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Am Ende der Zeit

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
480 Seiten
Deutsch
Penguin Random Houseerschienen am11.03.2019
Shannon Moss ist Spezialagentin und Sonderermittlerin. Als sie zum Tatort gerufen wird, an dem die Familie eines Ex-Navy-SEALs ermordet wurde, entdeckt sie schon bald, dass der Exsoldat mit einem streng geheimen Raumfahrtprogramm in Verbindung stand. Aber was war so geheim an Bord des Raumschiffs, dass Moss durch die Zeit reisen muss, um der Spur des Mörders nachzugehen? Wohin ist der Exsoldat verschwunden? Und welches Grauen wartet an den Grenzen der Zeit selbst?

Thomas Carl Sweterlitsch hat seinen Master in Literaturwissenschaft und Kulturtheorie an der Carnegie Mellon University gemacht und danach zwölf Jahre in der Carnegie Library gearbeitet. Nach seinem Debütroman Tomorrow & Tomorrow hat er mit Am Ende der Zeit international Bekanntheit erlangt. Er lebt mit Frau und Tochter in Pittsburgh, Pennsylvania.
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Produkt

KlappentextShannon Moss ist Spezialagentin und Sonderermittlerin. Als sie zum Tatort gerufen wird, an dem die Familie eines Ex-Navy-SEALs ermordet wurde, entdeckt sie schon bald, dass der Exsoldat mit einem streng geheimen Raumfahrtprogramm in Verbindung stand. Aber was war so geheim an Bord des Raumschiffs, dass Moss durch die Zeit reisen muss, um der Spur des Mörders nachzugehen? Wohin ist der Exsoldat verschwunden? Und welches Grauen wartet an den Grenzen der Zeit selbst?

Thomas Carl Sweterlitsch hat seinen Master in Literaturwissenschaft und Kulturtheorie an der Carnegie Mellon University gemacht und danach zwölf Jahre in der Carnegie Library gearbeitet. Nach seinem Debütroman Tomorrow & Tomorrow hat er mit Am Ende der Zeit international Bekanntheit erlangt. Er lebt mit Frau und Tochter in Pittsburgh, Pennsylvania.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783641162825
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2019
Erscheinungsdatum11.03.2019
Seiten480 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse2229 Kbytes
Artikel-Nr.4204263
Rubriken
Genre9200

Inhalt/Kritik

Leseprobe


PROLOG

2199

Man hatte sie gewarnt, dass sie Dinge sehen würde, die ihr Verstand nicht begreifen konnte. Ein toter Wald im Winter - ein niemals endender Winter, die Bäume geschwärzt von altem Feuer und überzogen mit Eis, viele Stämme umgestürzt, ein Gitter aus verkohlten Stangen. Stundenlang schlug sie sich bereits durch das Geflecht aus toten Kiefern, trotzdem hielt ihr Raumanzug sie warm, ein Flachprofilmodell, das ihr genügend Bewegungsspielraum ließ. Der Anzug war orange, die Farbe für Trainees: Dies war ihr erster Ausflug in eine ferne Zukunft der Erde. In allen Richtungen sah sie nichts als den frostbleichen Himmel und den schneebedeckten, mit umgekippten Bäumen schraffierten Boden. Es gab zwei Sonnen: die fahle Scheibe des ihr vertrauten Gestirns und das grellweiße Leuchten der Erscheinung, die ihr Ausbilder als Weißes Loch bezeichnet hatte. Hier hatte einmal West Virginia gelegen.

Sie hatte sich weit vom Basislager entfernt und machte sich allmählich Sorgen, ob sie noch rechtzeitig für den Abtransport zum Quadlander zurückfinden würde. Ein Dosimeter maß ihre Strahlenbelastung, und im Lauf der letzten Stunden hatte sich das Hellgrün der Anzeige zum olivfarbenen Ton eines Tümpels verdunkelt. Dieser Ort hatte sie infiziert, Luft und Boden waren verschmutzt mit einem Dunst aus Metallpartikeln, die so klein waren, dass sie durch den Anzug in ihren Körper eindrangen. QTNs, so hatte ihr Ausbilder sie genannt: quantentunnelnde Nanopartikel. Sie hatte ihn gefragt, ob QTNs wie ein Schwarm von Robotern waren, und er hatte geantwortet, sie sollte es sich eher wie Krebs vorstellen. Die Partikel nisteten sich in den Mikrotubuli der Zellen ein, und sobald sich eine ausreichende Zahl in ihr festgesetzt hatte, war sie verloren. Damit meinte er nicht den Tod, erläuterte er, nicht genau zumindest. Er stellte ihr in Aussicht, dass sie mit eigenen Augen würde beobachten können, wie QTNs auf menschliche Körper wirkten, auch wenn sich ihre Intuition vielleicht dagegen sträuben mochte; und vermutlich würde sie Widerwillen und ein starkes Bedürfnis empfinden, das Gesehene ungesehen zu machen.

Als sie sich an einem der noch stehenden Bäume vorbeischob, einer kahlen Kiefer in einer weißen Aschehaut, verwandelte sich auf einmal die Landschaft um sie herum. Noch immer herrschte Winter, und sie durchstreifte einen Wald, doch die Bäume waren nicht mehr verbrannt und umgestürzt. Die Kiefern waren jetzt von saftigem Grün, wenn auch bedeckt mit Schnee. Wie bin ich hierhergekommen? Sie schaute sich um: keine Spuren, nicht einmal ihre eigenen. Ich habe mich verirrt. Mit einiger Mühe hob sie die Füße aus den Verwehungen und schob sich voran durch Zweige und Nadeln. Dann auf einmal passierte sie wieder einen weiß verbrannten Baum, der aussah wie der von vorhin: tot, mit skelettartigen, aschfahlen Ästen. Oder war es derselbe? Ich muss mich im Kreis gedreht haben. Sie kletterte über Wurzeln und Steine, rutschte durch Schnee, suchte nach etwas Vertrautem, nach irgendeinem wiedererkennbaren Landschaftsmerkmal. Schließlich drängte sie sich durch eine Lücke zwischen den Kiefern und gelangte auf eine Lichtung, zum Ufer eines schwarzen Flusses. Im nächsten Moment entdeckte sie die hängende Frau und schrie.

Sie schwebte mit dem Kopf nach unten über dem schwarzen Wasser, mitten in der Luft, wie umgekehrt gekreuzigt, auch wenn es kein Kreuz gab. An ihren Hand- und Fußgelenken flackerte Feuer. Der Brustkorb stach seltsam aufgebläht von dem dünnen, völlig ausgemergelten Körper ab, über die Beine zogen sich schwarze Wundbrandstriemen. Das Gesicht war bläulich dunkel vom Blutstau, und das blassblonde Haar hing bis zur Oberfläche des Wassers hinunter. Dann erkannte sie sich selbst in der Gekreuzigten wieder und sank am Ufer des schwarzen Flusses auf die Knie.

Das muss eine Täuschung der QTNs sein, dachte sie. Ein abstoßender, unsinniger Anblick. Sie sind in mir und bringen mich dazu, dass ich so was sehe ...

Bei der Vorstellung, dass sich die QTNs in ihren Zellen, in ihrem Gehirn ansammelten, durchzuckten sie Blitze aus Panik. Trotzdem begriff sie, dass das keine Halluzination war, sondern dass die Gekreuzigte real war, so real wie sie, real wie der Fluss und das Eis und die Bäume. Sie überlegte, ob sie die Tote abschneiden sollte, doch ihr graute davor, sie zu berühren.

Dann ging ihre Strahlungsanzeige von Grün zu Senfgelb über, und sie rannte los. Sie schaltete ihre Notleuchte ein und versuchte krampfhaft, sich an den Ort des Basislagers zu erinnern. Der Wald um sie herum war ihr völlig fremd, und sie hatte keine Ahnung, wo sie sich befand. Durchgerüttelt vom eisigen Wind, mühte sie sich rutschend zurück durch den Schnee. Erneut kam sie an einem weißen Baum vorbei, der den anderen glich - o nein, das ist bestimmt derselbe. Eine verbrannte Kiefer, die Rinde ein Panzer aus Asche. Das Gelb ihrer Anzeige hatte sich zu rötlichem Beige verdunkelt. Nein, nein, nein! Wieder lief sie los und tauchte unter einem Büschel Zweige hindurch. Die Anzeige glomm hellrot. Übelkeit durchzuckte sie, und die Schwere in ihrem Blut ließ ihre Knie einknicken. Durch eine Lücke zwischen den Bäumen kroch sie weiter und stellte fest, dass sie wieder bei der Lichtung am Ufer des schwarzen Flusses war, am Ort ihrer Kreuzigung. Doch nun waren es zahllose Kreuzigungen, Tausende von Körpern, die entlang des Flusses mit dem Kopf nach unten hingen, nackte Männer und Frauen, die im Schein zweier Sonnen schrien.

»Was passiert da?« Ihre Worte verhallten ungehört.

Ihr Blick trübte sich, sie rang keuchend nach Luft. Als sie am Himmel Blitze wahrnahm, glaubte sie schon, das Bewusstsein zu verlieren, doch es waren die Lichter des Quadlanders Theseus. Die Notleuchte, dachte sie. Ich bin gerettet. Schwankend setzte das Landemodul im Eis der Lichtung auf und kam zum Stillstand.

»Hier.« Ihre Stimme war schwach. Sie versuchte zu rufen. »Hier drüben.«

Zwei Männer in den schmalen olivfarbenen Raumanzügen der Navy kletterten aus der Luke und steuerten auf den Fluss zu. »Hier bin ich.« Die beiden konnten sie nicht hören, sie waren zu weit weg. Mühsam robbte sie auf den Waldsaum zu, wollte aufstehen und zu ihnen hinüberlaufen, aber sie war viel zu schwach dafür. Sie sah, wie die Männer bis zur Hüfte in den Fluss wateten und die Gekreuzigte zu sich herunterzogen. Behutsam wickelten sie sie in schwere Decken.

»Nein, hier bin ich, ich bin hier.« Hilflos beobachtete sie, wie die Frau, diese andere Version ihrer selbst, an Bord des Landers getragen wurde.

»Ich bin hier«, krächzte sie. »Bitte.« Ihre Anzeige verdunkelte sich zu schlammigem Braun. In Erwartung des tödlichen Schwarz schloss sie die Augen.

Wie der Tritt eines Maultiers riss der einsetzende Schub sie aus der Bewusstlosigkeit, und sie begriff schlagartig, wo sie sich befand - in einer Kabine des Quadlanders, Hände und Füße an die Pritsche geschnallt, Kopf und Hals in einem gepolsterten Block gesichert. Alles war taub, sie zitterte, Decken waren um sie her befestigt, hüllten sie ein. Soeben flaute die g-Kraft des Starts ab, und sie fühlte Schwerelosigkeit.

»Bitte kehrt um«, murmelte sie. »Ich bin da unten. Bitte kehrt um, lasst mich nicht ...«

»Schon gut, Sie sind in Sicherheit.« Ihr Ausbilder schwebte durch die Kabine zu ihrer Pritsche. Er war viel älter als sie, mit silbrigem Haar, nur seine Augen wirkten jung. Mit ledrig weichen Händen prüfte er ihren Puls. »Sie haben bestimmt starke Schmerzen an den Hand- und Fußgelenken. Wie Sie gefesselt waren, weiß ich nicht, jedenfalls haben Sie Verbrennungen erlitten. Außerdem haben Sie ausgedehnte Erfrierungen von der Kälte.«

»Ich bin die Falsche.« Sie erinnerte sich, dass sie sich in ihrem orangefarbenen Trainee-Raumanzug kriechend am Waldsaum gesehen hatte. »Sie müssen mir glauben, bitte. Ich bin noch immer da unten. Bitte lasst mich nicht ...«

»Nein, Sie sind wieder auf der Theseus«, entgegnete ihr Ausbilder. »Wir haben Sie im Wald gefunden.« Er trug eine kurze blaue Sporthose und weiße Kniestrümpfe, dazu ein graues NCIS-T-Shirt. »Sie sind bloß durcheinander. Die QTNs haben Sie verwirrt. Die sind in Ihrem Blut. Sie haben eine gefährlich hohe Dosis abbekommen.«

»Das versteh ich nicht.« Sie versuchte sich zu erinnern, doch ihr Kopf war träge. »Was ist in meinem Blut? Ich weiß nicht, was QTNs sind.« Ihre Zähne klapperten, ihr Körper schlotterte. Unerträgliche Schmerzen harkten durch ihre Glieder wie blitzartig wuchernde Schösslinge, nur die Finger und Zehen schienen abgestorben. Sie erinnerte sich jetzt: Wie sie am Fluss aus ihrem Raumanzug gestiegen war und ihre Kleider abgestreift hatte. An die brennenden Blasen vom Eis an den Schultern. An das Feuer an Hand- und Fußgelenken. Dass sie mit dem Kopf nach unten über dem rauschenden schwarzen Wasser gehangen hatte, stundenlang, vielleicht sogar mehrere Tage. Sie hatte schon um ihren Tod gefleht, als sie bemerkte, wie sie zwischen den Kiefern auftauchte. »Ich versteh das nicht.« Sie weinte gegen den Schmerz an.

»Unsere Hauptsorge im Moment sind die Unterkühlung und die Erfrierungen.« Ihr Ausbilder schwebte näher heran und zog eine Ecke der Decke weg. »Ach, Shannon ...«

Sie hob den Kopf und erkannte, dass ihre Füße dunkelviolett und geschwollen waren, die umgebende Haut schuppig und gelblich. »Nein, o Gott. O Gott, nein, nein.« In ihrem Schockzustand hatte sie beinahe das Gefühl, dass diese Füße einer anderen gehörten, irgendjemandem, bloß...

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Autor

Thomas Carl Sweterlitsch hat seinen Master in Literaturwissenschaft und Kulturtheorie an der Carnegie Mellon University gemacht und danach zwölf Jahre in der Carnegie Library gearbeitet. Nach seinem Debütroman Tomorrow & Tomorrow hat er mit Am Ende der Zeit international Bekanntheit erlangt. Er lebt mit Frau und Tochter in Pittsburgh, Pennsylvania.
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Sweterlitsch, Thomas Carl