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Leichensammler

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
312 Seiten
Deutsch
Suhrkamp Verlag AGerschienen am13.05.20191. Auflage
Einen Traum will er verwirklichen, seine Vorstellung von Vollkommenheit: die Einrichtung eines perfekten Bordells. Aus der Großstadt hat der Zuhälter Larsen, genannt Leichensammler, drei Prostituierte nach Santa María gebracht, und tatsächlich wird das an der Küste geführte Freudenhaus schnell zum Skandalerfolg unter den Männern der Stadt. Doch in Pfarrer Bergner erwächst Larsen ein Widersacher von gleicher Entschlossenheit. Der zähe und verdeckte Kampf, der am Ende zur Schließung des Hauses führt - Parodie eines Kampfes zwischen Aufklärung und Obskurantismus - spaltet die Stadt und legt ihre Machtstrukturen frei. Eine Parallelhandlung erzählt die verstörende Liebesbeziehung des jungen Jorge Malabia zu Julita, der Witwe seines Bruders.



Juan Carlos Onetti (*1909 in Montevideo, Uruguay, ?1994 in Madrid, Spanien) ist vielfach und zu Recht als einer der bedeutendsten lateinamerikanischen Schriftsteller bezeichnet worden. 1932 erschien im Rahmen eines Literaturwettbewerbs eine Erzählung von ihm in der argentinischen Tageszeitung La Prensa. Sein erster Roman, El Pozo (dt. Der Schacht, 1989), folgte 1939 in einer Auflage von 500 Exemplaren. Er veröffentlichte insgesamt elf Romane und zahlreiche Erzählungen sowie zwei Sammlungen von Artikeln, von denen die Mehrzahl ins Deutsche übersetzt wurde.

Bis 1975 lebte er abwechselnd in Buenos Aires und Montevideo, arbeitete unter anderem für die Nachrichtenagentur Reuters, war lange Jahre als Direktor der städtischen Bibliotheken in Montevideo tätig und publizierte regelmäßig in verschiedenen uruguayischen Zeitschriften. Erst mit dem Roman La vida breve (1950, dt. Das kurze Leben, 1978) erlangte er einen gewissen Bekanntheitsgrad, blieb aber noch viele Jahre lang eine Art »Geheimtipp« und erst in relativ hohem Alter wurden ihm Ruhm und Achtung zuteil. In La vida breve erschuf er den fiktiven Kosmos um die Stadt Santa María, der in vielen weiteren Romanen und Erzählungen auftauchen sollte.

Während der Diktatur, die seit 1973 in Uruguay herrschte, wurde Onetti einige Monate lang in Haft gehalten. 1975 ging er mit seiner vierten Frau, der Geigerin Dorothea Muhr, ins Exil nach Madrid, wo er bis zu seinem Tod blieb und die Romane Dejemos hablar al viento (dt. Lassen wir den Wind sprechen, 1986), Cuando entonces (dt. Magda, 1989) und Cuando ya no importe (dt. Wenn es nicht mehr wichtig ist, 1996) veröffentlichte.

Der uruguayische Nationalpreis für Literatur wurde ihm gleich zweimal verliehen: 1962 und nach der Rückkehr der Demokratie noch einmal 1985. Außerdem erhielt er 1980 den wichtigsten Literaturpreis der spanischsprachigen Welt: den Cervantes-Preis.

1994 erschien die erste Ausgabe der Cuentos completos (dt. Willkommen, Bob. Gesammelte Erzählungen, 1999) in Buenos Aires. Am 30. Mai desselben Jahres starb Juan Carlos Onetti 84-jährig in Madrid.

Fast alle großen Autoren Lateinamerikas erkennen Onettis Einfluss auf ihr eigenes Werk an, und von vielen wird er für den ...
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Verfügbare Formate
TaschenbuchKartoniert, Paperback
EUR17,00
E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
EUR16,99

Produkt

KlappentextEinen Traum will er verwirklichen, seine Vorstellung von Vollkommenheit: die Einrichtung eines perfekten Bordells. Aus der Großstadt hat der Zuhälter Larsen, genannt Leichensammler, drei Prostituierte nach Santa María gebracht, und tatsächlich wird das an der Küste geführte Freudenhaus schnell zum Skandalerfolg unter den Männern der Stadt. Doch in Pfarrer Bergner erwächst Larsen ein Widersacher von gleicher Entschlossenheit. Der zähe und verdeckte Kampf, der am Ende zur Schließung des Hauses führt - Parodie eines Kampfes zwischen Aufklärung und Obskurantismus - spaltet die Stadt und legt ihre Machtstrukturen frei. Eine Parallelhandlung erzählt die verstörende Liebesbeziehung des jungen Jorge Malabia zu Julita, der Witwe seines Bruders.



Juan Carlos Onetti (*1909 in Montevideo, Uruguay, ?1994 in Madrid, Spanien) ist vielfach und zu Recht als einer der bedeutendsten lateinamerikanischen Schriftsteller bezeichnet worden. 1932 erschien im Rahmen eines Literaturwettbewerbs eine Erzählung von ihm in der argentinischen Tageszeitung La Prensa. Sein erster Roman, El Pozo (dt. Der Schacht, 1989), folgte 1939 in einer Auflage von 500 Exemplaren. Er veröffentlichte insgesamt elf Romane und zahlreiche Erzählungen sowie zwei Sammlungen von Artikeln, von denen die Mehrzahl ins Deutsche übersetzt wurde.

Bis 1975 lebte er abwechselnd in Buenos Aires und Montevideo, arbeitete unter anderem für die Nachrichtenagentur Reuters, war lange Jahre als Direktor der städtischen Bibliotheken in Montevideo tätig und publizierte regelmäßig in verschiedenen uruguayischen Zeitschriften. Erst mit dem Roman La vida breve (1950, dt. Das kurze Leben, 1978) erlangte er einen gewissen Bekanntheitsgrad, blieb aber noch viele Jahre lang eine Art »Geheimtipp« und erst in relativ hohem Alter wurden ihm Ruhm und Achtung zuteil. In La vida breve erschuf er den fiktiven Kosmos um die Stadt Santa María, der in vielen weiteren Romanen und Erzählungen auftauchen sollte.

Während der Diktatur, die seit 1973 in Uruguay herrschte, wurde Onetti einige Monate lang in Haft gehalten. 1975 ging er mit seiner vierten Frau, der Geigerin Dorothea Muhr, ins Exil nach Madrid, wo er bis zu seinem Tod blieb und die Romane Dejemos hablar al viento (dt. Lassen wir den Wind sprechen, 1986), Cuando entonces (dt. Magda, 1989) und Cuando ya no importe (dt. Wenn es nicht mehr wichtig ist, 1996) veröffentlichte.

Der uruguayische Nationalpreis für Literatur wurde ihm gleich zweimal verliehen: 1962 und nach der Rückkehr der Demokratie noch einmal 1985. Außerdem erhielt er 1980 den wichtigsten Literaturpreis der spanischsprachigen Welt: den Cervantes-Preis.

1994 erschien die erste Ausgabe der Cuentos completos (dt. Willkommen, Bob. Gesammelte Erzählungen, 1999) in Buenos Aires. Am 30. Mai desselben Jahres starb Juan Carlos Onetti 84-jährig in Madrid.

Fast alle großen Autoren Lateinamerikas erkennen Onettis Einfluss auf ihr eigenes Werk an, und von vielen wird er für den ...
Details
Weitere ISBN/GTIN9783518762882
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2019
Erscheinungsdatum13.05.2019
Auflage1. Auflage
Reihen-Nr.4848
Seiten312 Seiten
SpracheDeutsch
Artikel-Nr.4313744
Rubriken
Genre9201

Inhalt/Kritik

Leseprobe


II


Die Frauen kamen mit dem Fünfuhrzug am ersten Montag der Schulferien; auf dem Bahnsteig standen nur Tito und ich, zwei Gepäckträger und der Telegrafist. Es war heiß, die Luft feucht und ohne Sonne, ich spürte die Härte der Maissäcke an den Rippen und, weiter hinten, die Stille auf den verlassenen Straßen, dem menschenleeren Platz. Schweinische Erwartung und Ablehnung hielten die Stadt von der Flußböschung bis zu den Haferfeldern an den Bahngeleisen in Atem, erstreckten sich noch auf unsere lässige Körperhaltung, überlagerten den Trotz, den wir angestrengt aufrechterhielten in den erhobenen Köpfen und dem Lächeln, aus dem Tito die Zigarette, mir die Pfeife hing.

»Wie eine Trutzburg«, hatte Tito nahe der Rampe der Genossenschaft gesagt; der Torwächter sah uns an, sicher, daß wir zum Bahnhof weitergehen würden; bewegungslos und schwitzend an der Kreuzung, vor dem Hintergrund einsamer Straßen, verschlossener Türen und Fenster, lächelte er uns zu, taxierte uns mit der schmutzigen Erfahrenheit der Erwachsenen.

Wir lehnten an den Säcken, immer noch rauchend und ohne zu sprechen, als der Rauch des Zuges in der Kurve erschien. Wenn ich das frisch aufgesetzte Lächeln in Titos Gesicht, sein offenes Hemd, die gekreuzten Beine, die speichelnasse Zigarette im Mundwinkel betrachtete, sah ich mich selber, prüfte mein Großtun, begann an der Aufrichtigkeit meines Hasses zu zweifeln. Je weniger Tito mich imitierte und je mehr er das Gebaren seines Vaters zu wiederholen begann, desto mehr war ich gegen ihn, wurde fast zum Verbündeten der verrammelten Stadt.

»Wie eine Trutzburg«, hatte Titos Vater am Abend vorher oder während des Mittagessens gesagt, wobei er bewundernd den Ton Pfarrer Bergners, meines Verwandten, auf der Samstagsversammlung des Herrenvereins imitierte. Mit der behaarten Hand auf das geblümte Tischtuch schlagend, indes die Mutter die kleinen Kinder ablenkte, der Angestellte des Eisenwarenhändlers vorsichtig und respektvoll schweigend zustimmte, über dem Suppenteller, am fernen Kopfende des Tisches.

»Wie eine Trutzburg werden wir die Stadt verschließen«, deklamierte der Eisenwarenhändler. »Ich will, daß mein Haus verschlossen bleibt wie eine Trutzburg.«

Und wäre es ein einziges Wort, könnte ich es heute nacht oder morgen Julita schenken, wenn sie mich, wie immer, darum bittet, ihr ein Wort dazulassen, das ihr den ganzen nächsten Tag dazu reicht, es wie eine Kerze vor dem Andenken meines toten Bruders aufzubrauchen. Wieeinetrutzburg, würde ich ihr sagen und mich ein wenig getröstet fühlen, freier von ihr und ihrem lasterhaften Unglück.

»Jorge, schau hin, ohne zu lachen«, sagte Tito.

Er vergaß, daß ich nicht lachen durfte, daß wir geschworen hatten, unbeteiligt zu bleiben, nicht über Höflichkeit hinauszugehen, wenn eine der Frauen ihrer bedürfen sollte.

Außer den drei Frauen und dem Mann stieg nur ein altes Ehepaar aus; sie sprachen mit dem Gepäckträger, gingen dann, er in Gauchohose, krumm von dem Koffer, die freie Hand über dem gelblichen Kopf der fast zwergenhaften alten Frau schwenkend, den Bahnsteig entlang und nahmen den Weg durch das Gatter von »El Triunfo« auf der anderen Seite der Gleise.

»Leichensammler«, kündigte Tito an.

Der Mann, der in Papas Zeitung gearbeitet hatte, ehe er die Frauen brachte, stellte die Koffer auf den Boden, nahm eine runde Pappschachtel entgegen, die ihm die Frauen reichten, und kehrte im Sprung an den Zug zurück, um ihnen beim Aussteigen zu helfen, unnötigerweise, kaum die Fingerspitzen haltend, die eine nach der andern, besorgt, sich nicht in ihren unglaublichen Röcken zu verfangen, ihm hinhielt. Larsen, Sammler, trug einen neuen dunklen Anzug, einen schwarzen Hut, der ihm bis an die Augen reichte; in der Verwaltung des Liberal war er immer grau gekleidet gewesen, gedemütigt und lakonisch, aber zu durchschnittlich, zu alt, um das zu haben, was Julita einen geheimen Kummer nennen würde. Jedenfalls immer grau, immer bis oben zugeknöpft; die Krawatte, in der eine Perle steckte, auch im Sommer immer straff gebunden, saß er auf dem hohen Hocker in der Verwaltung, die gebogene Nase über den großen Buchhaltungsbüchern, den Tintenflecken, den mit dem Federmesser eingeritzten politischen Schlagwörtern, die Hände von den angefressenen Manschetten seines Hemdes bis zur Hälfte angefressen, mit oder ohne geheimen Kummer.

Er half der letzten Frau aussteigen, und die drei, steif vom Sitzen, blieben, ihre Kleider klopfend und glättend, neben den Gepäckstücken stehen; vorsichtig bewegten sie die Hälse, um ihre unsicheren, neugierigen, abwehrbereiten Gesichter der Leere des Bahnsteigs, der farblosen, ruhigen Landschaft auszusetzen, wo das alte Paar schwankend kleiner wurde, wo jenseits der Berufsschule ein dünner, harter Sonnenstrahl, ein einziger, spät herabfiel, um die Ankunft der Frauen in dem vor wenigen Monaten zur Stadt erklärten Santa María zu beleuchten.

Die Gepäckträger beluden sich mit den Koffern, der Pappschachtel, einer Cretonnetasche und setzten sich trottend, tief gebückt, Anstrengung vortäuschend, auf uns zu in Bewegung; einer zwinkerte uns zu und zeigte uns einen Zahn; dann bogen sie nach rechts ab, klatschten ihre Hanfschuhe auf Steinplatten und Erde, liefen weiter, passierten das grün gestrichene Türchen und verstauten das Gepäck in Carlos' Ford. Carlos rauchte am Steuer, ernst, ohne ihnen zu helfen, ohne auf ihre Witze einzugehen. Tito und ich hörten auf zu lächeln, legten das gequälte, schon verweste Lächeln ab, das anstatt der sorglosen Solidarität, die wir anzubieten beschlossen hatten, dies oder das bedeuten konnte.

Sammler ging den Frauen einen halben Schritt voraus, und seine rechte Hand hing mit einem Strauß kümmerlicher roter Blumen herab. Er sah mich an und wollte mich nicht kennen; beherrscht dämpfte er das herablassende Auftreten eines, der vom Triumph ermächtigt heimkehrt in das Land seiner Geburt, überdeckte es halb mit einer fröhlichen, kompromißbereiten Miene. Er führte das Getrappel der Frauen auf dem Bahnsteig an, er leitete sie mit seinen sieghaften, sicheren Schritten, dem selbstbewußten, federnden Männergang. Aber für mich, und den Frauen unsichtbar, bauten die vorstehenden Augen und der Mund, die bläulichen, schlaff hängenden Backen obenhin eine Maske des Wohlwollens und der Besonnenheit auf: die geschickte Andeutung, daß er, Larsen, Sammler oder Leichensammler, nicht völlig einbezogen sei in das Schicksal und den Stand der Frauen, die er über die grauen Steinplatten schleppte. In der verschleierten Luft des Nachmittags, vor den Farben und Formen der Seidenstoffe, der Hüte, Verzierungen, Juwelen, der Gesichter und nackten Arme, im Takt der Schritte geschwenkt, konnte Sammlers zum Kampf, zum Verrat wie zum Geschäft bereites Gesicht gleichermaßen die Stärke oder die Schwäche seines Unternehmens und seiner selbst in bezug auf sein Unternehmen ausdrücken.

Sammler ein wenig voraus und die drei nebeneinander, einhellig in ihren Bewegungen; die mütterliche Dicke, die dumme, magere Blonde und zwischen ihnen, genau hinter Sammler, die Große. Alle trugen sie lange, in der Taille eng anliegende Kleider, Hüte mit Früchten, Blumen und Schleiern, auf den Hüften Polster und Stoffkaskaden. Sie schienen nicht aus der Hauptstadt zu kommen, sondern von weiter her, aus ungenau erinnerten Jahren. Nun bogen sie ab, eingehakt, schwatzend, absichtlich kreischend, einen halben Schritt hinter dem Mann in Schwarz, der sie anführte, dem grünen Holzzaun zu, wo die zwei Gepäckträger warteten und das Segeltuchdach von Carlos' Ford erschauerte. Als sie die Vierteldrehung ausführten, um aus dem Bahnhof zu kommen, sah mich die Große eine Sekunde lang an; sie lächelte mir zu und senkte halb die Lider, ihr Mund verbarg sich hinter dem Schafsprofil der mageren Blonden.

»Wie findest du sie?« fragte Tito.

Wir lehnten noch immer bewegungslos an den Säcken, hörten das Keuchen des abfahrenden Zuges, erlebten das Dünnerwerden und Verschwinden des Sonnenstrahls, der schräg auf die Felder um die Schule gefallen war. Ohne zu sprechen, stellten wir uns die Fahrt des knatternden schwarzen kleinen Autos vor: in den Straßen der nächsten Umgebung des Platzes, entlang den Weingärten auf dem Weg nach Soria, auf der gepflegten Straße zur Kolonie, immer flankiert von Feindseligkeit und Abwesenheit, von geschlossenen Türen, blinden,...

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Autor

Juan Carlos Onetti (*1909 in Montevideo, Uruguay, ?1994 in Madrid, Spanien) ist vielfach und zu Recht als einer der bedeutendsten lateinamerikanischen Schriftsteller bezeichnet worden. 1932 erschien im Rahmen eines Literaturwettbewerbs eine Erzählung von ihm in der argentinischen Tageszeitung La Prensa. Sein erster Roman, El Pozo (dt. Der Schacht, 1989), folgte 1939 in einer Auflage von 500 Exemplaren. Er veröffentlichte insgesamt elf Romane und zahlreiche Erzählungen sowie zwei Sammlungen von Artikeln, von denen die Mehrzahl ins Deutsche übersetzt wurde.

Bis 1975 lebte er abwechselnd in Buenos Aires und Montevideo, arbeitete unter anderem für die Nachrichtenagentur Reuters, war lange Jahre als Direktor der städtischen Bibliotheken in Montevideo tätig und publizierte regelmäßig in verschiedenen uruguayischen Zeitschriften. Erst mit dem Roman La vida breve (1950, dt. Das kurze Leben, 1978) erlangte er einen gewissen Bekanntheitsgrad, blieb aber noch viele Jahre lang eine Art »Geheimtipp« und erst in relativ hohem Alter wurden ihm Ruhm und Achtung zuteil. In La vida breve erschuf er den fiktiven Kosmos um die Stadt Santa María, der in vielen weiteren Romanen und Erzählungen auftauchen sollte.

Während der Diktatur, die seit 1973 in Uruguay herrschte, wurde Onetti einige Monate lang in Haft gehalten. 1975 ging er mit seiner vierten Frau, der Geigerin Dorothea Muhr, ins Exil nach Madrid, wo er bis zu seinem Tod blieb und die Romane Dejemos hablar al viento (dt. Lassen wir den Wind sprechen, 1986), Cuando entonces (dt. Magda, 1989) und Cuando ya no importe (dt. Wenn es nicht mehr wichtig ist, 1996) veröffentlichte.

Der uruguayische Nationalpreis für Literatur wurde ihm gleich zweimal verliehen: 1962 und nach der Rückkehr der Demokratie noch einmal 1985. Außerdem erhielt er 1980 den wichtigsten Literaturpreis der spanischsprachigen Welt: den Cervantes-Preis.

1994 erschien die erste Ausgabe der Cuentos completos (dt. Willkommen, Bob. Gesammelte Erzählungen, 1999) in Buenos Aires. Am 30. Mai desselben Jahres starb Juan Carlos Onetti 84-jährig in Madrid.

Fast alle großen Autoren Lateinamerikas erkennen Onettis Einfluss auf ihr eigenes Werk an, und von vielen wird er für den ...