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Kinder, Küche, Kerle

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
288 Seiten
Deutsch
Rowohlt Verlag GmbHerschienen am18.12.20181. Auflage
Wäsche bügeln, Blumen gießen, Schulbrote schmieren? Ein Liebhaber muss her! Julia Flanagan ist gelangweilt vom spießigen Vorstadtleben und dem immer gleichen Alltagstrott. Außerdem ahnt sie, dass ihr Mann Michael eine Affäre hat. Was tun? Ihre Freundinnen wissen es genau: Ein Liebhaber muss her. Das macht Michael eifersüchtig und bringt ein bisschen Farbe ins eintönige Familienleben. Doch Verlieben war im Plan nicht vorgesehen ...

Debra Kent schreibt für Frauenzeitschriften. «Kinder, Küche, Kerle» ist ihr erster Roman.
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Produkt

KlappentextWäsche bügeln, Blumen gießen, Schulbrote schmieren? Ein Liebhaber muss her! Julia Flanagan ist gelangweilt vom spießigen Vorstadtleben und dem immer gleichen Alltagstrott. Außerdem ahnt sie, dass ihr Mann Michael eine Affäre hat. Was tun? Ihre Freundinnen wissen es genau: Ein Liebhaber muss her. Das macht Michael eifersüchtig und bringt ein bisschen Farbe ins eintönige Familienleben. Doch Verlieben war im Plan nicht vorgesehen ...

Debra Kent schreibt für Frauenzeitschriften. «Kinder, Küche, Kerle» ist ihr erster Roman.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783688117116
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2018
Erscheinungsdatum18.12.2018
Auflage1. Auflage
Seiten288 Seiten
SpracheDeutsch
Artikel-Nr.4074143
Rubriken
Genre9201

Inhalt/Kritik

Leseprobe

Eins

Es fängt ganz harmlos an. Ich mische Glasflaschen unter den Plastikmüll, mache mich ein Jahr jünger, als ich bin, und schummele bei der Spesenabrechnung. Ich lade mir Joni Mitchell bei Limewire runter, nicht nur einen Song, sondern ein ganzes Album. Ich korrigiere die Kassiererinnen nicht mehr, wenn sie sich zu meinen Gunsten verrechnen. Ich lese eine Ausgabe von Good Housekeeping im Café von Border´s Bookstore von der ersten bis zur letzten Seite. Seite 31 bekleckere ich versehentlich mit Kaffee, bezahle die Zeitschrift jedoch nicht, sondern stelle sie zurück ins Regal und gehe aus dem Laden. Am Ende des Jahres habe ich Sex mit einem Professor für Mittelalterliche Literatur, der meinen Ehemann für einen Dummkopf hält.

Wie ich von Good Housekeeping zu gutem Sex mit Evan Delaney gekommen bin? Ich wünschte, ich könnte behaupten, unkontrollierbare Schwerkraft hätte mich in diesen Strudel moralischer Vergehen gezogen. Aber das wäre gelogen. Ich weiß genau, wie ich dorthin gelangt bin.

 

Dies ist unser dritter Aufenthalt in Frankie Wilsons Strandhaus auf der Ocean Isle in North Carolina. Wir nennen uns, nur ansatzweise ironisch, die Beach Babes. Wir leben alle in derselben Universitätsstadt in Indiana, in derselben Siedlung, wir sind alle verheiratet, wir sind alle Mütter, und wir nähern uns alle mit Unbehagen unserem 40. Geburtstag. Es ist 1.34 Uhr, und nach zu vielen Tequilas, Tortilla-Chips und M&Ms wird es Zeit für das Spiel, das Annie Elliot «geheime Sünden» getauft hat. Ich würde lieber Pictionary spielen, um ganz ehrlich zu sein.

«Ich entzünde das Licht der Wahrheit», raunt Annie und führt ein brennendes Streichholz den dicken blaugrünen Keramikkerzenständer entlang. Die blau-goldene Flamme verschlingt den Streichholzkopf und läuft rasch auf Annies Finger zu, doch kurz bevor sie mit der Haut in Kontakt kommt, lässt Annie das Hölzchen in eine feuchte Untertasse fallen, wo es mit einem befriedigenden Zischen landet.

Annie Elliot war die einzige Nachbarin in Larkspur Estates, die unsere Ankunft offen zur Kenntnis nahm. Unsere direkten Nachbarn hatten, als unser alter blauer Kastenwagen hinter dem Möbelwagen hielt, nicht einmal den Kopf gedreht. Die Skaffs im Westen jäteten einfach weiter Unkraut. Die Gilchrists im Osten spritzten weiter ihre Ausfahrt mit dem Schlauch ab, obwohl da in Wahrheit gar kein Schmutz wegzuspritzen war. Nur sauberer irischer Backstein in der Farbe von rotem Wüstenlehm. Das Abspritzen der Auffahrt ist, wie ich inzwischen gelernt habe, ein beliebter Zeitvertreib in Larkspur Estates, eine hypnosegleiche Tätigkeit, die Hausbesitzer, lange nachdem der Schmutz beseitigt ist, noch dreißig bis vierzig Minuten am Stück in ihrem Bann hält. Es ist wie Masturbieren ohne Höhepunkt, und es gibt keine Belohnung außer vielleicht dem tiefschwarzen Schimmern des Asphalts oder, im Fall der Viertausend-Dollar-Auffahrt der Gilchrists, dem Leuchten des roten irischen Backsteins.

Doch Annie Elliot kam den ganzen Weg von der Azalea Lane zu uns gerannt, um mich persönlich willkommen zu heißen. Eine drahtige, muskulöse Frau von eins dreiundachtzig mit fröhlichen blauen Augen und einem süffisanten Lächeln. Annie hatte mir eine Thermoskanne mit Starbucks-Kaffee und eine Packung Kekse hingehalten und erklärt, sie hätte leider keine Zeit gehabt, selbst zu backen, aber auch nicht mit leeren Händen auftauchen wollen.

«Wir sind letztes Jahr hierher gezogen, und es kam überhaupt niemand vorbei.» Sie drückte mir die Kekse in die Hand, und das engelsgleiche und zugleich seltsam gebieterische junge Gesicht des Mädchens auf der Packung grinste zu mir hoch. «Ich dachte mir, wenn Ihre Nachbarn genau solche Menschenhasser sind wie meine in der Azalea Lane, brauchen Sie alle Freunde, die Sie kriegen können. Und machen Sie sich bloß nicht die Mühe, die Thermoskanne zurückzubringen, ich habe Millionen davon. Ich kaufe sie auf Gartenflohmärkten. Thermoskannen und Picknickkörbe. Ich weiß auch nicht, wieso. Wir machen nämlich nie Picknick. Mein Mann ist kein großer Outdoor-Fan. Als wir das letzte Mal ein Picknick machen wollten, sind wir in den Maplewood State Park gefahren und haben unseren Lunch im Auto gegessen. Die Kinder meinten: Mom, warum können wir uns denn nicht draußen ins Gras setzen wie die anderen Leute? Und ich sagte: Euer Vater hasst die Natur. Das wisst ihr doch. Gütiger Himmel. Aber was soll´s? Willkommen in der Nachbarschaft!» Und auf die Kekspackung deutend fügte sie hinzu: «Ich habe meine Telefonnummer da mit hineingesteckt. Rufen Sie mich an, wenn Sie eine Pause vom Auspacken brauchen.»

Was ich auch tat, gleich am nächsten Tag. Und seither haben wir fast jeden Tag miteinander gesprochen.

Annie senkt ihre Stimme und sagt im geheimnisvollen Tonfall einer Wahrsagerin: «Wenn das Licht der Wahrheit auf dich übergeht, enthülle etwas, das du in keinem anderen Kreis als diesem zu sagen wagst.» Schwerer Sandelholzduft erhebt sich und vermischt sich mit der salzigen Meeresluft. «Kein Wort davon wird diesen Raum verlassen. Wie immer.»

Bei dem Raum, von dem hier die Rede ist, handelt es sich um eine weitläufige Angelegenheit aus gebeiztem Ahornholz und weißem Leder, die über dem Atlantik schwebt. Er hat extravagante Fenster und zwei Glasschiebetüren, die sich auf eine sonnengebleichte, umlaufende Veranda öffnen, von der sechsundzwanzig gleichmäßig gesägte Zedernholzstufen zum Strand hinunterführen. Am einen Ende des Raums befindet sich ein mit Muscheln und Korallen verkleideter Kamin aus Sandstein, am anderen der größte Fernsehbildschirm, den ich je gesehen habe. Aber warum sollte hier jemand Lust haben fernzusehen, wenn der beste Blick immer noch der aus dem Fenster ist?

Das Wasser ist jetzt ebenso schwarz wie der Himmel, Wellen schlagen rhythmisch auf den glatten, festen Sand. Als eine Frau aus dem Mittleren Westen, die normalerweise nur Land um sich hat und sich mit dem Lake Michigan zufriedengeben muss oder, peinlicherweise, mit dem Wellenbad in Willy´s Water Park, genieße ich nichts mehr als diese kurzen, lustvollen Ferien in Frankie Wilsons Strandhaus. Ich bin von allem restlos begeistert, von allem außer diesem Spiel.

Annie schiebt die Kerze in Frankies Richtung, die gerade den letzten ihrer künstlichen Fingernägel mit French-Spitze abreißt. Der Hügel aus abgelegten Plastikfingernägeln sieht im schwachen Licht der Kerze aus wie ein Häufchen Zwiebelschalen.

«Gott, wie ich das hasse», sagt sie, während sie den Nagel des kleinen Fingers abbricht und auf den Haufen schnippt. Frankies echte Fingernägel sind bis jenseits des Nagelbetts abgekaut. Ihre Finger sehen aus wie Froschzehen. «Es sollte mal jemand künstliche Fingernägel herstellen, die einem nicht das Gefühl geben, man hätte sich die Finger in der Autotür eingeklemmt.»

Francesca Cavendish Wilson fiel mir zum ersten Mal auf, als sie beim jährlichen Schulfest der Twin-Pines-Grundschule das Ringe-auf-Flaschen-Werfen beaufsichtigte. Sie hatte schwarzes lockiges Haar und schwarze Augen, und sie trug ein schwarzes T-Shirt mit leuchtend gelber Aufschrift: ICH ESSE KOHLENHYDRATE UND BIN STOLZ DARAUF. Frankie ist, wie ich herausfand, die Königin erfolgloser Geschäftsideen; da wären zum Beispiel Fat Lady, ihre trotzig-selbstbewusste Zeitschrift für Frauen mit Übergrößen (sie hat die Bereitschaft ihrer Kundinnen, diesen Titel mit Stolz auf sich zu beziehen, falsch eingeschätzt), ihr Pfannen-Backpapier (welches super ist, wenn man davon absieht, dass es in Flammen aufgeht) und ihre rauchfreien Räucherkerzen (die leider auch nicht duften).

Vorgestellt habe ich mich Frankie im Businessfrauen-Club von Cambridge County, einer Art alternativem Rotary-Club für «Frauen in Führungspositionen». Phyllis Bagley, die Vorstandsvorsitzende der First Cambridge Bank, hatte diesen Club gegründet, weil sie es leid war, bei den Testosteron-schwangeren Abenden im Rotary-Club herablassend behandelt zu werden. Bagleys Ziel war es, ein Netzwerk für Geschäftsfrauen mit Grips ins Leben zu rufen, die den guten alten Männerseilschaften in dieser Stadt ein Ende bereiten sollten. Leider hatte Bagley aber nicht bedacht, dass hier alle Macht-Arterien in demselben verkalkten Herzen zusammenlaufen. Dieses verhärtete Organ ist jedoch keineswegs die Universität, wie viele wichtigtuerische Akademiker einen glauben machen wollen, sondern Copley Maschinenteile und seine fünfunddreißig Filialen mit ihrem dreiundfünfzigjährigen Gründer, Erbauer und Leiter Arnold Copley. Copley hat keine Erben, aber viele Fußsoldaten, die in jedem wichtigen Ausschuss, jeder Stiftung, jeder Kommission und jedem Rat dieser Stadt dienen. Es herrscht die einhellige Meinung, dass kein neues Projekt - wie wertvoll es auch sein mag - ohne Arnold Copleys Segen - und Geld - erfolgreich sein kann. Phyllis Bagley hat sich aufgemacht, diese Theorie zu widerlegen. Bislang ohne Erfolg.

Ich war gerade dabei, blasse Salatblätter vom Lunch-Büfett zu zupfen, als Frankie neben mir erschien und sich ein dickes Stück Erdbeersahnetorte auf den Teller schaufelte.

«Ich komme nur wegen des Desserts hierher», sagte sie und löffelte noch zusätzlich Erdbeerkompott auf das dicke Kuchenstück. Sie setzte sich zu mir an den Tisch, und ich staunte über ihre unbefangene Art, das Essen zu genießen. Sie feuchtete ihren Finger mit Spucke an und drückte ihn auf den Teller, um auch die letzten Krümel aufzusammeln und in ihren Mund zu bugsieren.

Irgendwann mitten in Phyllis Bagleys Ermunterungsrede schob Frankie mir einen Zettel zu: «Haben Sie Kinder in der Twin-Pines-Schule?»

Ich nickte.

Nächster Zettel: «Ich auch. Wo wohnen Sie?»

Ich nahm ihren Stift...
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Autor

Debra Kent schreibt für Frauenzeitschriften. «Kinder, Küche, Kerle» ist ihr erster Roman.Birgit Schmitz, geboren 1971, studierte Geschichte, Germanistik und Soziologie in Köln. Sie arbeitet seit 15 Jahren im Verlagswesen.