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Die Siliziuminsel

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
480 Seiten
Deutsch
Penguin Random Houseerschienen am09.09.2019
Auf der Siliziuminsel im Südwesten Chinas wird der Elektronikschrott der ganzen Welt recycelt. Inmitten von giftigen Dämpfen und verseuchter Hardware suchen die Müllmenschen nach Verwertbarem. Als eines Tages eine amerikanische Firma die Siliziuminsel modernisieren will, wird das labile Gleichgewicht zwischen den chinesischen Behörden, mächtigen Mafiaclans und internationaler Machtpolitik gestört. Arme und Reiche, Chinesen und Ausländer finden sich in einem Krieg um die letzte Ressource der nahen Zukunft wieder - den Menschen.

Qiufan Chen stammt aus Shantou in der chinesischen Provinz Guangdong. Er hat bereits über dreißig Kurzgeschichten auf Chinesisch und auf Englisch veröffentlicht. Sein Debütroman »Die Siliziuminsel« erschien 2013 auf Chinesisch und wurde von Ken Liu, dem Übersetzer Cixin Lius, ins Englische übertragen. Qiufan Chen wurde mit dem Taiwan Dragon Fantasy Award, dem Galaxy Award sowie dem chinesischen Nebula Award ausgezeichnet. Er lebt in Beijing.
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Produkt

KlappentextAuf der Siliziuminsel im Südwesten Chinas wird der Elektronikschrott der ganzen Welt recycelt. Inmitten von giftigen Dämpfen und verseuchter Hardware suchen die Müllmenschen nach Verwertbarem. Als eines Tages eine amerikanische Firma die Siliziuminsel modernisieren will, wird das labile Gleichgewicht zwischen den chinesischen Behörden, mächtigen Mafiaclans und internationaler Machtpolitik gestört. Arme und Reiche, Chinesen und Ausländer finden sich in einem Krieg um die letzte Ressource der nahen Zukunft wieder - den Menschen.

Qiufan Chen stammt aus Shantou in der chinesischen Provinz Guangdong. Er hat bereits über dreißig Kurzgeschichten auf Chinesisch und auf Englisch veröffentlicht. Sein Debütroman »Die Siliziuminsel« erschien 2013 auf Chinesisch und wurde von Ken Liu, dem Übersetzer Cixin Lius, ins Englische übertragen. Qiufan Chen wurde mit dem Taiwan Dragon Fantasy Award, dem Galaxy Award sowie dem chinesischen Nebula Award ausgezeichnet. Er lebt in Beijing.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783641221829
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2019
Erscheinungsdatum09.09.2019
Seiten480 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse3671 Kbytes
Artikel-Nr.4024583
Rubriken
Genre9200

Inhalt/Kritik

Leseprobe


Prolog

Wolken jagten im Südosten dahin wie fliehende Pferde. Der Taifun Saola braute sich zusammen. Noch wütete er dreihundert Kilometer entfernt auf dem Meer, doch er näherte sich Hongkong so flink wie sein Namensgeber.

Vor Sug-Yi Chiu Hos geistigem Auge blitzte ein Bild jenes anmutigen Pflanzenfressers auf, der nun nur noch in Fotodateien und ausgestopften Museumsstücken weiterlebte.

Der Name »Saola« - wissenschaftlicher Name: »Pseudoryx nghetinhensis« - kommt aus dem Vietnamesischen. Nach den ersten Schädelfunden mussten die Wissenschaftler achtzehn Jahre warten, bis Bauern berichteten, sie hätten ein lebendes Tier gesichtet. Fünf Jahre später war die Art ausgestorben.

Das Gesicht der Saola war von weißen Streifen bedeckt. Ihre langen, geraden Hörner, die in spiralförmigen Windungen leicht nach hinten wuchsen, trugen ihr den Spitznamen »Asiatisches Einhorn« ein. Unter allen damals lebenden Säugetieren besaß keines so große Duftdrüsen wie die Saola, was einen wesentlichen Grund für ihren Untergang darstellte. In den Legenden von Vietnam und Laos galt sie als ein Symbol für Glück und langes Leben. Nun klang das nur noch wie ein schlechter Witz.

Scheiße, ist das kalt! Sug-Yi klammerte sich mit einer Hand an die Seitenreling des kleinen Schnellboots, während sie mit der anderen Hand ihren GoreTex-Anorak straffer zog. Das Hongkonger Observatorium hatte Signal Nummer Acht ausgegeben: Das bedeutete eine Windgeschwindigkeit zwischen 63 und 117 Stundenkilometern auf Meereshöhe, wobei einzelne Böen auch über 180 Stundenkilometer erreichen konnten.

Da habe ich mir ja einen schönen Tag ausgesucht.

Die Coltsfoot Blossom pflügte in großen Sprüngen durch die wogende Gischt und näherte sich dem 8000-TEU-Frachter Long Prosperity. Das Frachtschiff hatte von New Jersey aus den Pazifik überquert und nahm gerade Kurs auf den Containerhafen von Kwai Chung in Hongkong, wo seine Ladung gelöscht und an Häfen des chinesischen Festlands weiterverschifft werden würde.

Der Steuermann gestikulierte, und Sug-Yi nickte ihm zu. Ihr Gesicht war vom stürmischen Wind leichenblass. Wie die Daten auf ihrer Schutzbrille anzeigten, hatte ihr Zielobjekt seine Geschwindigkeit auf zehn Knoten verlangsamt. Das Containerschiff befolgte damit die Bestimmungen der Hafenbehörde, die darauf abzielten, den Schadstoffausschuss der einlaufenden Schiffe zu senken und die Beeinträchtigung der kleineren Schiffe durch das Kielwasser zu verringern.

Jetzt ist der Moment zum Handeln da. Sug-Yi schwenkte die Hand, um ihre Crew wachzurütteln.

Die Coltsfoot Blossom beschleunigte und schwenkte auf den Kurs der Long Prosperity ein, bis sie mit derselben Geschwindigkeit neben ihr herfuhr. An der Seite des gewaltigen, von Samsung Heavy Industries erbauten Containerschiffs mit seinen 334,8 Metern Länge und 45,8 Metern Breite wirkte das leichte Schnellboot so winzig wie ein Schiffshalterfisch, der sich am Bauch eines Riesenhais festgesaugt hat.

»Schnell!« Das Dröhnen der Motoren dämpfte Sug-Yis Stimme zu einem kläglichen Fiepen.

Die magnetische Strickleiter schoss hervor wie ein Spinnennetz. Ihr oberes Ende haftete nun fest an einer Stelle zwei Meter unterhalb der Steuerbordreling der Long Prosperity, während ihr unteres Ende mit dem Schnellboot verbunden blieb, um eine größere Stabilität zu gewährleisten. Ein Mitglied des Sturmtrupps in voller Kampfmontur begann mit athletischen Bewegungen an der Leiter hinaufzuklettern. Er baumelte mit dem Rücken zur See von der Unterseite der Leiter herunter, damit er die Haken, die an seinen Schuhsohlen befestigt waren, einsetzen konnte und nicht schwindlig wurde vom Anblick des wogenden Meers.

So gut er auch trainiert war, unter dem Ansturm von Wind und Wellen wirkte er wie ein verletztes Insekt, das sich in einem Spinngewebe verfangen hatte. Er schwankte beängstigend heftig. Die fünfundzwanzig Meter, die vor ihm lagen, mochten kurz aussehen, aber sie würden sehr lang werden.

Beeil dich! Schneller! Sug-Yi versuchte zu verbergen, wie beunruhigt sie war. Die Coltsfoot Blossom war so wendig und hatte ihren Kurs so abrupt geändert, dass sie die Besatzung der Long Prosperity überrumpelt hatte, doch dieses Überraschungsmoment würde nicht lange vorhalten. Obendrein würden die Wogen noch höher schlagen und das Manöver noch gefährlicher machen, sobald die Schiffe das seichte Wasser des Hafenbeckens erreichten.

»Hast du auch alles im Kasten?«, fragte sie das Mädchen neben ihr, das nervös nickte, wobei die Miniaturkamera an ihrem Ohr auf und ab wippte. Es war ihr erster Einsatz. Sug-Yi bedeutete ihr mit einer Geste, die Kamera fester ans Ohr zu stecken.

The show must go on.

Sie lachte auf. Wann hatte sie angefangen, diese Gesinnung nicht länger zu verabscheuen, sondern selbst zu praktizieren? Was sie tat, folgte dem Prinzip der »gewaltfreien direkten Aktionen« von Greenpeace: sich auf Schienen legen, um Züge aufzuhalten, Wahrzeichen erklettern, Walfänger kapern, Atommüll abfangen ... Die Aktionen wurden von Mal zu Mal radikaler, und sie stellten die Geduld von Regierungen und Konzernen immer wieder auf die Probe. Zwar geriet ihre Organisation dadurch zusehends in Verruf, aber gleichzeitig lenkte sie damit die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit auf diverse Umweltprobleme und trug sogar dazu bei, umweltfreundlichere Gesetze und Verordnungen auf den Weg zu bringen.

Das ist doch Grund genug, oder?

Ihr fiel die Rede wieder ein, die ihr Mentor Dr. Guo Qide, der Gründer von Coltsfoot Blossom, auf der Begrüßungsfeier für die neuen Mitglieder gehalten hatte. Die Lichter waren erloschen, und auf der großen Leinwand war ein Gemälde erschienen: ein Dreimaster, der inmitten von turmhohen Wogen jeden Moment zu kentern drohte. Von panischem Entsetzen gepackte Menschen ergriffen auf Rettungsbooten die Flucht, andere waren an Bord zurückgeblieben und kämpften verzweifelt um ihr Überleben. Die tosende schwarze Flut und die weiße Gischt bildeten einen eindrucksvollen Kontrast, der den Betrachter gefangen nahm.

»Dieses Gemälde namens Der Brand der Kent hat der französische Maler Jean Antoine Théodore Gudin im Jahr 1827 geschaffen«, erklärte Dr. Guo mit einer Stimme von hypnotischer Kraft. »Die Welt, in der wir leben, ist dieses Schiff im Angesicht des Untergangs. Manche haben sich schon auf die Rettungsboote geflüchtet, andere bleiben wie betäubt an ihrem Platz. Unsere Rolle hier bei Coltsfoot Blossom ist es, die Gongs und Trommeln zu schlagen, den Clown und den Feuerschlucker zu spielen, um auf alle erdenklichen Arten die öffentliche Aufmerksamkeit zu erregen. Wir müssen den Leuten klarmachen: Nicht mehr lange, und das Schiff kentert, aber die Schuldigen wollen sich im Stillen aus dem Staub machen. Wenn wir unser Schicksal nicht mit ihrem verbinden, müssen wir am Ende die Zeche zahlen.«

Gellendes Geschrei riss Sug-Yi aus ihren Erinnerungen. Als sie aufblickte, sah sie, dass mehrere Besatzungsmitglieder der Long Prosperity an der Schiffsseite aufgetaucht waren und nun versuchten, die magnetische Auflage der Strickleiter abzulösen. Doch weil der Schiffsrumpf dazu konstruiert war, die Fläche des Frachtdecks so groß wie möglich zu halten, wölbte er sich an seinem oberen Rand stark nach außen. Um auch nur in die Nähe der Leiter zu gelangen, mussten sich die Männer weit über die Reling beugen. Nach einigen zaghaften Versuchen im stürmischen Wind gaben sie auf.

Ihr Gegner kletterte nur noch schneller die Leiter hinauf. Ihn trennten bloß noch zehn Meter vom Deck.

Ein weißer Wasserstrahl schoss von oben auf ihn herab. Die Leiter begann zu schwingen wie eine Schaukel. Überrumpelt von diesem Angriff, ließ der Mann die Stricke los und stürzte der wogenden Flut entgegen.

Mit weit aufgerissenen Augen, die Hand vor den Mund geschlagen, verfolgte Sug-Yi seinen Sturz. Das Mädchen mit der Kamera stieß einen Schrei aus.

Dann aber endete der Sturz des Mannes, und er blieb kopfüber an der Leiter hängen. Die Haken an seinen Schuhsohlen hatten ihn in letzter Sekunde gerettet. Mit einem kräftigen Schwung wippte er hoch, packte die Strickleiter und kletterte von Neuem empor.

»Gut gemacht!«, platzte es aus Sug-Yi heraus.

Die Crew des Containerschiffs bespritzte den Mann weiter aus ihrem Hochdruckschlauch, als wäre er eine lodernde Feuerzunge, die sich die Strickleiter hinauffraß. Die größte Bedrohung für ihn stellte nicht die Wucht des aufschlagenden Wassers dar, sondern die Gefahr, dass er keine Luft mehr bekam, wenn das Wasser in Mund und Nase eindrang. Doch der Mann hatte sich rechtzeitig gegen diese Gefahr gewappnet und sein Visier heruntergeklappt. Mühsam, aber unerschrocken setzte er seinen Aufstieg fort. Noch acht Meter, sieben Meter ...

Ein Lächeln trat auf Sug-Yis Gesicht. Sie sah sich selbst, wie sie sich vor Jahren, noch blutjung, von Kopf bis Fuß mit dem Duftstoff der Saola eingerieben und allen zugehaltenen Nasen und bösen Blicken zum Trotz in Busse und U-Bahnen, auf Passagierschiffe und in Supermärkte gedrängt hatte. »Auch das beste Parfum«, so hatte sie unverdrossen jedem erklärt, der ihr über den Weg lief, »verwandelt sich in einen unerträglichen Gestank, wenn man dafür eine Art ausrottet.«

»Ist es das wert?«, hatten unzählige Leute sie gefragt. Und sie hatte unzählige Male geantwortet: »Ja, das ist es.« Auch wenn die ganze Welt sie für eine Querulantin hielt, die bloß...

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Qiufan Chen stammt aus Shantou in der chinesischen Provinz Guangdong. Er hat bereits über dreißig Kurzgeschichten auf Chinesisch und auf Englisch veröffentlicht. Sein Debütroman »Die Siliziuminsel« erschien 2013 auf Chinesisch und wurde von Ken Liu, dem Übersetzer Cixin Lius, ins Englische übertragen. Qiufan Chen wurde mit dem Taiwan Dragon Fantasy Award, dem Galaxy Award sowie dem chinesischen Nebula Award ausgezeichnet. Er lebt in Beijing.