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Von der bürgerlichen zur proletarischen Revolution

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
100 Seiten
Deutsch
heptagonerschienen am29.04.20151., Aufl
Rühle publizierte 'Von der bürgerlichen zur proletarischen Revolution' 1924 im Dresdener 'Am anderen Ufer-Verlag'. Seine Analyse über die neuzeitlichen Revolutionen ist stark von seiner damaligen rätekommunistischen Haltung geprägt.

Der Pädagoge Otto Rühle (1874-1943), seit 1912 sozialdemokratischer Abgeordneter, stimmte im März 1915 neben Karl Liebknecht als einziger im Reichstag gegen die Kriegskredite. Zwischen 1922 und 1925 engagierte er sich in der rätekommunistischen Bewegung. Nach 1925 arbeitete Rühle erneut auf pädagogischem und individualpsychologischem Gebiet. 1933 floh er vor den Nationalsozialisten erst nach Prag, später nach Mexiko. Dort starb er im Jahr 1943.
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Produkt

KlappentextRühle publizierte 'Von der bürgerlichen zur proletarischen Revolution' 1924 im Dresdener 'Am anderen Ufer-Verlag'. Seine Analyse über die neuzeitlichen Revolutionen ist stark von seiner damaligen rätekommunistischen Haltung geprägt.

Der Pädagoge Otto Rühle (1874-1943), seit 1912 sozialdemokratischer Abgeordneter, stimmte im März 1915 neben Karl Liebknecht als einziger im Reichstag gegen die Kriegskredite. Zwischen 1922 und 1925 engagierte er sich in der rätekommunistischen Bewegung. Nach 1925 arbeitete Rühle erneut auf pädagogischem und individualpsychologischem Gebiet. 1933 floh er vor den Nationalsozialisten erst nach Prag, später nach Mexiko. Dort starb er im Jahr 1943.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783934616080
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatFormat mit automatischem Seitenumbruch (reflowable)
Verlag
Erscheinungsjahr2015
Erscheinungsdatum29.04.2015
Auflage1., Aufl
Seiten100 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse660 Kbytes
Artikel-Nr.4673133
Rubriken
Genre9201

Inhalt/Kritik

Leseprobe
I. Die bürgerlichen Revolutionen

Unter der Herrschaft des römischen Weltreiches hatte sich die Wirtschaft in Italien bis hart an die Schwelle des Kapitalismus entwickelt. Der militärische und politische Zusammenbruch dieser Weltmacht bedeutete aber - als Folge und Ursache in einem - zugleich das Ende der ökonomischen Entwicklung. Was folgte, war Rückfall in frühere primitive Wirtschaftsformen und jahrhundertelange Stagnation. Erst die Kreuzzüge brachten wieder den Anstoß zu neuer Entwicklung. Als Raubzüge gedacht, die den Orient mit seinen Schätzen dem Eroberungsdrange und der Habgier abendländischer Freibeuter und Abenteurer erschließen sollten, leiteten sie für die Folgezeit eine Kette erfolgreichster Handelsbeziehungen ein, deren Stützpunkte die norditalienischen Städte wurden. Über Venedig, Florenz, Pisa, Genua wanderte das Kaufmannsgut auf uralten Heer-und Handelsstraßen nach Nürnberg, Augsburg, Ulm, um von dort aus nach Norden und Nordwesten, besonders nach Flandern und Brabant verfrachtet zu werden. In Verbindung damit wuchs, zuerst in Italien, eine bodenständige Warenproduktion empor, die Austauschgüter lieferte; die in raschem Aufschwung begriffene Geldwirtschaft führte zur Gründung von Wechselbanken und zur Konzentration von Geldkapital in den Händen weniger Familien. Die Frühblüte des modernen Kapitalismus setzte ein.

Ihre volle Entfaltung wurde aber unterbrochen und gestört durch das Vordringen der Türken in Vorderasien und die Auffindung des Seeweges nach Ostindien. Der Verkehr mit dem Orient wurde abgeriegelt; eine völlige Verschiebung der Handelswege trat ein. Das Schwergewicht des Warenaustausches zwischen Morgen- und Abendland verschob sich von Italien nach Portugal. Die italienischen Städte verarmten und verfielen; ihre Renaissancekultur starb ab; die Versuche, über den Wirren der Kämpfe zwischen Patriziergeschlechtern und Städterepubliken hinweg zu einer nationalen Geschlossenheit auf dem Boden wirtschaftlicher Einheit zu gelangen, blieben in den Anfängen stecken.

Da kein eigentliches Bürgertum vorhanden war, das sich als Klasse im modernen Sinne fühlen gelernt hätte, kam es auch zu keiner einheitlichen Geltendmachung kapitalistischer Interessen in großem Ausmaße, zu keiner selbständigen ökonomischen und staatlichen Etablierung über den Rahmen gentilhaft-dynastischer und städtisch-zünftlerischer Bedingtheit hinaus, zu keiner bürgerlichen Revolution, die einen grundsätzlichen Bruch mit der alten Ordnung der Dinge herbeigeführt und ein neues Wirtschafts- und Gesellschaftssystem aufgerichtet hätte.

 

In Portugal und Spanien schoss der Kapitalismus treibhausmäßig empor aus einem Boden, der mit den Reichtümern neu entdeckter und schrankenlosester Ausbeutung erschlossene Erdteile aufs Üppigste gedüngt war. Aber die Gunst der ökonomischen Konjunktur fand keine Staatsmacht vor, die ihrer politischen Aufgabe gewachsen gewesen wäre und das Wesen des kapitalistischen Elements begriffen hätte. Der infolge Heirat, Erbschaft und Eroberung auf territorialen Internationalismus eingestellte und angewiesene Hof sah sich, wollte er seine Interessen wahren, an die einzige internationale Macht seiner Zeit gebunden, die katholische Kirche. Diese wiederum erblickte in der Staatsmacht die sicherste Verteidigerin des Glaubens, der im Grunde nur das ideologische Schutzschild für ihre im Feudalismus verankerten Wirtschaftsinteressen war. So fanden sich Kaiser und Papst, Staatsgewalt und Kirche in der Inquisition, die gegen die Ketzer wütete, deren Unglaube nur den Vorwand bildete für die Methode der Güterkonfiskationen, der hohen Geldbußen, des legalisierten Raubes und der systematischen Bekämpfung der erwachenden bürgerlichen Klasse, die Trägerin eines neuen Wirtschaftsprinzips war. Die Bewegung der Comuneros, in der sich das Selbstbewusstsein kastilischer Städte aufgerichtet hatte, wurde im Blut erstickt: Die hoffnungsvolle Blüte der Textilindustrie endete in dem Chaos einer Krise, aus der sie nie wieder erholte; als Repräsentanten der frühkapitalistischen Epoche blieben nur Scharen von Lumpenproletariern zurück, die ein verarmtes Land, verfallende Städte und trostlose Einöden bevölkerten. Zu einer bürgerlichen Revolution hatte die Kraft der jäh mit schwindelndem Reichtum überschütteten, aber ebenso jäh in die Abgründe der Armut gestoßenen bürgerlichen Klasse nicht gereicht.

 

Der Seehandel, der zwischen Süden und Norden zahlreiche Fäden knüpfte, hatte in Brügge und später in Antwerpen große Stapelplätze für die Schifffahrt der Nord- und Ostsee errichtet. Bald waren die Niederlande kapitalistisch durchtränkt, der Mittelpunkt des gesamten europäischen Handels und die große Masse aller Nationen. Das Bürgertum, wohlhabend geworden und seines Wertes bewusst, hielt zäh am Errungenen fest und war entschlossen, Besitz und Rechte des Besitzes unter allen Umständen und gegen jede Gefahr zu verteidigen. Diese Gefahr kam von Spanien, als Philipp den gefürchteten Alba nach den Niederlanden schickte, um mit dem Raube der kapitalistischen Reichtümer den Fortbestand der spanischen Krone zu sichern. Unter dem Drucke der Gefahr verschweißte sich das niederländische Bürgertum zur kompakten Einheit einer widerstandsfähigen Klasse.

Die bürgerliche Revolution der Niederlande hat keinen aggressiven Charakter. Sie ist vielmehr ein heroischer Abwehrkampf gegen eine von außen eindringende feindliche Macht, mehr eine nationale Verteidigung als eine soziale Auseinandersetzung. Aber gerade in der Erkenntnis gemeinsamer Wirtschaftsinteressen, in dem dadurch bedingten Zusammenschluss zu nationalen Aktionen lag ein wichtiges Moment für die Konsolidierung der Kräfte, deren Summe der Kapitalismus war. Die bürgerliche Klasse der Niederlande siegte über die Macht der Spanier, weil sie den Boden einer entwickelteren und tragfähigeren Wirtschaft unter den Füßen hatte - gewiss! Aber indem sie siegte, vollzog sich die Bindung zu einer neuen nationalen Gemeinschaft und wurde die politische Freiheit proklamiert. Die starke ökonomische Potenz lebte und wirkte sich national und politisch kraftvoll aus.

 

Der Funkenregen der niederländischen Revolution hatte das morsche Gebäude der englischen Feudalwirtschaft in Brand gesteckt. Sehr rasch ging der Umschwung zur kapitalistischen Wirtschaftsweise vor sich: Der Handel spannte sein Netz über die Meere, die Hausindustrie sog alle freigewordenen Kräfte der verarmten Bauernschaft auf, schon wuchsen große Handels- und Industriemetropolen mit Stapelplätzen, Magazinen und Kontoren, Fabriken und Banken, Werften und Übersee-Kompanien aus der Erde. Und im ständischen Parlament eroberte die bürgerliche Klasse eine wichtige Position nach der andern.

Zum ersten Male in der Weltgeschichte wurde in England das Parlament zum Kampfplan für die Ausfechtung bürgerlich-kapitalistischer Interessen. Krone und Geldsack, Königsmacht und Bürgerwille platzten in heftigsten und erbittertsten Fehden aufeinander. Der König klammerte sich an Prärogative und Privilegien, Monopole und Steuerhoheit, höchste Befehlsgewalt und Gottesgnadentum; das Bürgertum setzte sich mit ganzer Energie und Hartnäckigkeit ein für Gewerbe- und Konkurrenzfreiheit, Sicherung von Besitz und Arbeitsertrag, freies Spiel der Kräfte, Absatzmärkte, Profit. Um die reaktionäre Macht der Krone zu brechen, organisierte das Parlament unter Cromwell ein Heer, das, nachdem es die Monarchie ausgerottet, sofort daranging, durch Niederschlagung der Levellers das Privateigentum zu sichern und dem Expansionsbedürfnis des Kapitals in Irland und Schottland ein größeres Britannien zu erobern. Selbst als das Bürgertum, auf den Schutz durch den Militarismus angewiesen, die Rückkehr der Monarchie nicht verhindern konnte, entkleidete es diese aller tatsächlichen Macht in Dingen und Fragen des ökonomischen Lebens und drückte ihre Existenz auf den Luxuswert eines dekorativen Beiwerks herab, das sie sich nolens volens leisten konnte.

In der englischen Revolution manifestiert sich die ganze Kraft und Entschlossenheit der wirtschaftlich bereits fest verwurzelten und politisch selbständig gewordenen bürgerlichen Klasse, die alte Traditionen zerreißt, sobald sie ihr zum Hemmnis geworden sind, keine Sentimentalitäten kennt, genau weiß, was sie will, und vor keinem Schritt zurückschreckt, den ihre Interessen ihr zu tun gebieten.

 

Die grandioseste aller bürgerlichen Revolutionen die »große Revolution« - spielte sich in Frankreich ab. Sie ist ohne Gleichen in ihrem Elan ihrem Klassencharakter und ihrem historischen Format. Die Geschichtsschreiber sehen in ihr den Markstein für den Beginn der neuen Zeit, der bürgerlichen Epoche sans phrase.

Einen Generalstab der glänzendsten Geister hatte die Revolution, die durch den katastrophalen Niederbruch des feudalen Systems unter Ludwig XIV. und seinen Nachfolgern unvermeidlich geworden war, ideologisch vorbereitet. Montesquieus »Geist der Gesetze« lieferte die Bausteine für das Fundament der späteren revolutionären Verfassungen; Rousseau entwarf in seinem »Gesellschaftsvertrag« das Bild eines neuen Zustandes der Gesellschaft; die Enzyklopädisten setzten sich mit viel Geist und Eifer für die »Umwandlung der allgemeinen Denkart« ein; Voltaire zerstörte den Nimbus überkommener Autoritäten und propagierte die neuen Gesetze einer natürlichen Moral; Sieyès begründete mit zwingender Logik und zündender Beredsamkeit die politischen Ansprüche des »dritten Standes«. Und während die Masse der Kleinbürger und Arbeiter rohe Kärrnerarbeit verrichtete, indem sie die Bastille erstürmte, nach Versailles zog, sich der Tuilerien bemächtigte und den König aufs Schafott schleppte, ließ die...
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