Hugendubel.info - Die B2B Online-Buchhandlung 

Merkliste
Die Merkliste ist leer.
Bitte warten - die Druckansicht der Seite wird vorbereitet.
Der Druckdialog öffnet sich, sobald die Seite vollständig geladen wurde.
Sollte die Druckvorschau unvollständig sein, bitte schliessen und "Erneut drucken" wählen.

Das schöne Leben und der schnelle Tod

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
240 Seiten
Deutsch
FISCHER E-Bookserschienen am13.03.20191. Auflage
Am Ende der Sommerferien zieht Gabor, Mathegenie und Gamer, mit seiner Mutter in eine neue Stadt. In der Brennpunkt-Schule gibt ein Junge den Ton an: Mozart, aus reichem Hause stammend, der eine Gruppe Klassenkameraden wie eine Leibgarde um sich versammelt. Mozarts Erzrivale ist der bleich geschminkte Luzius. Und dann ist da noch die elfenhaft schöne Fee. Sie weiß, warum Mozart und Luzius sich bekriegen. Es geht um ein Mädchen, ein heimlich gedrehtes Video, um Erpressung. Was noch niemand weiß: Es geht um Rache. Das hier ist kein Computerspiel. Es ist das Leben.

Michael Wildenhain ist Autor von Romanen und Theaterstücken sowie von Kinder- und Jugendbüchern, über die er gern persönlich mit Schülern ins Gespräch kommt. Er arbeitet darüber hinaus als Fußballtrainer für Jugendliche. Für sein Werk wurde er vielfach ausgezeichnet und für den Leipziger Buchpreis 2015 und den Deutschen Buchpreis 2017 nominiert. Michael Wildenhain wurde 1958 geboren und lebt in Berlin.
mehr

Produkt

KlappentextAm Ende der Sommerferien zieht Gabor, Mathegenie und Gamer, mit seiner Mutter in eine neue Stadt. In der Brennpunkt-Schule gibt ein Junge den Ton an: Mozart, aus reichem Hause stammend, der eine Gruppe Klassenkameraden wie eine Leibgarde um sich versammelt. Mozarts Erzrivale ist der bleich geschminkte Luzius. Und dann ist da noch die elfenhaft schöne Fee. Sie weiß, warum Mozart und Luzius sich bekriegen. Es geht um ein Mädchen, ein heimlich gedrehtes Video, um Erpressung. Was noch niemand weiß: Es geht um Rache. Das hier ist kein Computerspiel. Es ist das Leben.

Michael Wildenhain ist Autor von Romanen und Theaterstücken sowie von Kinder- und Jugendbüchern, über die er gern persönlich mit Schülern ins Gespräch kommt. Er arbeitet darüber hinaus als Fußballtrainer für Jugendliche. Für sein Werk wurde er vielfach ausgezeichnet und für den Leipziger Buchpreis 2015 und den Deutschen Buchpreis 2017 nominiert. Michael Wildenhain wurde 1958 geboren und lebt in Berlin.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783733602567
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2019
Erscheinungsdatum13.03.2019
Auflage1. Auflage
Seiten240 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse1504 Kbytes
Artikel-Nr.4230583
Rubriken
Genre9201

Inhalt/Kritik

Leseprobe

6

Das Licht steht im Geäst der Bäume und das dichte Laub des Sommers gibt dem Muster auf der Tafel das Gepräge eines Gitters aus dunkelgrünem Metall, als Gabor die Tür zum Klassenzimmer eine halbe Stunde zu spät behutsam öffnet. Das Gespräch mit dem ebenfalls neuen Schuldirektor, dem großen, schweren und dennoch durchtrainierten Mann aus dem schwarzen SUV, der auf angenehme Art streng und bestimmt wirkt, hat sich etwas länger hingezogen.

Weder die Mitschüler noch der Mathematiklehrer, dessen Name, Herr Dr. Koppek, in Druckbuchstaben und mit blauer Kreide geschrieben vorn auf der Tafel steht, beachten Gabor. Der verharrt einen Moment im Türrahmen und lässt den Blick schweifen. Denkt: Tja, war ja irgendwie klar, dass alle wieder hier versammelt sein werden, bevor er sich auf einen der letzten freien Plätze an einem hinteren Ecktisch setzt, neben Miss Bikini.

Sämtliche Schüler haben mehr oder minder ordentlich beschriftete Namensschilder vor sich aufgestellt. »Fee« liest Gabor auf dem Pappschild seiner elfengleichen Nachbarin. Wie die Fee aus dem Märchen.

Luzius scheint den gesamten Tisch, der sich zur Mitte des Klassenraums hin an den von ihm und Fee anschließt, allein zu nutzen. Jedenfalls fehlt darauf ein zweites Namensschild. Nur »Luzius« - in Großbuchstaben.

Vorn wartet der gegelte Arroganzling. Sein Name, Mozart von und zu Schurich, steht ausladend am Rand des linken, leicht angeklappten Flügels der alten Wandtafel. Am rechten Flügel lümmelt Luzius, die Kreidebuchstaben seines Nachnamens sind verwischt und unleserlich, und unterdrückt mühsam ein dennoch immer breiter werdendes Grinsen.

Herr Koppek lehnt am Lehrerpult, offenbar fasziniert vom bisherigen Verlauf des - »Kettenrechnens«.

Auch dieses Wort blinkt blau von der Wandtafel.

Dann bittet er Mozart, der unzufrieden, wenn nicht fassungslos wirkt und unschlüssig von einem Fuß auf den anderen tritt, sich zu setzen.

Herr Koppek, Herr Dr. Koppek, mustert Luzius lange, bis er sagt: »Nun gut. Es gibt bei Schülern manchmal verblüffende kognitive Entwicklungen. Selbst während der Sommerferien. Ja, möglicherweise auch in unserem wunderschönen Fach Mathematik.«

Danach betrachtet Herr Koppek die zwischen die Schultern gezogenen Köpfe seiner Schüler, schaut versonnen dem schlurfenden Gang des mathematisch doch wohl irgendwie begabten Schülers Mozart nach, der sein umgekipptes Namensschild an seinem Platz wieder aufstellt, bevor er sich an den am weitesten von Fee entfernten Tisch setzt, taxiert Luzius, der sich an der Wandtafel abstützt und mit nun absichtsvoll abwesender Miene gelangweilt vor sich hin guckt und dem der Triumph trotzdem in den Augen steht, und richtet den Blick endlich auf Gabor.

»Nur ein Abprüfen des Lernstands. Kein Urteil, keine Note. Am besten einer der Neuen. Herr ...«

Gabor falzt den Zettel mit seinem eilends aufgetragenen leuchtend roten Namen und stellt ihn vor sich hin.

»Gabor. Gut. Sehen Sie sich in der Lage, gegen diesen jungen Mann in einer Art Rechenolympiade anzutreten?«

Ein Lächeln stiehlt sich auf Koppeks Gesicht.

»Keinesfalls Mathematik. Bloß grundlegende Kenntnisse im Rechnen.«

Das Schmunzeln umspielt die Winkel des Mundes und erzeugt in seinen Augen einen Widerschein. Mit einem Schlenker der linken Hand, zwei Fingerglieder des Ringfingers fehlen, weist er auf Luzius, der sich von der Tafel abstößt.

»Mögen Sie es wagen, Gabor?«

Bemüht, ruhiger zu wirken, als er sich fühlt, und obwohl ihn der Schreck wie eine kochende Flüssigkeit durchfährt, erhebt sich Gabor wortlos und geht langsam nach vorn.

Während er versucht, die Gedanken zu ordnen, murmelt Fee neben ihm: »Mathe is´ so was von Scheiße - mach dir einfach nix draus.«

Gern hätte Gabor ihr zugenickt und sich mit einem Lächeln für den Zuspruch bedankt, wagt es aber nicht, sich auf dem Weg zur Tafel noch mal umzudrehen.

Denk dran, sagt er sich stattdessen, Mathematik, das ist dein Ding.

Du weißt, was ein Beweis mittels vollständiger Induktion ist. Du weißt, was man unter Infinitesimalrechnung versteht. Das weiß hier vermutlich noch keiner.

Obgleich er versucht, sich Mut zuzureden, merkt er, dass seine Hände schwitzen, er gleichzeitig zu frieren beginnt und er sich beherrschen muss, damit seine Zähne nicht aufeinander schlagen.

Die ersten Aufgaben, die Herr Koppek ihm und Luzius stellt und mit einem singenden »Ist gleich?« abschließt, sind kurz.

Trotz aller Konzentration gelingt es Gabor kaum, den Punktestand ausgeglichen zu halten. Noch hält ihn die Nervosität im stählernen Korsett.

Erst als er bei einem Bruch - die Terme gespickt mit mehreren Variablen - im Zähler eine binomische Formel erkennt, es ihm im selben Augenblick gelingt, gegen den Ausdruck im Nenner zu kürzen, so dass sich die Lösung unmittelbar ergibt, derweil Luzius den Kopf mit geschlossenen Augen und unter sichtbarer Anstrengung schüttelt, wird Gabor ruhiger. Zumal in der Klasse ein überraschtes »Aah« zu hören ist.

Selbst Mozart runzelt anerkennend die Brauen und schürzt staunend die Lippen.

»Nicht schlecht.«

Herr Koppek malt einen Strich mit Sternchen unter Gabors Namen, den er mit einem H vor dem R versehen hat.

Und auch Luzius, der die Augen wieder geöffnet hat, flüstert, eine Spur perplex: »Puh. Blindes Huhn? Findet auch mal ...?«

Doch trotz dieses kleinen Geniestreichs liegt Gabor in der Regel ein oder zwei Lösungen hinter Luzius. Ungewohnt aufmerksam werden sie von den anderen Schülern beobachtet.

Wiesel spitzt den Mund zur Schnute und nickt, als sei eingetreten, was er längst erwartet hatte. Ellie, der das fehlende mathematische Verständnis ins Gesicht geschrieben steht, kaut abwesend an einem Stück Pappe ihres Namensschilds. Nur Crabbe-and-Goyle tippen auf ihren Handys herum.

Mozart hat sich zurückgelehnt und betrachtet die Szenerie vorn an der Tafel wie jemand, dem klar wird, dass sich die Welt, die er kennt, gerade verändert.

All das registriert Gabor, ohne sich dessen tatsächlich bewusst zu sein. Zwar verabschiedet er sich weder von seinem Avatar DEUS noch von dem unglaublichen HULK, der ihm im oft schwer zu ertragenden Alltag häufig ein Trost gewesen ist, aber er beurlaubt sie auf unbestimmte Zeit.

Denn plötzlich meint er, Boden unter den Füßen zu spüren. Er hat den höchst eigenartigen Eindruck, Herr Koppek sei, vielleicht ohne es zu wissen, ein Verbündeter. Indem er auf seltsame Weise dafür sorgt, dass Gabor einen Pakt mit Luzius, obwohl noch dessen Gegner, schließen kann, weil der ihn offenbar achtet.

Unterdessen sind die Aufgaben länger geworden.

Da Gabor sie, kaum ist die Aufgabenstellung formuliert, wie hingezeichnet vor sich in der Luft stehen sieht, gerät er leicht in Vorteil.

Sie haben eine Doppelstunde Zeit. Sie ignorieren das Läuten zur Pause ebenso wie das zur nächsten Stunde. Wie abgeschlossen von der übrigen Welt bleiben sie, Darsteller wie Zuschauer, für sich.

Mit Beginn der nächsten Stunde werden die Aufgaben noch einmal länger.

Obwohl Gabor sie weiterhin lesen kann wie eine Schrift im Licht des aufgeheizten Klassenraums, holt Luzius auf.

Als sie erneut beinahe gleichauf liegen, verändert Herr Koppek ein weiteres Mal die Form.

Nun soll die Lösung der jeweils vorangegangenen Aufgabe Ausgangspunkt der folgenden Kettenrechnung sein.

Kaum beendet der Lehrer den ersten Teil der Reihe mit seinem lauernden »Ist gleich?«, als Luzius bis auf einen Punkt zu Gabor aufschließt, den neuerlich ein Echo der anfänglichen Panik durchzuckt.

Ehe Herr Koppek fortfährt, blickt Luzius den Kontrahenten an. Gabor meint, in seinen Pupillen ein Glimmen zu erkennen.

Und während der Lehrer der Aufgabe das folgende Kettenglied anfügt, begreift Gabor, was Luzius ihm wortlos mitteilen möchte.

Bis zur Mitte der Stunde geben sie im Wechsel die gesuchte Antwort. Nach kurzer Zeit folgt die Lösung auf das von Herrn Koppek gesetzte Gleichheitszeichen wie ein Ton auf den nächsten in einer Melodie. Gabor liegt zwei Punkte vorn, als der Lehrer sagt: »Gut. Noch zwei Aufgaben.«

Gemäß der stummen Verabredung findet Luzius die folgende Antwort.

Die Abschlussaufgabe formuliert Herr Koppek betont langsam. Gabor ahnt die Lösung, bevor der Lehrer die letzten drei Glieder anfügt, aber er schweigt.

Obwohl Luzius nach dem Gleichheitszeichen zögert und ihn verwundert ansieht, schweigt Gabor weiterhin.

Und schließlich murmelt Luzius: »Null.«

»Unentschieden.«

Herr Koppek betrachtet die Luft vor den Fensterscheiben.

Die Klasse klatscht Beifall, selbst Mozart und Ellie und das Wiesel. Nur Crabbe-and-Goyle blicken erst auf, als die Stille für Momente Einzug im Klassenzimmer hält und Luzius und Gabor einige Schritte aufeinanderzugehen und einander, wie Schachspieler am Ende der Partie, die Hand geben und sich knapp verbeugen.

Herr Koppek nickt mehrfach, als müsse er das Ergebnis nachträglich bestätigen, und zieht unter dem Punktestand, der auf der Tafel vermerkt ist, einen Strich.

Danach legt er die blaue Kreide schweigend auf sein Pult, öffnet die Tür des Klassenzimmers und tritt hinaus auf den Flur, obwohl es noch nicht zur nächsten Pause geklingelt hat.

Was, denkt Gabor, war das jetzt?

Luzius, der gemeinsam mit ihm langsam zurück zu den Plätzen in der hinteren Reihe geht, wispert ihm, indem er das erneut einsetzende, provozierende Klatschen von Mozart und seiner Gefolgschaft ignoriert,...
mehr

Autor

Michael Wildenhain ist Autor von Romanen und Theaterstücken sowie von Kinder- und Jugendbüchern, über die er gern persönlich mit Schülern ins Gespräch kommt. Er arbeitet darüber hinaus als Fußballtrainer für Jugendliche. Für sein Werk wurde er vielfach ausgezeichnet und für den Leipziger Buchpreis 2015 und den Deutschen Buchpreis 2017 nominiert. Michael Wildenhain wurde 1958 geboren und lebt in Berlin.