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Der Mann, der seinem Gewissen folgte

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
272 Seiten
Deutsch
dtv Verlagsgesellschafterschienen am15.11.20191. Auflage
»Sören Qvist ist einer jener außergewöhnlichen Menschen, die lieber sterben, als sich damit abzufinden, dass nichts auf der Welt von Bedeutung ist.« Janet Lewis Ein Indizienprozess erschüttert Jütland. Der für sein Mitgefühl bekannte Pastor Sören Qvist lässt sich für ein Verbrechen verurteilen, das er nicht begangen hat. Freunde bemühen sich um entlastendes Material, seine Kinder eröffnen ihm eine Fluchtmöglichkeit aus dem Gefängnis. Doch Sören Qvist bleibt standhaft. Was bewegt einen Menschen dazu, seine moralische Integrität über sein Leben zu stellen? Dieser Roman, der auf einer wahren Begebenheit aus dem Jahr 1625 basiert, leuchtet mit seinen Fragen hell in unsere Gegenwart hinein.

Janet Lewis (1899-1998) lebte zumeist in Kalifornien mit ihrem Mann, dem Dichter Yvor Winters. Neben Lyrik schrieb sie vier Romane, darunter eine viel beachtete Trilogie um berühmte historische Justizfälle. Lewis war ihr Leben lang vehemente Kriegsgegnerin und Fürsprecherin der indigenen und schwarzen Bevölkerung.
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Verfügbare Formate
TaschenbuchKartoniert, Paperback
EUR11,90
E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
EUR9,99

Produkt

Klappentext»Sören Qvist ist einer jener außergewöhnlichen Menschen, die lieber sterben, als sich damit abzufinden, dass nichts auf der Welt von Bedeutung ist.« Janet Lewis Ein Indizienprozess erschüttert Jütland. Der für sein Mitgefühl bekannte Pastor Sören Qvist lässt sich für ein Verbrechen verurteilen, das er nicht begangen hat. Freunde bemühen sich um entlastendes Material, seine Kinder eröffnen ihm eine Fluchtmöglichkeit aus dem Gefängnis. Doch Sören Qvist bleibt standhaft. Was bewegt einen Menschen dazu, seine moralische Integrität über sein Leben zu stellen? Dieser Roman, der auf einer wahren Begebenheit aus dem Jahr 1625 basiert, leuchtet mit seinen Fragen hell in unsere Gegenwart hinein.

Janet Lewis (1899-1998) lebte zumeist in Kalifornien mit ihrem Mann, dem Dichter Yvor Winters. Neben Lyrik schrieb sie vier Romane, darunter eine viel beachtete Trilogie um berühmte historische Justizfälle. Lewis war ihr Leben lang vehemente Kriegsgegnerin und Fürsprecherin der indigenen und schwarzen Bevölkerung.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783423436304
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2019
Erscheinungsdatum15.11.2019
Auflage1. Auflage
Seiten272 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse2225 Kbytes
IllustrationenFormat: EPUB
Artikel-Nr.4369991
Rubriken
Genre9200

Inhalt/Kritik

Leseprobe
1

Das Wirtshaus lag in einer Mulde, dahinter erhob sich der niedrige, sanft geschwungene und mit winterlich kahlen Buchen bestandene Hügelzug, der gerade hoch genug war, dass die darüber steigenden Fallwinde den Rauch, der an diesem kalten Tag aus den Schornsteinen des Wirtshauses aufstieg, zu Boden drückten. Die Luft war klamm. Es war ein Spätnachmittag Ende November, im Westen schien keine Sonne, und nach Osten hin verdichtete sich der Nebel über der Küste Jütlands zu einer dichten Wolkenbank. Selbst hier, einige Meilen von der Küste entfernt, roch die Luft nach Meer, aber der Wanderer, der jetzt vor sich das Wirtshaus erblickte, war schon seit so vielen Tagen in Meeresnähe unterwegs, dass er das Salzaroma nicht mehr wahrnahm.

Er kannte das Wirtshaus und glaubte sich an das zu erinnern, was hinter der Biegung der Straße lag, die um den bewaldeten Hügel herumführte und in den Schatten verschwand. Doch etwas erschien ihm an dem Anblick auch unvertraut, als er hinunterblickte auf das Haus, das von seinen eigenen Dünsten eingehüllt war. Das Schild mit der Aufschrift »Zum goldenen Löwen« hing noch über der Tür, aber ein guter Teil der leuchtend gelben Farbe war abgeblättert. Die letzten verblassten Farbplacken hatten denselben Ton wie die wenigen verbliebenen Blätter an den Buchenschösslingen am Waldrand. Als er das Haus das letzte Mal gesehen hatte, war die Farbe so leuchtend wie die von Butterblumen gewesen. Damals, in der Hochzeit der Liebschaften des Königs, hatte man das Wirtshaus zu Ehren der Bastardkinder des Königs so benannt - alles Goldene Löwen und edler als die ehelichen Kinder der meisten anderen Menschen. Jetzt, da der König alt und Dänemark unter seiner Herrschaft geschrumpft und verarmt war, hatten sich einige der Goldenen Löwen als wahrhaftig edel erwiesen. Andere hingegen waren untereinander zerstritten. Aber selbst hier in Jütland, das am meisten unter den Kriegen des Königs gelitten hatte, galt die Regentschaft von Christian IV. noch immer als ruhmreich. Auch der Wanderer, der auf das Schild des Goldenen Löwen hinuntersah, dachte an den König - wenn er denn an ihn dachte - als glorreichen Herrscher. Obwohl die Gesundheit des Königs inzwischen nachgelassen hatte, man schrieb das Jahr 1646, und er seit der großen Seeschlacht auf der Kolberger Heide auf einem Auge blind war, genoss Christian im Alter von neunundsechzig Jahren beim Volk noch größeres Ansehen als damals in seiner ungezügelten, ausschweifenden Jugend.

Aber es war nicht nur die fehlende Farbe auf dem Schild, die das Äußere des Wirtshauses verändert hatte. Der Wanderer hatte Bilder im Kopf von einer offen stehenden Tür, von Licht, das hell zur Straße hinausströmte, von Menschen, die kamen und gingen. An diesem Abend waren die Tür und sämtliche Fensterläden geschlossen. Kein Mensch war zu sehen. Auch an der Form des Hauses hatte sich etwas verändert, aber nachdem der Wanderer sein Gedächtnis gründlich durchforscht hatte, kam er zu dem Schluss, dass es nicht am Haus lag, sondern dass in seiner Umgebung etwas fehlte. Ganz bestimmt erinnerte er sich an ein kleines Holzhaus am anderen Ende des Hofes und an ein zweites auf der gegenüberliegenden Straßenseite, aber beide waren verschwunden. Das Wirtshaus stand allein.

Vor verrammelten Türen und geschlossenen Fenstern zu stehen, war für ihn, seit er die Randbezirke Jütlands erreicht hatte, nichts Neues. Er hatte ungastliches Land mit halb verlassenen Dörfern durchwandert. Er war an schlecht bewirtschafteten Höfen vorbeigekommen und an Bauernhäusern ohne Dächer, wo das robuste Gras Jütlands verkohlte und eingestürzte Balken überwucherte. Aber in seinem Stumpfsinn hatte er fest daran geglaubt, dass in seiner Heimatregion und seiner eigenen Gemeinde alles so sein würde wie früher, die Türen offen und die Menschen freundlich.

Er stieg den kleinen Hügel hinunter, humpelnd, da an einem Stiefel der Absatz fehlte und sich an dem anderen die Sohle löste, sodass Sand und lauter Steinchen hineindrangen. Er kam zum Wirtshaus und klopfte an die Tür. Das Schild des Goldenen Löwen hing reglos und ohne zu quietschen über ihm in der unbewegten, feuchten Luft. Ein hellbrauner Hund mit einem Schwanz so lang wie eine Peitsche kam um die Ecke und sah ihn misstrauisch aus gelben Augen an, und als er die Tür aufgehen hörte, machte er kehrt und rannte davon, den langen Schwanz unter dem Bauch zusammengerollt. Eine junge Frau, hochgewachsen und von ansehnlicher Erscheinung, mit fester Brust und geraden Schultern, trat aus dem Haus und zog die Tür hinter sich zu, ließ aber eine Hand auf dem Riegel liegen.

Sie brachte den Wirtshausgeruch mit sich. Er hing in ihrer Kleidung aus grober Baumwolle, und sie stand, umgeben von sinnlicher Wärme, vor dem Fremden. Bier und Holzfeuer, Fleisch und Fisch vom Grill, Wolle und Leder, vollgesogen mit Fett und Schweiß - dieses Gemisch aus Gerüchen, das von Geselligkeit und guten Speisen zeugte, bewirkte, dass der Magen des Fremden sich schmerzhaft zusammenzog. Sie stand in der Tür, die Arme wegen der Kälte vor dem Körper verschränkt, und wartete, dass er etwas sagte.

Der Fremde nahm seinen breitkrempigen Filzhut ab, steckte ihn sich unter den rechten Arm und fragte die Frau unterwürfig, ob sie die neue Wirtin des Goldenen Löwen sei. Ihr Blick ging kurz zu dem Schild über ihren Köpfen, dann hinunter zu seinem Aufzug, zu seinen abgetragenen Stiefeln, und sie antwortete, ja, sie sei die neue Wirtin.

»Dann könntest du mir Essen und einen Schlafplatz für die Nacht geben?«, fragte er.

Ihr Blick wanderte immer noch prüfend über ihn, und obwohl sie Wärme und Gastlichkeit ausstrahlte, blieb der Ausdruck in ihren Augen abweisend und kalt. Ein Mundwinkel zog sich kaum merklich in die Höhe, als sie sagte:

»Als Gast oder als Bettler?«

»Ja, heute Abend«, sagte er, sah hinunter zu seinen abgewetzten Stiefeln und hob den Blick verlegen zu ihren kalten, hellen Augen, »heute Abend bin ich mittellos. Aber das könnte sich ändern«, fügte er schnell hinzu. »Und ich bin fast am Verhungern.«

»Aber heute Abend«, sagte sie, »habe ich Gäste, eine Hochzeitsgesellschaft, und das Haus ist voll belegt. Ich habe keinen Platz für Bettler.«

»Ich war Soldat«, sagte er.

»Soldaten sind bei uns nicht sonderlich beliebt«, gab sie zur Antwort.

»Du solltest den Hungrigen Nahrung geben, dann wirst du einen Schatz im Himmel haben«, sagte er, aber es klang nicht so, als glaubte er wirklich an solche Schätze. »Wenn gefeiert wird, fällt manches vom Tisch ab«, sagte er mit größerer Überzeugung.

Sie musterte ihn weiter, vielleicht hoffte sie, doch noch etwas zu finden, das ihre ablehnende Haltung ändern würde. Dass der Mann erschöpft war, sah sie deutlich an seiner grauen Haut und dem erschlafften Gesicht. Er war nicht rasiert, die untere Gesichtshälfte war schwarz von Bartstoppeln, und das strähnige schwarze Haar, in das sich etwas Grau mischte, fiel auf den Kragen seines Wamses. Er trug kein Leinen, aber dem Wams sah man an, dass es einst ein gutes Stück gewesen war, es bestand aus rotem gefüttertem Satin, die Steppnähte waren mit goldenem Faden in einem Rautenmuster genäht, und es hatte Volants im französischen Stil. Jetzt war es schmutzig und am rechten Ellbogen gerissen. Sehr gut möglich, dass er Soldat gewesen war. Über diesem feinen französischen Wams trug er eine schwere Lederweste, und darüber war ein Lederband diagonal über eine Schulter geschlungen, in dem er eine Pistole oder ein Messer bei sich hätte tragen können. Der linke Ärmel seines Wamses war ab dem Ellbogen leer und steckte hochgeklappt im Armloch der Lederweste. Seine zerschlissenen derben Stiefelhosen wollten nicht recht zu dem purpurnen Wams passen. Der Hut, den der Mann unter seinem rechten Arm hielt, war mit den Jahren grün geworden und hatte weder Feder noch Schnalle. Die kleinen grünen Augen in dem erschöpften Gesicht des Mannes waren auf die Wirtin geheftet und bar jeden Ausdrucks, außer dem von Hunger. Unterwürfigkeit und Furcht waren daraus verschwunden. Sein Flehen war so stark, dass sie sich wünschte, er möge verschwinden.

»Soldaten und Bettler sind hier nicht sonderlich beliebt«, sagte sie wieder. »Geh am besten deines Weges.«

Sie wandte sich um und hätte den Schnappriegel gedrückt, wäre da nicht sein bitterer Ausruf gewesen.

»Meines Weges! Als wäre ich nicht schon seit Wochen, ach, Monaten, meines Weges gegangen. Und wenn ich in meine eigene Gemeinde komme, wo ich eines Tages wieder reich sein könnte - ja, reich und ehrenwert -, da sagt man mir, ich soll meines Weges gehen.« Dann, als hätte er sich von den Veränderungen in der Landschaft täuschen lassen, fragte er: »Dies ist doch die Gemeinde Aalsö, oder?«

»Doch, schon«, sagte sie, »und ein paar Meilen weiter liegt das Dorf Aalsö, immer die Straße entlang.«

»Dann sag mir noch eines«, sagte er, »bevor du die Tür zuschlägst - nur noch eines.«

»Und was soll das sein?«

»Kennst du einen Morten Bruus?«

»Schon, warum?«, antwortete sie knapp.

»Ja, und lebt er oder ist er tot?«

»Tot«, sagte sie. »Tot, seit vor dem Johannistag.«

Der Bettler hob jetzt die Hand, in der er immer noch den Hut hielt, und fuhr sich mit dem Handrücken mehrmals über den Mund, fuhr hin und her, fast als wollte er das Lächeln verbergen, das auf seinen Lippen lag, oder als wollte er seine Zufriedenheit über diese Mitteilung ausdrücken, und diese Zufriedenheit war offensichtlich und entsetzlich. Sie leuchtete in den kleinen grünen Augen, die jetzt hell in dem dumpfen Gesicht standen. Dann sagte...
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Janet Lewis (1899-1998) lebte zumeist in Kalifornien mit ihrem Mann, dem Dichter Yvor Winters. Neben Lyrik schrieb sie vier Romane, darunter eine viel beachtete Trilogie um berühmte historische Justizfälle. Lewis war ihr Leben lang vehemente Kriegsgegnerin und Fürsprecherin der indigenen und schwarzen Bevölkerung.