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Die einzige Geschichte

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
304 Seiten
Deutsch
Kiepenheuer & Witsch GmbHerschienen am14.02.20191. Auflage
»Würden Sie lieber mehr lieben und dafür mehr leiden, oder weniger lieben und weniger leiden? Das ist, glaube ich, am Ende die einzig wahre Frage.« Die erste Liebe hat lebenslange Konsequenzen, aber davon hat Paul im Alter von neunzehn keine Ahnung. Mit neunzehn ist er stolz, dass seine Liebe zur verheirateten, fast 30 Jahre älteren Susan den gesellschaftlichen Konventionen ins Gesicht spuckt. Er ist ganz sicher, in Susan die Frau fürs Leben gefunden zu haben, alles andere ist nebensächlich. Erst mit zunehmendem Alter wird Paul klar, dass die Anforderungen, die diese Liebe an ihn stellt, größer sind, als er es jemals für möglich gehalten hätte. »Die einzige Geschichte« ist ein tief bewegender Roman über die Liebe. Nach »Der Lärm der Zeit« und »Vom Ende einer Geschichte« beweist Bestseller-Autor und Man Booker Prize-Träger Julian Barnes aufs Neue, dass er ein Meister im Ausloten menschlicher Abgründe ist.

Julian Barnes, 1946 in Leicester geboren, arbeitete nach dem Studium moderner Sprachen als Lexikograph, dann als Journalist. Von Barnes, der zahlreiche internationale Literaturpreise erhielt, liegt ein umfangreiches erzählerisches und essayistisches Werk vor, darunter »Flauberts Papagei«, »Eine Geschichte der Welt in 10 1/2 Kapiteln« und »Lebensstufen«. Für seinen Roman »Vom Ende einer Geschichte« wurde er mit dem Man Booker Prize ausgezeichnet. Julian Barnes lebt in London.
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Verfügbare Formate
BuchGebunden
EUR22,00
TaschenbuchKartoniert, Paperback
EUR11,00
E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
EUR9,99

Produkt

Klappentext»Würden Sie lieber mehr lieben und dafür mehr leiden, oder weniger lieben und weniger leiden? Das ist, glaube ich, am Ende die einzig wahre Frage.« Die erste Liebe hat lebenslange Konsequenzen, aber davon hat Paul im Alter von neunzehn keine Ahnung. Mit neunzehn ist er stolz, dass seine Liebe zur verheirateten, fast 30 Jahre älteren Susan den gesellschaftlichen Konventionen ins Gesicht spuckt. Er ist ganz sicher, in Susan die Frau fürs Leben gefunden zu haben, alles andere ist nebensächlich. Erst mit zunehmendem Alter wird Paul klar, dass die Anforderungen, die diese Liebe an ihn stellt, größer sind, als er es jemals für möglich gehalten hätte. »Die einzige Geschichte« ist ein tief bewegender Roman über die Liebe. Nach »Der Lärm der Zeit« und »Vom Ende einer Geschichte« beweist Bestseller-Autor und Man Booker Prize-Träger Julian Barnes aufs Neue, dass er ein Meister im Ausloten menschlicher Abgründe ist.

Julian Barnes, 1946 in Leicester geboren, arbeitete nach dem Studium moderner Sprachen als Lexikograph, dann als Journalist. Von Barnes, der zahlreiche internationale Literaturpreise erhielt, liegt ein umfangreiches erzählerisches und essayistisches Werk vor, darunter »Flauberts Papagei«, »Eine Geschichte der Welt in 10 1/2 Kapiteln« und »Lebensstufen«. Für seinen Roman »Vom Ende einer Geschichte« wurde er mit dem Man Booker Prize ausgezeichnet. Julian Barnes lebt in London.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783462319408
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2019
Erscheinungsdatum14.02.2019
Auflage1. Auflage
Seiten304 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse1800 Kbytes
Artikel-Nr.4033083
Rubriken
Genre9201

Inhalt/Kritik

Leseprobe


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Eins


 

 

 

 

 

 

Würden Sie lieber mehr lieben und dafür mehr leiden oder weniger lieben und weniger leiden? Das ist, glaube ich, am Ende die einzig wahre Frage.

 

Sie könnten - zu Recht - einwenden, das sei keine wahre Frage. Weil wir uns das nicht aussuchen können. Wenn wir es uns aussuchen könnten, gäbe es die Frage. Können wir aber nicht, darum gibt es keine. Wer kann schon bestimmen, wie viel er liebt? Wenn man es bestimmen kann, ist es keine Liebe. Ich weiß nicht, wie man es dann nennen würde, aber Liebe ist es nicht.

 

Die meisten von uns haben nur eine einzige Geschichte zu erzählen. Damit meine ich nicht, dass uns im Leben nur einmal etwas geschieht: Es gibt unzählige Ereignisse, aus denen wir unzählige Geschichten machen. Aber nur ein Ereignis ist von Bedeutung, nur eins ist letzten Endes erzählenswert. Hier ist meins.

 

Aber da haben wir schon das erste Problem. Wenn das die einzige Geschichte ist, dann hat man sie auch am häufigsten erzählt und wieder erzählt, wenn auch - wie in diesem Fall - vor allem sich selbst. Dann lautet die Frage: Bringt einen dieses Erzählen und Wiedererzählen der Wahrheit des Geschehens näher, oder führt es weiter davon weg? Ich bin mir nicht sicher. Man könnte es daran messen, ob man selbst im Laufe der Jahre in der eigenen Geschichte besser oder schlechter abschneidet. Schneidet man schlechter ab, deutet das vielleicht daraufhin, dass man näher an der Wahrheit ist. Andererseits gibt es die Gefahr des rückblickenden Antiheldentums: Sich so darzustellen, als habe man sich schlechter verhalten als in Wirklichkeit, kann auch eine Form von Eigenlob sein. Ich muss also sorgsam sein. Nun, ich habe mit den Jahren gelernt, sorgsam zu sein. So sorgsam, wie ich damals sorglos war. Oder meine ich unbesorgt? Kann ein Wort mehr als ein Gegenteil haben?

 

Die Zeit, der Ort, das soziale Milieu? Ich weiß nicht, ob das in Geschichten über die Liebe wichtig ist. In den alten Zeiten vielleicht, bei den Klassikern, wo es einen Konflikt zwischen Liebe und Pflicht, Liebe und Religion, Liebe und Familie, Liebe und Staat gab. So eine Geschichte ist das hier nicht. Aber trotzdem, wenn Sie darauf bestehen. Die Zeit: vor über fünfzig Jahren. Der Ort: etwa fünfzehn Meilen südlich von London. Das soziale Milieu: der sogenannte Börsenmaklergürtel - nicht, dass ich in all den Jahren dort je einen Börsenmakler gesehen hätte. Frei stehende Häuser, manche mit Fachwerk, andere mit Schindeln verkleidet. Liguster-, Kirschlorbeer- und Buchenhecken. Straßen, deren Bordstein noch frei von gelben Linien und Anwohnerparkbuchten war. Es war eine Zeit, in der man nach London fahren und praktisch überall parken konnte. Unsere Zone des städtischen Randgebiets trug den neckischen Namen »The Village« und hätte Jahrzehnte zuvor vielleicht auch als Dorf gelten können. Jetzt gab es hier einen Bahnhof, von dem montags bis freitags Männer in Anzügen nach London fuhren und manche auch am Samstag, um einen halben Arbeitstag zusätzlich einzulegen. Es gab eine Haltestelle für die Pendlerbusse, einen Zebrastreifen mit Signalleuchten, ein Postamt, eine wenig originell nach dem Heiligen Michael benannte Kirche, eine Kneipe, einen Gemischtwarenladen, eine Drogerie, einen Friseursalon und eine Tankstelle, in der auch einfache Reparaturen ausgeführt wurden. Morgens war das elektrische Winseln der Milchwagen zu hören - man hatte die Wahl zwischen Express und United Dairies -, abends und am Wochenende (aber nie am Sonntagmorgen) das Tuckern benzinbetriebener Rasenmäher. Auf dem Dorfanger wurde lärmendes, stümperhaftes Kricket gespielt; es gab einen Golfplatz und einen Tennisklub. Der Boden war sandig und erfreute so das Gärtnerherz; der Londoner Lehm reichte nicht bis hier draußen. Vor Kurzem hatte ein Feinkostladen eröffnet, dessen europäisches Warensortiment manch einer subversiv fand: geräucherter Käse und knubbelige Würste, die wie Eselspimmel in ihren Netzen hingen. Aber die jüngeren Frauen im Village kochten nun schon wagemutiger, und ihre Ehemänner fanden das überwiegend gut. Von den zwei verfügbaren Fernsehsendern hatte die BBC mehr Zuschauer als ITV, und alkoholische Getränke wurden gemeinhin nur am Wochenende konsumiert. In der Drogerie konnte man Warzenpflaster und Trockenshampoo in kleinen Sprühflaschen kaufen, jedoch keine Verhütungsmittel; der Gemischtwarenladen führte das narkoleptische Lokalblatt Advertiser & Gazette, aber nicht mal das harmloseste Erotikheftchen. Für Sexartikel musste man nach London fahren. All das kümmerte mich die meiste Zeit, die ich dort lebte, überhaupt nicht.

 

Okay, damit ist mein Auftritt als Immobilienmakler beendet (zehn Meilen weiter wohnte ein echter Makler). Und noch etwas: Fragen Sie mich nicht nach dem Wetter. Ich habe kaum Erinnerungen an das Wetter in meinem Leben. Gut, ich weiß noch, dass Sex bei Hitze und Sonnenschein mehr Schwung hatte, dass unverhoffter Schneefall Freude bereitete und dass feuchtkalte Tage die ersten Symptome auslösten, die am Ende zu einer doppelseitigen Hüftoperation führten. Aber in meinem Leben ist nie etwas Bedeutsames während, geschweige denn wegen des Wetters passiert. Wenn Sie gestatten, wird daher die Meteorologie in meiner Geschichte keine Rolle spielen. Doch wenn Sie mich auf einem Rasenplatz Tennis spielen sehen, dürfen Sie daraus gerne schließen, dass es dann weder regnete noch schneite.

 

Der Tennisklub: Wer hätte gedacht, dass es dort beginnen würde? In meiner Jugendzeit war der für mich lediglich eine Außenstelle der Jungen Konservativen. Ich besaß einen Schläger und hatte schon ein bisschen gespielt, wie ich auch ein paar brauchbare Over mit Off-Spin bowlen und einen soliden und mitunter doch verwegenen Torwart abgeben konnte. Ich war ein Sportler mit Kampfgeist, aber ohne allzu viel Talent.

Nach meinem ersten Jahr an der Universität war ich drei Monate zu Hause, sichtlich und verbissen gelangweilt. Wer heute in meinem Alter ist, kann sich nur schwer vorstellen, wie mühsam die Kommunikation damals war. Meine Freunde waren meist weit verstreut, und der Gebrauch des Telefons wurde - durch unausgesprochene und dennoch klare elterliche Verfügung - nicht gern gesehen. Ein Brief, und dann ein Antwortbrief. Es ging alles langsam, und es war einsam.

Meine Mutter meinte, vielleicht in der Hoffnung, ich würde dort eine nette blonde Christine oder eine quirlige schwarzlockige Virginia - jeweils mit verlässlichen, jedoch nicht allzu ausgeprägten konservativen Neigungen - kennenlernen, ich könnte doch dem Tennisklub beitreten. Sie würde mich dabei sogar finanziell unterstützen. Ihre Beweggründe brachten mich insgeheim zum Lachen: Das Letzte, was ich mit meinem Leben anfangen wollte, war, am Ende mit einer tennisspielenden Ehefrau und 2,4 Kindern in einem Vorort zu sitzen und zuzusehen, wie die wiederum ihre Partner in diesem Klub finden würden und so immer weiter, durch eine veritable Spiegelgalerie in eine endlose Liguster- und Kirschlorbeerzukunft. Als ich das Angebot meiner Mutter annahm, geschah das in rein satirischem Sinn.

 

Ich ging hin und wurde zum »Vorspielen« eingeladen. Das war ein Test, bei dem nicht nur meine sportlichen Fähigkeiten, sondern auch mein allgemeines Betragen und meine gesellschaftliche Tauglichkeit dezent und auf die feine englische Art geprüft werden sollten. Wenn ich nichts Negatives zu erkennen gäbe, würde man Positives annehmen: So funktionierte das. Meine Mutter hatte dafür gesorgt, dass meine weiße Tenniskleidung gewaschen war und die Bügelfalten in meinen Shorts so deutlich erkennbar wie parallel waren; ich nahm mir vor, jedes Fluchen, Rülpsen und Furzen auf dem Platz zu unterlassen. Ich war ein optimistischer, weitgehend autodidaktischer Spieler, der viel aus dem Handgelenk arbeitete; ich spielte so, wie man es von mir erwartete, verzichtete auf die fiesen Schläge, die mir am meisten Spaß machten, und zielte nie direkt auf den Gegner. Aufschlag, vor ans Netz, Volley, noch ein Volley, Stoppball, Lob, dabei dem Gegner immer schön Anerkennung zollen - »Starker Schlag!« - und gebührende Sorge um den Partner zeigen - »Hab ich!«. Nach einem guten Schlag gab ich mich bescheiden, nach einem gewonnenen Spiel still erfreut und nach einem Satzverlust kopfschüttelnd geknickt. Das konnte ich alles glaubhaft vortäuschen, weshalb ich als Mitglied für einen Sommer willkommen geheißen wurde und mich zu den ganzjährigen Hugos und Carolines gesellen durfte.

Die Hugos ließen mich gern wissen, ich hätte den Durchschnitts-IQ der Mitgliedschaft gehoben und zugleich das Durchschnittsalter gesenkt; einer nannte mich beharrlich Schlaumeier und Herr Professor, was eine feinsinnige Anspielung auf mein abgeschlossenes erstes Studienjahr an der University of Sussex sein sollte. Die Carolines waren durchaus freundlich, blieben jedoch auf der Hut; bei den Hugos wussten sie eher, woran sie waren. Inmitten dieser Sippschaft konnte ich spüren, wie mir mein natürlicher Kampfgeist abhandenkam. Ich bemühte mich, möglichst gut zu spielen, aber am Gewinnen lag mir nichts. Ich fing sogar an, umgekehrt zu schummeln. Wenn ein Ball im Aus landete, reckte ich noch im Laufen den Daumen hoch und rief dem Gegner ein »Perfekt!« zu. Entsprechend folgte auf einen zu langen oder zu weiten Aufschlag ein langsames beifälliges Nicken, und ich trottete auf die andere Seite, um den...
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Autor

Julian Barnes, 1946 in Leicester geboren, arbeitete nach dem Studium moderner Sprachen als Lexikograph, dann als Journalist. Von Barnes, der zahlreiche internationale Literaturpreise erhielt, liegt ein umfangreiches erzählerisches und essayistisches Werk vor, darunter »Flauberts Papagei«, »Eine Geschichte der Welt in 10 1/2 Kapiteln« und »Lebensstufen«. Für seinen Roman »Vom Ende einer Geschichte« wurde er mit dem Man Booker Prize ausgezeichnet. Julian Barnes lebt in London.Gertraude Krueger, geboren 1949, lebt als freie Übersetzerin in Berlin. Zu ihren Übersetzungen gehören u.a. Sketche der Monty-Python-Truppe und Werke von Julian Barnes, Alice Walker, Valerie Wilson Wesley, Jhumpa Lahiri und E.L. Doctorow.