Hugendubel.info - Die B2B Online-Buchhandlung 

Merkliste
Die Merkliste ist leer.
Bitte warten - die Druckansicht der Seite wird vorbereitet.
Der Druckdialog öffnet sich, sobald die Seite vollständig geladen wurde.
Sollte die Druckvorschau unvollständig sein, bitte schliessen und "Erneut drucken" wählen.

Der Junge aus Limerick

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
332 Seiten
Deutsch
FISCHER E-Bookserschienen am30.11.20181. Auflage
Während Bruder Frank als Englischlehrer arbeitet, macht sich der jüngere Malachy auf, New York zu erobern. Er arbeitet als Hafenarbeiter, wird Barkeeper, spielt Theater und verdingt sich als Goldschmuggler nach Indien. An Geld und Frauen mangelt es ihm nicht. Aber die Erinnerung an die Kindheit in Limerick und an seine Eltern bleibt lebendig. (Dieser Text bezieht sich auf eine frühere Ausgabe.)

Malachy McCourt wurde 1932 in New York geboren. Er ist der jüngere Bruder von Frank McCourt und wuchs wie Frank in Irland auf. 1952 kommt er durch die Hilfe seines Bruders zurück nach New York.
mehr

Produkt

KlappentextWährend Bruder Frank als Englischlehrer arbeitet, macht sich der jüngere Malachy auf, New York zu erobern. Er arbeitet als Hafenarbeiter, wird Barkeeper, spielt Theater und verdingt sich als Goldschmuggler nach Indien. An Geld und Frauen mangelt es ihm nicht. Aber die Erinnerung an die Kindheit in Limerick und an seine Eltern bleibt lebendig. (Dieser Text bezieht sich auf eine frühere Ausgabe.)

Malachy McCourt wurde 1932 in New York geboren. Er ist der jüngere Bruder von Frank McCourt und wuchs wie Frank in Irland auf. 1952 kommt er durch die Hilfe seines Bruders zurück nach New York.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783105622414
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2018
Erscheinungsdatum30.11.2018
Auflage1. Auflage
Seiten332 Seiten
SpracheDeutsch
Artikel-Nr.4050499
Rubriken
Genre9201

Inhalt/Kritik

Leseprobe

1 Zu Höherem geboren

In unserer Familie erzählt man sich die Geschichte, daß meine Mutter eines Tages mit meinem Bruder Frank und mir und den Zwillingen im Kinderwagen spazierenging, als ein riesiges schwarzes Auto am Bordstein hielt. Ein schick gekleideter Chauffeur sprang heraus und öffnete einer mit Juwelen und Pelzen behängten Dame den hinteren Wagenschlag. Sie setzte den elegant beschuhten Fuß auf den Boden und befahl der Mutter stehenzubleiben, was diese auch prompt tat. Dann erging sich die vornehme Lady in verzückten Schwärmereien über mich - daß sie noch nie einen so hübschen kleinen Jungen gesehen hätte: das blonde Haar, die schimmernden Zähne, die wundervolle Haut und dieses Lächeln - und sagte, sie würde der Mutter jede beliebige Summe geben, wenn sie mich dafür adoptieren dürfe.

Die Mutter überlegte und überlegte und überlegte, wie es in der Geschichte heißt, und sagte dann, es sei ein verführerischer Vorschlag, aber sie wisse nicht, wie sie mein Verschwinden meinem Vater, der sich seinerseits damals noch nicht aus dem Staub gemacht hatte, erklären solle, und lehnte das Angebot ab.

In späteren Jahren wurde mir sowohl von der Mutter als auch von meinen Brüdern oft vorgehalten, es sei ein großer Fehler gewesen, mich im Familienkreis zu belassen. Ich persönlich war hingegen immer davon überzeugt, daß sich eine vornehme Dame außerhalb der Ehe in kompromittierende Umstände gebracht und dann meine Mutter dafür bezahlt hatte, mich aufzuziehen. Wie sonst ließe sich meine leichte und mühelose Anpassung an das gute Leben, das Leben in Amerika erklären?

Mein Bruder Frank hatte es 1949, mit neunzehn, irgendwie geschafft, in die Vereinigten Staaten zu kommen, und dann genug Geld gespart, um mich 1952, als ich zwanzig war, nachzuholen. Zweihundert Dollar kostete meine Überfahrt auf dem edlen Schiff America. Was für ein herrliches Leben: saubere Betten, saubere Laken, ein Kopfkissen, Licht zum Lesen, und dann das Essen! So viele Mahlzeiten, wie man wollte, so große Portionen, wie man wollte, und man konnte sogar mitten in der Nacht Sandwiches bekommen. Und es gab einen Swimmingpool. Aber es war immer noch peinlich, geflickte Kleider und Schuhe zu tragen, und alles war viel zu dick für das sonnige Klima, dem wir entgegenglitten.

Was ich denn in den Vereinigten Staaten von Amerika machen wolle, wurde ich gefragt, doch wie, in Gottes Namen, sollte ich den Leuten klarmachen, daß ich mit dreizehn von der Schule abgegangen war und keinerlei Beweis dafür hatte, daß ich überhaupt je dort gewesen war, da ich zweimal die Prüfungen in den Sand gesetzt hatte und als Dummkopf galt, dazu verdammt, mein Dasein als Bettler oder Verbrecher zu fristen oder, noch schlimmer, bis ans Ende meiner Tage wie ein Maultier zu schuften.

Doch die Amerikaner waren nett zu mir, und so erzählte ich ihnen, ich würde Arzt, Ingenieur, Chirurg, Pilot, Steuermann werden - egal was, Hauptsache, es zauberte ein Lächeln auf das Gesicht dieser freundlichen Leute. In Wirklichkeit wußte ich, daß ich überhaupt nichts konnte, außer Geschichten und Lügen erzählen.

Als ich in den Staaten ankam, war Frank von der Armee nach Deutschland geschickt worden, und so holte mich eine Familie McManus ab und kümmerte sich ein wenig um mich. Auch ich mußte mich registrieren lassen und ein paar Jahre in der Armee dienen. Dann, mit dreiundzwanzig, wurde ich entlassen und hatte noch immer keine Ahnung, was ich mit meinem Leben anfangen sollte.

Ich ging zu den Docks, und da ich schwor, weder den Kommunisten noch der Mafia anzugehören, durfte ich mich als Arbeiter eintragen lassen. In England war man einfach ein »Dockarbeiter«, aber hier in den Staaten war man ein »Schauermann«, eine spannend klingende Bezeichnung für einen Arbeiter, der Schiffsladungen löscht. Der Job hatte etwas angenehm Monotones, vor allem, wenn man gesund, kräftig und in der Hirnregion nicht allzu üppig ausgestattet war.

New York war damals noch ein florierender Hafen, Sammelstelle für ausgefalleneres Frachtgut als Bruder Frank und mich. Hell´s Kitchen, ein hartes und heruntergekommenes Viertel an der West Side von Manhattan, direkt am Hudson River, war fest in irischer Hand, und an den Piers standen Schilder mit der Aufschrift »Keine Spaghettifresser«. In Brooklyn waren die Italiener am Ruder, und die stellten auf ihren Piers Schilder mit dem Schriftzug »Keine Whiskeysäufer« auf.

Ich wanderte von Pier zu Pier, zu den Heuerhallen von Jersey City, Bayonne und Hoboken, hallenden, stinkenden Gebäuden mit grünen Wänden, schmutzigem Boden und dem üblichen flackernden Neonlicht. Frühmorgens trudelten wir ein, schnatternd vor Kälte, in der typischen Schauermann-Uniform: schwere Stiefel, dicke Hose, Pullover, Kolani, Wollmütze, Arbeitshandschuhe und Lasthaken. Wenn viele Schiffe angekommen waren, durften wir Greenhorns arbeiten bis zum Umfallen. Kamen keine Schiffe, konnten wir uns den ganzen Tag in der Nase bohren. Und es war ein herrliches Gefühl für einen Jungen aus Limerick, in New York zu sein und sich in der Nase zu bohren.

*

Das war 1955, in den Tagen der Waterfront Commission, die gegründet worden war, um Gewerkschaften auszuschalten. Jedesmal, wenn eine Gewerkschaft einen Versuch unternahm, die grauenhaften und gefährlichen Arbeitsbedingungen zu verbessern, durch die Arbeiter verstümmelt und getötet wurden, setzten die Bosse die Propagandamaschinerie in Gang, um die Gewerkschaft unter dem Deckmäntelchen der Aufdeckung von Korruption außer Gefecht zu setzen.

Elia Kazan, der seine Freunde an den Ausschuß für unamerikanische Umtriebe verpfiff, durfte zur Belohnung für seinen Verrat bei dem Film Faust im Nacken Regie führen. Mit vereinten Kräften schafften es Hollywood, die Regierung und die Kirche, unsere Gewerkschaft, die International Longshoreman´s Association, nahezu zu zerstören, indem sie die Verfechter der Gerechtigkeit an die Luft setzten.

Es gab da einen engagierten kleinen Kerl mit Brille, der meinte, die Gewerkschaft müsse sich mehr einsetzen. Wieder und wieder ging er vor Gericht. Sie schossen auf ihn, schlugen ihn zusammen, präparierten sein Auto, aber er ließ sich nicht unterkriegen. Das Herz ist ein Wunder, wie Synge zu sagen pflegte.

Ich hielt mich aus dem Gewerkschaftskram heraus, weil ich keine Lust hatte, mich zusammenschlagen zu lassen, und als unbedarfter junger Immigrant wußte ich damals über diese Dinge auch kaum Bescheid.

Aber geklaut wurde auf den Docks, daß sich die Balken bogen! Wir versorgten uns mit erstklassigen italienischen Schuhen, und an manchen Tagen ließen wir die Hosen runter und wickelten uns meterweise Anzugstoff um den Körper, so daß man zur Feierabendzeit Scharen von wohlbeleibten Mannsbildern von der Pier watscheln sah. Wenn eine Ladung mit irgendwelchen Alkoholika ankam, wurde es ein turbulenter Tag mit Gabelstaplern, die im Rausch über den Rand der Pier gefahren wurden, Männern, die in Laderäume fielen, Prügeleien, Streitereien und allerlei anderen Lustbarkeiten.

Einmal, als ich in Brooklyn arbeitete, kam eine Ladung künstlicher Blumen an, deren zehnte, wie üblich, bei den Arbeitern hängenblieb. Die Dinger waren zu nichts zu gebrauchen, also fragte ich einen anderen Iren, der an diesem Tag dort war, ein älterer Kerl namens McCabe, weshalb sie das Zeug mitgehen ließen.

»Ach, weißt du«, sagte er, »die könnten in Geschenkkartons verpackte Scheiße rüberschippern, und die würden sie auch noch klauen.«

»Sie« waren natürlich die Italiener, die grundsätzlich alles mitgehen ließen, im Gegensatz zu den Iren, die nur aus Prinzip stahlen - so jedenfalls erklärte es mir mein älterer Kollege.

Meine Lieblingsfracht war Gummi, gewaltige, fünfhundert Pfund schwere Ballen von dem Zeug, aus Malaysia importiert. Ab und zu rutschte dem Kranführer ein Ballen aus großer Höhe aus dem Netz, und dann hüpfte das Ding wie ein riesiger Flummi über die Pier, so daß selbst arthritisgeplagte Greise mit jugendlichem Elan in Sicherheit hechteten.

Neben dem Hin- und Herschleppen von Waren mit dem Handkarren hielt ich mich fit, indem ich beim New York Rugby Football Club spielte. Das war ein Mischmasch von Auswanderern aus Großbritannien, Neuseeland, Australien und Südafrika mit einer kleinen Prise anglophiler Amis, von denen einige hofften, als Engländer durchzugehen. Eine Zeitlang war ich der einzige Ire in der Mannschaft, abgesehen von einem Typen namens Brad Brady aus Cork, der so sehr einen auf englisch machte, daß er kaum sprechen konnte.

Viele von den Briten beschwerten sich über die Grobheit der Amis und ihre mangelnde sportliche Fairneß. »Denen ist der Sieg tatsächlich wichtiger als das Spiel, alter Knabe.« Vielleicht würden sie eines Tages ihren Irrtum erkennen, ins Königreich zurückkehren, gute Manieren lernen und brave Untertanen werden.

Es gab jede Menge Biergelage, Wettsaufen und dergleichen. Bei unserem jährlichen Festessen wurden Toasts auf den Präsidenten und die Queen ausgebracht. Als ich einen Toast auf den Präsidenten von Irland ausbrachte, wurde das für unzulässig erklärt. Daraufhin schlug ich vor, den Toast auf die Queen zu streichen. Obwohl ich damit Roberts Knigge für Verfahrensfragen folgte, stieß mein Vorschlag auf wenig Beifall.

Wir spielten gegen jedes College, das wir auf den Rasen kriegen konnten, von Princeton über Boston bis Dartmouth. Eines meiner ersten Spiele war gegen Harvard, und es war ein rauhes Spiel mit vielen Fouls und Handgreiflichkeiten. Der Schiedsrichter schickte mehrere Spieler vom Platz, unter anderen einen Jungen aus Boston namens Kennedy, unsereins bekannt als Ted.

Ich...
mehr

Autor

Malachy McCourt wurde 1932 in New York geboren. Er ist der jüngere Bruder von Frank McCourt und wuchs wie Frank in Irland auf. 1952 kommt er durch die Hilfe seines Bruders zurück nach New York.