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Weil wir Träume haben

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
448 Seiten
Deutsch
Penguin Random Houseerschienen am11.11.2019
Grace sieht ihren Freund Henry überall: zu Hause, im Supermarkt, auf der Straße. Doch Henry ist tot. Er starb vor zwei Monaten und hinterließ ein riesiges Loch in Graces Leben und in ihrem Herzen. Dann lernt sie Andy kennen, der eine frappierende Ähnlichkeit mit Henry hat. Und diesmal halluziniert Grace nicht - der Mann sieht wirklich aus wie ihre verstorbene große Liebe. Grace ist fasziniert von dem Fremden. Kann sie das, was zwischen ihr und Henry war, auch für Andy empfinden? Oder wäre das Verrat an dem Mann, der ihr alles bedeutete?

Eithne Shortall hat an der Dublin City University Journalismus studiert und in London, Frankreich und Amerika gelebt. Inzwischen ist sie in Dublin zu Hause, wo sie als Kulturreporterin für die ?Sunday Times? schreibt. Wenn sie nicht gerade dabei ist, sich Geschichten auszudenken, geht sie schwimmen, Radfahren und isst leidenschaftlich gerne Scones.
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Produkt

KlappentextGrace sieht ihren Freund Henry überall: zu Hause, im Supermarkt, auf der Straße. Doch Henry ist tot. Er starb vor zwei Monaten und hinterließ ein riesiges Loch in Graces Leben und in ihrem Herzen. Dann lernt sie Andy kennen, der eine frappierende Ähnlichkeit mit Henry hat. Und diesmal halluziniert Grace nicht - der Mann sieht wirklich aus wie ihre verstorbene große Liebe. Grace ist fasziniert von dem Fremden. Kann sie das, was zwischen ihr und Henry war, auch für Andy empfinden? Oder wäre das Verrat an dem Mann, der ihr alles bedeutete?

Eithne Shortall hat an der Dublin City University Journalismus studiert und in London, Frankreich und Amerika gelebt. Inzwischen ist sie in Dublin zu Hause, wo sie als Kulturreporterin für die ?Sunday Times? schreibt. Wenn sie nicht gerade dabei ist, sich Geschichten auszudenken, geht sie schwimmen, Radfahren und isst leidenschaftlich gerne Scones.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783641243999
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2019
Erscheinungsdatum11.11.2019
Seiten448 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse3037 Kbytes
Artikel-Nr.4310324
Rubriken
Genre9200

Inhalt/Kritik

Leseprobe


4

Dad fuhr, während Mam auf der Rückbank saß, damit ich vorne auf dem Beifahrersitz sitzen konnte. Dieselbe Sitzordnung wie früher, wenn ich als Kind krank war. Dadurch fühlte ich mich, als würden sie mich zum Arzt fahren. Dad machte eine Bemerkung über einen weißen Transporter, der schief eingeparkt am Ende der Straße stand, woraufhin ich ihm erzählte, dass er immer dort stand, was Dad mit einem »Tsss« quittierte. In seiner Zeit als Fahrlehrer waren ihm Falschparker ein besonderer Dorn im Auge gewesen.

»Weißt du, wem der Wagen gehört?«, fragte er.

»Hab von den Nachbarn noch keinen kennengelernt.«

»Jemanden, der nicht mal die Geduld besitzt, richtig zu parken, sollte man gar nicht erst auf die Straße lassen.«

Dad schaltete das Radio ein und sang mit. »Das sind Little Mix«, erklärte er mir, »in dem Lied geht es um Zayn; er war mal mit einer von ihnen zusammen«. Mam fragte mich aus: Ob ich mich freuen würde, wieder zur Arbeit zu gehen? Was heute auf der Speisekarte stand? Ob ich glaubte, dass mir die Arbeit guttun würde?

Aber mir war nicht nach Reden zumute, sodass sie einfach den Arm nach vorne zu mir ausstreckte, meine Hand drückte und in einen Monolog über Motten verfiel.

»Heute Morgen im Radio haben sie gesagt, dass es momentan eine Epidemie in ganz Dublin gibt. Sie haben so einen Typen interviewt, der einen Haushaltswarenhandel in Cabra führt und der meinte, alle Mottenkugeln seien ausverkauft, und die nächste Lieferung käme erst in einer Woche. Daraufhin hab ich an die Nummer der Sendung eine SMS geschickt, dass es noch welche bei McGowan´s in der Blackroad Road gibt ...«

»Die Nachricht hast du mir geschickt«, sagte Dad, die Augen noch immer auf die Straße geheftet.

»Wirklich? Ach, egal, scheiß drauf! Das passiert mir ständig. Letzte Woche wollte ich per SMS meinen Termin für den Brust-Check bestätigen und hab sie aus Versehen an deinen Vater geschickt.«

Dad begann zu kichern.

»Dr. Liebe würde gerne mit Ihnen einen Termin für eine private Untersuchung im Schlafzimmer vereinbaren, bitte tragen Sie ...«

Mam zog ihm die Ohren lang. »Die haben einen Wissenschaftler interviewt, der meinte, es könne am Klimawandel liegen, aber der Radiomoderator ist einer von diesen Klimawandelleugnern, sodass die ganze Diskussion aus dem Ruder lief und ...«

Als wir die Aberdeen Street verließen, streiften wir den Phoenix Park und fuhren runter in den lärmenden Verkehr auf den Uferstraßen der Innenstadt. Egal, wo ich hinging, überall sah ich Henry - an allen Orten, an denen wir gewesen waren, und an all den Orten, von denen ich nicht wusste, ob er je dort gewesen war. Ich entdeckte ihn in der Kolonne aus Radfahrern, die in den Park abbogen, in den Menschentrauben an den Bushaltestellen, in den einsamen Gestalten, die auf dem Friedhof die anderen Gräber besuchten. Er war eine omnipräsente Fata Morgana. Dabei war ich es, die es darauf anlegte. Die sich das selbst antat. Ich suchte so lange jede Menschenansammlung ab, bis ich ihn fand. Die falsche Hoffnung, die für einen Sekundenbruchteil mein Herz höher schlagen ließ, war den furchtbaren Absturz wert, wenn meine Erinnerung mich auf den Boden der Tatsachen zurückholte.

Ich beobachtete, wie ein Radfahrer den Bussen, Taxis und Sattelschleppern auswich. Henry hatte geglaubt, dass nichts ohne Grund geschah. Aber wie würde er erklären, was an jenem Abend passiert war? War es sein Schicksal gewesen, mit dreiunddreißig zu sterben? Welchen Grund konnte es dafür geben?

Das erste Mal trafen wir uns bei einer von Claire Maguires Hauspartys. Jahre vor dem »Wir können uns ja mal zum Mittagessen treffen«-Abend und selbst lange vor unserem Wahrheit-oder-Pflicht-Kuss. Henry konnte sich nicht mehr daran erinnern, aber ich schon. Er sah so gut aus, mit seinen dichten Augenbrauen und seinem blassen Teint - na ja, blass für irische Verhältnisse. Er sah aus, als sollte er in einer dieser amerikanischen High-School-Fernsehserien mitspielen und nicht in Dubliner Vororten rumhängen, wo die Mädchen alle Akne hatten und die anderen Jungs ewig darauf warteten, endlich etwas Gewicht zuzulegen. Henry überragte sie alle, und er überragte auch mich, als wir beide darauf warteten, dass der Wasserkocher die Siedetemperatur erreichte.

»Was machst du da?«, schrie ich über die blecherne Musik und lärmende betrunkene Freunde hinweg.

»Heißen Whiskey.« Er zog eine Schachtel Nelken aus der linken Gesäßtasche seiner Jeans und eine kleine Flasche Jameson aus der rechten.

»Trinkt man das nicht zu Weihnachten? Wir haben Juli!«

»Ich werde Weihnachten in meinem Herzen in Ehren halten und will es das ganze Jahr über beherzigen.«

»Was?«

»Das ist aus der Weihnachtsgeschichte von Charles Dickens. Solltest du mal lesen.«

»Hab ich«, log ich, dabei war mir in Wirklichkeit völlig entfallen, dass es nicht ursprünglich ein Muppets-Film war. »Pah, dummes Zeug!, und so weiter.« Wer bitte empfiehlt Leuten bei einer Party Bücher? An den Gedanken kann ich mich noch erinnern. Es war Sommer, und wir hatten Ferien.

»Einen heißen Whiskey zubereiten, ist eine Kunst für sich«, fuhr er fort, als ob er mich nicht gehört hätte, was angesichts des Lärms gut möglich war. Er schnappte sich eine Zitrone aus dem Obstkorb, warf sie in die Luft und fing sie auf. Die Art von Eindrucksschinderei, mit der man nur als Teenager durchkommt.

»Na dann«, sagte ich, als der Wasserkocher lauter sprudelte und schließlich klickte, »klär mich mal auf.«

Doch gerade als er nach dem Wasserkocher griff, stand Aoife hinter mir und fragte mich nach Zigaretten. Sie waren in meiner Tasche, sodass ich sie holen musste. Doch obwohl ich mich beeilte, war er fort. Dort, wo er gewesen war, lag nur eine halbe Zitrone auf dem Tresen.

Da ich keine Lust mehr auf Tee hatte, setzte ich mich zu Aoife und den anderen Mädchen, die wichtigtuerisch pafften und sich über alle, die vorbeigingen, das Maul zerrissen. Ich wollte gerade ins Bad, um meinen Eyeliner nachzuziehen, als jemand mit einem Glas an meine Schulter stieß. Als ich mich umdrehte, stand Henry Walsh vor mir, der mir einen Drink anbot.

»Danke«, sagte ich erstaunt.

»Frohe Weihnachten«, entgegnete er und verschwand in der Menge. Die Mädchen blickten abwechselnd mit großen Augen zwischen sich und meinem heißen Whiskey hin und her und versuchten herauszufinden, ob das kollektive Urteil Anerkennung oder Spott lautete.

»Aber es ist Juli!«, rief eines der Mädchen aus.

Am nächsten Tag ging ich in die Stadt und kaufte die Weihnachtsgeschichte, dieselbe Ausgabe, die er an jenem Abend im Rucksack dabeihatte. Im Bus nach Hause fing ich an zu lesen und durchforstete jede Seite nach einem Hinweis auf Henry Walsh.

Wir hätten an jenem Abend ins Kino gehen sollen, nicht zu irgendeiner blöden Hausbesichtigung. Dann wäre Henry nicht über die Uferstraßen gefahren. Wir hätten uns draußen vor dem Savoy getroffen, ohne zu ahnen, wie selbstvergessen wir waren. Wir hätten ohnehin unser Traumhaus, unser Traumleben, bekommen. Ich hatte ihn veranlasst, bei der Hausbesichtigung in East Wall anzutanzen. Ich hatte ihn veranlasst, wie ein Irrer zu rasen. Ich hatte ihn veranlasst, diesen blöden Schal zu tragen.

Ich hatte ihn umgebracht. Das war die Wahrheit. Da hätte ich ihn auch gleich vor einen Lkw schubsen können.

»Liebling?«

Die Ampel stand auf Rot. Es war frühmorgens, und alle waren auf dem Weg zur Arbeit. Ich sehnte mich danach, wie alle zu sein. Die Übelkeit kam; ich wartete, bis sie verging.

»Grace?«

Dad nahm die Hand einen Moment vom Schaltknüppel und legte sie über meine und die meiner Mutter. Erst jetzt bemerkte ich die Tränen auf meinen Wangen.

»Wenn es dir doch zu bald ist mit der Arbeit, können wir einfach deinen Chef anrufen und ...«

An der Stelle unterbrach ich ihn. »Nein, schon gut«, sagte ich. »Mir geht´s gut. Es ist nur ... das wird schon werden.«

»Wir holen dich heute Abend ab.«

»Aoife holt mich schon ab«, sagte ich, als das Portobello Kitchen in Sichtweite war. »Das hatten wir so ausgemacht.«

Dad hielt vor dem Restaurant, und Mam beugte sich zu mir vor. »Küsschen«, sagte sie, worauf ich ihr eines auf die Wange drückte.

»Tschüss, Dad«, sagte ich und gab ihm ebenfalls ein Küsschen.

»Viel Glück, Liebes.«

Die Fassade des Portobello Kitchen sah noch genauso aus, wie ich sie zurückgelassen hatte - mit einem abgebrochenen »r«, das vom letzten »o« herunterbaumelte, sowie einem geklauten zweiten »o«, sodass die Aufschrift nurmehr lautete: Po t belly Kitchen. An der Tür hing ein Schild nach dem Vorbild der alten »Keine Iren, keine Schwarzen, keine Hunde«-Hinweisschilder, nur dass hier stand: »Kein Internet, keine Schwachsinnstablets, keine Handys«. Darunter war ein weiteres Schild in der Handschrift von Dermot Gormley, meinem Chef und Inhaber des Portobello Kitchen, angebracht:

Das heißt KEIN WI-FI, ihr Klugscheißer! Wenn ihr einen Laptop unterm Arm habt, geht weiter!!!

Ich öffnete die Tür und bahnte mir meinen Weg durch den Mix an alten Schultischen, die Dermot wirklich aus einer Schule geklaut hatte, genauer gesagt einer Einrichtung der Christian Brothers, die nach einem Missbrauchsskandal unter Schimpf und Schande schließen musste, sowie Bierfässern, die er vom Pub nebenan bekommen...

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