Hugendubel.info - Die B2B Online-Buchhandlung 

Merkliste
Die Merkliste ist leer.
Bitte warten - die Druckansicht der Seite wird vorbereitet.
Der Druckdialog öffnet sich, sobald die Seite vollständig geladen wurde.
Sollte die Druckvorschau unvollständig sein, bitte schliessen und "Erneut drucken" wählen.

In Liebe, dein Vaterland II

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
456 Seiten
Deutsch
Septime Verlagerschienen am08.03.2019
Japan befindet sich in einer dystopischen Gegenwart. Amerika lässt seinen einstigen Verbündeten im Stich und Hunderttausende von Obdachlosen ziehen durch das von einer gigantischen Wirtschaftskrise gebeutelte Land. Nordkorea, das seine Beziehungen zu den USA inzwischen verbessert hat, beschließt, die Schwäche des verhassten Nachbarn auszunutzen, und plant eine heimtückische Invasion. Getarnt als aus Nordkorea geflüchtete Dissidenten besetzt eine Einheit aus neun Elite-Soldaten das Baseball-Stadion der japanischen Hafenstadt Fukuoka und nimmt die 30.000 Zuschauer als Geiseln. Während die ohnmächtige japanische Regierung hysterisch sinnlose Maßnahmen ergreift, nimmt in Fukuoka ein absurder Albtraum seinen Lauf. Im Zuge der Geheimoperation 'In Liebe, Dein Vaterland' sollen weitere 120.000 Soldaten folgen und den Süden Japans in eine Provinz Nordkoreas verwandeln. Ryu Murakami zeichnet in seiner zweiteiligen Dystopie über einen möglichen Einmarsch nordkoreanischer Truppen im friedliebenden Japan eine bitterböse Satire über eine Nation, in der die Schere zwischen Arm und Reich zwar immer größer zu werden scheint, aber Tradition vor Effizienz gestellt wird; und die nordkoreanische Diktatur, die ohne Zweifel Jahrzehnte hinter der westlichen Welt zurückliegt. Unparteiisch, furios, zynisch und raffiniert durchdacht. Ein epischer Politthriller von beklemmender Aktualität, wie nur Altmeister Ryu Murakami ihn schreiben kann.

Ryu Murakami Jahrgang 1952, ist neben seiner Tätigkeit als Filmemacher einer der interessantesten japanischen Schriftsteller der Gegenwart. Mit dem Akutagawa-Preis ist er Inhaber des wichtigsten Japanischen Literaturpreis.
mehr
Verfügbare Formate
BuchGebunden
EUR26,00
E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
EUR19,99

Produkt

KlappentextJapan befindet sich in einer dystopischen Gegenwart. Amerika lässt seinen einstigen Verbündeten im Stich und Hunderttausende von Obdachlosen ziehen durch das von einer gigantischen Wirtschaftskrise gebeutelte Land. Nordkorea, das seine Beziehungen zu den USA inzwischen verbessert hat, beschließt, die Schwäche des verhassten Nachbarn auszunutzen, und plant eine heimtückische Invasion. Getarnt als aus Nordkorea geflüchtete Dissidenten besetzt eine Einheit aus neun Elite-Soldaten das Baseball-Stadion der japanischen Hafenstadt Fukuoka und nimmt die 30.000 Zuschauer als Geiseln. Während die ohnmächtige japanische Regierung hysterisch sinnlose Maßnahmen ergreift, nimmt in Fukuoka ein absurder Albtraum seinen Lauf. Im Zuge der Geheimoperation 'In Liebe, Dein Vaterland' sollen weitere 120.000 Soldaten folgen und den Süden Japans in eine Provinz Nordkoreas verwandeln. Ryu Murakami zeichnet in seiner zweiteiligen Dystopie über einen möglichen Einmarsch nordkoreanischer Truppen im friedliebenden Japan eine bitterböse Satire über eine Nation, in der die Schere zwischen Arm und Reich zwar immer größer zu werden scheint, aber Tradition vor Effizienz gestellt wird; und die nordkoreanische Diktatur, die ohne Zweifel Jahrzehnte hinter der westlichen Welt zurückliegt. Unparteiisch, furios, zynisch und raffiniert durchdacht. Ein epischer Politthriller von beklemmender Aktualität, wie nur Altmeister Ryu Murakami ihn schreiben kann.

Ryu Murakami Jahrgang 1952, ist neben seiner Tätigkeit als Filmemacher einer der interessantesten japanischen Schriftsteller der Gegenwart. Mit dem Akutagawa-Preis ist er Inhaber des wichtigsten Japanischen Literaturpreis.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783903061675
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2019
Erscheinungsdatum08.03.2019
Seiten456 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse911 Kbytes
Artikel-Nr.4211720
Rubriken
Genre9201

Inhalt/Kritik

Leseprobe

Phase Two 5

 

6. April 2011

 

Das Totenschiff

 

 

Noch immer nichts. Mori sah auf die Uhr an seinem linken Handgelenk. Sechs Minuten nach zwölf Uhr mittags. Felix, der den Polizeifunk abhörte, hatte gesagt, die Koryos seien auf dem Weg nach Odo und würden um zwölf in der alten städtischen Siedlung dort eintreffen. Mori und Toyohara hatten ihre Fahrräder an einem Kobini direkt vor der Atagobashi abgestellt, einer Brücke über den Muromi. Versteckt hinter einem der massiven Betonpfeiler, die die Stadtautobahn A1 stützten, blickten sie in Richtung Yokatopia-Straße. Nicht dass es ihnen jemand aufgetragen hätte, aber Mori, Besitzer eines Fahrrads, hatte einfach von sich aus beschlossen, mal zu gucken. Toyohara war mitgefahren, weil auch er ein Fahrrad hatte und außerdem ein Fernglas, das er so fest umklammert hielt, dass seine Fingerknöchel ganz weiß waren.

Die nordkoreanischen Truppen lagerten vor dem Hochhaushotel Sea Hawk in der Nähe des Fukuoka Domes. Sie nannten sich Expeditionskorps Koryo, aber in Ishiharas Gruppe sprachen alle nur von den »Koryos«. Ando hatte sie zuerst so genannt, und allen hatte dieser Name gefallen. Er hatte einen gewissen Witz.

Mittlerweile hatten die Koryos täglich eine halbstündige Fernsehsendung bei NHK Fukuoka, in der sich eine Moderatorin mit dem »Propaganda- und Führungsoffizier« Jo Su-ryeon unterhielt. Dieser hatte heute angekündigt, dass Unterkünfte für die nachkommenden 120.000 Soldaten auf dem aufgeschütteten Land in Odo und anderen Teilen des westlichen Bezirks errichtet werden sollten. Die Ausschreibungen seien beendet und man könne sofort mit den Bauarbeiten beginnen, die sicherlich eine wirtschaftliche Neubelebung Fukuokas zur Folge haben würden. Jo lächelte. Jede wie auch immer geartete Aggression gegen die Neuankömmlinge würde mit Vergeltungsmaßnahmen in Tokio und anderen japanischen Städten geahndet, fügte er nicht gerade in drohendem, aber doch unmissverständlichem Ton hinzu. Diese Gespräche wurden stets von 8.30 Uhr bis 9.00 Uhr ausgestrahlt, und andere NHK angeschlossene Sender auf KyÅ«shÅ« waren live zugeschaltet. In den Rundfunkanstalten außerhalb KyÅ«shÅ«s galt die Sendung jedoch als reine Propaganda, deshalb brachten diese nur Zusammenfassungen in ihren regulären Nachrichten.

Jo berichtete von den Verhaftungen der Volksfeinde, wie es aus Sicht des Expeditionskorps Koryo zu der Schießerei in DaimyÅ-itchÅme und dem Zwischenfall im Åhori-Park gekommen war und erläuterte die Pläne der Nordkoreaner für die Zukunft. Sie gewährleisteten freien Handel, aber nur unter besonderer Rücksichtnahme auf die arbeitende Bevölkerung. Jo geißelte die andauernde Blockade, die die japanische Regierung über die Bucht von Hakata und somit den Hafen verhängt habe, da sie den so entscheidenden Warenaustausch mit China, Südkorea und Taiwan behindere. Im Übrigen erkläre sich das Expeditionskorps Koryo bereit, UN-Inspektoren und -Beobachter in der besetzten Zone zuzulassen, sobald die Zeit reif sei, und garantiere eine baldige, dem Völkerrecht entsprechende Wiedereröffnung der südkoreanischen, chinesischen, amerikanischen und aller anderen Konsulate unter Gewährung ihrer exterritorialen Rechte. Durch seine Fernsehauftritte wurde Jo Su-ryeon zum prominentesten Mitglied des Expeditionskorps Koryo, und wegen seines guten Aussehens, seiner sonoren Stimme und seiner stets schlüssigen Erklärungen war er besonders bei den japanischen Damen äußerst beliebt. Selbst die NHK-Moderatorin, die man für die Gespräche mit ihm ausgewählt hatte, errötete jedes Mal, wenn er ihr in die Augen sah.

Auch Mori fragte sich, wie jemand, der der gleichen Spezies angehörte wie er, so anders aussehen konnte. Denn mit seiner rundlichen Statur und seinen Pausbacken hatte er große Ähnlichkeit mit einer Eule. Sein Gesicht war so weich und teigig wie ein frisches Brötchen, und Augen, Nase und Mund wirkten wie in diese Masse hineingedrückt. Jo Su-ryeons Wangenknochen hingegen hätten einer griechischen Statue alle Ehre gemacht. Seine Haut spannte sich so glatt und makellos darüber wie Kunststoff. Moris Äuglein lagen tief in ihren Höhlen wie Steinchen im Sand, während Jos schön geformte Augen die Klarheit tiefer stiller Bergseen besaßen.

Die unbewohnten Siedlungen und die verlassene Grundschule in Odo sollten vorläufig als Unterkünfte für die 120.000 Nachhutsoldaten von Koryo dienen. Den Landstreifen im Norden von Odo gab es schon länger, aber im Zuge der Wirtschaftskrise hatte sich die Bewohnerzahl stark vermindert, und einige Jahre zuvor hatte ein Taifun derartige Verwüstungen hinterlassen, dass sich die Siedlung mitsamt Grundschule in eine Geisterstadt verwandelt hatte. Koryo hatte der Stadt Fukuoka das gesamte Gebiet abgekauft und Angebote von Privatunternehmern eingeholt, die Kanalisation sowie die Wasser-, Strom- und Gasversorgung wieder in Stand setzen würden. Die Arbeiten sollten an diesem Nachmittag beginnen, und Mori und Toyohara warteten auf die bevorstehende Ankunft der Bausoldaten von Koryo.

Toyohara nahm die andere Seite der Brücke ins Visier. Er war ein stämmiger Typ mit kurzen Gliedmaßen und kahl geschorenem Kopf, und irgendwie sah es aus, als wüchse ihm das Fernglas aus dem Gesicht. Mori hätte auch gern mal durch den alten deutschen Feldstecher gesehen, aber er wusste nicht, wie er fragen sollte. Mori hatte keine Erfahrung damit, Dinge mit anderen zu teilen. Sein älterer Bruder hatte nie Spielzeug oder Schulsachen mit ihm geteilt. Als dieser ihre Eltern mit einem Küchenmesser niedergestochen hatte, war auch Mori schwer verletzt worden. Anschließend hatte sein Bruder sich selbst getötet, und Mori war in ein staatliches Waisenhaus gekommen, aber auch dort hatten die Kinder ihre Spiel- und Schulsachen nicht geteilt. Alles gehörte den Stärksten oder denen, die sich bei den Betreuern Liebkind machten.

Wenn Mori vor dem Einschlafen oder vor Erschöpfung die Augen schloss, sah er immer wieder die gleichen Szenen aus dem Waisenhaus vor sich. Der Gemeinschaftsraum war voller Kinder, die Videospiele oder mit Bauklötzen spielten, während er selbst allein am Fenster saß und hinausblickte. Auch draußen auf dem Sportplatz saß er allein unter einer Pappel, während die anderen Kinder Frisbee oder Fußball spielten oder Seil sprangen. Irgendetwas hatte Mori stets von Bauklötzen, Videospielen und Fußball ferngehalten, etwas, das schwieriger zu überwinden war als jede räumliche Entfernung. Und wie man sich etwas von jemandem auslieh, gehörte zu den Dingen, von denen er überhaupt nichts verstand.

Toyohara ließ das Fernglas sinken. Seine Hände wirkten blutleer. Er hatte die Angewohnheit, alles mit derart übertriebenem Kraftaufwand festzuhalten, dass seine Finger jedes Mal ganz weiß wurden. Zum Beispiel, wenn er die Griffe seines Fahrradlenkers umklammerte. Als er merkte, dass Mori sein Fernglas betrachtete, huschte sein Blick zwischen ihm und dem Fernglas hin und her. »Das ist ein deutsches Fabrikat«, erklärte er. »Ich weiß«, antwortete Mori, da Toyohara ihn bereits zum vierten Mal über diesen Umstand aufklärte. Es sah nicht aus wie eines dieser modernen kompakten Geräte, die man im Theater oder bei Sportveranstaltungen benutzte. Es hätte zu einem Offizier in einem alten Kriegsfilm gepasst. Die Metallteile glänzten tiefschwarz, aber das lederne Etui war rissig und der Riemen zerschlissen und verfärbt.

Mori war überzeugt, dass sich um das Fernglas eine besondere Geschichte rankte. Er mochte Bücher über historische Ereignisse und Kultur und hatte ein starkes Interesse an Dingen, die alt waren. Deshalb hätte er Toyohara auch gern gefragt, was es mit dem Fernglas auf sich habe, wusste aber nicht, wie er es anstellen sollte. Nicht dass ihm keine konkrete Frage eingefallen wäre, da gab es einige: Es sieht so elegant aus, hast du es von jemandem bekommen? Es scheint sehr alt, aus welcher Zeit es wohl stammt? Wie nah kann man das Sea Hawk dadurch sehen? Doch zugleich brachten ihn sein Interesse und seine vielen Fragen so durcheinander, dass er am Ende überhaupt nichts sagte.

Eigentlich hatte er sich noch nie richtig mit Toyohara unterhalten. An den letzten beiden Tagen hatten sie auf ihren Fahrrädern die Militärpolizei von Koryo verfolgt, unterwegs aber kaum miteinander gesprochen. Dabei war an beiden Tagen eine Menge geschehen, noch dazu ziemlich Fürchterliches. Besonders gestern. Viele Menschen waren ums Leben gekommen, dieser Offizier von Koryo hatte sich selbst in die Luft gejagt, und die Autokanone des Mannschaftstransportwagens hatte vor ihren Augen einen Bus zerfetzt. Dennoch hatten die beiden Jungen den ganzen Tag kaum drei Worte gewechselt. Natürlich hatte es auch an der Aufregung gelegen sowie an den Kugeln, die in nächster Nähe an ihnen vorbeigeschossen waren, aber auch später auf dem Heimweg hatten sie nicht über das Erlebte gesprochen.

Toyohara blickte etwa dreißig Sekunden auf das Fernglas in seiner Hand, dann vierzig Sekunden in Moris Gesicht, dann wieder zwanzig Sekunden auf das Fernglas, bevor er Mori noch einmal dreißig Sekunden nachdenklich anstarrte. Mori hatte den Eindruck, er überlegte, ob er ihm das Fernglas geben wollte, aber nicht wusste wie. Mori war nur 1,65 Meter groß und Toyohara noch einen halben Kopf kleiner, aber seine Schultern waren breit und muskulös und seine Arme und Beine bei all ihrer Kürze ausgesprochen kräftig. Ishihara nannte ihn manchmal sogar »Hulk«, weil es da eine gewisse Ähnlichkeit gab. Überdies hatte Toyohara außergewöhnlich viele Haare, seine Körperbehaarung reichte bis zum zweiten Finger- und Zehenglied. Seine Augenbrauen waren zusammengewachsen. Dafür hatte er ein kleines Babygesicht, aber das fiel kaum auf, weil sein Haaransatz fast bis an die Brauen...
mehr