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Tod am Fjord

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
Deutsch
Piper Verlag GmbHerschienen am01.10.20191. Auflage
Die finstersten Pläne entstehen unter dem Nordlicht Dunkle Fjorde, hohe Berge und scheinbar idyllische Landschaften - die ideale Kulisse für mörderische Geschichten aus Norwegen. Wenn im Winter die Sonne monatelang nicht über die Berge kommt, werden unter dem Nordlicht düstere Pläne geschmiedet. In seiner Anthologie »Tod am Fjord« hat Holger Wolandt die größten Stimmen aus Norwegen zu einer erstklassigen Auswahl an spannenden, hintergründigen und unterhaltsamen Erzählungen versammelt. Enthalten sind unter anderem  Geschichten von Jo Nesbø, Karin Fossum, Kjersti Scheen, Ingvar Ambjørnsen, Kjell Ola Dahl, Gunnar Staalesen, Levi Henriksen, Roy Jacobsen und vielen mehr. Der perfekte Begleiter für die dunkle Jahreszeit - egal ob in Skandinavien oder daheim! Holger Wolandt, geboren 1962 in Würzburg, lebt heute als Reisejournalist, Übersetzer und Herausgeber in Stockholm. Er hat zahlreiche Anthologien veröffentlicht, darunter »Elche am Fjord«, »Kleine Elche im Schnee« und »Mittsommer bei den Elchen«.

Holger Wolandt, geboren 1962 in Würzburg, studierte Nordistik, Anglistik und Germanistik in München. Heute lebt er als Reisejournalist, Übersetzer und Herausgeber in Stockholm. Er hat zahlreiche Anthologien herausgegeben, darunter 'Elche im Schnee', 'Tod am Fjord', 'Mittsommernachtsliebe', 'Schwedische Appetithappen', 'Elche am Fjord' und zuletzt 'Mittsommer bei den Elchen'.
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Produkt

KlappentextDie finstersten Pläne entstehen unter dem Nordlicht Dunkle Fjorde, hohe Berge und scheinbar idyllische Landschaften - die ideale Kulisse für mörderische Geschichten aus Norwegen. Wenn im Winter die Sonne monatelang nicht über die Berge kommt, werden unter dem Nordlicht düstere Pläne geschmiedet. In seiner Anthologie »Tod am Fjord« hat Holger Wolandt die größten Stimmen aus Norwegen zu einer erstklassigen Auswahl an spannenden, hintergründigen und unterhaltsamen Erzählungen versammelt. Enthalten sind unter anderem  Geschichten von Jo Nesbø, Karin Fossum, Kjersti Scheen, Ingvar Ambjørnsen, Kjell Ola Dahl, Gunnar Staalesen, Levi Henriksen, Roy Jacobsen und vielen mehr. Der perfekte Begleiter für die dunkle Jahreszeit - egal ob in Skandinavien oder daheim! Holger Wolandt, geboren 1962 in Würzburg, lebt heute als Reisejournalist, Übersetzer und Herausgeber in Stockholm. Er hat zahlreiche Anthologien veröffentlicht, darunter »Elche am Fjord«, »Kleine Elche im Schnee« und »Mittsommer bei den Elchen«.

Holger Wolandt, geboren 1962 in Würzburg, studierte Nordistik, Anglistik und Germanistik in München. Heute lebt er als Reisejournalist, Übersetzer und Herausgeber in Stockholm. Er hat zahlreiche Anthologien herausgegeben, darunter 'Elche im Schnee', 'Tod am Fjord', 'Mittsommernachtsliebe', 'Schwedische Appetithappen', 'Elche am Fjord' und zuletzt 'Mittsommer bei den Elchen'.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783492994941
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2019
Erscheinungsdatum01.10.2019
Auflage1. Auflage
SpracheDeutsch
Dateigrösse5801 Kbytes
Artikel-Nr.4369916
Rubriken
Genre9201

Inhalt/Kritik

Leseprobe
INGVAR AMBJØRNSEN
Der Silberfjord
1

Ich werde sterben. Ziemlich bald sogar, wenn ich Dr.âLunde Glauben schenken will. Und das will ich. Ich werde auf Dr.âLunde und außerdem auf meinen Körper hören. Denn auch der sagt mir, dass ich sterben werde. Zuerst hatte ich diese Schmerzen in der Brust. Und jetzt spüre ich es im Hals. Dr.âLunde sagt, dass sich dieses Teufelswerk gleichmäßig in meinem Körper verteilt hat. Es keimt in mir wie Unkraut im Juni. In letzter Zeit sind meine Hoden angeschwollen. Sie tun nicht weh, haben sich aber vergrößert. Und bisweilen verspüre ich eine Art Brennen in den Nieren.

Dr.âLunde ist im Grunde in Ordnung, aber er hat seine Eigenheiten. Er ist ein bisschen altmodisch. Um mir zu erzählen, dass meine Zeit auf Erden ihrem baldigen Ende entgegengeht, nimmt er gewissermaßen Anlauf und zieht zugleich einen Schleier vor seine Augen. Er blickt hinaus in ein milchweißes Nichts und sagt, dass es leider keine Hoffnung mehr gebe. Eine Operation habe keinen Zweck mehr. Es folgt die ganze beruhigende Tirade über alle Therapien, die er noch mit mir veranstalten will, obwohl der letzte Zug doch schon abgefahren ist. Wir reden jetzt von den praktischen Dingen. Wie der selbst ernannte Vorsitzende eines Festkomitees erläutert er mir bis ins Detail, was passieren wird.

Ich stehe auf, um Dr.âLundes Sprechzimmer zu verlassen, und packe die Zeitung. Er versucht, mich zurückzuhalten, aber ich schlage ihn. Ich schlage Dr.âLunde mit der Wirtschaftszeitung mitten ins Gesicht.

Auf dem Gang pruste ich los, angesichts des etwas komischen Vorfalls. Ich lache, weil ich den Boten des Todes mit einer Wirtschaftszeitung ins Gesicht geschlagen habe. Nur deshalb. Wirklich nur deshalb.

Die Treppe ist seit meinem letzten Besuch steiler geworden. Genauer gesagt, sie hat sich in eine Lawine verwandelt. Ich spüre, dass ich falle, aber als ich dann unten ankomme, stehe ich trotzdem aufrecht. An der weißen Mauer sitzt eine blaue Fliege. Sie putzt sich. Reibt die Vorderbeine aneinander.

 

Nun gut. Ich werde also sterben. Aber zuerst will ich eine Wurst. Eine Wurst mit Kartoffelfladen, Zwiebeln, Senf und Ketchup. Vor einer halben Stunde hätte ich eine solche Reaktion auf mein eigenes Todesurteil für vollständig absurd gehalten, aber jetzt gibt es für mich nur noch diese Wurst. Ich bin wie besessen vom Gedanken an diese Wurst. Sie darf um nichts in der Welt zu lange im heißen Wasser gelegen haben. An diesem Tag kann ich einfach keine wässrige Schrumpfpelle ertragen. Und die Zwiebeln müssen roh und frisch gehackt sein. Meine Frau und meine Kinder sind mir ganz gleichgültig. Gott und die Ewigkeit ebenfalls. Das Einzige, woran ich denken kann, ist diese Bockwurst. Denn eine Bockwurst muss es sein. Grillwürste kann ich nur verachten.

Die Luft ist dick. Es ist ein warmer Tag Anfang September, und ich gehe wie durch lauwarmes Wasser. Ich muss sterben. Mir bleiben nur noch einige wenige Monate oder gar Wochen. Ich kann nichts daran ändern. Ich bin auf dem Weg zu einer Würstchenbude, und ich muss bald sterben. Wieder und wieder sage ich mir diese vier Wörter vor: Ich. Muss. Bald. Sterben. Es ist vorbei, Lennart Hagstrøm. Dr.âLunde spricht von einigen Monaten. Und die ganze Zeit sehe ich diese Wurst vor mir, schön eingewickelt in einen dünnen, weichen Kartoffelfladen.

Ich habe Geld genug, das ist nicht das Problem. Wenn ich wollte, könnte ich ins Grillrestaurant des Hotels Bristol spazieren und die köstlichsten Menüs ordern. Passend angezogen bin ich auch. Leichter grauer Sommeranzug, weißes Hemd, Schlips. Aber ich will nicht ins Bristol. Ich will weder Fasanenbrust noch gedämpften Seeteufel mit Muscheln und Krabben. Ich will Wurst. Ich will vor einem Kiosk stehen und Wurst essen. Aber ich kann mich nicht daran erinnern, wo es in dieser Stadt Würstchenbuden gibt.

Ich registriere, dass ich nicht das denke, was alle anderen Todkranken denken. Ich frage nicht: Warum ausgerechnet ich? Ganz im Gegenteil, ich denke: Natürlich ich. Das ist doch selbstverständlich. Du bist immerhin vierundvierzig Jahre alt. Und es ist keine schlechte Leistung, mit deinem Zigarettenkonsum ein solches Alter zu erreichen. Die Zehnerpackungen hast du schon mit fünfzehn verworfen. Seit fast dreißig Jahren rauchst du jeden Tag zwischen vierzig und sechzig Zigaretten. Das nimmt den Körper natürlich mit. Etliche Liter Rotwein sind im Laufe dieser Jahre auch zusammengekommen. Ein ganzes rotes Meer, um genau zu sein. Ich muss fast lachen, wenn ich an den vielen Rotwein denke, den ich getrunken habe.

In der Stortingsgate begegnet mir ein Bekannter. Er bleibt stehen und will wissen, wie es mir geht. Ich weiß, dass ihn die ehrliche Antwort auf diese Frage nicht im Geringsten interessiert, und ich bringe einen blöden Spruch, statt ihm auf offener Straße mein Todesurteil zu servieren. Doch. Sehr gut. Frisch wie ein Fisch. Lebenshungriger denn je. Ich nicke lächelnd in Richtung zweier leicht bekleideter junger Mädchen. Allerdings hätte ich es eilig. Das Büro warte, er müsse schon entschuldigen.

Ich bitte ihn, seine Frau zu grüßen, und im selben Moment fällt mir ein, dass sie im vergangenen Winter zu ihrem Liebhaber gezogen ist. So etwas passiert. Man tritt ins Fettnäpfchen, und nichts lässt sich ungeschehen machen. Es hat gar keinen Zweck, es wieder ausbügeln zu wollen. Ich trete deshalb dichter an ihn heran und bringe die Hoffnung zum Ausdruck, dass er sein neues Singledasein genieße. Danach sage ich, dass er jede einsame Stunde, die Gott ihm auf dieser Erde schenken werde, redlich verdient habe. Sollte in seinem Leben eine neue Frau auftauchen, wäre ich der Erste, der sie warnt. Das kann ich ihm versprechen. Ich ziehe ihn zweimal am Schlips.

Meine Bockwurst finde ich erst unten im Hafen. Unterhalb der Festung liegt eine Bude von der guten alten Sorte. Ein richtig altehrwürdiger Würstchenkarren.

Ich frage, ob die Würste frisch sind. Ein fremder Klang liegt in meiner Stimme, ein vages Echo sozusagen.

Der Pakistani sagt, sicher, er habe sie gerade erst in den Kessel gesteckt.

Aber dann können sie doch unmöglich schon heiß sein?

Ich könne ganz unbesorgt sein, sagt der Mann aus Karachi.

Er weiß, was er tut.

Als ich bezahlen will, habe ich plötzlich Lust, den Fünfziger zu einem kleinen Ball zusammenzuknüllen und ihm ins Gesicht zu werfen. Ich habe keine Ahnung, warum. Er hat mir ja nun wirklich nichts getan. Im Gegenteil. Er hat mir die Bockwurst serviert, nach der ich mich seit fast einer Stunde verzehre. Trotzdem mache ich es. Ich knülle den grünen Geldschein zusammen und werfe damit nach ihm. Ich treffe ihn zwar nicht im Gesicht, aber er ist doch ziemlich überrascht.

Ich nehme die Wurst und gehe an den Rand des Hafenbeckens.

Und sie ist heiß. Sie ist knackig und köstlich. Rosa Fleisch. Saftig. Die Zwiebel ist frisch, wie eben erst aus dem Erdboden gerissen. Ich habe in meinem ganzen Leben noch keine bessere Wurst gegessen.

 

Vermutlich ist es nur ein Klischee, dass zum Tode Verurteilte viel intensiver leben als andere. Ich ließ mich jedenfalls von rein gar nichts beeindrucken, als ich ein wenig später durch Aker Brygge schlenderte. Das Wetter war gut. Sonne und kühler Wind. Der Fjord war fast spiegelglatt, und die Möwen tanzten am Himmel. Aber ungefähr so war es auch gewesen, als ich vor zwei Tagen hier entlangspaziert war. Gutes Wetter. Frühherbst. Nicht mehr und nicht weniger.

Es war fünf. Jetzt saßen sie zu Hause am Esstisch. Turid. Und Pie, die noch immer kein Zimmer gefunden hatte. Jetzt saßen sie vor der dampfenden Mahlzeit und warteten auf das Geräusch meiner Schritte. Kabeljau? Ich glaubte, mich erinnern zu können, dass Turid am Vorabend, als wir uns ausgezogen hatten, so etwas erwähnt hatte. Ich ging also weiter und stellte mir vor, wie die beiden Frauen bald die Kartoffeln pellten. Dann würden sie den Fisch von Haut und Gräten befreien. Sie würden ihn mit zerlassener Butter übergießen und dann essen. Sie würden sich gegenseitig Salz und Möhren reichen. So, wie ich sie jetzt vor mir sah, würden sie auch in Zukunft dasitzen. Nur diese beiden. Vor ihren Tellern mit Heilbutt, Steak, Makrele, Kochwurst, Spaghetti und Kartoffelsuppe. Und jeden Herbst vor dem traditionellen Elchbraten. So würden sie dasitzen. Pie würde noch lange nicht ausziehen. Turid und Pie würden jeden Tag um fünf am selben Tisch sitzen. Ab und zu würde Per hereinschauen. Ich sah auch ihn vor mir. Er würde sich auf meinen Stuhl setzen und meine Stimme nachahmen.

Ich ging wieder in Richtung Zentrum. Im Hotel Nobel auf der Karl Johansgate bat ich um die Stortingssuite und bekam sie.

Wie lange?

Ich sagte, das wisse ich noch nicht, würde aber am nächsten Vormittag Bescheid sagen.

Oben im vierten Stock legte ich mich mit einem Bier aufs Bett und zappte ein wenig zwischen den Sendern hin und her. Irak. Bali. New York. Eine Bande von jungen Männern hatte einen Bettler in eine Sackgasse getrieben. Dann brachten sie ihn um. Der neue Opel sieht cool aus. Kellogg s Cornflakes. Geiseldrama, ich weiß nicht, wo.

Wird jetzt mein Leben an mir vorüberziehen? Nichts passiert.

Nur Fertigpizza und Simon Templar, der auf SAT 1 wiederholt wurde. Ansonsten kann ich mich kaum an meine Kindheit erinnern.

Später fuhr ich mit dem Fahrstuhl in die Bar hinunter. Ich trank zwei Gläser Rotwein und belauschte das Gespräch von drei Schweden am Nachbartisch, die nach Norwegen gekommen waren, um Mähdrescher zu verkaufen. Bald würden sie losziehen, um nach leichten Mädchen Ausschau zu halten. Oder sie würden es lassen. Würden zu Abend essen und sich über landwirtschaftliche Neuerungen unterhalten.

Die drei strahlten...
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Autor

Holger Wolandt, geboren 1962 in Würzburg, studierte Nordistik, Anglistik und Germanistik in München. Heute lebt er als Reisejournalist, Übersetzer und Herausgeber in Stockholm. Er hat zahlreiche Anthologien herausgegeben, darunter "Elche im Schnee", "Tod am Fjord", "Mittsommernachtsliebe", "Schwedische Appetithappen", "Elche am Fjord" und zuletzt "Mittsommer bei den Elchen".