von der begabten und ehrgeizigen jungen Frau. Er ahnt nicht, wie weit sie gehen wird, um ihren Lebenstraum zu verwirklichen ...
Details
Weitere ISBN/GTIN9783962151669
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format Hinweis0 - No protection
Erscheinungsjahr2018
Erscheinungsdatum07.06.2018
Auflage1. Auflage
Seiten270 Seiten
SpracheDeutsch
Artikel-Nr.3444193
Rubriken
Genre9200

Inhalt/Kritik

Leseprobe
KAPITEL 2

Sie hörte Schritte auf dem Gang widerhallen. Henrietta kroch aus ihrer Ecke und kauerte sich vor die in Bodenhöhe angebrachte Essensklappe. Schon schwang das Holz zurück, und ein Stiefel schob eine tönerne Schale hinein, wobei die faulige Brühe überschwappte. Schnell stellte Henrietta die Schale beiseite und presste die Wange auf den Boden, um einen Blick nach draußen zu erhaschen. Doch sie sah nicht weiter als bis zu den Knien des Soldaten.

«Welcher Tag ist heute?», fragte sie.

«Das fragst du jeden Tag, Weib.»

«Wenn du´s mir auch nie sagst!»

Sie wartete darauf, dass die Stiefelspitze die Klappe energisch zuschlug, doch dieses Mal ließ sich der Mann Zeit.

«Die Alte, die bei dir ist», sagte er, «wird gleich abgeholt. Sie wird hingerichtet. Du weißt doch, was sie getan hat, oder?» Henrietta drehte den Kopf zu der Frau, die in einer Ecke an der kalten Wand kauerte und wirres Zeug vor sich hin flüsterte.

«Ja», murmelte Henrietta. Von einem Angelusfeuer war die Rede, das die alte Frau über einen Bauern und seine Familie geschickt haben soll, sodass sie alle an innerem Fieber verbrannt seien. Henrietta konnte kaum glauben, dass dieses alte verfallene Bündel zu so etwas imstande war, dennoch hatte sie sich von ihr ferngehalten. Gerade die unscheinbaren Alten, so hieß es, waren zu den grausamsten Taten fähig.

«Das soll bis morgen erledigt sein», erklärte der Soldat. «Morgen ist Heiligabend.»

Henrietta atmete erschrocken die stickige Luft ein. War sie tatsächlich schon einen Monat lang hier? Die Zeit war ihr unendlich lange vorgekommen, und doch konnte sie es jetzt kaum glauben.

Der Mann schien ihre Gedanken zu erraten. «Es gibt Unholde, die hausen hier ein Jahr oder länger, also beklag dich nicht.»

«Ich bin keine Unholdin, so hör doch!», rief Henrietta.

Die Klappe flog zu, und ihr Kopf fuhr zurück. «Das sagst du jeden Tag», hörte sie den Mann ein zweites Mal sagen, und seine Worte verklangen im Gang.

Verzweifelt nahm Henrietta die Schale, setzte sich in den Lichtstrahl unterhalb des vergitterten Fensters und trank die Brühe, in der ein paar Brotkrümel schwammen. An diese Art von Essen hatte sie sich nicht erst hier drinnen gewöhnen müssen, auch draußen war es nicht immer besser. Schlimmer waren die Kälte und der Gestank aus der Abtrittecke, vor der nur ein feuchter Stofffetzen hing. Daheim hätte sie den Herd befeuern können, denn Holz besaßen sie noch. So Gott wollte, würde wenigstens die Magd darauf achten, dass ihr kranker Vater nicht in seinem Bett fror. Henrietta zog die Schuhe aus und rieb sich die klammen Füße. Ihr Kleid war feucht und konnte sie nicht wärmen. Sie würde auch an Weihnachten frieren müssen, während die Menschen draußen wenigstens im Kreis der Familie feiern und das bisschen essen konnten, das in diesen Zeiten aufzutreiben war.

Oder würden sie sich aus Furcht vor den fremden Eroberern in ihren Kellern verkriechen? Henrietta hatte den Worten der Wachtposten entnommen, dass ein gewaltiges Heer von Schweden und Männern anderer Völker bei Oppenheim den Rhein überquert und im Handstreich sämtliche linksrheinischen Ortschaften in Besitz genommen hatte, bis es vor den Mainzer Toren aufgetaucht war. Kurz nur hatte die Belagerung gedauert, dann war der König von Schweden, den sie den «Löwen von Mitternacht» nannten, mit allem Prunk eingezogen.

«Aber was mag das für mich bedeuten?», murmelte sie gedankenverloren.

Ein Rascheln aus der Ecke ließ sie aufmerken. Die Alte hatte den Kopf gehoben und lächelte sie aus ihrem faltigen aschgrauen Gesicht an.

«Nichts bedeutet es», sagte die Alte, und ihre Gesichtszüge ähnelten einer Dämonenfratze. «Die Lutheraner sind nicht gnädiger, und das sind sie: Protestanten. Sie sind fast so schlimm wie Juden und Ungläubige.»

Henrietta wollte gerade den Mund öffnen, um sie zu fragen, woher sie das wisse, da hörte sie die Schlüssel klappern. Dieses Mal hatte sie die Schritte nicht bemerkt, obwohl es sogar zwei Männer waren, die das düstere Verlies betraten. Ihr Körper versteifte sich unwillkürlich, doch es war die Alte, die sie umringten und jetzt zum Aufstehen zwangen. «Ich habe nichts getan!», kreischte die Frau, während sie sich in den unbarmherzigen Griffen wand. Doch schnell knickten ihre Beine kraftlos ein, sie fiel zu Boden und wurde wie ein Strohsack hinausgezerrt. Als die Alte aus Henriettas Blickfeld verschwunden war, war nur noch ein herzzerreißendes Heulen zu hören. Henrietta hielt sich die Ohren zu und drückte das Gesicht auf die Knie. Würde sie auch so erbärmlich schreien, wenn es bei ihr so weit war? Aber sie war doch unschuldig, sie war eine gute Katholikin, sie war ...

«Henrietta Güntelein!»

Ihr Kopf flog hoch. Dicht vor ihr stand ein dritter Wächter und blickte auf sie herab. Es war derselbe, der ihr täglich das Essen hineinstieß und sie in den seltenen Momenten, wenn er das Verlies betrat, mit einer Mischung aus Gier und Stumpfsinn anstarrte. Henrietta wusste, dass Angeklagte Freiwild waren und jederzeit den Wachleuten zur Verfügung stehen mussten, aber bisher war sie verschont worden. Vielleicht war es selbst ihm zu schmutzig hier. Oder er hatte nur darauf gewartet, dass die Alte fort war.

«Steh auf», sagte er barsch. «Das Gericht wartet auf dich.»

Hastig versuchte sie, auf die Beine zu kommen. Es fiel ihr nicht leicht, denn ihre Knie zitterten. Am Tag nach der Verhaftung war sie schon einmal vor Gericht erschienen, doch damals hatte man ihren Unschuldsbeteuerungen keinen Glauben geschenkt. Kurz nur war die Befragung gewesen, sie hatte ihren Namen unter ein Dokument setzen müssen und war dann weggesperrt worden. Was würde jetzt geschehen? Sie raffte das Kleid und eilte hinter dem Mann her, der gar nicht darauf achtete, ob sie ihm folgte. Dunkel war es hier draußen, nur eine rußige Fackel in einer Wandhalterung erhellte die Stufen, sodass Henrietta gerade erkennen konnte, wohin sie trat. Am Ende der Treppe war eine dicke Eichenholztür. Sie schwang auf, und der Mann schob sie in einen Raum, der ebenso gut ein Verlies hätte sein können, wären da nicht die hohen Herren gewesen, die an einem Tisch saßen und sie neugierig musterten. Im schwachen Schein der Öllampe schienen die Augen der Männer tief in ihren Höhlen zu verschwinden.

«Wir haben nicht viel Zeit», hörte sie einen von ihnen sagen, einen Glatzköpfigen mit grauem Bart. «In der Gerichtsstube hausen fremde Soldaten. Vielleicht sind es auch die letzten Spanier oder norddeutsche Söldner oder welche aus Schottland. Wir sollten zusehen, dass wir schnell fertig werden, damit sie, wenn sie es denn wollen, diesen verdammten Turm besetzen können. Außerdem stinkt es hier unerträglich nach Pisse.»

Henrietta bemühte sich, gerade zu stehen. Es war nicht gut, Furcht zu zeigen, denn das könnte wie ein Schuldeingeständnis wirken. Der Mann wandte sich ihr zu, als habe er erst jetzt bemerkt, dass sie eingetreten war.

«Ah, da ist sie ja», sagte er und blickte dann auf das Dokument, das vor ihm lag. «Jungfer Henrietta Güntelein, Tochter des Malers Johannes Güntelein.»

«Ja, das bin ich.»

Er lehnte sich auf seinem Stuhl zurück und zupfte an seinem Bart, als ob er dort nach Läusen suche. «Der König hat heute den Schwager seines Kanzlers, einen Mann namens Johann Eriksson Sparre, zum Statthalter des Erzstifts ernannt. Der hat angeordnet, dass alle Gefangenen bis Heiligabend abgeurteilt sein sollen, also bis morgen. Glücklicherweise seid ihr nur noch zu zweit. Die Alte, die das Antoniusfeuer geschickt hat, wird morgen früh brennen, aber du bereitest uns noch Kopfzerbrechen.»

Es saßen vier Männer am Tisch, ihrer aller Augen waren jetzt auf sie gerichtet. Auf der einen Ecke des Tisches lag ein graues Tuch, unter dem etwas verborgen war. Sie wollte lieber nicht wissen, was es war. Es jagte ihr Angst ein.

«Ich, Jakob Belsenius, meines Zeichens Richter, werde die Befragung durchführen», sagte ein Mann in einem schwarzen Mantel und Radkragen nach alter spanischer Mode. Er wandte sich kurz an den Bärtigen: «Wann wird der Sachverständige kommen?»

«Er wird nicht lange auf sich warten lassen.»

Belsenius winkte ungeduldig ab. «Lasst uns sofort beginnen. Wir brauchen ihn ohnehin nur fürs Protokoll, und wenn sich die Unholdin gefügig zeigt, nicht einmal dafür. Nun?»

«Ich bin keine Unholdin», sagte Henrietta fest und biss die Zähne zusammen. Wie oft hatte sie das nun schon gesagt? Jedoch meist zu den Wachsoldaten, die das ohnehin nicht kümmerte.

«Das werden wir sehen.» Belsenius sah sie mit kalten Augen an. «Du wirst beschuldigt, einen Incubus beherbergt zu haben. Was sagst du dazu?»

«Ich weiß nicht, was ein Incubus ist», erwiderte sie, und er schlug mit der flachen Hand auf den Tisch.

«Ein Teufelsdämon! Oder der Teufel selber!»

Henrietta zuckte zusammen. Um Himmels willen, wovon sprach er? Das alles war ein großer Irrtum - zu groß, als dass sie sich dafür hätte verteidigen können. Sie starrte den Richter hilflos an.

Belsenius legte die Hände auf den Tisch und neigte sich vor. Offensichtlich wollte er es jetzt auf die freundliche Art versuchen. «Wie es zu dieser Beschuldigung kam, das weißt du doch wenigstens, oder?»

«Nein. Ich wurde verhaftet, als ich auf dem Markt Gemüse kaufen wollte, und dann haben sie mich hier in den Turm gesperrt. Dabei wurde der ... der Incubus erwähnt, aber was es damit auf sich hat, hat mir niemand gesagt.»

Er blickte flüchtig auf das Dokument. «Du hast aber ein Geständnis unterschrieben.»
...
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