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Alexandra

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
416 Seiten
Deutsch
Penguin Random Houseerschienen am04.03.2019
Zwölf Jahre ist es her, dass die junge Künstlerin Alexandra und Marc geheiratet haben. Seitdem ist sie eine liebende Ehefrau und Mutter zweier Töchter. Bis sie eines Tages spurlos verschwindet. Die Polizei findet nur ihre blutige Kleidung am Flussufer, und plötzlich wird aus der Vermisstensuche eine Mordermittlung. Doch Alexandra lebt. Weit weg von ihren Lieben wird sie gegen ihren Willen festgehalten. Verzweifelt muss sie auf Videos mitansehen, wie sich ihre Familie quält. Marc ist außer sich. Auf eigene Faust begibt er sich auf die Suche nach seiner Frau. Und die Geheimnisse, die er ans Licht bringt, machen eines deutlich: Niemand kennt Alexandra wirklich, nicht einmal er.

Natasha Bell ist in Somerset aufgewachsen und hat Englische Literatur an der Universität von York studiert. Sie hat außerdem einen Master in Creative Writing von der Goldsmith University London. Die Autorin lebt im Südosten von London.
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Verfügbare Formate
TaschenbuchKartoniert, Paperback
EUR10,00
E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
EUR2,99

Produkt

KlappentextZwölf Jahre ist es her, dass die junge Künstlerin Alexandra und Marc geheiratet haben. Seitdem ist sie eine liebende Ehefrau und Mutter zweier Töchter. Bis sie eines Tages spurlos verschwindet. Die Polizei findet nur ihre blutige Kleidung am Flussufer, und plötzlich wird aus der Vermisstensuche eine Mordermittlung. Doch Alexandra lebt. Weit weg von ihren Lieben wird sie gegen ihren Willen festgehalten. Verzweifelt muss sie auf Videos mitansehen, wie sich ihre Familie quält. Marc ist außer sich. Auf eigene Faust begibt er sich auf die Suche nach seiner Frau. Und die Geheimnisse, die er ans Licht bringt, machen eines deutlich: Niemand kennt Alexandra wirklich, nicht einmal er.

Natasha Bell ist in Somerset aufgewachsen und hat Englische Literatur an der Universität von York studiert. Sie hat außerdem einen Master in Creative Writing von der Goldsmith University London. Die Autorin lebt im Südosten von London.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783641210670
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2019
Erscheinungsdatum04.03.2019
Seiten416 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse4048 Kbytes
Artikel-Nr.4170733
Rubriken
Genre9200

Inhalt/Kritik

Leseprobe


DONNERSTAG, 21. FEBRUAR 2013

DER ANFANG

Marc saß auf der untersten Stufe und versuchte, nicht gleich das Schlimmste zu denken. Die Stimme fuhr fort: »Die große Mehrheit der Vermissten taucht unversehrt in den ersten achtundvierzig Stunden wieder auf, Mr. Southwood. Es gibt keinen Grund zur Panik.« Darauf folgte eine Pause. Marc wusste, das sollte ihn trösten. Einfach abwarten, bis seine Frau mit einer völlig schlüssigen Erklärung nach Hause käme.

Der Officer wünschte ihm einen guten Abend und legte auf. Als ob das Problem damit erledigt wäre. Als ob Marc sich damit besser fühlen würde.

Sechs Stunden vorbei, blieben zweiundvierzig.

Ich wünschte, ich könnte bei ihm sein. Ich würde erst die Arme und dann die Beine um ihn schlingen und mich an ihn klammern, bis wir die Balance verlieren und im Flur zu Boden fallen. Ihm mit meiner Berührung das zu verstehen geben, was er an dem Abend wissen musste: Ich bin hier. Gleich hier.

Er stand auf, unterbrach die Verbindung, legte den Hörer auf die Station und damit gleichzeitig seinen einzigen Plan, etwas zu unternehmen, ad acta. Seine Armhaare stellten sich auf, und er zitterte zum stummen Rhythmus von da stimmt was nicht, da stimmt was nicht, da stimmt was nicht.

Vielleicht hätte er die Polizei nicht anrufen sollen. Schließlich bin ich eine erwachsene Frau. Vielleicht war es ein bisschen übertrieben, mich gleich als vermisst zu melden. Ich hatte doch keinen Hausarrest.

Aber ich war Mutter. Meine Kinder waren zu Hause und ich nicht. Das sieht ihr gar nicht ähnlich, hatte Marc vor einer Minute zum Officer gesagt. Dabei fühlte er sich, als würde er jammern; diese kindische Aussage war natürlich lächerlich, wenn man erklären wollte, wie absolut unnormal es war, dass eine Frau, die immer nach Hause kommt, Tag für Tag, Jahr für Jahr, an diesem Tag nicht heimkommt.

Ich hätte zu Hause sein sollen, als er mit den Mädchen vom Schwimmen kam. Wir hätten uns etwas zu essen bestellt. Dann hätten wir bei Chow mein zusammengesessen und uns über Alltägliches wie Tage der offenen Tür und Budgetkürzungen unterhalten.

Er versuchte noch einmal, mich anzurufen. Aus, wie immer. »Meine kleine Technikfeindin« nannte er mich immer, wenn er mich fragte, ob ich ein iPhone zum Geburtstag wolle, und ich darauf antwortete, ich sei völlig zufrieden mit meinem zwei Jahre alten Gerät. Damit konnte man telefonieren und E-Mails lesen - was wollte ich mehr? Vielleicht hätte er mich mehr damit triezen sollen. Jeder andere Mann hätte mir einfach eins geschenkt, unsere Kalender und Adressbücher synchronisiert und eine App heruntergeladen, mit der er mich überwachen konnte, damit ich nicht verloren ging.

»Es ist Donnerstag, Herrgott noch mal«, sagte Marc laut. Er ging zum Fenster und sah wieder auf die Straße. Ohne triftigen Grund würde ich unseren Donnerstagabend mit bestelltem Essen nicht verpassen.

Er kratzte sich an der linken Schläfe.

Dem Officer hatte er es zu erklären versucht. Hieß er Jones? Officer Jones glaubte, wir hätten uns gestritten. Ständig verschwanden Menschen.

Ich allerdings nicht.

Ich hatte den Tag bei der Arbeit verbracht. Marc hatte meine Kollegin Paula angerufen und sich bei ihr erkundigt. Sie sagte, sie sei mit mir zusammen aus dem Gebäude gegangen. Ich hätte ihr ein schönes Wochenende gewünscht, da sie Freitag wegen einer Hochzeit im Familienkreis Urlaub habe. Sie werde sich bemühen, hatte sie geantwortet, weil sie solche Veranstaltungen nicht leiden könne, und zum Abschied hätten wir uns zugewinkt.

Seit dem Gespräch waren mehrere Stunden vergangen. Jetzt war es dreiundzwanzig Uhr. Draußen war es dunkel.

Bei solchen Vorkommnissen machte sich mein Mann Sorgen. Dabei spielte es keine Rolle, dass ich vor unserem Kennenlernen allein gelebt hatte. Auch nicht, dass ich über ein Jahr durch die Straßen von Chicago geschlendert war, ganz die optimistische Studentin mit einer Rüstung aus Pabst-Best-Bier gegen die Kriminalitätsstatistik. Es spielte keine Rolle, dass ich einen Fallschirmsprung gemacht hatte, dass ich bei meiner ersten Skitour auf eine schwarze Piste geraten, dass ich mit dem Rucksack durch Indien gezogen war und in Manhattan mit Kakerlaken in einem besetzten Haus gewohnt hatte. Mein Mann hielt mich für leicht zerbrechlich. Er holte mich vom Zug ab und brachte mich nach Hause. Er wollte mich beschützen.

Sollte er die Straßen absuchen? Erwartete man das von ihm? Vielleicht könnte er einen Nachbarn bitten, auf die Mädchen aufzupassen. Aber wohin sollte er gehen? Suchte man normalerweise in Pubs und Bars?

Marc redete sich an diesem Abend ein, wir seien ein normales Paar. Normalität hatten wir niemals angestrebt. Wir hatten uns für einmalig gehalten. Für etwas Besonderes. Aber unnormale Dinge passieren normalen Leuten nicht. Deshalb waren wir an diesem Abend normal. Und im Rahmen dieser Normalität, in dem die alltäglichen Befürchtungen schwerer wogen als die schlimmsten Ängste, interessierte sich mein Mann vor allem dafür, was andere über uns dachten. Hinter seiner Sorge um mich machten sich banale Bedenken breit: Hielt Officer Jones ihn für albern? Meinte Paula, er würde übertreiben? Hatte er sich lächerlich gemacht?

Ich wäre natürlich nicht in einer Bar; ich trank ja nicht einmal. Bushaltestellen? Restaurants? Bibliotheken, die nachts geöffnet waren? Wir lebten in York und in der Realität, nicht in dem London, das man beim Marathonschauen einer dramatischen Staffel Spooks sieht. Wir wohnten in einer pittoresken Touristenstadt, in der die Polizei schlimmstenfalls mal ein gestohlenes Fahrrad aus dem verschmutzten Fluss fischte. Außerdem verabscheute ich die Stadt, wenn sich die gepflasterten Gassen und denkmalgeschützten Kneipen mit torkelnden Nachtschwärmern in schicken Klamotten füllten.

Er ging in die Küche und machte sich eine Tasse Tee. Al würde lachen, dachte er. Wenn sie hier wäre.

Vermutlich hätte ich eher die Augen verdreht oder die Hände in die Hüften gestemmt und ihn angesehen, als würde ich »ernsthaft?« fragen. Aber vielleicht bin ich so, wenn ich in die Defensive gehe. Unter anderen Umständen hätte ich mich wohl über meinen typisch britischen Ehemann lustig gemacht. Von hier aus ist das schwer einzuschätzen.

Zumindest schliefen Charlotte und Lizzie. Er hatte ihnen gesagt, ich müsse Überstunden machen. Gern log er sie nicht an, aber was sollte er einer Sieben- und einer Zehnjährigen schon erzählen? »Ich habe keine Ahnung, wo Mummy ist, Mädels, und ich mag mir nicht vorstellen, dass sie irgendwo tot im Straßengraben liegt, also esst schön eure Nudeln, und danach lese ich euch eine Gutenachtgeschichte vor.«

Ich lag nicht tot im Straßengraben.

Das konnte er doch nicht denken.

Diese Dinge waren nicht passiert.

Nicht hier.

Nicht uns.

Für meine Abwesenheit würde es eine vollkommen logische Erklärung geben, und morgen würden wir darüber lachen. Ich würde kreischen, dachte er, wenn ich herausbekäme, dass er bei der Polizei angerufen hatte. Das würde bei Dinnerpartys immer wieder auf den Tisch kommen: Als er damals durchgedreht ist, weil ich auf dem Sofa einer Freundin eingeschlafen war. Die Gäste würden sich vor Lachen kringeln, und er würde ordentlich rot werden und glücklich den schüchternen Narren für die weibliche Hauptdarstellerin geben. Ich kann mir immer noch eine Zukunft vorstellen, die so aussehen würde.

Aber er rief bei unseren Freunden an. Natürlich zuerst bei Patrick. Sie kennen sich seit der Uni, und Marc fragt ihn immer um Rat. Allerdings ging seine Frau Susan dran; Patrick war nicht da. Er versuchte es bei Fran und Ollie, die auch zu unserer Partyclique gehören. Patrick hatte uns alle vor Jahren miteinander bekannt gemacht, als er und Fran zusammen in derselben Praxis gearbeitet hatten, ehe Fran »Verrat beging« und einen Job in einer Privatklinik annahm. Diese Freunde haben wir jede Woche getroffen, sind mit ihnen in die Ferien gefahren, haben auf ihre Kinder aufgepasst, wenn sie Hilfe brauchten; sie waren in York unsere Familie. Marc hat es auch mit meiner alten Schulfreundin Philippa versucht, dann mit ein paar Nummern aus der Schulpflegschaft. Niemand hatte mich seit unserer Valentinsparty gesehen. Super Abend. Sag Alex, ihr Kostüm war göttlich.

Natürlich, Susan, sobald ich sicher bin, dass ihr Herz noch schlägt, erzähle ich ihr das ganz bestimmt als Erstes.

Das war nicht Susans Schuld. Er hätte sie nicht so anfahren sollen. Aber man kann sich drauf verlassen, dass sie immer die Optimistin gibt und noch das lächerlichste Drama herunterspielt. Er hat sich vorgenommen, sich bei ihr zu entschuldigen, sobald die Sache vorbei ist.

Vorbei.

Trotz seiner Panik konnte er noch klare Gedanken fassen. Die schlimmsten Dinge im Leben und die fürchterlichsten Albträume passieren nicht alle auf einmal. Sie schleichen sich an, nisten sich nach und nach in unseren Köpfen ein und bohren sich langsam hinein, sodass wir, wenn sie endlich wahr werden, fast schon das Gefühl haben, wir würden sie gut kennen. Wenn mein Mann eine Ahnung gehabt hätte, welches Grauen ihm noch bevorstand, hätte er die Nacht nicht überlebt. Im Augenblick klammerte er sich an die Hoffnung.

Das Wasser kochte, aber er wollte keinen Tee mehr. Er wollte, dass seine Frau nach Hause und mit ihm ins Bett kam. Er gähnte. Er war früh aufgestanden, um noch Klausuren zu korrigieren. Er hatte es gestern Abend nicht mehr geschafft, und die Mädchen wollten ein Gesellschaftsspiel machen. Ich weiß noch, wie ich geschmollt habe, weil er sich mit Charlotte zusammengetan hat. Sie haben...

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Autor

Natasha Bell ist in Somerset aufgewachsen und hat Englische Literatur an der Universität von York studiert. Sie hat außerdem einen Master in Creative Writing von der Goldsmith University London. Die Autorin lebt im Südosten von London.