Hugendubel.info - Die B2B Online-Buchhandlung 

Merkliste
Die Merkliste ist leer.
Bitte warten - die Druckansicht der Seite wird vorbereitet.
Der Druckdialog öffnet sich, sobald die Seite vollständig geladen wurde.
Sollte die Druckvorschau unvollständig sein, bitte schliessen und "Erneut drucken" wählen.

Die Seelenheilerin

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
508 Seiten
Deutsch
Rowohlt Verlag GmbHerschienen am21.09.20181. Auflage
Wenn die Seele Trauer trägt London 1838: Cordelia Preston und ihre Freundin Rillie sind zwei so liebenswerte wie bettelarme Schauspielerinnen. Um nicht Hungers zu sterben, eröffnen die beiden ein Hypnosestudio - schauspielern können sie ja. Bald jedoch zeigt sich, dass Cordelia tatsächlich über die verblüffende Gabe verfügt, Menschen in Not von körperlichen wie seelischen Schmerzen zu befreien. Und das ist eigentlich nicht verwunderlich, hat sie doch selbst in ihrer Jugend Furchtbares erleben müssen. Cordelia wird zu einer Sensation, von der ganz London spricht. Doch mit dem Ruhm kehren die Gespenster aus dunkelster Vergangenheit zurück ...

Barbara Ewing, geboren 1944 in Neuseeland, machte Karriere als Schauspielerin und Autorin. Sie wurde in der «Royal Drama Academy» in London ausgebildet und war mit vielen Fernseh- und Theaterrollen erfolgreich. Daneben hat sie zahlreiche Romane verfasst.
mehr

Produkt

KlappentextWenn die Seele Trauer trägt London 1838: Cordelia Preston und ihre Freundin Rillie sind zwei so liebenswerte wie bettelarme Schauspielerinnen. Um nicht Hungers zu sterben, eröffnen die beiden ein Hypnosestudio - schauspielern können sie ja. Bald jedoch zeigt sich, dass Cordelia tatsächlich über die verblüffende Gabe verfügt, Menschen in Not von körperlichen wie seelischen Schmerzen zu befreien. Und das ist eigentlich nicht verwunderlich, hat sie doch selbst in ihrer Jugend Furchtbares erleben müssen. Cordelia wird zu einer Sensation, von der ganz London spricht. Doch mit dem Ruhm kehren die Gespenster aus dunkelster Vergangenheit zurück ...

Barbara Ewing, geboren 1944 in Neuseeland, machte Karriere als Schauspielerin und Autorin. Sie wurde in der «Royal Drama Academy» in London ausgebildet und war mit vielen Fernseh- und Theaterrollen erfolgreich. Daneben hat sie zahlreiche Romane verfasst.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783688114153
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2018
Erscheinungsdatum21.09.2018
Auflage1. Auflage
Seiten508 Seiten
SpracheDeutsch
Artikel-Nr.4007298
Rubriken
Genre9201

Inhalt/Kritik

Leseprobe

Teil 1
1838

1

Es donnerte.

Doch es war kein echter Donner, der Inspizient probierte nur das Gewitterblech aus. Wenn es brach, wurde der Klang zu blechern und verlor seine Erhabenheit.

Den Mantel gegen die kälte eng um sich geschlungen, lehnte Mrs. Cordelia Preston an der dilettantisch gemalten und irgendwie missratenen Schlossmauer, der man auch mit viel Phantasie keinerlei Erhabenheit bescheinigen konnte.

«Der dicke Intendant ist eine Bestie aus der Hölle», murmelte sie wütend Mrs. Amaryllis Spoons zu, die auf einem viereckigen Baumstumpf saß. In dem leeren, hallenden Theater roch es nach dem Öl aus den vielen Lampen, nach Kerzenfett und Staub, nach dem Publikum des vergangenen Abends und vielleicht auch ein wenig nach Schauspielern. Das Fußlicht war mit kleinen Rädern in den Raum unter der Bühne versenkt worden, wo die Dochte der Lampen gestutzt wurden; einzelne Kerzen beleuchteten die Bühne und tauchten sie in ein trübes, flackerndes Licht. Die frierenden Schauspieler rieben die Hände aneinander, der Atem stand ihnen in kleinen Wölkchen vor dem Gesicht. Von ihrer mageren Gage mussten Mrs. Cordelia Preston und Mrs. Amaryllis Spoons, zwei der drei singenden Hexen (die andere wurde von der Schwiegermutter des Intendanten gespielt), nicht nur ihre Kostüme, Perücken, Puder und Schminke kaufen, sondern auch noch für ihre Verpflegung aufkommen, Miete zahlen und reisen. Der Intendant hatte die Schauspieler so früh einbestellt, um ihnen ihr Salär auszuhändigen. Jetzt wippte er am Rand der trübe beleuchteten Bühne auf den Fersen vor und zurück und verkündete, dass er die Gagen noch einmal gekürzt hatte.

«Das Publikum will keine Schauspieler mehr», holte er zu einem letzten, kräftigen Schlag aus, und Cordelia überlegte in aufwallendem Zorn, wie befriedigend es wäre, ihn mit einem Tritt in den Zuschauerraum zu befördern. «Heutzutage will das Publikum Spektakel! Und unter Spektakel versteht es keine Schmierenkomödianten und ein räudiges, altes Pferd. Morgen kommt ein Elefant, und nächsten Monat bekomme ich einen Performing Boy.» Dann hörte er auf zu wippen und verschwand unvermittelt im Dunkeln im hinteren Bereich des Theaters.

Schmierenkomödianten? Ein Elefant in Macbeth? Der Hauptdarsteller, Mr. George Tryfont, stand in einem qualvollen Zustand, voller Zorn und Protest, mitten auf der Bühne und schaute ungläubig auf das Geld in seiner Hand. Die Aktrice, die Lady Macbeth spielte, war bereits laut weinend davongestürmt, die anderen standen in kleinen Gruppen zusammengedrängt, murrten leise und zogen die Mäntel noch enger um sich. Der verdammte Winter, keine Spur von Frühling, und als Mr. Tryfont sich jetzt theatralisch auf die Zweige des Birnam-Waldes stützte (der nach der Aufführung des vergangenen Abends noch nicht von der Bühne gefahren worden war), warfen er und die spitzen Äste lange, gespenstische Schatten auf die Bühne. Amaryllis Spoons sah, dass auch Cordelia Preston, deren Silhouette vom Kerzenschein gegen die gemalte Schlossmauer geworfen wurde, wütend war; und doch war sie immer noch schön: Die ungewöhnlich weiße Strähne auf ihrer Stirn schien zwischen den düsteren Schatten fast zu leuchten.

Der Requisiteur stapfte über die Bühne und schleppte große Weißbleche und Kelchgläser für die Bankett-Szene. Falls er über die Zukunft dieser Inszenierung mehr wusste als die Schauspieler und ob wirklich ein Elefant eingesetzt wurde, dann behielt er es für sich. Seine Schritte hallten in den Kulissen nach.

Mr. Tryfonts Stimme dröhnte - er konnte nicht anders - durch den leeren Zuschauerraum und erreichte sogar die Logen und den obersten Rang. Er besaß genau das richtige Timbre. «Ein Elefant in einem Shakespeare-Stück! Oh, hätte ich doch einen ehrenvollen Beruf gewählt! Dieser Intendant ist eine Schande, er zahlt Pferden mehr für einen Auftritt als Schauspielern meines Kalibers.» Der Requisiteur stapfte zurück, immer noch schweigend, diesmal mit dem Hexenkessel auf dem Rücken. «Ich habe übrigens aus hervorragender Quelle gehört, dass, sobald der Elefant da ist, die älteren Damen ...», hier warf Mr. Tryfont einen gehässigen Blick über die Bühne, «entlassen werden. Das Publikum mag keine alten Frauen.»

Mrs. Cordelia Preston und Mrs. Amaryllis Spoons blickten einander an. Mit «älteren Damen» waren sie gemeint, obwohl sie beide sogar noch ein wenig jünger waren als Mr. Tryfont. Es stand ihnen nicht zu, zu beurteilen, ob ein Elefant bei einer Aufführung von Macbeth die Stelle der drei singenden Hexen einnehmen könne, doch dies war eine drittklassige Tournee, da musste man mit allem rechnen. Sie hatten kaum genug Geld, um nach Hause zu gelangen. Doch so etwas war schon unzählige Male passiert. Für den äußersten Notfall hatten die beiden unter den Dielenbrettern zu Hause in London Geld versteckt, und jetzt überschlugen sie rasch die Beträge.

Dann scheuchte ein lauter Warnruf von unten und das Knarren etlicher Räder die Schauspieler plötzlich auseinander. Die Räder zogen die gemalten Bäume des Birnam-Waldes auseinander, um sie bis zum Höhepunkt der abendlichen Vorstellung in den Kulissen links und rechts der Bühne zu verstauen. Der Requisiteur tauchte mit einer großen Schüssel roter Flüssigkeit in den Händen zwischen den sich bewegenden Bäumen auf: das Blut an ihren Händen, den Händen der Macbeths, wenn sie allabendlich mordeten.

 

Die Schauspieler waren in einigen schmutzigen, kalten Räumen in einer Scheune außerhalb von Guildford untergebracht. Einige kippten vor der abendlichen Vorstellung in der Ecke mürrisch billigen Whisky in sich hinein. Mrs. Cordelia Preston röstete Brot über dem Feuer. Mrs. Amaryllis Spoons aß traurig zwei Äpfel. Sie wussten, sie hätten die Finger von dieser Tournee lassen sollen, sie kannten die Bedingungen so einer drittklassigen Tournee: die niedrigste Gage, Vorstellungen an den übelsten Spielstätten. Doch Mrs. Preston und Mrs. Spoons waren über vierzig, was gemeinhin - Mr. Tryfont hatte herzlos darauf hingewiesen - als alt galt, und sie brauchten das Geld.

«Und ob dieser fette Intendant eine Bestie aus der Hölle ist», sagte Rillie Spoons.

 

An diesem Abend öffnete sich der rote Vorhang spät wie immer, während das ungeduldige Publikum bereits stampfte und pfiff. Das Fußlicht vor der Bühne verlosch langsam und tauchte die Bühne in Halbdunkel. Die singenden Hexen (der Intendant hatte darauf bestanden, das Publikum wolle Gesang) waren auf der Bühne gerade so zu erkennen, geisterhaft, hinter ihnen stieg Rauch auf. Die Schwiegermutter des Intendanten musste wegen des Rauchs würgen, und der Inspizient ließ das Blech sehr laut scheppern, um ein Gewitter zu erzeugen (und das Husten der Hexe zu übertönen). Doch als die drei alten Vetteln sich im Halblicht über den Kessel beugten, breitete sich die alte Stille aus, und die vertrauten Worte ergriffen die Herzen:


Wann kommen wir drei uns wieder entgegen,

im Blitz und Donner oder im Regen?

Wenn der Wirrwarr stille schweigt,

wenn der Sieger ist, sich zeigt.


In dieser Inszenierung kam Macbeth auf einem Pferd daher: Mochte es auch räudig sein, das Publikum jubelte. Es blieb der einzige Jubel an diesem Abend. Das Pferd ging bald ab, doch Mr. Tryfont blieb. Der Macbeth-Darsteller hatte eine Vorliebe für Pausen, und an diesem Abend schien er sie noch eifriger auszudehnen als sonst; Enttäuschung und Langeweile waberten durch den Staub, den Gestank des Lampenöls und den Geruch von Fettschminke und Zuschauern zur Bühne hinauf. Das Publikum wollte etwas erleben, mehr qualmenden Rauch, mehr Pferde, Trommeln, bewegliche Bühnenbilder. Die Vorstellung näherte sich ihrem Höhepunkt, und Mr. Tryfont machte eine besonders lange Pause und richtete den Blick dramatisch nach oben. Leben ist nur ein wandelnd Schattenbild, kam ein lautes Flüstern aus dem Souffleurkasten am unteren Rand der Bühne, worauf Mr. Tryfont dem Souffleur, der doch nur versuchte behilflich zu sein, einen wütenden Blick zuwarf.


Leben ist nur ein wandelnd Schattenbild;

ein armer Komödiant, der spreizt und knirscht

sein Stündchen auf der Bühn´, und dann nicht mehr

vernommen wird ...


Ein Apfelbutzen landete auf der Bühne.

«Und dann nicht mehr vernommen wird, Gott sei Dank!», rief jemand aus dem Parkett.

«Mach weiter!», rief ein anderer. «Ein Märchen ist´s, erzählt von einem Dummkopf, das kann man wohl laut sagen. Das nichts bedeutet, genau wie du, du alter Bock!»

«Du lausiger Schmierenkomödiant!», rief der Erste. «Du solltest mal langsam voranmachen, du bist doch steinalt!»

Wie durch ein Wunder tauchte surrend der Birnam-Wald auf, doch in dem Augenblick explodierte Mr. Tryfont, weil andere seine bedeutsame, poetische Rede unterbrochen hatten. Er machte einen großen Satz von der Bühne («Ziemlich gefährlich, in seinem Alter!», flüsterte Cordelia im hinteren Bereich der Spielfläche) und ging mit beiden Fäusten auf seine Peiniger los. Das Publikum pfiff begeistert, andere Schauspieler mischten sich ein und schließlich auch noch mehr Zuschauer. Es war aufregend. Mrs. Cordelia Preston und Mrs. Amaryllis Spoons schauten einander an. Keine Arbeit, kaltes Wetter und von Frühling keine Spur. Sie zuckten die Achseln. Dann wies Cordelia auf den Requisitentisch und pustete die nächststehenden Kerzen aus. Sie und Rillie packten die große Schüssel mit Blut, schütteten die rote Brühe im dämmrigen Licht über den Rand der Bühne und tauchten Schauspieler und Publikum in die glänzende rote Flüssigkeit, dass...

mehr

Autor

Barbara Ewing, geboren 1944 in Neuseeland, machte Karriere als Schauspielerin und Autorin. Sie wurde in der «Royal Drama Academy» in London ausgebildet und war mit vielen Fernseh- und Theaterrollen erfolgreich. Daneben hat sie zahlreiche Romane verfasst.