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Meine Königin

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
152 Seiten
Deutsch
Insel Verlag GmbHerschienen am11.03.2019Deutsche Erstausgabe
Sommer in der Provence: Der zwölfjährige Shell lebt mit seinen Eltern auf deren Tankstelle. In die Schule geht er nicht mehr, stattdessen liebt er es, mit Streichhölzern zu zündeln, schicke Autos vollzutanken und die Zapfsäulen zu polieren. Shell ist anders als andere Kinder. Als seine Eltern ihn auf eine Sonderschule schicken wollen, beschließt er, fortzugehen. In den Krieg, den er im Fernsehen immer sieht. Er will seinen Eltern und überhaupt allen beweisen, dass er kein Kind mehr ist, sondern ein richtiger Mann. Im nahe gelegenen Hochplateau hinter der Tankstelle findet Shell zwar keinen Krieg, aber dafür einen scheuen Schäfer und Viviane - ein Mädchen, das ihn verzaubert. Mit ihr scheint plötzlich alles möglich. Das Plateau wird ihr Spielfeld, ihr eigenes Reich. Doch eines Tages taucht Viviane nicht mehr auf, und Shell begibt sich auf die gefährliche Suche nach seiner neuen Freundin - dem ersten Menschen, der ihn wirklich versteht.

Meine Königin ist eine Ode an die Freiheit, an die Phantasie und das Anderssein. Mit warmherzigem Humor erzählt Jean-Baptiste Andrea von der Freundschaft zwischen zwei Einzelgängern - und davon, wie fabelhaft die Welt sein kann, wenn man sie mit etwas anderen Augen betrachtet.



Jean-Baptiste Andrea, geboren 1971, ist ein französischer Filmregisseur und Drehbuchautor. Meine Königin ist sein erster Roman, der in Frankreich zahlreiche Preise gewonnen hat.
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Verfügbare Formate
TaschenbuchKartoniert, Paperback
EUR12,95
E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
EUR10,99

Produkt

KlappentextSommer in der Provence: Der zwölfjährige Shell lebt mit seinen Eltern auf deren Tankstelle. In die Schule geht er nicht mehr, stattdessen liebt er es, mit Streichhölzern zu zündeln, schicke Autos vollzutanken und die Zapfsäulen zu polieren. Shell ist anders als andere Kinder. Als seine Eltern ihn auf eine Sonderschule schicken wollen, beschließt er, fortzugehen. In den Krieg, den er im Fernsehen immer sieht. Er will seinen Eltern und überhaupt allen beweisen, dass er kein Kind mehr ist, sondern ein richtiger Mann. Im nahe gelegenen Hochplateau hinter der Tankstelle findet Shell zwar keinen Krieg, aber dafür einen scheuen Schäfer und Viviane - ein Mädchen, das ihn verzaubert. Mit ihr scheint plötzlich alles möglich. Das Plateau wird ihr Spielfeld, ihr eigenes Reich. Doch eines Tages taucht Viviane nicht mehr auf, und Shell begibt sich auf die gefährliche Suche nach seiner neuen Freundin - dem ersten Menschen, der ihn wirklich versteht.

Meine Königin ist eine Ode an die Freiheit, an die Phantasie und das Anderssein. Mit warmherzigem Humor erzählt Jean-Baptiste Andrea von der Freundschaft zwischen zwei Einzelgängern - und davon, wie fabelhaft die Welt sein kann, wenn man sie mit etwas anderen Augen betrachtet.



Jean-Baptiste Andrea, geboren 1971, ist ein französischer Filmregisseur und Drehbuchautor. Meine Königin ist sein erster Roman, der in Frankreich zahlreiche Preise gewonnen hat.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783458762423
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2019
Erscheinungsdatum11.03.2019
AuflageDeutsche Erstausgabe
Reihen-Nr.4691
Seiten152 Seiten
SpracheDeutsch
Artikel-Nr.4170780
Rubriken
Genre9201

Inhalt/Kritik

Leseprobe


Ich fiel und fiel und hatte vergessen, warum. Als wäre ich schon immer gefallen. Sterne zogen über meinen Kopf hinweg, unter meinen Füßen her, sie waren überall. Ich ruderte, wollte mich an ihnen festhalten, aber ich griff nur ins Leere. Ich wirbelte in einem Strom feuchter Luft.

Der Wind heulte zwischen meinen Fingern, alles raste, ich fühlte mich zurückversetzt in die Zeit, als wir in der Schule die hundert Meter liefen und die anderen sich ausnahmsweise mal nicht über mich lustig machten. Mit meinen langen Beinen hatte ich sie alle geschlagen. Nur jetzt waren meine Beine zu nichts nutze, sie fielen genauso wie ich. Wie die letzten Deppen.

In der Ferne schrie jemand. Ich musste mich daran erinnern, wieso ich hier war, ja, das war wichtig. Man fällt nicht einfach so, ohne Grund. Ich schaute hinter mich, aber hinten, das hieß gar nichts mehr. Alles änderte sich andauernd, so schnell, dass ich am liebsten geweint hätte.

Bestimmt hatte ich eine Riesendummheit gemacht. Das würde Schimpfe geben oder Schlimmeres, dabei konnte ich mir gar nicht vorstellen, was schlimmer war, als ausgeschimpft zu werden. Ich rollte mich zusammen, so wie ich es immer machte, wenn Macret mich verprügelte, das war ein bekannter Trick, dann tat es nicht so weh. Jetzt musste ich nur noch warten. Ich würde schon irgendwo ankommen.

Das war im Sommer 1965, im tollsten aller Sommer, und mein Sturz nahm kein Ende.

So oft hatte ich zu hören bekommen, ich sei ja zum Glück bloß ein Kind, dass es kam, wie es kommen musste. Ich wollte ihnen beweisen, dass ich ein Mann war. Und Männer, klar, die führen Krieg, das sah ich immer im Fernsehen, wenn die Tankstelle geschlossen war und meine Eltern beim Abendessen vor dem alten bauchigen Kasten saßen.

Damals kamen nicht mehr viele Autos über die Straße, an der wir wohnten und die ins Asse-Tal hinunterführte, in einem vergessenen Winkel der Provence. Unsere Tankstelle war bloß ein klappriges Schutzdach mit zwei Zapfsäulen darunter. Früher hatte mein Vater die Zapfsäulen regelmäßig poliert, aber mit dem Alter und mangels Kundschaft hatte er es aufgegeben. Mir fehlte der Glanz der Zapfsäulen. Alleine durfte ich sie nicht mehr putzen, weil ich beim letzten Mal am Ende patschnass war. Meine Mutter hatte ein Donnerwetter losgelassen: als hätte sie nicht schon genug am Hals mit einem nichtsnutzigen Mann und einem minderbemittelten Sohn. Wenn meine Mutter ihre Zustände kriegte, hielten mein Vater und ich den Mund. Stimmte ja auch, sie hatte alle Hände voll zu tun mit uns, an den Waschtagen vor allem, mit den ölverschmierten Overalls aus der Werkstatt. Und genauso stimmte es, dass ich bloß den Eimer zu nehmen brauchte, schon spritzte das ganze Wasser. Ich konnte nichts dafür, so war es nun mal.

Meine Eltern redeten nicht viel. Wir wohnten in einem Haus gleich hinter der Tankstelle, einem rechteckigen Klotz aus Betonsteinen, die mein Vater nie zu Ende verputzt hatte. Die einzigen Geräusche kamen vom Fernseher, von den Lederpantoffeln auf dem Linoleum und vom Wind, der den Berg herabgefegt kam und sich zwischen der Felswand und der Wand meines Zimmers verfing. Nur wir sprachen kaum ein Wort, wir hatten uns schon alles gesagt.

Einmal im Jahr kam meine Schwester zu Besuch. Sie war fünfzehn Jahre älter als ich, war verheiratet und wohnte weit weg. Zumindest sah es weit weg aus, wenn sie es mir auf der Landkarte zeigte. Ihr Besuch endete jedes Mal mit einem Streit zwischen den Eltern und ihr. Sie meinte, eine Tankstelle an einem so abgelegenen Ort, das wäre nichts für mich. Ich verstand nicht recht, warum, die Tankstelle war doch ganz prima, abgesehen von den schmutzigen Zapfsäulen. Sobald sie wieder gefahren war, schaute ich auf die Karte, und jedes Mal fragte ich mich, was es dort, wo sie wohnte, Besseres gab.

Irgendwann stellte ich ihr die Frage direkt. Sie strich mir übers Haar und sagte, in ihrer Stadt hätte ich Freunde in meinem Alter, Leute, mit denen ich mich unterhalten könnte. Und wollte ich nicht vielleicht eines Tages eine Frau kennenlernen? Frauen kannte ich besser, als sie gedacht hätte, aber ich sagte nichts. Meine Schwester fragte weiter: Unsere Eltern waren alt, was würde aus mir, wenn sie nicht mehr da wären? Ich wusste, wenn es von jemandem hieß, er sei »nicht mehr da«, dann für immer, er kam nicht wieder. Ich antwortete, um die Tankstelle würde ich mich schon allein kümmern, und sie tat, als würde sie mir glauben, aber ich sah genau, dass sie log. Mir war das egal. Insgeheim freute ich mich darauf, eines Tages die Zapfsäulen auf Hochglanz zu polieren.

In einem hatte meine Schwester recht. Freunde hatte ich keine. Das nächste Dorf war zehn Kilometer entfernt. Die Jungs aus der Schule hatte ich nicht mehr gesehen, seit ich nicht mehr hinging. Ich sah nur die Autofahrer, die bei uns anhielten und denen ich stolz den Tank füllte, in meiner schönen Shell-Jacke, die mein Vater mir gegeben hatte. Das war, bevor Shell mitkriegte, dass wir nicht genug Benzin verkauften, wir mussten dann zu einer italienischen Marke wechseln, denen war das egal. Aber die Jacke habe ich trotzdem weiter angezogen. Die Kunden sprachen mit mir und waren sehr freundlich, oft bekam ich ein Trinkgeld in die Hand gedrückt, und meine Eltern erlaubten mir, das selbst verdiente Geld zu behalten. Wir hatten sogar ein paar Stammkunden, Matti zum Beispiel. Aber keine Freunde.

Mich störte das nicht. Mir ging es gut dort.

Weggegangen bin ich wegen einer Zigarette.

Das Tal war gerade aus einem harten Winter erwacht und auf den Sommer geprallt, da hatte es den armen Frühling zerquetscht. Ein Kunde hatte das so gesagt, ich fand das lustig, das war wie der Wind zwischen meinem Zimmer und dem Berg.

Zu den Aufgaben, die ich anvertraut bekam, gehörte auch, dafür zu sorgen, dass immer Toilettenpapier in dem Kabuff mit dem C an der Tür war - das W war abgefallen, und wir hatten es nicht wieder drangemacht, als wir herausfanden, dass es sich hervorragend als Untersetzer eignete. Toilettenpapier, na ja, das ist ein großes Wort für eine in viereckige Stücke geschnittene Zeitung, aber genau das mochte ich so gern, die Vierecke schneiden. Dabei musste ich aufpassen, dass ich nicht eine Zeitung zerschnitt, die mein Vater noch nicht ausgelesen hatte. Einmal habe ich mir dafür eine Ohrfeige eingefangen, und ich sollte die Sportseite wieder zusammenkleben. Aber dann stellte sich heraus, dass ein Kunde ausgerechnet das Blatt mit den Ergebnissen benutzt hatte. Ich bekam eine zweite Ohrfeige.

Es war zwei Uhr an dem Tag, an dem ich wegging, und bisher hatte nur ein Auto gehalten, ein blauer R4. An den R4 erinnere ich mich natürlich noch gut. Die Felswand hinter der Tankstelle glühte wie ein Stahlblech. Eine Stunde lang hatte ich Papier geschnitten und war ins C gegangen, wie wir das Klo nannten, um es reinzulegen. Ich hielt immer die Luft an in dem Kabuff, schon als kleines Kind konnte ich Gestank nicht ausstehen. Und selbst wenn tagelang niemand das C aufgesucht hatte, roch es dort unangenehm nach muffiger Erde, ein Geruch, den ich mit dem Tod in Verbindung brachte, mit dem Kompost, in dem es von allem Möglichen wimmelte und den meine Mutter um die Geranie streute, die einzige Blume auf der Tankstelle. Die Pflanze ging regelmäßig ein, aber meine Mutter ersetzte sie jedes Mal. Mein Vater konnte ihr noch so laut sagen, der Kompost würde ihre Geranie umbringen, sie hörte nicht auf ihn.

Ich wollte das Kabuff gerade verlassen, als ich eine Zigarettenschachtel bemerkte, die unters Waschbecken gefallen war. Es waren noch zwei Zigaretten drin. Ich hatte noch nie geraucht, mein Vater erzählte immer, dass er im Krieg gesehen hatte, wie ein Mann, der beim Tanken rauchte, in Flammen aufgegangen war. Eine ganze Zisterne hatte man gebraucht, um ihn zu löschen, denn kaum dachten die Feuerwehrleute, sie hätten es geschafft, stand er wieder in Flammen. Ich nehme an, mein Vater hat übertrieben, damit wir es auch wirklich kapierten. Bei uns hing ein riesiges Schild mit einer durchgestrichenen Zigarette über den Zapfsäulen.

Aber ich war weit weg von den Zapfsäulen, weit weg vom Haus, und zur Sicherheit setzte ich mich auf den kleinen Felsvorsprung hinterm Klo. Streichhölzer hatte ich dabei, die waren immer nützlich, um ein Insekt zu verbrennen. Einmal hatte ein Kunde das mitgekriegt und mich ein »grausames Arschloch« genannt, aber in der Schule, fiel mir ein, hatten wir...

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Autor

Jean-Baptiste Andrea, geboren 1971, ist ein französischer Filmregisseur und Drehbuchautor. Meine Königin ist sein erster Roman, der in Frankreich zahlreiche Preise gewonnen hat.