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Das unselige Vermächtnis

E-BookEPUB0 - No protectionE-Book
131 Seiten
Deutsch
Engelsdorfer Verlagerschienen am01.04.20161. Auflage
Für die vorliegenden Erzählungen hat sich die Autorin von Gerstäcker, Bechstein und Wucke inspirieren lassen. In der Geschichte vom treuen Hund Stutzel ging sie mit den historischen Fakten etwas großzügiger um, sodass eine weitere Rein­hardsbrunner Fälschung entstand. Und das Sagenbüchlein? Darin folgte sie ungezügelt ihrer Fantasie - gemäß den Worten Fontanes von der dünnen Decke, unter der unsere alten Lieblingsgestalten, die Gespenster schlafen ...mehr
Verfügbare Formate
TaschenbuchKartoniert, Paperback
EUR10,00
E-BookEPUB0 - No protectionE-Book
EUR4,99

Produkt

KlappentextFür die vorliegenden Erzählungen hat sich die Autorin von Gerstäcker, Bechstein und Wucke inspirieren lassen. In der Geschichte vom treuen Hund Stutzel ging sie mit den historischen Fakten etwas großzügiger um, sodass eine weitere Rein­hardsbrunner Fälschung entstand. Und das Sagenbüchlein? Darin folgte sie ungezügelt ihrer Fantasie - gemäß den Worten Fontanes von der dünnen Decke, unter der unsere alten Lieblingsgestalten, die Gespenster schlafen ...
Details
Weitere ISBN/GTIN9783960083580
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format Hinweis0 - No protection
FormatFormat mit automatischem Seitenumbruch (reflowable)
Erscheinungsjahr2016
Erscheinungsdatum01.04.2016
Auflage1. Auflage
Seiten131 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse216 Kbytes
Artikel-Nr.4683729
Rubriken
Genre9201

Inhalt/Kritik

Leseprobe
STUTZEL

Der Wunsch, einen Hund zu besitzen, wird von jedem Kind irgendwann einmal geäußert. Geschwister unterstützen das Anliegen im Allgemeinen, was die Eltern in schwerwiegende Konflikte stürzen kann. Ich weiß, wovon ich rede, hatten wir doch erst kürzlich lange Diskussionen mit unseren Söhnen, einem zwölfjährigen und einem fünfjährigen geführt.

Dabei sind weder ich, noch meine Frau Hundegegner, einzig unseren Hauswirt könnte man als solchen bezeichnen, da der Mietvertrag das Halten von Tieren, die größer sind als ein Kanarienvogel, nicht zulässt. Für meine Frau ist darüber hinaus unsere kleine Drei-Zimmer-Wohnung ein entscheidendes Hindernis. Nach den Vorstellungen unserer Söhne sollte der Hund schließlich kein kleiner Dackel, sondern ein größeres Exemplar sein. Andere Tiere wurden seitens der Kinder wegen Hässlichkeit abgelehnt. In unseren in familiärer Atmosphäre geführten Diskussionen war noch nicht einmal die Frage der Versorgung und Betreuung des Hundes angesprochen worden, die nach gewisser Eingewöhnungszeit erfahrungsgemäß immer den Eltern zufällt. In unserem speziellen Fall erhielt das Thema, das wir schon für hinreichend behandelt hielten, neue Nahrung, als überraschend mein Schwiegervater starb. Die Eltern meiner Frau, die in einem kleinen Häuschen wohnten, besaßen einen Hund, um dessen Belange sich bis dahin immer der alte Herr gekümmert hatte. Da die Mutter meiner Frau gehbehindert war, warfen die täglichen Spaziergänge mit dem Hund Probleme auf.

»Ich werde ihn wohl ins Tierheim geben müssen«, sagte sie kummervoll, als von unserer Seite keine Bereitschaft erkennbar war, dem Hund ein neues Zuhause zu geben.

»Er ist zu groß«, warf meine Frau vermittelnd ein, »du kennst ja unsere Wohnung.«

»Ob groß oder klein«, präzisierte ich, »wir dürfen leider keinen Hund halten.«

Um ehrlich zu sein, hatte ich nichts gegen einen großen Hund, ich konnte unsere Kinder durchaus verstehen. Außerdem: Ich bin Polizist, vielleicht hätte ein Hund eine bedeutende Karriere vor sich gehabt. Aber der acht Jahre alte Leonberger war gewiss nicht mehr lernfähig.

So blieb das Thema Hund in der Schwebe und die Schwiegermutter mit ihren Problemen allein zurück, als wir etwa um die gleiche Zeit unseren Sommerurlaub antraten. Wir glaubten, neue Eindrücke würden die Kinder auf andere Gedanken bringen.

Eigentlich hatten wir auf einen Urlaub an der Ostsee gehofft, aber diesen Wunschtraum erfüllte uns der FDGB nicht. Stattdessen erhielten wir einen Ferienscheck nach Thüringen. Die Söhne, die sich schon gedanklich im warmen Sande geaalt hatten, nahmen es maulend zur Kenntnis. Also Thüringen! Unser Ferienort hieß Fischbach. Nun ist dies ein nicht gerade seltener Name, zwar nicht so häufig wie Neustadt, aber er kommt selbst in Thüringen öfter vor. Unser Fischbach lag in der Nähe von Winterstein, Tabarz und Friedrichroda, wem diese Namen etwas sagen. Es war, wie wir inzwischen wissen, ein durchaus beliebter DDR-Ferienort. Mir war lediglich Friedrichroda mit seinem Schloss Reinhardsbrunn ein Begriff, hatte doch dort in den frühen DDR-Zeiten einmal eine Polizeischule existiert.

Wir waren privat untergebracht. Das Quartier, zwei Zimmer, ein Schlafraum für die Jungen und einer für uns Eltern, war einfach, aber sauber. Ein Bad gab es nicht, dafür aber fließendes Wasser im elterlichen Schlafzimmer.

Unsere Wirtin war eine freundliche, redselige Frau von etwa sechzig Jahren. Dass sie seit fünf Jahren verwitwet und Mutter zweier erwachsener Töchter war, erfuhren wir gleich am ersten Abend. Während sie uns über ihre Familienverhältnisse ins Bild setzte, stromerte Uwe, unser Jüngster, in Haus und Garten umher und kam mit der überraschenden Nachricht zurück, dass es hier auch einen Hund gäbe. Ich unterdrückte einen Seufzer, und meine Frau verdrehte die Augen.

»Er tut dir nichts«, sagte die Wirtin freundlich. Da das Uwes geringster Kummer war, erkundigte er sich gleich, ob der Hund immer im Zwinger gehalten würde oder auch mal Auslauf hätte. Wahrscheinlich waren ihm die Probleme seiner Großmutter in den Sinn gekommen. Es war nicht so, wie er erhofft hatte, ein Nachbarsjunge war als »Hundesitter« engagiert. Damit war das verhängnisvolle Thema erst einmal zu den Akten gelegt.

Wir waren bei gutem Wetter angekommen, und auch der nächste Tag versprach, sommerlich warm zu werden. Also beste Voraussetzungen für unsere familiären Unternehmungen. Aber schon an diesem ersten, oder wenn man will, zweiten Urlaubstag türmten sich Probleme auf. Es gab beträchtliche Interessenkonflikte zwischen Eltern und Kindern. Wir, meine Frau und ich, hatten für den ersten Tag eine Wanderung im Programm vorgesehen, und der zwölfjährige Holger, er hatte jüngst das Lesen für sich entdeckt, hätte sich am liebsten mit einem Stapel Bücher aufs Bett gelegt, wohingegen Uwe in Ermanglung der erträumten Ostsee am liebsten gleich ins Schwimmbad gehen wollte.

Nun, wir fanden einen tragbaren Kompromiss: Am Vormittag wanderten wir nach Tabarz, am Nachmittag gingen wir baden, und Holger konnte sich später mit seinen Schmökern den Abend vertreiben, dieweil wir das malerische Fischbach auf einem Abendspaziergang erkundeten. Der nächste Tag ließ sich weniger gut an, nicht, dass das Wetter schlecht war, aber Uwe hatte sich einen tüchtigen Sonnenbrand geholt, Holger glaubte sich in seiner Weiterbildung benachteiligt, und meine Frau zeigte mir bereits im Bett eine Blase am linken Fuß. Wir machten einen Ausflug nach Gotha, wobei die Kinder die Thüringer Waldbahn kennen lernten.

Ich will hier keineswegs ein Urlaubstagebuch präsentieren, nur so viel sei gesagt, dass wir allerhand Eigentümlichkeiten an uns entdeckten, von denen wir bisher nichts wussten. So war Uwe ein viel besserer und nicht nörgelnder Wanderer als sein Bruder. Holger, der nur geringes Interesse an sportlichen Aktivitäten zeigte, erwies sich merkwürdigerweise als guter Schwimmer, hatte aber trotz seinem Drang nach Weiterbildung eine Abneigung gegen Museen, und meine Frau begann, den thüringischen Kuchen zu lieben.

So verging bei gutem Wetter die erste Hälfte unseres Urlaubs, und wir glaubten schon, nicht nur erholsam gefaulenzt, sondern auch etwas für die Erweiterung unseres Horizontes getan zu haben. Allerdings setzte die Tageseinteilung des FDGB-Urlaubs unseren Unternehmungen Grenzen, mussten wir doch immer um eine bestimmte Zeit die Gaststätte aufsuchen, in der wir im ersten oder zweiten Durchgang verköstigt wurden.

Jeden Tag nach Einnahme des Abendessens hielten wir einen Plausch mit unserer Wirtin und ließen uns Ratschläge für die Gestaltung des nächsten Tages geben. Wenn ich sage, jeden Tag, so stimmt das nicht ganz, denn einmal, an jenem Abend, der sozusagen alles veränderte, fanden wir die alte Dame in ihrer Küche, als wir ihr Gute Nacht sagen wollten. Sie war trotz ihrer Gelenkbeschwerden mit dem Hund unterwegs gewesen, da der Nachbarsjunge wegen einer Sommergrippe ausgefallen war und musste nun ihre Beine schonen. Muss ich noch mehr sagen?

Am nächsten Vormittag unternahmen unsere Söhne in schöner Eintracht einen Ausflug mit dem Hund. Wahrscheinlich zeigten sie dem Tier alles, was sie selber schon gesehen hatten, denn sie gönnten dem Tier einen ausgiebigen Spaziergang. Sogar das Mittagessen in der Gaststätte ließen sie ausfallen, was uns dann doch ziemlich beunruhigte. Wir fragten, ob man das Essen warmstellen könnte, erhielten aber eine verneinende Antwort, jedoch eine Art Kaltverpflegung.

Bereits am Vormittag hatte sich unsere Wirtin so weit erholt, dass sie aus lauter Dankbarkeit einen Apfelkuchen buk. Und so geschah es, dass wir alle, einschließlich der beiden Hundesitter, die endlich wieder aufgetaucht waren, uns am Nachmittag im Garten bei ihr zum Kaffeetrinken einfanden. Wenn ich wir sage, meine ich auch den Hund, welcher zu Füßen seiner beiden Betreuer lag und sich die Kaltverpflegung schmecken ließ.

»Wir sind sogar mit Bruno im Theater gewesen«, scherzte unser Großer, »nicht wahr, Bruno?«

»Und was wurde gegeben?«, fragte meine Frau.

»Na nichts, sie spielen erst heute Abend wieder auf der Freilichtbühne. Es war doch bloß eine Besichtigung.«

»Und dann«, warf Uwe ein, »waren wir mit Bruno beim Hundegrab.«

Gespannt beobachtete er, wie wir diese Mitteilung aufnahmen.

»Und wo ist dieses Hundegrab, wenn man fragen darf?«

»Na in Winterstein an der Mauer von der Burgruine; das weiß dort jedes Kind«, erläuterte Uwe.

»Nun mal langsam«, ich hatte mir gerade noch ein Stück Kuchen nehmen wollen, musste aber erst diese Mitteilung verdauen, »ihr seid also in Winterstein gewesen?«

Wir hatten den Kindern zwar keine Instruktionen für ihren Aktionsradius gegeben, aber die über den Rennsteig führende Straße, Fortsetzung der Ortsstraße, war in unseren Überlegungen nicht vorgekommen. Schon damals, bei spärlicherem Autoverkehr, war sie eine gefährliche Strecke. Aber die Kinder hatten sie gemeistert und auf diese Art eine Entdeckung gemacht.

»Das lernen die Kinder im Heimatkundeunterricht«, warf unsere Wirtin ein.

Und dann erfuhren wir alles, was es über das Hundegrab zu wissen gab, und das war nicht wenig. Erst geraume Zeit später wurde mir bewusst, wie tapfer sich unser Großer mit der alten, verwitterten Schrift herumgeschlagen haben musste. Es versteht sich, dass wir noch am späten Nachmittag einen Ausflug nach Winterstein machten. Bisher hatten wir nur dessen malerische Lage bewundert, jetzt hatte der Ort auf einmal historische Bedeutung erhalten. Natürlich wusste ich als Theaterliebhaber, dass der...
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