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Schafkopf (eBook)

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
280 Seiten
Deutsch
ars vivendi Verlagerschienen am04.10.2010
Als ein Kalchreuther Wirt seinen Bierkeller aufschließt, stößt er auf eine bestialisch zugerichtete Leiche. Bei dem Toten findet die Polizei einen rätselhaften Gegenstand: ein Fußball-Trikot. Ein Zeichen ja, aber wofür? Mit dieser Frage ist der Nürnberger Kommissar Friedo Behütuns konfrontiert. Steht dahinter ein Fankrieg? Zielt die Tat auf den Sponsor dieses Fußballvereins, einen Atomkonzern, ab? Oder ist nicht vielmehr im rechtsradikalen Milieu zu ermitteln? Bald tauchen weitere Opfer auf, alle ähnlich grausam ermordet. Die Ereignisse eskalieren, Behütuns stochert im Dunkeln bis er ein altes fränkisches Wirtshaus betritt Ein fesselnder Krimi, der den Leser auf verschiedene Fährten schickt, die am Ende doch alle in eines münden: in die Abgründe der menschlichen Seele.

Tommie Goerz, Jahrgang 1954, hat Soziologie, Philosophie und Politische Wissenschaften studiert und war 20 Jahre Texter und Konzeptor bei einem der größten Agenturnetzwerke der Welt. Er gewann unter anderem einen Bronzenen Löwen in Cannes (2007). Heute hat er einen Lehrauftrag an einer Hochschule, ist Inhaber einer kleinen Agentur und in einer Unternehmensberatung tätig. Bei ars vivendi erschienen bislang die vier Kriminalromane Schafkopf (2010), Dunkles (2011), Leergut (2011) und Einkehr (2014).
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Produkt

KlappentextAls ein Kalchreuther Wirt seinen Bierkeller aufschließt, stößt er auf eine bestialisch zugerichtete Leiche. Bei dem Toten findet die Polizei einen rätselhaften Gegenstand: ein Fußball-Trikot. Ein Zeichen ja, aber wofür? Mit dieser Frage ist der Nürnberger Kommissar Friedo Behütuns konfrontiert. Steht dahinter ein Fankrieg? Zielt die Tat auf den Sponsor dieses Fußballvereins, einen Atomkonzern, ab? Oder ist nicht vielmehr im rechtsradikalen Milieu zu ermitteln? Bald tauchen weitere Opfer auf, alle ähnlich grausam ermordet. Die Ereignisse eskalieren, Behütuns stochert im Dunkeln bis er ein altes fränkisches Wirtshaus betritt Ein fesselnder Krimi, der den Leser auf verschiedene Fährten schickt, die am Ende doch alle in eines münden: in die Abgründe der menschlichen Seele.

Tommie Goerz, Jahrgang 1954, hat Soziologie, Philosophie und Politische Wissenschaften studiert und war 20 Jahre Texter und Konzeptor bei einem der größten Agenturnetzwerke der Welt. Er gewann unter anderem einen Bronzenen Löwen in Cannes (2007). Heute hat er einen Lehrauftrag an einer Hochschule, ist Inhaber einer kleinen Agentur und in einer Unternehmensberatung tätig. Bei ars vivendi erschienen bislang die vier Kriminalromane Schafkopf (2010), Dunkles (2011), Leergut (2011) und Einkehr (2014).
Details
Weitere ISBN/GTIN9783869132679
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2010
Erscheinungsdatum04.10.2010
Reihen-Nr.1
Seiten280 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse1523 Kbytes
Artikel-Nr.3955358
Rubriken
Genre9201

Inhalt/Kritik

Leseprobe


 

Es brannte kein Licht.

T.C. Boyle

 

2. Kapitel

20 Kilometer nördlich von Nürnberg, vor über 40 Jahren. Abseits der alten B4 liegt ein kleiner Ort am Fuße des ­Rathsbergs, Bubenreuth. Noch gibt es den alten Main-Donau-Kanal, versandet zwar und verschlammt, aber deutlich zu erkennen. Noch brüllt durch das Regnitztal kein Frankenschnellweg, noch gibt es an der Bahnlinie dort eine Schranke. Blaukehlchen leben am alten Kanal, Eisvogel, Wasseramsel, Pirol.

Direkt an der B4, gegenüber dem Bahnhof, steht ein einzelnes Haus. Ein Wirtshaus, außen herum ist nichts. Es ist das einzige Gebäude jenseits der Straße, dahinter nur Äcker, Wiesen, der Fluss.

Zum Ort selbst führt vom Bahnhof aus eine Straße. 400 Meter außerhalb liegt der Haltepunkt. So weit ist man damals gelaufen.

An der Bahnlinie eine Schranke, gekurbelt per Hand. Der Bahnhof ist heute noch immer da. Die Schranke ist weg, die Äcker und Wiesen sind weg - eine riesige Tankstellenanlage steht jetzt dort, ein großer Kreisverkehr wurde hingebaut, ein Supermarkt, ein Discounter, eine Großbäckerei und dahinter die breite Autobahn. A73, auch »Frankenschnellweg« genannt.

Jenseits der Bahnlinie vom Wirtshaus aus - die Straße führt jetzt unter ihr hindurch - ist der Ort fast bis an die Schienen herangewachsen. Nur ein schmaler Ackerstreifen trennt heute noch Häuser und Bahn.

Die neue Zeit frisst das Land wie ein Krebsgeschwür. Das Wirtshaus aber steht heute noch dort. Ebenso wie vor weit über 40 Jahren.

Windböen fegen über den Regnitzgrund, dunkel zieht es von Süden herauf. Im Westen ist der Himmel noch hell, fast gelb, doch die schwarzen Wolken jagen. Das Wetter bringt die Dunkelheit früher. Drinnen im Wirtshaus aber sieht man das Wetter nicht. Hier schaut man nur in die Karten.

Schmidla, Maschder, Risch und Usch, vier Freunde schon aus der Schulzeit, sitzen am Tisch und karteln.

Draußen könnte man es schon grummeln hören, das Gewitter kommt mit Macht.

Schmidla: »Mit der Alten.«

»Wer is´n vorn? Ich? Die wird g´schbaldn! G´lehchd hasd ah nu? Ouala, des kann teuer wer´n! Schbridse!«

Richard »Risch« Sauer nimmt ein Geldstück aus seinem Schüsselchen, legt es zu den jetzt schon vier Legern auf den Tisch und kartelt an. Eichel-Zehn, zu zweit.

Wolfgang Pitsch, genannt »Maschder«, sticht, Herz-Zehn, Uli »Usch« Schrader hat die Rufsau und muss zugeben und Wolfgang »Schmidla« Hölzer, der gerufen hatte, den Eichel-König.

»Fünfunddreißig - schon die halbe Miete«, triumphiert Maschder und sammelt die Karten ein. »Grün wie mein Haar - auf Eichel g´hört Grün«, grinst er und spielt den Grün-Zehner an, zu dritt, sein Mann, Risch, sitzt hinten. Usch sticht, Herz-Ass, Schmidla hat die Grün-Sau und gibt zu, und Risch, grünfrei, knallt den Schellen-Ober auf den Tisch. »Nochmal fünfunddreißig, macht siebzig! Jetzt machmer euch Schneider!«

Wird dann aber doch nichts daraus, die Spieler haben drei laufende Bauern.

»Spiel fünf, drei Bauern zwanzig, zweimal g´legt, Spritze, einmal z´ammg´schmissen macht vierzig ... achtzig ... einssechzig ... dreizwanzig! Das hat sich doch g´lohnt!« Risch und Maschder klatschen sich ab.

Ein naher Blitz zuckt draußen, Staub, Laub und Papier wirbeln auf. Die ersten Tropfen klackern aufs Fensterblech, fett und schwer.

»Wirtin, an Schnaps!«

»Brunzkaddler!«, mault Schmidla seinen Partner Usch an. »Wie kannst´n da mit der Ass rein! Harrgottmargod.« Er schüttelt den Kopf und schiebt noch ein »so ein Hänfling!« nach.

»Weiß ich, dass du die Sau hast? Du hast doch g´rufen! Mit zwei Fehl!«, wehrt sich Usch, schüttelt den Kopf und zahlt aus.

»Hast recht. War scheiße g´standen«, gibt Schmidla zu. »Alles gegen uns. Keine Chance.« Zahlt ebenfalls aus.

»Kaddln muss man halt können«, kommentiert Risch, nimmt die Karten auf und mischt.

Jetzt rauscht draußen der Wolkenbruch, der Regen peitscht ums Haus. Es kracht, es blitzt wie im Roman. Kurz nur lauschen die Spieler an den Tischen nach draußen. Sie müssen jetzt nicht raus. Ein Fensterladen klappert, ein Auto fährt auf nasser Fahrbahn vorbei. Dann flackert das Licht, es hat wohl irgendwo eingeschlagen. Vom Bahnhof eine Durchsage über Lautsprecher, der Zug aus Bamberg fährt ein. Hier drinnen hört man sie nur leise, für niemanden hat sie Bedeutung. Noch einmal kracht es, ganz nah. Ein typisches Sommergewitter.

»Die aus dem Süden sind immer die heftigsten«, sagt die Wirtin, die auf ihrem Stuhl vorm Tresen sitzt. Sie sagt es für sich, wie für niemanden. Ihr hört auch niemand zu. Sie sitzt hier, die Arme verschränkt, meist den ganzen Abend, und manchmal schläft sie auch ein. Punkt zwölf wird sie die Spieler nach Hause schicken, dann macht sie das Wirtshaus zu. Die Spieler wollen dann immer bleiben, doch sie kennt kein Pardon. So ist das seit Jahren und wird es in Jahren noch sein.

Usch Schrader am Tisch stützt sich hoch, schiebt seinen Stuhl zurück und steht auf.

»Ich muss mal raus. Schorla, springst ein, seisogut. Spiel auf mein Schüsserla.«

Steht auf und geht hinaus. Georg, von allen nur »Schorla« genannt, rückt vom Nebentisch herüber, übernimmt den Platz.

Risch Sauer mischt, teilt aus.

Man schaut sich die Karten an, die ersten, dann die zweiten drei. Dann geht es reihum, wer spielt.

»Weg.«

»Weg.«

»Auch weg.«

»Gaaaanz weit weg!«

Die Karten werden zusammengeschmissen, Risch Sauer legt ein Doppeltes raus, Maschder nimmt die Karten, mischt und teilt aus.

Wieder sind alle weg.

Schorla mischt die Karten, verteilt. Wieder sind alle weg. Also noch ein Leger.

»Etz geht amoll einer die Händ´ waschen, des gibt´s doch gar nicht. Was für scheiß Karten allerweil. Lauter Weg!«

Eigentlich wäre jetzt Schmidla mit Mischen dran. Der aber legt Schorla wieder die Karten hin, er solle geben. Das gehört zum Spiel, und der Schorla merkt das nie. Versteht einfach die Regeln nicht. Verstecktes Grinsen geht über den Tisch. Das Foppen macht den Jungen Spaß.

Freitagabend, beim Stock. Seit Jahren schon treffen sich die vier - Schrader, Hölzer, Sauer und Pitsch - beim Stock zum Karteln. Schafkopf, kurzer Vierer. Ein Fremder verirrt sich kaum hierher. Das Wirtshaus hat zwar die ganze Woche über geöffnet, doch nur am Freitagabend ist hier Betrieb. Dann sind meist zwei, drei Tische besetzt mit Kartenspielern, immer die gleichen Personen. Die meisten aus dem Dorf.

Schrader, Hölzer, Sauer und Pitsch, unter sich Usch, Schmidla, Risch und Maschder, kommen schon seit ihrer Kindheit hierher. Sie stammen alle aus dem Dorf und kennen sich seit der Schulzeit. Nicht aus der gleichen Klasse - oder doch. Aber nicht aus dem gleichen Jahrgang. Damals gab es noch das dreiklassige Schulsystem. Und das bedeutete: Für erste, zweite und dritte Klasse je ein Lehrer und ein Klassenraum, das gleiche für vierte, fünfte und sechste Klasse wie auch für »die Großen« in der Siebten und Achten. Diese Aufteilung fand sich zwei Mal im gleichen Gebäude - aber nicht nach Mädchen und Jungen getrennt, wie man vermuten würde, sondern nach Konfessionen. Kam man damals in das Schulgebäude, ging man aus der gemeinsamen Aula nach links in die Bekenntnisschule, die der bibelfesten Katholiken, über die der Pfarrer waltete, und nach rechts, spiegelverkehrt, in die Gemeinschaftsschule, den Flügel für die nicht so bibelfesten oder pfarrerhörigen Katholiken und die wenigen Protestanten im Ort. Ausländer, Atheisten oder etwas Ähnliches gab es damals nicht, nicht hier im Dorf und auch sonst kaum im Land. Die Vielfalt kam erst später. Und aus dieser Zeit, der Zeit davor, kannten sich die vier. Jetzt waren sie alle Anfang, Mitte 20 und jeder schon im Beruf.

Draußen war es wieder ruhig geworden, das Gewitter war vorbei. Wie so oft hier ist es nur kurz und heftig gewesen, und selbst das kam selten genug vor. Gewitter gab es in Nürnberg oder Forchheim, in Bubenreuth gab es sie nicht. Niemand konnte erklären, woran das lag, aber es ist bis heute so. Man sagt, es liege am Fluss, warum aber, das weiß keiner. Das eine ist eben Beobachtung, das andere die Erklärung. Und Beobachten war damals nicht schwer - Erklären ist es noch heute. Genauso wie heute Beobachten.

Uli Schrader, der Usch, betrieb die Tankstelle seines Vaters an der Bundesstraße, kurz vor der Stadt Erlangen. Esso, Tiger im Tank. Da musste man nicht viel lernen und denken. Die Autos kamen und tankten, und beinahe täglich wurden es mehr. Er schraubte, das hatte er gelernt, und das konnte er auch, sein Vater war schließlich Meister. Jeder aus dem Dorf brachte sein Auto hierher, auch Mähdrescher oder Traktoren. Da gab es mal was zum Schweißen, mal eine Dichtung auszuwechseln, einen Filter zu reinigen, viel mehr war es nicht. Das lief, und man machte sich keine Gedanken.

Wolfgang Hölzer zum Beispiel brachte seine Traktoren. Er war Landwirt. Bauer sagte man hier. Noch so ein richtiger Bauer mit Kühen, Hühnern, Schweinen, Gänsen, Enten, nein, keinen Pferden mehr, und jeder Menge Arbeit und Land. Kein Mensch sagte Wolfgang zu ihm. Man nannte ihn »Schmidla«, denn sein Hof gehörte ursprünglich den Schmidts. Das bleibt auf dem Land, auch wenn einer mit anderem Namen einheiratet. Der Name des Hofes bleibt, wer den Hof macht, ist egal. So war Hölzer als Bauer des Schmidthofs »es Schmidla« und nicht der Wolfgang Hölzer. Normal.

Der Risch, also Richard Sauer, fiel ein bisschen aus...

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Autor

Tommie Goerz, Jahrgang 1954, hat Soziologie, Philosophie und Politische Wissenschaften studiert und war 20 Jahre Texter und Konzeptor bei einem der größten Agenturnetzwerke der Welt. Er gewann unter anderem einen Bronzenen Löwen in Cannes (2007). Heute hat er einen Lehrauftrag an einer Hochschule, ist Inhaber einer kleinen Agentur und in einer Unternehmensberatung tätig. Bei ars vivendi erschienen bislang die vier Kriminalromane Schafkopf (2010), Dunkles (2011), Leergut (2011) und Einkehr (2014).
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Goerz, Tommie