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Die Stille zwischen den Sekunden

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
256 Seiten
Deutsch
Arena Verlag GmbHerschienen am18.03.2019
Nur knapp ist Mara einem Bombenattentat in der U-Bahn entgangen. Ihre Mitschüler nennen sie seither 'Das Mädchen, das überlebt hat' und erwarten Betroffenheit von ihr. Aber Mara hat ganz andere Sorgen. Ihre Freundin Sirîn meldet sich immer seltener und scheint plötzlich komplett unerreichbar. Je mehr Mara ihr zu helfen versucht, desto mehr Unverständnis und Ablehnung erntet sie. Was verheimlichen alle vor ihr? Erst als sich ihr Schwarm Chriso in die Suche einschaltet, kommt die erschütternde Wahrheit ans Licht. 'Ein Buch, das unter die Haut geht.' Corinna Schmitz, Blog 'buecherweltcorniholmes' 'Ein Buch, das aktueller nicht sein könnte!' Timo Muth, Blog 'rainbookworld' 'Ein Roman, der mich unsagbar berührt und völlig verloren und erschüttert zurückgelassen hat.' Susanne Matiaschek, 'Magische Momente Alys Bücherblog' 'Wer gerne feinfühlige, spannende, emotionale und lebensnahe Jugendbücher liest, sollte unbedingt zu 'Die Stille zwischen den Sekunden' von Tania Witte greifen. Mich hat die Geschichte komplett von den Füßen gerissen und ich bin in jeglicher Hinsicht begeistert.' Blog 'Buchstabenträumerei'

Tania Witte ist Schriftstellerin, Journalistin und Spoken-Word-Performerin. Sie lebt und schreibt hauptsächlich in Berlin und am liebsten in Den Haag (NL). Neben diversen (inter)nationalen Stipendien erhielt sie 2016 den Felix-Rexhausen-Sonderpreis für ihre journalistische Arbeit, 2017 den Martha-Saalfeld-Förderpreis für Literatur sowie 2019 den Mannheimer Feuergriffel für 'Marilu'. Im selben Jahr wurde ihre Arbeit mit einem Werkstipendium des Deutschen Literaturfonds gefördert. 'Die Stille zwischen den Sekunden' erhielt das KIMI-Siegel für Vielfalt im Jugendbuch. www.taniawitte.de
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Verfügbare Formate
BuchGebunden
EUR15,00
E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
EUR11,99

Produkt

KlappentextNur knapp ist Mara einem Bombenattentat in der U-Bahn entgangen. Ihre Mitschüler nennen sie seither 'Das Mädchen, das überlebt hat' und erwarten Betroffenheit von ihr. Aber Mara hat ganz andere Sorgen. Ihre Freundin Sirîn meldet sich immer seltener und scheint plötzlich komplett unerreichbar. Je mehr Mara ihr zu helfen versucht, desto mehr Unverständnis und Ablehnung erntet sie. Was verheimlichen alle vor ihr? Erst als sich ihr Schwarm Chriso in die Suche einschaltet, kommt die erschütternde Wahrheit ans Licht. 'Ein Buch, das unter die Haut geht.' Corinna Schmitz, Blog 'buecherweltcorniholmes' 'Ein Buch, das aktueller nicht sein könnte!' Timo Muth, Blog 'rainbookworld' 'Ein Roman, der mich unsagbar berührt und völlig verloren und erschüttert zurückgelassen hat.' Susanne Matiaschek, 'Magische Momente Alys Bücherblog' 'Wer gerne feinfühlige, spannende, emotionale und lebensnahe Jugendbücher liest, sollte unbedingt zu 'Die Stille zwischen den Sekunden' von Tania Witte greifen. Mich hat die Geschichte komplett von den Füßen gerissen und ich bin in jeglicher Hinsicht begeistert.' Blog 'Buchstabenträumerei'

Tania Witte ist Schriftstellerin, Journalistin und Spoken-Word-Performerin. Sie lebt und schreibt hauptsächlich in Berlin und am liebsten in Den Haag (NL). Neben diversen (inter)nationalen Stipendien erhielt sie 2016 den Felix-Rexhausen-Sonderpreis für ihre journalistische Arbeit, 2017 den Martha-Saalfeld-Förderpreis für Literatur sowie 2019 den Mannheimer Feuergriffel für 'Marilu'. Im selben Jahr wurde ihre Arbeit mit einem Werkstipendium des Deutschen Literaturfonds gefördert. 'Die Stille zwischen den Sekunden' erhielt das KIMI-Siegel für Vielfalt im Jugendbuch. www.taniawitte.de
Details
Weitere ISBN/GTIN9783401808246
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2019
Erscheinungsdatum18.03.2019
Seiten256 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse16702 Kbytes
Artikel-Nr.4253404
Rubriken
Genre9200

Inhalt/Kritik

Leseprobe


EINS

Schneller, Mara, schneller! Ich hetzte die Stufen zur U-Bahn hinunter. Die gekachelten Wände verwischten zu einem schmutzigen Türkis, das eine absurde Schwimmbadatmosphäre ausströmte. Die Lautsprecherdurchsage ertönte, als ich die letzten drei Stufen hinabsprang - mitten hinein in eine Touristengruppe. Beim Versuch auszuweichen, landete ich halb auf dem Schuh eines Mannes und knickte um. Mist, verdammter. Ich ignorierte den Schmerz und das Fluchen und das Gelächter, rappelte mich auf und raste weiter. Die Türen der Bahn schlossen sich bereits. Mit einem letzten Hechtsprung zwängte ich meine Schulter zwischen die Türen, aber der Spalt war zu klein. Ich prallte ab.

»Scheiße!«

Meine Hände donnerten gegen die Scheiben, zweimal.

Die Menschen in der Bahn sahen erschrocken von ihren Handys auf. Eine Frau legte beschützend die Arme um das Baby, das sie vor ihren Bauch gebunden hatte, und sah wütend in meine Richtung. Neben ihr wedelte ein älterer Mann mit der flachen Hand vor seinem Gesicht herum - das vermutlich internationale Bist-du-bescheuert-Zeichen. Ein Typ, ungefähr so alt wie ich, sprang von innen in Richtung Tür und tat, als würde er ebenfalls gegen die Scheibe schlagen. Er stoppte seine Bewegung kurz vor dem Glas. Witzig. Fanden zumindest die Jungs, die ihn umrundeten - ihr Gejohle war bis draußen zu hören. Ich schnitt ihnen eine Grimasse. Die Jungs hampelten herum, bis der grüne Zug aus meiner Sichtweite fuhr und im Tunnel verschwand.

Die Anzeigetafel ratterte: Zehn Minuten bis zur nächsten Bahn. Ausgerechnet heute hatte ich Mam versprochen, um halb sechs zu Hause zu sein, was laut Anzeige schon vor fünf Minuten gewesen war. Dabei hatte ich mich so beeilt und war den ganzen Weg vom Skatepark zum Kröpcke gerannt, wo ich wie jeden Mittwoch mit Sirîn abgehangen hatte. Alles nur, weil Mam heute unbedingt gemeinsam und extrafrüh zu Abend essen wollte, bevor Torsten vier Tage auf irgendeine Konferenz musste. Vier Tage, kein halbes Jahr! Ich trat ein paar Schritte zurück, lehnte mich an die Schwimmbadkachelwand und zog das Handy heraus.

Mam reagierte sofort. Ein Yoga-Emoji. Hieß: Bloß kein Stress. In »Bloß kein Stress« war meine Mutter gut - sie war von Natur aus tiefenentspannt. So sehr, dass sie bei beinahe allem, was sie tat, übelsten italienischen HipHop hörte, damit sie nicht beim Putzen einschlief und beim Baden ertrank. Von Tiefenentspannung war ich gerade Lichtjahre entfernt.

Ungeduldig sah ich zur Tafel, dann setzte ich den Kopfhörer auf, der mich so wunderbar von der Welt abschottete und obendrein wärmte - und mit dem ich aussah wie ein Koala mit mintgrünen Ohren. Ich scrollte durch meine zuletzt gehörten Songs, hielt aber keinen länger als vier Takte aus. Vielleicht sollte ich es mal auf Mams Art versuchen - nur umgekehrt. Versuchsweise tippte ich »Meditation« auf Spotify ein, aber schon der Gong zum Auftakt machte mich kribbelig. Bei den Panflöten klickte ich weg. Ich landete in der »Dein Mix der Woche«-Liste, die heute mit dem Song einer Sängerin begann, von der ich noch nie gehört hatte. Er hieß »Ordinary Day« und war mir eigentlich ein bisschen zu gitarrig, aber ich hatte keine Lust mehr weiterzusuchen.

This is just an ordinary day,

wipe the insecurities away â¦

Die Anzeige sprang auf neun Minuten. Mein Blick schweifte über die feierabendliche Menschenmenge, die die Treppe hinunter auf den Bahnsteig strömte, alle gehetzt und graugesichtig.

Was soll s, beschloss ich. Es ist zwar November, aber es regnet nicht und Mam wartet. Lauf ich halt.

Ich drehte den Gleisen den Rücken zu, drängelte mich durch die Menschen und stiefelte die Treppe wieder hinauf. Immer nach vorne schauen, nie zurück.

War das auch aus einem Song? Lauter, klickte ich, noch lauter, lauschte den Gitarren und der Stimme und dachte an Chriso, weil ich immer an ihn dachte, wenn ich nicht gerade an andere Dinge denken musste. Chriso hieß eigentlich Christian und ging in die Zwölf, zwei Klassen über mir. Seit einem Austauschjahr in den USA hatte er einen eigenen YouTube-Kanal - klar, dass alle ihn bewunderten, als er auf unserer Schule landete. Wegen des Kanals - und weil er der Älteste in seiner Klasse war. Und der Coolste, wegen Amerika. Dass sie ihn ein ganzes Jahr zurückgestuft hatten, weil er drüben mehr gevloggt als gelernt hatte, polierte sein Image auf Hochglanz.

Woher ich das alles wusste? Weil er natürlich auch dazu ein Video gedreht hatte. Alles rund um Chriso gehörte zum Allgemeinwissen bei uns und jedes zweite Mädchen schwärmte für ihn.

Ich auch. Wegen dreißig Sekunden, die jetzt ein Jahr und vier Monate her waren.

Chrisos erster Tag bei uns. Ich stand in der großen Pause am Kiosk und wartete auf Lyd. Gerade als ich ihr eine Nachricht tippte, entdeckte ich ihn.

Später fiel mir auf, dass dies das einzige Mal war, dass ich ihn alleine gesehen hatte. Er wirkte anders damals, ein bisschen verloren fast, und einen kleinen Moment lang schauten wir uns in die Augen. Eine Sekunde, noch eine, noch eine.

Und dann â¦ rempelte mich jemand an und das Handy fiel mir aus der Hand. Chriso, von dem ich noch nicht wusste, dass es Chriso war, machte einen Schritt, der nur ein klein bisschen größer war als seine vorigen, und das Telefon landete sicher in seiner Hand. Meine Wangen prickelten. Meine Augen klammerten sich an seiner Hand fest. Schöne Hand, dachte ich. Schöner Arm, schöner Geruch, schöne Stimme.

»Oops«, machte er. Dann legte er mir das Telefon zurück in die Hand, ganz vorsichtig, als ob es sehr wertvoll wäre. Als ob ich sehr wertvoll wäre.

»Danke«, stammelte ich. Ganz kurz berührten mich seine Fingerspitzen.

»Kein Ding«, sagte er leise. Räusperte sich - und ging.

Er ging!

Hinein in sein neues Leben, in dem er immer umzingelt sein würde und in dem ihn alle anhimmelten. Vermutlich hatte er mich sofort vergessen.

Ich ihn nicht.

Vor den Eingängen zur Stadtbahn und rund um die riesige Weihnachtspyramide, die auf die Eröffnung des Weihnachtsmarktes wartete, wimmelte es von Menschen. Die Sternbeleuchtung hing zwar schon, aber nur die Lichtwolke, die seit ein paar Jahren über dem Platz schwebte, brannte. Nicht mal der Mond war zu sehen. Alles wirkte surreal. Ich machte mich auf den Weg, mein Kopf noch immer voll von Chriso.

So ging das jetzt seit einem Jahr und vier Monaten, in denen ich jeden Tag hunderttausendmal an ihn dachte. Wohlgemerkt, obwohl ich, nachdem ich mir zum ersten Mal sein Vlog angeschaut hatte, alles daransetzte, ihn mir aus dem Kopf zu schlagen. Denn sein Kanal war â¦ nicht besonders originell, um es freundlich auszudrücken.

Hey, Leute, schön, dass ihr wieder da seid! Und ich garantier euch, es wird sich loooohnen! Heute wird s hier nämlich mal wieder gaaaaanz crazy bei mir!

Close-up von irgendeiner Langhaarblondine: Schwör!

Close-up Chriso: Ich schwör !!!

Und dann kam ein »gaaaaanz crazy« Boy versus Girl-Scheiß oder Die zehn besten Songs für Dates/Sex/Feiern/irgendwas - der übliche Kram, den Vlogger halt machten. Das hätte ich ja noch halbwegs verkraftet, aber Chrisos Erfolgsgeheimnis beruhte auf etwas anderem - etwas, das ihn von anderen Vloggern unterschied: Er filmte heimlich Gespräche von Leuten, in denen sie über irgendwen abhetzten. Das Ganze kommentierte er mit Emojis, schnitt Standbilder von sich selbst mit passender Mimik dazwischen und versah es mit (leider wirklich witzigen) Hashtags. Es war auf verdrehte Art gemein, weil man nie wusste, ob er sich über die Lästerer oder über ihre Opfer lustig machte. Man sah nie Gesichter, deshalb konnte ihm niemand was. Aber ziemlich oft wusste man, um wen es ging, und alle klickten wie verrückt die Videos, entweder mit Respekt oder Angst.

Oder weil sie verknallt waren.

Das ging in meinem Fall nur, weil der Chriso in den Videos nichts mit dem Menschen zu tun hatte, der mir an seinem ersten Schultag begegnet war. Sogar seine Stimme war anders, wenn er vloggte, hart und hyper, die Ausstrahlung distanziert und unecht. Trotzdem konnte ich nicht aufhören, an ihn zu denken â¦ Wobei â¦ eigentlich dachte ich nicht an ihn, sondern an den Dreißig-Sekunden-Chriso. Und hasste mich dafür, weil das alles so ein bescheuertes Klischee war.

Ich ging Chriso weiträumig aus dem Weg, vor allem wenn er ein Handy in der Hand hatte und versuchte, mir einzureden, dass er genauso dumm wie gut aussehend war, aber so ganz gelang es mir nicht. Zumindest behauptet Sirîn, dass ich immer einen violetten Blick bekomme, wenn ich an ihn denke. Violetter Blick! Das sagte sie wirklich und erstaunlicherweise klang es nicht mal blöd bei ihr. Im Gegensatz zu mir schien Chriso unsere Begegnung kaltgelassen zu haben, denn er zeigte niemals auch nur das winzigste Anzeichen von Erkennen, wenn wir einander begegneten.

Ich wusste, dass Mam es nicht mochte, wenn ich im Dunklen allein durch die Stadt lief, aber es ging gegen ihre Ehre, das auszusprechen. Schließlich war ich schon sechzehn und außerdem: Wann war es im Winter mal nicht dunkel?

Ich schlängelte mich aus dem Gewimmel Richtung Georgstraße. Meine empfohlene Wochenplaylist wechselte zu italienischem Schmalz. Welcher Algorithmus hatte sich die für mich ausgedacht und aufgrund welcher Daten, bitte schön?

Das Schlimme war, dass ich verstand, was sie sangen, denn Mam hatte alle Energie darauf verwendet, mich zweisprachig aufwachsen zu lassen. Wenn ich schon nicht italienisch aussähe - weil ich blond auf die Welt gekommen und blond geblieben...

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Autor

Tania Witte ist Schriftstellerin, Journalistin und Spoken-Word-Performerin. Sie lebt und schreibt hauptsächlich in Berlin und am liebsten in Den Haag (NL). Neben diversen (inter)nationalen Stipendien erhielt sie 2016 den Felix-Rexhausen-Sonderpreis für ihre journalistische Arbeit, 2017 den Martha-Saalfeld-Förderpreis für Literatur sowie 2019 den Mannheimer Feuergriffel für "Marilu". Im selben Jahr wurde ihre Arbeit mit einem Werkstipendium des Deutschen Literaturfonds gefördert. "Die Stille zwischen den Sekunden" erhielt das KIMI-Siegel für Vielfalt im Jugendbuch.taniawitte.de