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Das Erwachen (eBook)

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
216 Seiten
Deutsch
ars vivendi Verlagerschienen am19.09.2019
Edna Pontellier scheint alles zu haben, was sich eine Frau ihres Standes und ihrer Zeit nur wünschen kann: einen erfolgreichen Gatten, zwei kleine Söhne, ein großes Haus im wohlhabenden French Quarter. Und dennoch spürt sie seit ihrer Kindheit, dass da mehr sein muss als die bloße Anpassung an gesellschaftliche Gepflogenheiten. Als sie sich während der Sommerferien auf Grand Isle in den jungen Robert verliebt, gelingt es ihr nach der Rückkehr in die Stadt endgültig nicht mehr, in die Rolle der braven Ehefrau und guten Mutter zurückzufinden. Edna beschließt, aus dem goldenen Käfig auszubrechen. Sie beginnt zu malen und lässt sich auf ein außereheliches Verhältnis ein. Doch die neu entfachten Leidenschaften stellen nur einen Schritt auf dem Weg zur Selbstfindung dar. Kann es für Edna überhaupt die freie Wahl und ein alternatives Leben geben? - Wiederentdeckter Klassiker in vollständig überarbeiteter Übersetzung - Fesselnder Roman über den Bewusstwerdungsprozess einer Frau vor der aufregenden Kulisse New Orleans' und der Küste Louisianas - Mit Nachwort und Anmerkungen der Übersetzerin

Kate Chopin (1850-1904) entstammt einer irisch-kreolischen Familie. Jung verwitwet, zog sie allein sechs Kinder groß, was sie aber nicht davon abhielt, nebenher zu schreiben. Ihre Kurzgeschichten wurden von Presse und Publikum gefeiert; ihr Roman Das Erwachen löste 1899 bei seinem Erscheinen einen Skandal aus, der ihren Ausschluss aus dem Literaturbetrieb bedeutete. Erst in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts wurde sie als Autorin von Rang wiederentdeckt.
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Verfügbare Formate
BuchGebunden
EUR22,00
E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
EUR8,99

Produkt

KlappentextEdna Pontellier scheint alles zu haben, was sich eine Frau ihres Standes und ihrer Zeit nur wünschen kann: einen erfolgreichen Gatten, zwei kleine Söhne, ein großes Haus im wohlhabenden French Quarter. Und dennoch spürt sie seit ihrer Kindheit, dass da mehr sein muss als die bloße Anpassung an gesellschaftliche Gepflogenheiten. Als sie sich während der Sommerferien auf Grand Isle in den jungen Robert verliebt, gelingt es ihr nach der Rückkehr in die Stadt endgültig nicht mehr, in die Rolle der braven Ehefrau und guten Mutter zurückzufinden. Edna beschließt, aus dem goldenen Käfig auszubrechen. Sie beginnt zu malen und lässt sich auf ein außereheliches Verhältnis ein. Doch die neu entfachten Leidenschaften stellen nur einen Schritt auf dem Weg zur Selbstfindung dar. Kann es für Edna überhaupt die freie Wahl und ein alternatives Leben geben? - Wiederentdeckter Klassiker in vollständig überarbeiteter Übersetzung - Fesselnder Roman über den Bewusstwerdungsprozess einer Frau vor der aufregenden Kulisse New Orleans' und der Küste Louisianas - Mit Nachwort und Anmerkungen der Übersetzerin

Kate Chopin (1850-1904) entstammt einer irisch-kreolischen Familie. Jung verwitwet, zog sie allein sechs Kinder groß, was sie aber nicht davon abhielt, nebenher zu schreiben. Ihre Kurzgeschichten wurden von Presse und Publikum gefeiert; ihr Roman Das Erwachen löste 1899 bei seinem Erscheinen einen Skandal aus, der ihren Ausschluss aus dem Literaturbetrieb bedeutete. Erst in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts wurde sie als Autorin von Rang wiederentdeckt.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783869134604
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2019
Erscheinungsdatum19.09.2019
Seiten216 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse1412 Kbytes
Artikel-Nr.4886360
Rubriken
Genre9201

Inhalt/Kritik

Leseprobe


 

VII

Mrs Pontellier war keine Frau, die zu Vertraulichkeiten neigte; diese Eigenschaft war bisher ihrer Natur zuwidergelaufen. Bereits als Kind hatte sie ihr eigenes kleines Leben ganz in ihrem Inneren geführt. Sehr früh schon hatte sie instinktiv begriffen, dass es zwei Leben gibt - jenes äußere, das sich anpasst, und das innere, das alles hinterfragt.

In jenem Sommer auf Grand Isle begann sie ihre Zurückhaltung, die sie stets wie ein Mantel umhüllt hatte, ein wenig abzulegen. Es mag - es muss - Einflüsse gegeben haben, verborgene wie offenkundige, von denen jeder einzelne auf seine Weise zu dieser Veränderung beitrug. Am deutlichsten war der Einfluss von Adèle Ratignolle zu erkennen. Zunächst hatte die außerordentliche natürliche Anmut der Kreolin Edna angezogen, denn sie war sehr empfänglich für Schönheit, dann die Offenheit dieser Frau in jeder Hinsicht, die es jedermann gestattete, in ihr wie in einem aufgeschlagenen Buch zu lesen; die Offenheit, die zu Ednas eigener gewohnheitsmäßiger Zurückhaltung in so krassem Gegensatz stand - sie mochte ein Bindeglied dargestellt haben. Wer kann schon sagen, welche Metalle die Götter verwenden, um das zarte Band zu schmieden, das wir Sympathie nennen, das wir aber genauso gut Liebe nennen könnten.

Die beiden Frauen gingen eines Morgens zusammen zum Strand hinunter, Arm in Arm unter dem riesigen weißen Sonnenschirm. Edna hatte Madame Ratignolle zwar dazu überreden können, die Kinder zurückzulassen, doch es war ihr nicht gelungen, sie zum Verzicht auf ihre Näharbeit zu bewegen, denn Adèle hatte gebeten, die winzige Rolle in ihrer Kleidertasche mitnehmen zu dürfen. Auf irgendeine unerklärliche Weise waren sie Robert entkommen.

Der Weg zum Strand war nicht ganz unbeschwerlich: Er führte über einen langen, sandigen Pfad, von dem das auf beiden Seiten wild wuchernde Gestrüpp immer wieder und unvorhergesehenermaßen Besitz zu ergreifen suchte. Rechter wie linker Hand erstreckten sich weite Flächen mit gelber Kamille. An diese schlossen sich unzählige Gemüsegärten an, die häufig durch kleine Orangen- und Zitronenpflanzungen voneinander getrennt waren. Die dunkelgrünen Baumgruppen glänzten von fern in der Sonne.

Beide Frauen waren von stattlicher Größe, wobei Madame Ratignolle die fraulichere, matronenhaftere Figur besaß. Der Reiz von Edna Pontelliers Erscheinung nahm einen eher unmerklich gefangen. Die Konturen ihres Körpers waren länglich, wohlproportioniert und ebenmäßig; es war ein Körper, der zuweilen in wunderschöne Posen verfiel, ein Körper, der nichts von einer he­rausgeputzten, stereotypen Modepuppe an sich hatte. Ein zufälliger, nur flüchtig hinsehender Passant würde die Gestalt vielleicht keines zweiten Blickes würdigen. Doch mit mehr Gespür und Wahrnehmungsvermögen hätte er die edle Schönheit und anmutige Schlichtheit von Haltung und Bewegungen erkannt, die Edna Pontellier aus der Menge heraushoben.

An jenem Morgen trug sie ein leichtes Musselinkleid - weiß, mit einer wellenförmigen braunen Borte, die es der Länge nach durchzog, dazu einen weißen Leinenkragen und den großen Strohhut, den sie vom Haken vor der Tür genommen hatte. Der Hut saß einfach irgendwie auf ihrem gelbbraunen Haar, das sich ein wenig wellte, schwer war und eng am Kopf anlag.

Madame Ratignolle, um ihren Teint besorgter, hatte sich einen Gazeschleier um den Kopf gebunden und trug Rehlederhandschuhe mit Stulpen, um ihre Handgelenke zu schützen. Sie war in reines Weiß gekleidet, über und über bedeckt mit flauschigen Rüschen, was gut zu ihr passte. Die bauschigen Gewänder und flatternden Kleidungsstücke, die sie trug, brachten ihre üppige, blühende Schönheit besser zur Geltung, als strengere Linien es vermocht hätten.

Es gab eine ganze Reihe Häuschen am Strand; sie waren alle grob, aber solide zusammengezimmert und zum Wasser hin mit kleinen Galerien versehen, die Schutz vor der Sonne boten. Jedes dieser Häuschen bestand aus zwei Umkleidekabinen, und jede Familie bei den Lebruns verfügte über eine eigene Kabine; diese war mit allen zum Baden benötigten Utensilien sowie sämtlichen anderen Bequemlichkeiten ausgestattet, die sich die Gäste nur wünschen konnten. Die beiden Frauen hatten nicht vor zu baden; sie waren nur zum Strand hinuntergeschlendert, um einen Spaziergang zu machen und um allein und am Wasser zu sein. Die Kabinen der Pontelliers und der Ratignolles lagen nebeneinander unter demselben Dach.

Mrs Pontellier hatte aus Gewohnheit ihren Schlüssel mitgebracht. Sie schloss die Tür ihrer Umkleidekabine auf, ging hinein und kam bald darauf mit einer Decke zurück, die sie auf dem Boden der Galerie ausbreitete, und mit zwei riesigen, drillichbezogenen Rosshaarkissen, die sie gegen die Wand des Häuschens lehnte.

Die beiden Frauen ließen sich Seite an Seite im Schatten des Vordaches nieder, die Rücken an die Kissen geschmiegt und die Beine ausgestreckt. Madame Ratignolle entfernte ihren Schleier, wischte sich mit einem recht zarten Taschentuch über das Gesicht und fächelte sich mit dem Fächer, den sie immer an einem langen, schmalen Band irgendwo bei sich trug, Luft zu. Edna entfernte den Kragen und öffnete das Kleid am Hals. Sie nahm Madame Rati­gnolle den Fächer aus der Hand und begann, sich selbst und ihrer Gefährtin Luft zuzufächeln. Es war sehr warm, und eine Weile lang tauschten sie nur Bemerkungen über die Hitze, die Sonne und das grelle Licht aus. Allerdings wehte ein Wind, eine böige, steife Brise, die das Wasser zu Schaumkronen aufpeitschte. Sie ließ die Röcke der beiden Frauen flattern und sorgte dafür, dass diese eine Zeit lang damit beschäftigt waren, die wehenden Kleidungsstücke festzuhalten, wieder in Ordnung zu bringen und zwischen Beinen und Boden einzuklemmen sowie Haar- und Hutnadeln festzustecken. Ein paar Leute tummelten sich in einiger Entfernung im Wasser. Der Strand lag um diese Zeit noch still da, unberührt vom Lachen und Lärmen der Menschen. Die Dame in Schwarz verrichtete ihre Morgenandacht auf der Veranda einer benachbarten Badekabine. Ein junges Pärchen tauschte Liebesschwüre im Schutz des Zeltes, das für die Kinder aufgestellt worden war, das die beiden aber leer vorgefunden hatten.

Edna Pontellier ließ ihren Blick umherschweifen und schließlich auf dem Meer ruhen. Der Tag war klar und gab die Sicht frei, so weit der blaue Himmel reichte; ein paar weiße Wolken schwebten träge über dem Horizont. Ein Lateinersegel19 war in der Richtung von Cat Island zu erkennen, und andere Boote, die sich weiter südlich befanden, schienen sich in der großen Entfernung kaum von der Stelle zu bewegen.

»An wen - woran denken Sie?«, fragte Adèle ihre Gefährtin, deren Gesicht sie mit leicht amüsierter Aufmerksamkeit beobachtet hatte, gefesselt von dem gedankenverlorenen Ausdruck, der jeden Zug erfasst und in statuenhafte Ruhe gebannt zu haben schien.

»An nichts«, erwiderte Mrs Pontellier, aus ihren Gedanken aufschreckend. »Wie dumm!«, fügte sie sofort hinzu. »Aber diese Antwort scheinen wir instinktiv auf eine solche Frage zu geben. Lassen Sie mich sehen«, fuhr sie fort, legte den Kopf in den Nacken zurück und kniff ihre schönen Augen zusammen, bis sie wie zwei lebhafte Lichtpunkte leuchteten. »Lassen Sie mich sehen. Ich war mir wirklich nicht bewusst, dass ich an irgendetwas dachte, aber vielleicht kann ich meine Gedanken ja zurückverfolgen.«

»Schon gut, schon gut!«, wehrte Madame Ratignolle lachend ab. »So hohe Anforderungen stelle ich nicht! Diesmal will ich Ihnen eine Antwort erlassen. Es ist wirklich zu heiß zum Denken, vor allem zum Denken über das Denken.«

»Ich will es trotzdem spaßeshalber versuchen«, beharrte Edna. »Zunächst haben mich der Anblick des Wassers, das sich so unendlich weit ausdehnt, und diese an Ort und Stelle verharrenden Segel vor dem blauen Himmel in ihren Bann gezogen. Ich wollte einfach dasitzen und dieses herrliche Bild betrachten. Der heiße Wind, der mir ins Gesicht blies, ließ mich - ohne jeglichen erkennbaren Zusammenhang - an einen Sommertag in Kentucky denken, an eine Wiese, die dem kleinen Mädchen darauf so groß und weit vorkam wie der Ozean, als es durch das Gras spazierte, das ihm bis über die Taille reichte. Beim Gehen holte es mit den Armen aus wie beim Schwimmen und schlug das hohe Gras auseinander, wie man das Wasser teilt. Ach, jetzt sehe ich den Zusammenhang!«

»Wohin gingen Sie an jenem Tag in Kentucky, als Sie durch das Gras liefen?«

»Daran kann ich mich nicht mehr erinnern. Ich wanderte einfach quer über ein großes Feld. Mein Sonnenhut versperrte mir die Sicht. Ich konnte nur die grüne Fläche vor mir sehen, und ich hatte das Gefühl, als müsste ich ewig weiterlaufen, ohne jemals an ihr Ende zu gelangen. Ich erinnere mich nicht, ob ich Angst oder Freude empfand. Ich muss es wohl unterhaltsam gefunden haben.

Sehr wahrscheinlich war es ein Sonntag«, fuhr sie lachend fort, »und ich lief vor der Andacht weg, vor dem presbyterianischen Gottesdienst, den mein Vater so düster und bedrückend gestaltete, dass mich noch heute beim Gedanken daran fröstelt.«

»Und sind Sie seitdem immer vor der Andacht weggelaufen, ma chère?«, fragte Madame Ratignolle belustigt.

»Nein! O nein!«, erwiderte Edna rasch. »Damals war ich ein kleines Kind, das einfach einem irreführenden Impuls folgte, ohne irgendeine Frage zu stellen. Im Gegenteil, es gab eine Phase in meinem Leben, da hatte die Religion mich fest im Griff; von meinem dreizehnten Lebensjahr an bis â¦ bis â¦ nun ja, ich glaube, bis jetzt, obwohl ich nie viel darüber nachgedacht habe, mich einfach von der Gewohnheit treiben...

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Autor

Kate Chopin (1850-1904) entstammt einer irisch-kreolischen Familie. Jung verwitwet, zog sie allein sechs Kinder groß, was sie aber nicht davon abhielt, nebenher zu schreiben. Ihre Kurzgeschichten wurden von Presse und Publikum gefeiert; ihr Roman Das Erwachen löste 1899 bei seinem Erscheinen einen Skandal aus, der ihren Ausschluss aus dem Literaturbetrieb bedeutete. Erst in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts wurde sie als Autorin von Rang wiederentdeckt.