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Café Berlin

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
416 Seiten
Deutsch
Kein + Abererschienen am15.04.20191. Auflage, neue Ausgabe
Auf einem Berliner Dachboden hält sich der Jude Daniel Saporta vor den Nazis versteckt. Wenige Jahre zuvor war sein Nachtclub noch Zentrum einer feiernden und fiebernden Stadt, und sein Herz gehörte der Tänzerin Samira. Während er nun immer mehr um sein Leben fürchten muss, erinnert er sich zurück an eine Zeit der überschäumenden Dekadenz und des gefährlichen Trotzes.

Harold Nebenzal wurde 1922 in Berlin in eine jüdische Familie hineingeboren. Als Sohn des berühmten Regisseurs Seymour Nebenzal zog es ihn früh zum Film. Er arbeitete mit Hollywood-Größen wie Ingmar Bergman, Billy Wilder, Liza Minelli und Sophia Loren und war als Produzent und Drehbuchautor an zahllosen erfolgreichen Projekten beteiligt, darunter Cabaret und M. Sein 1994 erstmals erschienener Roman Café Berlin wurde zum Bestseller. Harold Nebenzal lebt in Los Angeles.
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Verfügbare Formate
TaschenbuchKartoniert, Paperback
EUR15,00
E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
EUR13,99

Produkt

KlappentextAuf einem Berliner Dachboden hält sich der Jude Daniel Saporta vor den Nazis versteckt. Wenige Jahre zuvor war sein Nachtclub noch Zentrum einer feiernden und fiebernden Stadt, und sein Herz gehörte der Tänzerin Samira. Während er nun immer mehr um sein Leben fürchten muss, erinnert er sich zurück an eine Zeit der überschäumenden Dekadenz und des gefährlichen Trotzes.

Harold Nebenzal wurde 1922 in Berlin in eine jüdische Familie hineingeboren. Als Sohn des berühmten Regisseurs Seymour Nebenzal zog es ihn früh zum Film. Er arbeitete mit Hollywood-Größen wie Ingmar Bergman, Billy Wilder, Liza Minelli und Sophia Loren und war als Produzent und Drehbuchautor an zahllosen erfolgreichen Projekten beteiligt, darunter Cabaret und M. Sein 1994 erstmals erschienener Roman Café Berlin wurde zum Bestseller. Harold Nebenzal lebt in Los Angeles.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783036994161
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2019
Erscheinungsdatum15.04.2019
Auflage1. Auflage, neue Ausgabe
Seiten416 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse2442 Kbytes
Artikel-Nr.4045686
Rubriken
Genre9200

Inhalt/Kritik

Leseprobe


27. November 1943

»UND IHR WERDET VOR EUREN FEINDEN NICHT STANDHALTEN können. Ihr werdet unter den Völkern untergehen, das Land eurer Feinde wird euch verzehren. Und die von euch übrig bleiben, werden durch ihre Sünden in den Ländern eurer Feinde verfaulen ... Dann werden sie ihre und ihrer Väter Sünden bekennen, wie sie treulos an mir gehandelt haben ... wenn sie dann ihre Sünden gebüßt haben, dann werde ich meines Bundes mit Jakob gedenken, und auch meines Bundes mit Isaak und auch meines Bundes mit Abraham gedenken, und des Landes werde ich gedenken. Erst aber muss das Land fern von ihnen verlassen daliegen, ... erst müssen sie selbst ihre Sünden büßen, darum, weil sie meine Rechtsvorschriften verschmäht und meine Gesetze verabscheut haben. Und dennoch! - auch wenn sie im Lande ihrer Feinde sind, werde ich sie nicht verschmähen noch verabscheuen ... Ich werde des Bundes mit den Vorfahren gedenken, die ich vor den Augen der Völker aus Ägypten geführt habe, um ihr Gott zu sein; ich bin der Ewige. Dies sind die Gesetze, Rechtsvorschriften und Lehren zwischen dem Ewigen und den Kindern Israels, die er auf dem Berge Sinai durch Moses gegeben hat.«

Das hatte ich ohne einen einzigen Fehler vorgetragen. Ich legte den Zeigestock hin, mit dem ich den handgeschriebenen Lettern auf der Pergamentrolle gefolgt war. Dann sprach ich den Schlusssegen.

»Gelobt seist du, Ewiger, unser Gott, König der Welt, der uns die Lehre der Wahrheit gegeben und ewiges Leben in uns gepflanzt hat. Gelobt seist du, Ewiger, der die Thora gegeben.«

Ich streifte den Gebetsschal vom Kopf, legte ihn mir um die Schultern und drehte mich zu der Gemeinde um. So muss es im Allerheiligsten ausgesehen haben, ein Bild der Reinheit: die Lampen, das Silber, der goldbestickte Samt, die Männer mit ihrem weißen Gebetsschal, der ihre Gesichter und westlichen Anzüge den Blicken entzog. Der Bann wurde gebrochen, als mein Vater mit offenen Armen auf mich zugeeilt kam. Gleichzeitig brachen die Frauen aus ihrer Galerie hervor, wobei sie das typisch arabische wilde Geheul ausstießen. Als sie in Reichweite waren, überschütteten sie mich mit einem Hagel bunt eingewickelter Bonbons. Ich war Bar-Mizwa.

Im Orient Palace Hotel saß ich mit meinen Eltern, meinen Großeltern mütterlicherseits, meinen Geschwistern und, darauf hatte ich bestanden, Cousin Eli am Ehrentisch. Auch die Ehrengäste, die Landaus, saßen an unserem Tisch. Herr Landau war ein großer Mann in den Vierzigern, der bereits eine Glatze bekam, das aber mit einem schweren schwarzen Schnurrbart ausglich. Er trug einen Kneifer und wirkte mit seinem fahlen Teint in dieser orientalischen Umgebung nicht fehl am Platz. Bei Frau Landau, etwa zehn Jahre jünger als ihr Gatte, sah das ganz anders aus. Sie war wahrhaftig blassblond. Nicht rötlich blond, wie die Jüdinnen aus Aleppo, sondern hellblond wie eine Engländerin. Das war zumindest unser Vergleichsmaßstab. Ihr Gatte erläuterte, seine Familie komme aus Frankfurt, der Stadt, aus der das Haus Rothschild stammt, seine Frau jedoch sei aus Ungarn oder Rumänien - jedenfalls aus Budapest oder Bukarest, wir konnten das nicht genau unterscheiden. Sie sprachen beide Französisch, nicht gut und mit starkem Akzent. Offenbar kannten diese Aschkenasim, wie meine Großmutter später anmerkte, auch keine Sittsamkeit. Diese Frau trug ein hellgraues Satinkleid, ärmellos und mit einem Dekolleté, das die üppigen Rundungen eines fein gepuderten Busens zur Schau stellte. Wenn sie lachte oder sich bewegte, konnte man durch die Seide hindurch ihre Brustwarzen sehen. Cousin Eli war jetzt schon verliebt in sie. Er führte mir dieses überschwängliche Gefühl heimlich vor, indem er den steifen Zeigefinger flink in ein durch die geballte Faust gebildetes Loch stieß.

Nachdem die Gäste gegangen waren, blieben wir an unserem Tisch und tranken Champagner. Herr Landau bat mich auf den Platz zwischen ihm und seiner Frau. Er überreichte mir ein Päckchen, das ich aufmachen sollte. Ein Samtkästchen kam zum Vorschein. Darin war eine Armbanduhr, fabriqué en Suisse. Jetzt war meine Freude vollkommen. Damals trugen die Männer meistens noch eine Remontoiruhr in der Westentasche. Ich stand auf, um Herrn Landau zum Dank die Hand zu drücken, und wollte mich dann bei seiner Frau bedanken. Sie ließ meine ausgestreckte Hand unbeachtet und zog mich stattdessen an den Busen, um mich auf den Kopf zu küssen. Ich roch den süßen Duft ihres Reispuders. Ich spürte ihren seidigen Busen an meinem Gesicht. Ich wusste, ich war scharlachrot bis über beide Ohren.

In religiöser Hinsicht war ich zwar nun zum Mann geworden, doch in Wirklichkeit war ich noch ein Kind. Am Tag nach den Festlichkeiten saß ich wieder auf meinem angestammten Platz in der Schule der Alliance Israélite Universelle. Der Unterricht war auf Französisch und umfasste alle erforderlichen Fächer, um uns in das zwanzigste Jahrhundert zu führen. Wir lernten Mathematik und Geometrie, Geschichte und Geografie, Physik und Naturwissenschaften und immerfort Französisch; außerdem Aufsatz, Logik, Grammatik, Dichtung und Vortrag. Unsere Schwestern hatten Musikunterricht und Klavierstunden; für die Jungen gab es eine Werkstatt. Es war eigentlich keine vornehme Schule. Im Gegenteil, die Alliance war in erster Linie zur Unterrichtung der jüdischen Kinder aus dem Volk gegründet worden.

Das verschaffte uns einen Vorteil im Leben, der uns bei den Arabern am Ende Neid und Misstrauen einbringen sollte. Moslemische Jungen gingen in die madrasa, die im Allgemeinen nur eine Einklassenschule war, wo ein Mullah ihnen die Spuren des Korans eintrichterte; die Kinder sprachen sie dann aus vollem Halse im Chor nach. Von dem natürlichen Geschäftssinn der Orientalen abgesehen, den sie eher vom Basar als von einem Lehrer haben, war der durchschnittliche Moslem für die moderne Welt schlecht gerüstet. Als sich in Syrien-Libanon die Franzosen und im benachbarten Irak die Briten niedergelassen hatten, füllten die Juden die Infrastrukturen aus, die diese Kolonialherren brauchten. Juden arbeiteten als Kassierer in der Bank, als Buchhalter im Kontor. Sie waren Schreiber bei Gericht und traten dann als Rechtsanwälte auf. Sie waren amtliche Dolmetscher und Führer. Ohne eigenes Zutun galten sie schließlich bei den Arabern als Handlanger der verfluchten faranjah, der ausländischen Besatzungsmächte.

Vor der Abreise der Landaus nach Berlin wurde ich in das Büro meines Vaters gerufen. Es lag in einem Zwischengeschoss, von dem er das Treiben unten im Handelshaus beobachten konnte. Das Haus selbst stand in einer heruntergekommenen Gegend zwischen dem Bab el Faraj, dem Tor der Erlösung, das aus der Altstadt herausführte, und dem moslemischen Friedhof Dahda.

Ich ging sehr gerne in das Handelshaus mit seinem berauschenden Gewürzduft und der Kameradschaft, die die älteren Araber mir entgegenbrachten, die schon seit Jahren für die Familie Saporta arbeiteten. Sie teilten Brot und Sauermilch mit mir. Am Zahltag spendierten sie mir bisweilen eine sfihah, eine kleine Fleischpastete, die man auf der Straße kaufen konnte.

Um mir ein Taschengeld zu verdienen, hatte ich seit meinem zehnten Lebensjahr nach der Schule und in den Ferien in dem Handelshaus gearbeitet. Ich kannte den Inhalt jedes Behälters, die Herkunft jedes Rupfensacks. Ich wusste, wie man Kardamom, Kumin, Kurkuma und Safran jeweils nach ihrer Qualität beurteilt. Ich hatte Koriander, Mastix, Sumach, Zimt und Ingwer abgefüllt und gewogen. Wir hatten Paprika jeder Schattierung, verschiedene Sorten Anis, Kümmel, Fenchel und Cayennepfeffer. Wir hatten Nüsse aller Art, ebenso Samen und Dörrobst und getrocknete Pfefferschoten. Unsere Bestände kamen aus Indien, dem Jemen, Sansibar, der Türkei und Persien. Wir lieferten unsere Waren in den gesamten Orient und hatten besondere Kunden in Europa, unter denen Herr Landau in Berlin an erster Stelle rangierte.

Als ich in das Büro meines Vaters kam, saß dort Herr Landau. Ich küsste meinem Vater die Hand und griff - auf seinen durch Kopfnicken gegebenen Wink hin - nach der Hand von Herrn Landau, um ihm die gleiche Ehre zu erweisen, aber es war ihm unangenehm. Herr Landau ergriff das Wort. Er sagte, er habe mit meinem Vater die politische Situation in der Levante besprochen, und sie seien beide der Meinung, die Lage unseres Volkes könne in den nächsten Jahren nur schlechter werden. Mit der Zerstückelung des Osmanischen Reiches hätten die Briten und Franzosen den Arabern ein nie gekanntes Nationalgefühl eingeflößt, und es gebe bereits vereinzelte Übergriffe auf unser Volk in Palästina. Das alles war für einen dreizehnjährigen Jungen durchaus nicht zu hoch. Politik war für uns eine Frage von Leben und Tod. Ein neuer König, ein neuer Premierminister, ein geschlossener oder gebrochener Pakt entschieden über Wohlstand oder Elend, Heimat oder Exil. Das war in der Familie, im Büro, im Kaffeehaus und auf dem Basar unser Hauptgesprächsthema, und die Kinder wuchsen damit auf.

Herr Landau fuhr fort, die Zukunft liege im Westen, und er habe sich erboten, mich in seinem Geschäft in Berlin als Lehrling aufzunehmen, wann immer mein Vater es angebracht fand. Wohnen würde ich bei den Landaus. Ich würde es bei ihnen wie zu Hause haben. Mein Vater sagte, wenn ich meine Studien in der Alliance fleißig weiterbetriebe, könne ich an meinem siebzehnten Geburtstag fahren. Die Männer gaben sich die Hand, und ich konnte gehen.

Kaum war ich unten im Handelshaus, suchte ich Eli und erzählte ihm von der Karriere, die man für mich ins Auge gefasst hatte.

»Hamdulillah!«, sagte er. »Ich wette, du bekommst mehr als nur...

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Autor

Harold Nebenzal wurde 1922 in Berlin in eine jüdische Familie hineingeboren. Als Sohn des berühmten Regisseurs Seymour Nebenzal zog es ihn früh zum Film. Er arbeitete mit Hollywood-Größen wie Ingmar Bergman, Billy Wilder, Liza Minelli und Sophia Loren und war als Produzent und Drehbuchautor an zahllosen erfolgreichen Projekten beteiligt, darunter Cabaret und M. Sein 1994 erstmals erschienener Roman Café Berlin wurde zum Bestseller. Harold Nebenzal lebt in Los Angeles.
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Nebenzal, Harold