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Dein stummer Schrei

E-BookEPUB0 - No protectionE-Book
461 Seiten
Deutsch
Bastei Lübbeerschienen am31.01.20201. Aufl. 2020
Die 16-jährige Andreea hofft auf eine bessere Zukunft, als sie aus Bukarest nach Spanien aufbricht. In Spanien erwartet sie jedoch nicht der versprochene Job als Putzhilfe, sondern ein Martyrium. Gleich nach ihrer Ankunft wird sie in einer kleinen Wohnung eingesperrt und unzählige Male vergewaltigt. Als sie nach einigen Wochen wie eine Ware nach Schweden weitergereicht wird, entschließt sie sich, ihrer Hölle ein Ende zu setzen und nie mehr zuzulassen, dass man ihr Gewalt antut. Sie greift zur Waffe ...






Sara Larsson, geboren 1973, lebt in Stockholm. Sie hat zunächst Ingenieurswissenschaften, dann Journalistik und Jura studiert. Sie arbeitet momentan als Beraterin, vor allem in Schulen und sozialen Einrichtungen. "Die erste Lüge" war ihr Debüt, für das sie in Schweden viele begeisterte Rezensionen von den Literaturkritikern und Lesern bekommen hat. Auch mit "Dein stummer Schrei" stand sie auf der Top-10-Bestsellerliste in Schweden.
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Produkt

KlappentextDie 16-jährige Andreea hofft auf eine bessere Zukunft, als sie aus Bukarest nach Spanien aufbricht. In Spanien erwartet sie jedoch nicht der versprochene Job als Putzhilfe, sondern ein Martyrium. Gleich nach ihrer Ankunft wird sie in einer kleinen Wohnung eingesperrt und unzählige Male vergewaltigt. Als sie nach einigen Wochen wie eine Ware nach Schweden weitergereicht wird, entschließt sie sich, ihrer Hölle ein Ende zu setzen und nie mehr zuzulassen, dass man ihr Gewalt antut. Sie greift zur Waffe ...






Sara Larsson, geboren 1973, lebt in Stockholm. Sie hat zunächst Ingenieurswissenschaften, dann Journalistik und Jura studiert. Sie arbeitet momentan als Beraterin, vor allem in Schulen und sozialen Einrichtungen. "Die erste Lüge" war ihr Debüt, für das sie in Schweden viele begeisterte Rezensionen von den Literaturkritikern und Lesern bekommen hat. Auch mit "Dein stummer Schrei" stand sie auf der Top-10-Bestsellerliste in Schweden.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783732578115
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format Hinweis0 - No protection
FormatFormat mit automatischem Seitenumbruch (reflowable)
Erscheinungsjahr2020
Erscheinungsdatum31.01.2020
Auflage1. Aufl. 2020
Seiten461 Seiten
SpracheDeutsch
Artikel-Nr.4421598
Rubriken
Genre9200

Inhalt/Kritik

Leseprobe

ANDREEA
Madrid, Februar 2015

Der Regen prasselt hernieder und macht es nahezu unmöglich, etwas durch die schmutzigen Seitenfenster zu sehen. Alles scheint genauso grau wie zu Hause. Andreea beißt auf den Nagel ihres Zeigefingers und verzieht das Gesicht, als sie den bitteren Nagellack auf ihrer Zunge schmeckt. Draußen rauscht die mehrspurige Autobahn vorbei. Je weiter der Morgen vorangeschritten ist, desto mehr Autos sind es geworden.

Sie sinkt in den Sitz zurück. Ihr Körper schmerzt vor Müdigkeit nach der langen Busreise von Bukarest nach Spanien. Die grellen Leuchtstoffröhren unter der Decke haben die ganze Nacht gebrannt und es unmöglich gemacht zu schlafen. Außerdem hat sie Angst gehabt, dass niemand sie bei ihrer Ankunft abholen würde, weil es ein Missverständnis gegeben haben könnte zwischen Cosmina und deren Cousin Razvan, der Andreea einen Job versprochen hat. Doch als der Busfahrer sie an einer Haltestelle am Straßenrand abgesetzt hat, hat dort tatsächlich ein Mann auf sie gewartet. Er hat ihren Koffer in den Kofferraum seines alten, ramponierten Volkswagens geworfen und ihr befohlen, auf der Rückbank Platz zu nehmen. Anschließend ist die lange Reise weiter gegangen.

Sie rutscht auf ihrem Sitz hin und her. Es riecht nach Rauch und etwas anderem, Säuerlichem, vielleicht Schweiß. Die Polster sind voller Flecken und haben Löcher. Obwohl Cosminas Cousin inzwischen ein Restaurant in Spanien betreibt, scheint er sich kein schickeres Auto als in Rumänien leisten zu können.

Sie begegnet seinem Blick im Rückspiegel. Er sieht aus, als sei er zwischen vierzig und fünfzig. Sein lichtes Haar trägt er zurückgekämmt, das Kinn ist glatt rasiert. Die beigefarbene Daunenjacke, die er vorhin an der Bushaltestelle trug, hat er neben sich auf den Beifahrersitz geworfen. Seine Finger, die das Lenkrad locker umfassen, sind kurz und dick. Am rechten Ringfinger prangt ein breiter Goldring. Er sieht kein bisschen so aus, wie Andreea ihn sich vorgestellt hat, im Gegenteil. Dieser Mann sieht aus wie all die anderen armen Rumänen.

»Wie heißt du?«

Seine durchdringende Stimme unterbricht ihre Gedanken.

»Andreea.«

Er nickt nur kurz und setzt die Fahrt schweigend fort. Sie kaut ein wenig auf ihrem Nagel herum. Der Lack, von ihr am Sonntag sorgfältig aufgetragen, hat sich beinahe vollständig gelöst. Sie hätte sich über Cosminas Ratschlag hinwegsetzen und den Nagellack trotzdem einpacken sollen. Nimm nicht so viel billiges rumänisches Zeug mit, hatte Cosmina gesagt, wenn du dein eigenes Geld verdienst, kannst du dir in Madrid alles neu kaufen. Aber dieses Geld hat sie noch nicht, und nun wird sie an ihrem ersten Arbeitstag mit abgeblättertem Nagellack erscheinen. Das ist kein gutes Gefühl.

Es wird langsam hell draußen, aber es ist ein eintöniges graues Licht. Die schlanken, hoch aufragenden Zypressen, die die Straße bisher gesäumt haben, sind inzwischen von Gebäuden abgelöst worden. Das muss bedeuten, dass sie sich Madrid nähern.

Sie wünschte, Iosif könnte sie jetzt sehen. Sie würde ihm zeigen, wie sehr er sich damals geirrt hat. Als sie von zu Hause abgehauen ist, hat er ihr hinterher geschrien, dass aus ihr niemals etwas werden würde. Dass sie schon bald angekrochen kommen und ihn anflehen würde, wieder nach Hause kommen zu dürfen. Das hätte sie auch beinahe getan. Im letzten Monat, wo sie auf Treppenabsätzen und Parkbänken geschlafen hatte, hatte sie mehrfach überlegt, nach Hause zurückzukehren. Doch dann war Cosmina aufgetaucht und hatte ihr Kost und Logis angeboten, wenn sie als Gegenleistung für sie putzte. Und jetzt sitzt sie hier, in einem Auto in Spanien, auf dem Weg zu ihrem ersten selbst verdienten Geld, während sich Iosif zu Hause in seinem Elend zu Tode säuft. Gott, wie sehr sie sich wünscht, er könnte sie jetzt sehen.

Der Mann fährt von der Autobahn ab und hält an einem Einkaufszentrum.

»Du brauchst Arbeitskleidung. Warte hier, ich bin gleich wieder da.«

Er stellt den Motor ab, steigt aus und schließt die Tür, bevor sie darauf antworten kann. Ein Klicken sagt ihr, dass er das Auto von außen verriegelt hat. Warum tut er das? Glaubt er, sie würde abhauen? Aus reiner Neugier versucht sie, die Tür zu öffnen, doch sie ist verschlossen. Sie atmet ein paar Mal tief durch. Redet sich selbst ein, dass alles so ist, wie es sein soll. Dass der einzige Grund für ihre Unsicherheit die Tatsache ist, dass sie noch nie im Ausland gewesen ist und niemanden in Madrid kennt.

Als der Mann wieder zurückkommt, wirft er eine Tüte mit Kleidung zu ihr auf den Rücksitz.

»Hier.«

Sie blickt vorsichtig hinein und wundert sich, als sie rote Spitzenunterwäsche entdeckt, die zuoberst liegt. Winzige String-Tangas mit dazu passendem BH. Verwirrt schaut sie den Mann auf dem Fahrersitz an. Doch der hat das Auto schon wieder gestartet und blickt stur geradeaus auf die Straße.

Ihre Finger gleiten über den Stahlbügel des kleinen BHs. Die Röte schießt ihr in die Wangen, als sie sich vorstellt, wie der Mann in der Wäscheabteilung gewesen ist, um Unterwäsche für sie zu kaufen. Mit wenig Stoff und vielen Spitzen. Und in Rot, der gleichen Farbe, die ihre glühenden Wangen gerade überzieht.

»Danke.«

Sie versucht zu lächeln, um die Stimmung im Auto zu verbessern, doch er lächelt nicht zurück. Die Stille verunsichert sie immer mehr. Warum erzählt er nicht von dem Restaurant, in dem sie arbeiten soll, oder irgendeine lustige Geschichte aus Madrid? Was auch immer, Hauptsache, er beendet das Schweigen.

»Bist du Cosminas Cousin?«, fragt sie, obwohl sie es schon weiß.

Der Mann nickt und murmelt etwas, dann ist es wieder still.

Auf seinem Kragen hat sich eine dünne Schicht aus Haarschuppen gebildet. Genau wie bei Großvater. Er hatte auch Schuppen, die in seinem pechschwarzen Haar nicht zu übersehen waren. Andreea erinnert sich, wie ihre Großmutter immer eine Tinktur aus Zitronenschalen und Wasser hergestellt hatte, die Großvater in die Kopfhaut einmassieren sollte. Großmutter behauptete, dass die Säure die Hefepilze in den Schuppen bekämpfen würde. Andreea weiß nicht, ob Großvater daran glaubte, aber er tat trotzdem immer, was Großmutter sagte.

»Den Pass.«

Andreea blickt erschrocken auf. Der Mann wirf ihr durch den Rückspiegel einen auffordernden Blick zu und streckt seine Hand nach hinten.

»Was?«

»Gib mir deinen Pass.«

Es klingt wie ein Befehl, und er hält ihr die Hand immer noch hin. Andreea drückt sich tiefer in den Sitz, damit er sie nicht berührt. Ihr Herz schlägt schneller. Warum möchte er ihn haben?

»Gib ihn mir.«

Verwirrt kramt Andreea in ihrer Jackentasche und zieht den Ausweis hervor, der nicht ihrer ist. Sie hat ihn sich von einem achtzehnjährigen Mädchen geliehen. Widerwillig reicht sie dem Mann den Pass. Sie fühlt sich unbehaglich dabei, so als wäre der Pass das einzig Sichere hier in der Fremde.

Der Mann blickt kurz darauf und steckt ihn dann in die Innentasche seines Jacketts.

»Wir sind gleich bei der Wohnung, in der du unterkommen wirst«, sagt er. »Im Kühlschrank ist Pizza, die kannst du dir warm machen. Nimm eine Dusche, und mach dich hübsch. Ich komme in ein paar Stunden zurück, dann geht s zur Arbeit.«

»Aber â¦«, fängt sie an, verstummt dann aber wieder. Es macht keinen guten Eindruck, wenn man sich sofort beklagt, kaum dass man eine Anstellung hat. Aber sie ist so müde, dass sie sich nicht vorstellen kann, heute noch irgendwelchen Arbeitsanweisungen folgen zu können. Andererseits, je schneller sie in die Gänge kommt, desto schneller wird sie das Geld zusammenhaben, um zurück nach Rumänien zu fahren. Damit tröstet sie sich.

»Wir sind da.«

Der Mann hat auf einem Parkplatz vor einem gigantischen Wohnkomplex aus grauem Beton geparkt. Solche Gebäude kennt sie aus Bukarest. Sie hatte auf etwas mehr Farbe in Madrid gehofft. Aber jetzt, im Februar, ist es wahrscheinlich überall grau. Die Balkone scheinen hauptsächlich als Abstellfläche genutzt zu werden.

Sie dreht den Kopf und sieht einen kleinen Marktplatz direkt dahinter. Der Springbrunnen in der Mitte ist trocken, sie erkennt eine Pizzeria und ein Lebensmittelgeschäft. Ein Schild neben der Pizzeria erregt ihre Aufmerksamkeit. METRO steht in weißen Buchstaben auf einem dunkelblauen Viereck, das wiederum auf einer roten Raute ruht. Der Mann bemerkt ihren fragenden Blick.

»U-Bahn«, erklärt er und zeigt auf das Schild. »Aber die wirst du nicht nehmen müssen. Ich fahre dich überallhin.«

Er stellt den Motor ab und steigt aus dem Auto, geht hinüber auf ihre Seite und öffnet die Tür. Sie erinnert sich, dass er die Kindersicherung aktiviert hatte, als ob sie ein Kleinkind wäre. Vorsichtig stellt sie die Füße auf den Boden, macht zögernd einen ersten Schritt. Keine Menschenseele ist zu sehen, weder auf der Straße noch auf einem der Balkone. Alles ist wie ausgestorben, ganz anders als in Bukarest. Dort sind immer Menschen unterwegs, zu jeder Tages- und Nachtzeit.

Der Mann holt einen Schlüsselbund hervor. Es rasselt laut, so viele Schlüssel hängen daran. Sie bemerkt die Farbkappen, die ihn offenbar erinnern sollen, welcher Schlüssel zu welcher Tür passt. Er wählt den grün markierten und schließt die Haustür auf. Dann legt er den Arm um ihre Schultern und führt sie ins Haus. Der Schweißgeruch wird stärker, jetzt, wo er ihr so nahe ist. Sie windet sich aus seinem Griff, als sie im Treppenhaus angelangt sind.

»Komm jetzt«, sagt er barsch und hält ihr die Aufzugtür auf. Andreea errötet und geht...

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Sara Larsson, geboren 1973, lebt in Stockholm. Sie hat zunächst Ingenieurswissenschaften, dann Journalistik und Jura studiert. Sie arbeitet momentan als Beraterin, vor allem in Schulen und sozialen Einrichtungen. "Die erste Lüge" war ihr Debüt, für das sie in Schweden viele begeisterte Rezensionen von den Literaturkritikern und Lesern bekommen hat. Auch mit "Dein stummer Schrei" stand sie auf der Top-10-Bestsellerliste in Schweden.
Dein stummer Schrei
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Larsson, Sara
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Roßbach, Corinna
Übersetzung