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Ausbeutung - made in Germany

E-BookEPUB0 - No protectionE-Book
284 Seiten
Deutsch
Engelsdorfer Verlagerschienen am02.10.20151. Auflage
Wir brauchen mehr Markt, mehr Freiheit und mehr Wirtschaftsboom! Nur so kann sich der Sozialstaat finanzieren. Ein jeder zählt in diesem Land! Wenn Du nicht mehr daran glaubst, ausgebeutet wirst und trotzdem zu den Schaffenden zählst, jedoch längst gemerkt hast, was tatsächlich auf dem Arbeitsmarkt läuft, dann wirst Du vielleicht schon zu spüren bekommen haben, wie sich das mit der Ausbeutung in Deutschland anfühlt. Und dann kommt die Hartz-4-Maschine: Sie wird aus Dir binnen weniger Jahre einen seelisch kaputten Arbeitssklaven machen. Solidarität? - Zunehmend Fehlanzeige!mehr

Produkt

KlappentextWir brauchen mehr Markt, mehr Freiheit und mehr Wirtschaftsboom! Nur so kann sich der Sozialstaat finanzieren. Ein jeder zählt in diesem Land! Wenn Du nicht mehr daran glaubst, ausgebeutet wirst und trotzdem zu den Schaffenden zählst, jedoch längst gemerkt hast, was tatsächlich auf dem Arbeitsmarkt läuft, dann wirst Du vielleicht schon zu spüren bekommen haben, wie sich das mit der Ausbeutung in Deutschland anfühlt. Und dann kommt die Hartz-4-Maschine: Sie wird aus Dir binnen weniger Jahre einen seelisch kaputten Arbeitssklaven machen. Solidarität? - Zunehmend Fehlanzeige!
Details
Weitere ISBN/GTIN9783960081050
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format Hinweis0 - No protection
FormatFormat mit automatischem Seitenumbruch (reflowable)
Erscheinungsjahr2015
Erscheinungsdatum02.10.2015
Auflage1. Auflage
Seiten284 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse565 Kbytes
Artikel-Nr.4679286
Rubriken
Genre9201

Inhalt/Kritik

Leseprobe
Unter dem Wert

»Guten Tag!«, sage ich und versuche, recht heiter zu wirken.

»Gleichfalls, guten Tag!«, sagt die junge Personalerin gegenüber.

»Die werte Dame vom Empfang sagte mir, dass ich mit Ihnen vor zwei Stunden telefoniert hätte.«

»Ah, dann müssen Sie wohl der Herr Frank sein ...?«

»So ist es«, sage ich.

»Schön. Sie müssen ja förmlich hierher geflogen sein! Aber es freut mich sehr, Herr Frank, dass Sie so schnell kommen konnten« Die junge Personalerin reibt sich die Hände. »Ich hoffe doch, Sie hatten eine angenehme Fahrt?«

»Alles bestens ...«, sage ich.

»Na dann, wir können gleich dort drüben.« Sie deutet zu einem Tisch, an dem es zur Sache gehen soll.

Im flüchtigen Rundblick wirken die Räumlichkeiten und die Inneneinrichtung sauber und gepflegt. Ich sehe lächelnde Gesichter auf einem riesigen Plakat direkt gegenüber. Ebenso sind strahlende Gesichter auf Broschüren und anderweitigem Informationsmaterial zu sehen. Selbst aus einem Bilderrahmen an der Wand lässt das strahlende Leben grüßen. Dem Augenschein nach muss ich in einer Branche gelandet sein, in der es offenbar überwiegend zufriedene Mitarbeiter gibt.

»Nun ja, Herr Frank, Sie haben sich bei uns als Koch beworben, und ich würde doch dazu gerne einmal etwas aus Ihrem bisherigen Berufsleben erfahren.«

Sie lächelt ganz nett. Es ist dasselbe Lächeln, das ich auch hinter ihr auf dem Werbeplakat bewundern kann. Ich leiere grob einige Eckdaten aus meinem Berufsleben herunter.

Es ist nicht unbedingt schwierig, sich positiv zu präsentieren, wenn man tatsächlich jahrelang in einer gewissen Richtung gearbeitet hat und ein durchschnittliches Selbstvertrauen besitzt, noch dazu ein wenig reden kann.

»Schön«, sagt die Personalerin nach meiner persönlichen Darstellung, »Sie kennen sich quasi bestens mit der Materie aus.«

Ich nicke und sage: »Das möchte man schließlich nach all den Jahren der Küchenerfahrung meinen.«

Sie wirft noch einmal einen Blick auf meinen Lebenslauf und den Facharbeiterbrief, und offenbar hat sie auch schon etwas auf Lager für mich. »Gut«, sagt sie. »Nur leider ist es derzeit im Gastronomiebereich so, dass über uns nicht allzu viele Köche ausgeliehen werden. Deshalb frage ich Sie jetzt, ob Sie vorübergehend erst einmal als Küchenhilfe für uns arbeiten würden?«

Ich schaue sie an und sehe, wie sich ihr scheinbar »netter« Blick allmählich verändert. Ich kann ihr Angebot nicht gerade als Begeisterung auffassen, nur ist mein Problem, dass auf meinem Bank-Konto derzeit totale Ebbe herrscht. »Und für wie lange wäre dann bei Ihnen vorübergehend?«, frage ich etwas genauer.

»Also, Herr Frank, Sie müssen das so sehen: Wir befinden uns gerade im Winterloch und es wäre natürlich nur für die Anfangszeit, aber sobald wieder mehr Kochaufträge zu uns reinkommen, dann kochen Sie auch wieder, schließlich haben Sie ja fachliche Kompetenzen.«

Habe ich das? frage ich mich. Ich gebe mir einen Ruck, oder ehrlicher gesagt: Nach mindestens 300 Bewerbungen ist ihr Angebot so ziemlich das Einzige, was ich habe. »Okay«, sage ich breitgeschlagen, »vorübergehend kann ich auch Hilfsarbeiten machen.«

»Super! Das nenne ich doch ein Wort!« Sie grinst.

Sie mimt mir »echte« Überzeugung entgegen, und ich versuche, so etwas wie Optimismus zu versprühen.

»Wann kann ich bei Ihnen durchstarten?«, will ich wissen.

»Ja, wenn Sie eventuell schon ab morgen könnten ...?«

»Okay«, sage ich wiederum, um gleich von Anfang an meine Einsatzbereitschaft zu zeigen.

»Oh, das wäre ja echt super! Zuvor jedoch müssen wir noch einen Arbeitsvertrag dazu abschließen. Sie geben mir bitte einmal Ihren Personalausweis und Ihre Bewerbermappe mit ...«

Ich reiche ihr beides.

»Entschuldigen Sie kurz ...« Sie steht auf und verschwindet im Nachbarzimmer.

Ich kann kurz Luft holen und denke mir: Von wegen Köche werden wie Sand am Meer gesucht - höchstens von windigen Gastronomen (schnell rein - schnell wieder raus, oft ohne Bezahlung und Versicherung). Oder eben der »Vermittler« sucht den Koch. Eigentlich jeden Arbeitslosen, der nur irgendwie den Vermittlungsgutschein über 2000 â¬ vom Amt mitbringt. Im Grunde boomt für diese Leute geradezu die Arbeitslosenbranche, das ist ganz ähnlich wie Wachstum und expandieren! Sind Vermittler überhaupt daran interessiert, dass es immer weniger Arbeitslose oder ganz und gar keine Hartz-4-Empfänger mehr gibt? Sie wären am Ende selbst bankrott. Und eigentlich wundere ich mich, dass die Personalerin nicht ebenfalls nach diesem Geld-Gutschein gefragt hat, denn schließlich vermittelt die Zeitarbeit ja genauso in den Arbeitsmarkt. Mann, ich bekomme tatsächlich einen Arbeitsvertrag! Nur, wo geht die Reise dann für mich hin? Ich werde mich einfach überraschen lassen ...

Die Personalerin kehrt zurück. »Sie entschuldigen bitte«, sagt sie, »ich musste leider noch ein wichtiges Telefonat führen.« Sie setzt sich wieder und legt für mich und für sich jeweils die Hälfe des Vertrages bereit. »Wir gehen das jetzt einmal schrittweise durch. Ach ja, ich hoffe doch, Sie haben Ihren Sozialversicherungsausweis und die Krankenkassenkarte mit dabei, oder ...?«

»Ja.« Ich zeige ihr den Ausweis und die Kassenkarte.

»Toll! Die rote Kontrollkarte für Küchenpersonal haben Sie auch?«

»Alles dabei«, bestätige ich und schaue auf den Vertrag. Meine groben Eckdaten sind sogar schon eingetragen! Ich habe noch nicht einmal ja gesagt, denke ich.

»Also, wie Sie sehen, fangen Sie morgen schon als Küchenhilfe bei uns an. Sie haben ein halbes Jahr Probezeit und das Arbeitsverhältnis ist vorerst für ein Jahr befristet. Sie haben stets Hygienebekleidung und feste Arbeitsschuhe mit Stahlkappe mitzuführen. Ihren Personalausweis, den SV-Ausweis, die rote Kontrollkarte und einen Schulungsnachweis für den Arbeitsschutz. Den machen wir aber gleich noch.« Sie lächelt wieder, als ob dies wohl keine sonderlich große Sache wäre. »Gut. Dann wären wir beim Verdienst: Sie bekommen 6 Euro und siebzig Cent die Stunde gemäß der Entgeltgruppe 1 laut Haustarif.«

Ich schlucke. Es ist nicht einmal die Hälfte von dem, was ich eigentlich kriegen müsste, um später irgendwie auch nur annährend auf eine Mindestrente zu kommen.

»Allerdings«, fährt sie fort, »wenn Sie für den Auftraggeber kochen, dann bekommen Sie auf jeden Fall die Zuschläge für den Koch und natürlich auch Sonn- und Feiertagszuschläge bezahlt ... Na ja, reich werden Sie bei uns wohl nicht, aber es ist zumindest ein kleiner Anfang.« Sie zwinkert.

Es ist zum Leben zu wenig und zum Sterben zu viel, denke ich. Ich bin definitiv unten im Hungerlohnsektor angekommen. Ich schaue sie an: »Wenn ich fragen darf, steigert sich meine Entgeltgruppe später dann auch?«

»Oh ja!«, versichert sie strahlend. »Schon gleich nach der Probezeit bekommen Sie die erste Lohnsteigerung.«

Fast klingt es wie ein kleiner Hoffnungswecker in meinen Ohren, damit ich nicht gleich wieder die Ruder über Bord werfe, und doch treibe ich auf dem weiten Meer der Armut dahin. »Nun ja«, sage ich, »wenn Sie das so sagen ...«

»Ja.«

Ich lasse es einfach. Ich bin nicht in der Position, um andere Forderungen zu stellen. Sie ist die Personalerin und führt das Kommando an, muss ich mir eingestehen.

»Gut. Dann können wir jetzt zu den Schutzbelehrungen übergehen. Ich gebe Ihnen hier eine Broschüre zu den Sicherheitsregeln am Arbeitsplatz, eine zu hygienerelevanten Gesichtspunkten und einen kleinen Fragebogen, den Sie mir bitte nach Ihrem derzeitigen Wissensstand kurz einmal beantworten werden. Dies ist wichtig für alle Mitarbeiter und frischt das Wissen entsprechend wieder auf.«

Es wird sicher seine Gründe haben, sage ich mir.

»Na ja, Sie müssen verstehen«, fügt sie noch an, »aber der Arbeitsmarkt, gerade im Bereich Personalleasing, hat sich in den letzten Jahren rasant verändert. Falls jedoch irgendein Gesichtspunkt nicht ganz klar sein sollte, dann fragen sie uns einfach.«

Sie hakt etwas auf ihrer Liste ab. Es scheint ganz einfach für sie zu sein. Und in der Tat - offensichtlich geht es im Arbeitsleben tatsächlich nur um machen oder eben nicht machen.

»Ach ja, Herr Frank«, kam sie wieder darauf zurück. »Ich benötige nun Ihre Krankenversicherungskarte oder die Mitgliedsbescheinigung von einer Kasse. Den SV-Ausweis bitte, Ihre Kontodaten natürlich und noch einmal die rote Kontrollkarte für Küchenpersonal zum Kopieren.«

Ich krame die gewünschten Papiere hervor und reiche sie ihr. Von ihr bekomme ich einen Kugelschreiber mit Firmenslogan, um mich dann an die Beantwortung des Fragebogens zu machen. Zuversichtlich verschwindet sie wieder, und irgendwie scheint schon vorher alles klar zu sein, obwohl ich den Vertrag noch gar nicht unterschrieben habe. Aber im Grunde habe ich im Gespräch bereits meine mündliche Zustimmung gegeben, denn jetzt wieder einen Rückzieher machen, das wäre wie den Schwanz vor der Lady einziehen. Die Personalerin ist sichtlich routiniert im Geschäft. Auch scheint sie genau darauf zu bauen, dass die Mehrheit der Kandidaten gar nicht erst großartig darüber nachdenkt, worauf man sich bei den Geschäftspraktiken von der Zeitarbeit...
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