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Das rote Kornfeld

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
496 Seiten
Deutsch
Unionsverlagerschienen am01.02.2019
Die endlosen Felder sind der Glanz und der Reichtum des chinesischen Dorfes Gaomi. In mächtigen roten Wellen erstrecken sie sich bis zum Horizont. Rot sind auch die Vorhänge der Sänfte, in der die schöne Dai Fenglian zu ihrem zukünftigen Ehemann Shan getragen wird. Aber als der Sänftenträger Yu Zhan'ao und Dai Fenglian sich sehen, entbrennen sie in Liebe zueinander. Als opulente Familiensaga zeichnet der Roman das Schicksal eines Dorfes vor dem Hintergrund des chinesisch-japanischen Krieges nach. Mo Yan beschreibt atmosphärisch dicht eine Familie am Übergang vom traditionellen zum modernen China. Die Verfilmung des Romans wurde 1988 mit dem Goldenen Bären der Berliner Filmfestspiele ausgezeichnet und für den Oscar nominiert.

Mo Yan (was so viel heißt wie »keine Sprache«) ist das Pseudonym von Guan Moye. Er wurde 1956 in Gaomi in der Provinz Shandong geboren und entstammt einer bäuerlichen Familie. Spätestens seit Zhang Yimous preisgekrönter Verfilmung seines Romans Das rote Kornfeld gilt Mo Yan auch international als einer der wichtigsten und erfolgreichsten Autoren der chinesischen Gegenwartsliteratur. 2012 wurde Mo Yan mit dem Literaturnobelpreis ausgezeichnet.
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Verfügbare Formate
TaschenbuchKartoniert, Paperback
EUR12,95
E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
EUR11,99

Produkt

KlappentextDie endlosen Felder sind der Glanz und der Reichtum des chinesischen Dorfes Gaomi. In mächtigen roten Wellen erstrecken sie sich bis zum Horizont. Rot sind auch die Vorhänge der Sänfte, in der die schöne Dai Fenglian zu ihrem zukünftigen Ehemann Shan getragen wird. Aber als der Sänftenträger Yu Zhan'ao und Dai Fenglian sich sehen, entbrennen sie in Liebe zueinander. Als opulente Familiensaga zeichnet der Roman das Schicksal eines Dorfes vor dem Hintergrund des chinesisch-japanischen Krieges nach. Mo Yan beschreibt atmosphärisch dicht eine Familie am Übergang vom traditionellen zum modernen China. Die Verfilmung des Romans wurde 1988 mit dem Goldenen Bären der Berliner Filmfestspiele ausgezeichnet und für den Oscar nominiert.

Mo Yan (was so viel heißt wie »keine Sprache«) ist das Pseudonym von Guan Moye. Er wurde 1956 in Gaomi in der Provinz Shandong geboren und entstammt einer bäuerlichen Familie. Spätestens seit Zhang Yimous preisgekrönter Verfilmung seines Romans Das rote Kornfeld gilt Mo Yan auch international als einer der wichtigsten und erfolgreichsten Autoren der chinesischen Gegenwartsliteratur. 2012 wurde Mo Yan mit dem Literaturnobelpreis ausgezeichnet.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783293305526
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2019
Erscheinungsdatum01.02.2019
Seiten496 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse2939 Kbytes
Artikel-Nr.4129437
Rubriken
Genre9201

Inhalt/Kritik

Leseprobe



ERSTES KAPITEL

Rote Hirse



1


Am neunten Tag des achten Monats des Jahres 1939 nach dem alten Kalender schloss sich mein Vater, Spross einer Familie von Rebellen und gerade fünfzehn geworden, dem Trupp des Kommandanten Yu Zhan´ao an, eines Mannes, der später zu einem sagenumwobenen Helden werden sollte. Sie hatten vor, auf der Landstraße von Jiao nach Pingdu eine japanische Lastwagenkolonne zu überfallen. Großmutter, die eine warme Jacke übergeworfen hatte, begleitete sie bis zum Rand des Dorfes. »Bleib stehen«, befahl Kommandant Yu. Großmutter blieb stehen.

Douguan, höre auf deinen Pflegevater«, ermahnte Großmutter meinen Vater, der schwieg. Der Anblick von Großmutters hochaufgeschossener Gestalt und der Duft ihrer gefütterten Jacke ließen ihn erschauern. Er zitterte, und sein Magen knurrte.

Kommandant Yu strich ihm übers Haar und sagte: »Gehen wir, Pflegekind.«

Himmel und Erde waren in Aufruhr, die Landschaft verschwamm vor dem Auge, das gedämpfte Getrampel des Trupps klang aus weiter Ferne herüber. Vater konnte sie noch hören, aber die Männer selbst waren hinter einem weißblauen Nebelvorhang verschwunden. Vater hielt sich am Zipfel von Kommandant Yus Mantel fest und rannte stampfenden Schrittes voran. Das stürmische Nebelmeer kam immer näher, und Großmutter verschwand am fernen Ufer. Er hielt sich an Kommandant Yus Mantel fest wie an der Reling eines Bootes.

So eilte mein Vater dem unbehauenen Granitfelsen entgegen, der ihm inmitten der roten Hirsefelder seiner Heimat zum Grabstein werden sollte. Jahre später führte ein kleiner Junge mit nacktem Hintern einen weißen Ziegenbock an das unkrautüberwucherte Grab, und während der Bock ruhig und zufrieden graste, pisste der kleine Junge voll Inbrunst auf das Grab und sang aus voller Kehle: »Die Hirse ist rot, der Japaner kommt, Landsleute, seid bereit, feuert aus allen Rohren!«

Irgendjemand hat behauptet, der kleine Ziegenhirt sei ich gewesen, aber ich weiß nicht, ob das stimmt. Damals liebte ich die Gemeinde Nordost-Gaomi von ganzem Herzen und hasste sie gleichzeitig mit zügelloser Wut. Erst als Erwachsener habe ich erkannt, dass Nordost-Gaomi der zweifellos schönste und abstoßendste, einzigartigste und gewöhnlichste, heiligste und korrupteste, heroischste und feigste, trinkfreudigste und liebestollste Ort auf der Welt ist. Damals, zur Zeit meines Vaters, aßen die Dorfbewohner mit Vorliebe Zuckerhirse und pflanzten so viel davon an, wie sie nur konnten. Im Spätherbst, im achten Monat nach dem alten Kalender, schimmerten die üppigen roten Hirsefelder wie ein Meer von Blut. Die rote Hirse war der Glanz von Gaomi; kühl und lieblich war sie und mächtig; süß und leidenschaftlich waren ihre Wellen.

Der Herbstwind ist frisch und kühl, die Sonne strahlt hell. Weiße, pralle runde Wolken treiben am tiefblauen Himmel und werfen purpurne, pralle runde Schatten auf die Hirsefelder. Jahrzehntelang, über Jahrzehnte, die nur ein Moment der Ewigkeit sind, huschten scharlachrote menschliche Gestalten durch die Hirsefelder und verwoben sich zu einem gewaltigen menschlichen Netz. Sie töteten, sie plünderten, sie verteidigten ihr Land in einem tapferen, aufwühlenden Ballett, neben dem wir, ihre getreuen Nachkommen, die heute das Land bewohnen, blass erscheinen. Inmitten des Fortschritts ahne ich beunruhigt den Rückschritt der menschlichen Gattung.

Nachdem sie das Dorf verlassen hatten, marschierte der Trupp einen engen Feldweg entlang. Der Klang ihrer Schritte verschmolz mit dem Rascheln des Unkrauts. Der dichte Nebel war seltsam belebt und bunt. Kleine Wassertropfen liefen auf Vaters Gesicht zu großen Tropfen zusammen; die Haare klebten ihm an der Stirn. Der leichte Pfefferminzduft und der süßliche, durchdringende Geruch der Hirse, die ihn vom Wegrand her umwehten, waren vertraut. Das alles war nicht neu. Aber als sie durch den dichten Nebel marschierten, entdeckte seine Nase einen neuen, ekelerregenden süßlichen Geruch, irgendetwas zwischen Gelb und Rot. Er mischte sich mit dem Duft von Pfefferminze und Hirse und rief tief in seiner Seele verborgene Erinnerungen wach.

Sieben Tage später, am fünfzehnten Tag des achten Monats, dem Tag des Mittherbstfestes. Ein heller voller Mond stieg langsam am Himmel über den feierlich stummen Hirsefeldern auf und badete die Rispen in schimmerndem Quecksilber. Zwischen den scharf umrissenen Lichtflecken roch Vater einen ekelerregenden, intensiv süßen Duft, wie man ihn heute nirgends mehr riechen kann. Kommandant Yu führte ihn an der Hand durch die Hirse, in der dreihundert Dorfgenossen lagen. Die Köpfe ruhten auf den Armen, frisches Blut verwandelte die Erde zu klebrigem Schlamm, der das Laufen schwermachte. Der Gestank verschlug ihnen den Atem. Ein Rudel aasfressender Hunde kauerte im Feld, sie starrten Vater und Kommandant Yu aus glühenden Augen an. Kommandant Yu zog die Pistole und feuerte; ein Paar Augen schloss sich. Noch ein Schuss, noch ein Paar Augen. Aufheulend stoben die Hunde auseinander, dann, außer Schussweite, kauerten sie auf den Hinterläufen, begannen wütend zu bellen und starrten gierig lechzend auf die Leichen. Der ekelerregende Geruch wurde immer stärker.

»Japanische Hunde!«, schrie Kommandant Yu. Er leerte das Magazin seiner Pistole, und die Hunde verschwanden spurlos. »Komm, mein Sohn«, sagte Kommandant Yu, »gehen wir.« Zu zweit, ein alter und ein junger Mann, suchten sie im Mondlicht ihren Weg durch das Hirsefeld. Der widerliche süßliche Geruch über den Feldern tränkte die Seele meines Vaters und blieb in den grausamen, brutalen Monaten und Jahren, die vor ihm lagen, sein ständiger Gefährte.

Wirr zischten und dampften Hirsehalme und -blätter im Nebel. Das dröhnende Rauschen des Schwarzwasserflusses, der sich träge durch die sumpfige Niederung wälzte, war mal laut, mal leise, mal nah, mal fern von hinter dem Nebelvorhang zu hören. Als sie den Trupp einholten, hörte mein Vater Fußgetrampel und schweres Atmen von allen Seiten. Zwei Gewehrkolben schlugen gegeneinander. Ein Fuß trat auf etwas, das wie menschlicher Knochen knirschte. Der Mann unmittelbar vor meinem Vater hustete laut. Es war ein vertrautes Husten, das an große Ohren erinnerte, die blutrot wurden, wenn ihr Besitzer nervös war. Große, durchscheinende Ohren, von kleinen Äderchen durchzogen, waren das hervorstechende Merkmal von Wang Wenyi, einem kleinen Mann, der den Kopf gebeugt zwischen den Schultern trug. Mein Vater blinzelte und kniff die Augen zusammen, bis sein Blick durch den Nebel drang: Es war Wenyi, dessen Kopf mit jedem Hustenanfall von rechts nach links zuckte.

Vater erinnerte sich, wie Wang von Adjutant Ren auf dem Exerzierplatz geschlagen worden war und wie mitleidheischend er damals mit dem Kopf gewackelt hatte. Er hatte sich gerade erst Kommandant Yu angeschlossen. Adjutant Ren kommandierte: »Rechtsum kehrt!« Wang Wenyi trat freudig und kräftig auf, aber niemand hätte erkennen können, in welche Richtung er seine Kehrtwendung machen wollte. Adjutant Ren schlug ihm die Peitsche über den Hintern, und er schrie auf: »O Mutter meiner Kinder!« Es war nicht zu bestimmen, ob er lachte oder weinte. Hinter der Mauer johlten freudig ein paar Kinder.

Kommandant Yu trat Wang Wenyi in den Hintern. »Wer hat dir erlaubt zu husten?«

»Kommandant Yu«, Wang Wenyi unterdrückte einen Hustenanfall, »mein Hals kratzt.«

»Das ist kein Grund. Wenn du unsere Stellung verrätst, bist du dran.«

»Jawohl«, antwortete Wang und brach in neues Husten aus.

Mein Vater spürte, wie Kommandant Yu vorsprang und Wang Wenyi mit beiden Händen am Hals packte. Wang stöhnte und keuchte, aber das Husten hörte auf.

Mein Vater fühlte auch, wie die Hände des Kommandanten von Wangs Hals abließen; er spürte sogar die blauen Flecke, die sie hinterließen und die aussahen wie reife Trauben. Wangs dunkle, ängstliche Augen füllten sich mit gekränkter Dankbarkeit.

Der Trupp marschierte schnell durch das Hirsefeld. Instinktiv wusste mein Vater, dass sie nach Südosten zogen. Der Feldweg war die einzige direkte Verbindung zwischen dem Schwarzwasserfluss und dem Dorf. Bei Tageslicht war er blassgrau. Die ursprünglich ebenholzschwarze Erde war zertrampelt und von Fährten zahlloser Tiere bedeckt: den gespaltenen Hufspuren von Ochsen und Ziegen, den halbmondförmigen Spuren von Maultieren, Pferden und Eseln; da waren wurmige Kuhfladen, trockene Pferdeäpfel und kleine schwarze Ziegenböhnchen. Vater war diesen Weg so oft gegangen, dass er ihn später häufig vor sich sah, als er in der japanischen Aschengrube lag. Er hat nie erfahren, wie viele sexuelle Komödien meine Großmutter auf diesem Feldweg aufgeführt hat; aber ich weiß es. Er hat nie erfahren, dass ihr glänzender, jadefarbener nackter Körper im Schatten der Hirsehalme auf der schwarzen Erde gelegen hat; aber ich weiß es.

Der Nebel, der sie umgab, wurde zähflüssiger, als sie das Hirsefeld erreichten, und zog sich so dicht zusammen, dass Vater sich kaum mehr bewegen konnte. Die Halme quietschten in geheimer Empörung, wenn die Männer oder ihre Ausrüstung sie berührten, und ließen große, traurige Wassergüsse zu Boden fallen. Das Wasser war eiskalt, klar und sprudelnd, wunderbar erfrischend. Mein Vater sah nach oben, und ein großer Tropfen fiel ihm in den Mund. Als der Nebelvorhang sich langsam lüftete, sah er die Hirserispen sich...



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Autor

Mo Yan (was so viel heißt wie »keine Sprache«) ist das Pseudonym von Guan Moye. Er wurde 1956 in Gaomi in der Provinz Shandong geboren und entstammt einer bäuerlichen Familie. Spätestens seit Zhang Yimous preisgekrönter Verfilmung seines Romans Das rote Kornfeld gilt Mo Yan auch international als einer der wichtigsten und erfolgreichsten Autoren der chinesischen Gegenwartsliteratur. 2012 wurde Mo Yan mit dem Literaturnobelpreis ausgezeichnet.

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