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E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
224 Seiten
Deutsch
BeBra Verlagerschienen am01.03.2019
Im uckermärkischen Dorf Grünmantel brodelt es unter der Oberfläche. Ein Wessi macht sich mit seiner Vorliebe für Naturschutz und junge Mädchen unbeliebt, ein stotternder Handwerker versucht die Schatten seiner Vergangenheit loszuwerden, ein bis über beide Ohren verliebter Nazi bringt sich in Lebensgefahr, eine Sekretärin gerät auf kriminelle Abwege, eine Aussteigerin versucht ihr heillos heruntergekommenes Haus vor dem Verfall zu retten ... Große und kleine Schicksale münden letztlich in einen Strom sich zuspitzender Ereignisse, in dem zerschnittene Zäune und abgetrennte Hände nur Kollateralschäden einer viel tiefer liegenden Verunsicherung sind.

Manfred Maurenbrecher, geboren 1950 in Berlin, ist Liedermacher und Schriftsteller. Er schrieb Texte für Künstler wie Katja Ebstein, Klaus Lage und Hermann van Veen, moderierte Rundfunksendungen und verfasste Radiofeatures, u. a. für RIAS Berlin, NDR, WDR und Deutschlandfunk. Manfred Maurenbrecher wurde mit dem Deutschen Kleinkunstpreis und dem Deutschen Kabarettpreis ausgezeichnet.
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Verfügbare Formate
BuchGebunden
EUR20,00
E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
EUR13,99

Produkt

KlappentextIm uckermärkischen Dorf Grünmantel brodelt es unter der Oberfläche. Ein Wessi macht sich mit seiner Vorliebe für Naturschutz und junge Mädchen unbeliebt, ein stotternder Handwerker versucht die Schatten seiner Vergangenheit loszuwerden, ein bis über beide Ohren verliebter Nazi bringt sich in Lebensgefahr, eine Sekretärin gerät auf kriminelle Abwege, eine Aussteigerin versucht ihr heillos heruntergekommenes Haus vor dem Verfall zu retten ... Große und kleine Schicksale münden letztlich in einen Strom sich zuspitzender Ereignisse, in dem zerschnittene Zäune und abgetrennte Hände nur Kollateralschäden einer viel tiefer liegenden Verunsicherung sind.

Manfred Maurenbrecher, geboren 1950 in Berlin, ist Liedermacher und Schriftsteller. Er schrieb Texte für Künstler wie Katja Ebstein, Klaus Lage und Hermann van Veen, moderierte Rundfunksendungen und verfasste Radiofeatures, u. a. für RIAS Berlin, NDR, WDR und Deutschlandfunk. Manfred Maurenbrecher wurde mit dem Deutschen Kleinkunstpreis und dem Deutschen Kabarettpreis ausgezeichnet.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783839321386
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2019
Erscheinungsdatum01.03.2019
Seiten224 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse3578 Kbytes
Artikel-Nr.4169913
Rubriken
Genre9201

Inhalt/Kritik

Leseprobe
14.

Wie weiche bunte Bälle tollten drei Kätzchen herum, die Mutter bewachte den Wurf und gab ihm zugleich eine Lehre in Selbstbehauptung. Sie stellte sich diesem kleinen Pferd gegenüber, das sich die linke Flanke an der Bretterwand schubberte, es war angeleint. Zack, hieb die Mutter die rechte Tatze dem Pferd in die Schnauze, es zuckte auf und versuchte sich zu drehen. Zack, hieb sie links. Das Pferd trat. Die Katze sprang weg, rief die Kleinen. Die hüpften und kollerten ihr entgegen, testeten den Pferdekopf, sobald er runterhing, mit ihren ungezielten Sprüngen und rasten dann wie angestochen davon, als er hochfuhr und ein Wiehern losließ, das das Haus in den Grundmauern zittern ließ.

Ibo und Lena, zaghaft Hand in Hand, schauten vorsichtig lächelnd auf das Spiel, während Nachbar Uli aus vollem Hals lachte. Er hatte die Katzenschar hergebracht, werbewirksam »süße Kätzchen fürs erste Schmätzchen« geraunt und offensichtlich gehofft, dass das Paar, das sich hier anbahnte, ein Herz für die Kleinen und gleich eins davon für sich selbst haben würde. Die andern zwei sollten folgen, das ergab sich dann.

Ibo hätte mitgemacht. Schon um Uli einen Gefallen zu tun. Jemand, der nebenbei eine Kneipe für Randleute führt, auf- und zumacht nach Gutdünken, ein paar Duschen bereithält für die Ritter der Landstraße und manchmal auch ein paar Mädels, unangemeldet, als seltsames Hobby, morgens um acht manchmal »direkt vom Tresen weg« nach Hause taumelt und gleich den Rasenmäher anwirft, »um auszutrudeln, weeßte« - so jemanden musste man stützen.

Lena sah das anders. »Schwör mir, dass du in drei Monaten noch hier bist«, forderte sie, »da gibt s Regeln. Du kannst die Viecher nicht rumstromern lassen, das bleiben deine.«

Ibo stromerte selbst zu viel rum im Kopf seit dem Überfall in Rot, er konnte jetzt auf einzelne Worte nicht achten.

»Na denn nich «, lachte Uli, der immer die Situation überschaute. »Wir Ost-Hippies kannten nicht nur die DDR, sondern die ganze Welt, ohne je aus dem Haus zu gehn«, hatte er zu Ibo mal gesagt. Und der hatte sich vorgenommen, irgendwann bei Gelegenheit zurückzufragen: Welche Welt, welche Hippies, und im Namen der drei Heiligen der Arbeiterbewegung: Welche DDR denn?

Jetzt hatte er anderes vor. Während die Mutterkatze dem Pferdchen beibrachte, wie man auf drei Hufen steht, zog er Lena ins Haus.

»Man sieht sich und man zieht sich«, rief Uli grinsend und hob im Weggehen die Hand.
15.

Der Ladenvorplatz im Sommer war manchmal ein kleiner Markt. Asiatische Ramschhändler bauten Stände auf, eine Feldküche bot Soljanka, Marlies Rogacki vom Getränkeshop schob die Kühlbox mit Eis, Limonade und Bier nach draußen, und wenn Zeit war, hockte man auf den Betonabfallschalen oder stand breitbeinig um die Hockenden herum.

Zeit war oft.

Der Eingang zum Supermarkt war an jenem Montag mit den grasgrünen Luftballons einer regionalen Post-Konkurrenz behängt, die darauf aufmerksam machte, dass Briefe und Karten hier für zehn Cent weniger als vom DP-Unternehmen befördert würden, genau von heute an, allerdings nur in den PLZ-Bereichen Null, Eins und Neun.

»Gelten bei denen denn die gleichen Zahlen, sind die nicht Postmonopol?«, fragte Fritz Theurich superschlau und krempelte sich die Hemdsärmel hoch. Er war ein dorfbekannter Vielzeitbesitzer. Auf seinen Unterarmen kamen zwei Schlangen am Baumstamm zum Vorschein, und wenn er die Muskeln rollen ließ, züngelten sie sich zu.

»Zahlen sind immer gleich«, knurrte der Küster Großer mit krauser Stirn und nahm einen Schwarzbierschluck. Ab Sieben hätte er die Mauer vom Friedhof weißen sollen, aber bei dem Wetter â¦

Theurich schüttelte langsam den Kopf. »Was du nicht sagst.« Penibelst hochdeutsch. Dann lachte er auf und zeigte zum Fahrradständer, wo sich ein hagerer Grauer im Blaumann beim Versuch, das Hinterrad mit einem Kabelschloss an der Mittelstange anzuschließen, mit seiner weiten Hose in der Fahrradkette verhakt hatte. Weil er so groß war, kam er jetzt nur gebückt damit voran, zurückzudrehen, den Stoff wieder auszulösen und dabei sein Fahrrad so zu balancieren, dass es nicht umfiel und er gleich mit.

»Öupp öupp öupp«, höhnte Großer leise.

»Lass ett!«, flüsterte Theurich scharf.

Dann grinsten beide, nickten sich zu, nahmen jeder einen Schluck und sprachen so laut und mit so tiefen Stimmen, als wären es Zeilen eines Gebets: »Mach es. Um zu wissen, wie es ist.« Ein O2-Jingle aus dem Fernsehen.

Der hagere Graue fixierte jetzt die Trinker. Grüßte kurz. Als keine Antwort kam, blieb er einen Augenblick unschlüssig und ging dann auf den Laden zu.

»Krassow!« Theurichs Stimme traf den Blaumannträger, als die Schiebetür hinter ihm schon fast zu war. Bloß nicht umdrehen, dachte der Gerufene. »Komm doch mal!«

Das klang jetzt scheinbar bittend und zugleich so spöttisch, so überzeugt von der Feigheit des anderen, dass der die Anmache einfach nicht überhören konnte.

Lass es bloß abgleiten, sagte er sich. Dann ging er langsam zurück.

»Schwindelfrei biste ja«, lachte Theurich, und Großer streckte ihm seine Hand hin. »Tach oock«, murmelte er, »roochste watt?«

Krassow lehnte die Zigarette ab. Sah fragend auf Theurich.

»Haste Tiewie gelegt bei der Jungschen ⦫

»â¦ Bulette?«, fügte Großer hinzu.

Tiewie - Krassow sah die Buchstabenfolge deutlich vor Augen, TV. Schüttelte den Kopf.

»Ihr s Telefon gefixt«, bot Theurich an und Großer kicherte dazu. »Hoch auf dem Dach juchhee von Melchows Haus, lieber Mann ⦫

Theurich kratzte seinen halbkahlen, gräulich ausgefransten Hinterkopf.

»Willst n Schluck«, fragte er dann unvermittelt und hielt Krassow die Bockbierflasche hin, halb getrunken, halbwarm, von der Unruhe im Arm ihres Halters der sprudelnden Kohlensäure fast ganz beraubt.

Krassow krümmte sich. Nur jetzt den Kopf schütteln, dachte er. Aber formte unwillkürlich zugleich dieses »Danke nein«, das nie so klingen würde, er wusste es, während er es vorbrachte, aber es war eine Art von Stolz, die ihn trotzdem sprechen ließ - seine Art, stolz zu sein, das wusste er auch.

»Was??«, riefen Theurich und Großer aus einem Mund.

»LLLtöupp«, keuchte Krassow.

»Allet klar«, sagte Theurich und legte ihm den Arm um die Schulter. Er musste sich etwas aufrichten dafür, denn er war kleiner als der Stotterer.

Kleiner auch als die Zara, meine Zara, dachte Karl Krassow.

»LTE«, sagte er dann schnell und schüttelte Theurichs Pranke ab, die angefangen hatte, ihn zu massieren.

»LTE«, wiederholte er. Es ging leicht.

»Ditt jibts doch nich«, stotterte Theurich und meinte damit vielleicht auch die klare Antwort, »ditt bieten die hier doch nich an ⦫

Beide schauten zu Krassow, als hätte der vielleicht etwas anderes mit diesen Silben gemeint. Als hätte er rein zufällig mit seiner flatternden Zunge einen Zusammenhang angestoßen, dem man nur Sinn unterlegte, wenn man es so wollte.

Nee - war genau so gemeint, nickte Krassow. Die Ungläubigen schluckten und schämten sich.

»Du legst die rinn, watt?«, rief Großer, und Theurich bellte dazu, als er begriff, was gemeint war: Dass Krassow sich dieses LTE nahm wie andere Strom. Den Saft abklemmte oder so. Ein staunendes Lachen ergriff ihn, ein Keuchen, das ihn an Flachs, seinen Hovawart erinnerte, der längst Geschichte war wie eigentlich alles von der großen Familie, die Theurich einst mit der Welt verband, Frau, Beruf, Kinder, Enkelchen und die Gewerkschaft - alles fort, bis auf Rolle, den Jüngsten.

»Hier jibt s LTE, die senden ditt und sagen uns nüscht davon - ha m wir doch richtig verstanden, wa, Krassow, ditt haste gesagt ⦫ Großer und Theurich schauten jetzt zu ihm hoch.

Er nickte ihnen begeistert zu. Übervoll von Tatsachen, Zusammenhängen und Rückschlüssen waren sein Kopf und sein Gemüt, auch die Zunge, auf der er sein Herz gern getragen hätte. Abstruse Geschichten hätte er erzählen können über die missgeleitete Versorgung des Ortes mit schnellem Internet, etwas, das die meisten hier kaum, ihn jedoch seit Jahren fanatisch bewegte. Aber er wusste und fühlte, dass er besser schwieg, wenn er die Bewunderung der Anderen nicht gleich wieder los sein wollte. LTE auszustoßen war gelungen, das Weitere würde Blamage sein.

»Woher hast Du s jewusst«, bohrte Großer, »meine Kinder bringen mich um, wenn ich nix sag davon«, er lachte in die entgeisterten Gesichter, denn allen war seine Familiengeschichte bekannt, nämlich dass Frau und Kinder schon vor Jahren vor ihm geflohen waren.

»Und nicht mal Rolle weeß et«, setzte Theurich diesen Gedanken auf seine Art fort, »der ist doch sonst vorneweg.«

»Andersrum: Watt soll ick mit Internet?«, dachte Großer laut,...
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Autor

Manfred Maurenbrecher, geboren 1950 in Berlin, ist Liedermacher und Schriftsteller. Er schrieb Texte für Künstler wie Katja Ebstein, Klaus Lage und Hermann van Veen, moderierte Rundfunksendungen und verfasste Radiofeatures, u. a. für RIAS Berlin, NDR, WDR und Deutschlandfunk. Manfred Maurenbrecher wurde mit dem Deutschen Kleinkunstpreis und dem Deutschen Kabarettpreis ausgezeichnet.