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Und dann kamst du

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
304 Seiten
Deutsch
Oetinger Taschenbucherschienen am17.10.2019
Nach dem Unfalltod ihres Zwillingsbruders ist die Welt der neunzehnjährigen Claire völlig aus den Fugen geraten. Will sie überhaupt noch Medizin studieren? Und wenn nicht, was könnte sie sonst mit ihrem Leben anfangen? Claire fühlt sich unvollständig und haltlos, probiert sich aus, lässt sich treiben ... bis zu jener denkwürdigen Nacht, in der sie IHN sieht. Der junge Mann fasziniert sie auf den ersten Blick - doch dann steigt er aus dem Bus aus, bevor sie Gelegenheit hat, ihn anzusprechen. Und lässt seinen Rucksack liegen! Wenn das kein Zeichen ist ... Claire nimmt den Rucksack mit und hofft, dass der Inhalt mehr über den Unbekannten verrät. Doch bis auf eine Einkaufsliste, ein Sweatshirt, ein Päckchen Streichhölzer und einen Kugelschreiber findet sie darin lediglich ein Notizbuch mit einem einzigen Tagebucheintrag. Sie geht den wenigen Hinweisen nach, die sie hat - in der Hoffnung, dem mysteriösen Unbekannten wieder zu begegnen. Spontan macht Claire sein Tagebuch zu ihrem eigenen und hält ihre Suche darin fest, dabei adressiert sie ihre Einträge direkt an den Unbekannten, sie erzählt ihm von ihren Ängsten, ihrem Leben und natürlich ihrer großen Sehnsucht nach ihm. Werden sie sich jemals gegenüberstehen?

Heike Abidi, Jahrgang 1965, studierte Sprachwissenschaften und arbeitet heute als freiberufliche Werbetexterin und Autorin. Sie lebt mit ihrem Mann und Sohn in der Nähe von Kaiserslautern.
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Produkt

KlappentextNach dem Unfalltod ihres Zwillingsbruders ist die Welt der neunzehnjährigen Claire völlig aus den Fugen geraten. Will sie überhaupt noch Medizin studieren? Und wenn nicht, was könnte sie sonst mit ihrem Leben anfangen? Claire fühlt sich unvollständig und haltlos, probiert sich aus, lässt sich treiben ... bis zu jener denkwürdigen Nacht, in der sie IHN sieht. Der junge Mann fasziniert sie auf den ersten Blick - doch dann steigt er aus dem Bus aus, bevor sie Gelegenheit hat, ihn anzusprechen. Und lässt seinen Rucksack liegen! Wenn das kein Zeichen ist ... Claire nimmt den Rucksack mit und hofft, dass der Inhalt mehr über den Unbekannten verrät. Doch bis auf eine Einkaufsliste, ein Sweatshirt, ein Päckchen Streichhölzer und einen Kugelschreiber findet sie darin lediglich ein Notizbuch mit einem einzigen Tagebucheintrag. Sie geht den wenigen Hinweisen nach, die sie hat - in der Hoffnung, dem mysteriösen Unbekannten wieder zu begegnen. Spontan macht Claire sein Tagebuch zu ihrem eigenen und hält ihre Suche darin fest, dabei adressiert sie ihre Einträge direkt an den Unbekannten, sie erzählt ihm von ihren Ängsten, ihrem Leben und natürlich ihrer großen Sehnsucht nach ihm. Werden sie sich jemals gegenüberstehen?

Heike Abidi, Jahrgang 1965, studierte Sprachwissenschaften und arbeitet heute als freiberufliche Werbetexterin und Autorin. Sie lebt mit ihrem Mann und Sohn in der Nähe von Kaiserslautern.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783864180958
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2019
Erscheinungsdatum17.10.2019
Seiten304 Seiten
SpracheDeutsch
Artikel-Nr.4923942
Rubriken
Genre9200

Inhalt/Kritik

Leseprobe

Kapitel 2

Als Claire gegen Mittag die Küche betrat, war schmutziges Frühstücksgeschirr das Einzige, was von ihren Mitbewohnern zu sehen war. Sie ließ es links liegen und steuerte den Kaffeeautomaten an - das luxuriöseste und zugleich unverzichtbarste Haushaltsgerät im Besitz der WG, deren jüngstes Mitglied sie war, und das sowohl im wörtlichen als auch im übertragenen Sinne. Ben war schon im fünften Semester und Jenny sogar im siebten. Nachdem ihr dritter Mitbewohner sein Studium abgeschlossen hatte und weggezogen war, hatten sie genau zu dem Zeitpunkt einen »Zimmer frei«-Aushang ans Schwarze Brett gehängt, als Claire davorstand, um nach einer Unterkunft Ausschau zu halten. Die Suche hatte sich damit für beide Seiten umgehend erledigt.

»Man kann auch mal Glück haben«, hatte Ben grinsend kommentiert, und sie hatte genickt. Irgendwie war es ihr gelungen, Freude vorzutäuschen. In Wahrheit war sie dazu nicht in der Lage gewesen. Schließlich war Colins Tod erst dreieinhalb Wochen her.

Jetzt, weitere sieben Wochen später, begriff sie durchaus, was für ein Wahnsinnsglück sie bei der Wohnungssuche wohl gehabt hatte. Doch echte Freude darüber empfand sie noch immer nicht. Wie könnte sie auch! Wahres Glück hätte anders ausgesehen. Auf jeden Fall hätte einer ihrer Mitbewohner Colin geheißen. Wahrscheinlich hätten sie gemeinsam eine Zweier-WG gegründet. Never change a winning team, hieß es nicht so? Tja, aber dann war alles so anders gekommen.

Ursprünglich hatten sie vorgehabt, nach Colins Rückkehr aus Hawaii auf Wohnungssuche zu gehen. Und sich dann in Ruhe in der neuen Stadt einzuleben, bevor das Semester im Herbst startete. Diesen Plan nun allein durchzuziehen und tatsächlich schon so lange vor Vorlesungsbeginn umzuziehen, war eine ganz spontane Entscheidung gewesen. Zu Hause hatte Claire es einfach nicht länger ausgehalten. Dort hatte sie alles an Colin erinnert. Überall hatte er seine Spuren hinterlassen: seine Zeitschriften, seine Sportsachen, seine Lieblingskaugummis. Und dann der leere Stuhl am Tisch â¦

Ihre Eltern ertrugen die Trauer nur, indem sie sich noch mehr als sonst in die Arbeit stürzten. Da hatte Claire beschlossen, es ebenfalls mit dieser Strategie zu probieren.

Und hier war sie nun. In dieser verwohnten Küche, in der es mehr schmutziges Geschirr auf der Arbeitsplatte als sauberes im Schrank gab. Die grasgrüne Kaffeetasse in ihrer Hand trug die Aufschrift »Morgenmuffel«. Sie hatte ihrem Vormieter gehört, und Claire hatte sie mitsamt seiner wackeligen Bücherregale, dem zerschrammten Schreibtisch und dem halb vertrockneten Gummibaum übernommen.

Die Tasse passte perfekt zu ihr. Sie war morgens keine gute Gesprächspartnerin. Zum Glück erwartete das hier auch niemand von ihr. Ihre Mitbewohner waren zwar nett, aber selten zu Hause, und wenn doch, ließen sie Claire meist in Ruhe. Sie schienen zu spüren, dass sie weder auf Small Talk aus war noch ausgefragt werden wollte.

Vielleicht war sie ihnen auch gleichgültig? Ben war vollauf mit seinen wechselnden Freundinnen beschäftigt, und Jenny trieb in jeder freien Minute Sport. So auch jetzt. Noch im Bett liegend, hatte Claire mitbekommen, wie Ben und seine aktuelle Eroberung ins Schwimmbad aufgebrochen waren und Jenny ihr Rennrad durch den Flur gerollt hatte, um wenig später die Wohnungstür hinter sich ins Schloss zu ziehen. Claire hätte weder mit dem einen noch mit der anderen tauschen wollen. Ihre helle Haut vertrug keine Sonne, und Radfahren war so überhaupt nicht ihr Ding. Schon gar nicht um diese Uhrzeit.

Nach der zweiten Tasse kam ihr Gehirn langsam in die Gänge. Und die Erinnerungen kehrten zurück. An den Rucksack, den Unbekannten, das Tagebuch, ihren Plan.

Zurück in ihrem Zimmer las sie noch einmal durch, was sie am frühen Morgen geschrieben hatte. Offenbar hatte sie sich vorgenommen, den Fremden, der nun immerhin einen Namen hatte, um jeden Preis zu finden - und das nicht nur, um ihm seinen Rucksack zurückzugeben, sondern auch, um »Licht und Freude in sein Leben zu bringen«. Wie war sie denn nur auf diese pathetische Formulierung gekommen? Und überhaupt - als hätte ausgerechnet sie Licht und Freude im Überfluss â¦

Dennoch - irgendetwas hatte sie dazu gebracht, genau so zu empfinden. Und wenn es nur die Müdigkeit war - oder ihre Verzweiflung.

Heute Morgen kam Claire die Entschlossenheit, mit der sie vor wenigen Stunden ihr neues Lebensziel formuliert hatte, reichlich albern vor.

Andererseits hatte sie auch keinen Alternativplan. Weder für ihr Leben noch für den heutigen Tag, an dem sie freihatte. Mit anderen Worten: viel Zeit zum Grübeln. Was ihr nicht guttat, so viel war klar.

Es war immer besser, sich irgendwie zu beschäftigen. Und wenn es nur mit Putzen war.

Nachdem Claire den Inhalt des Rucksacks, der immer noch verstreut auf dem Boden herumlag, wieder eingeräumt hatte, machte sie ihr Bett und saugte den Dielenboden ihres Zimmers und den bunten Flickenteppich. Weil sie schon mal dabei war, auch gleich noch den Flur und die Küche. Dann spülte sie das dreckige Geschirr, trocknete es ab und räumte alles in den alten Küchenschrank, den irgendjemand einmal hellblau lackiert hatte, doch an einigen Stellen schimmerte das Naturholz durch. Vielleicht lohnte es sich, ihn irgendwann einmal abzuschleifen und zu ölen - dann könnte daraus ein richtiges Schmuckstück werden, überlegte sie. Anschließend putzte sie das Bad und wischte den Kühlschrank aus.

Leider war sie schon nach einer knappen Stunde mit allem fertig. Noch so viel vom Tag übrig - und so wenig zu tun.

Was nun? Eine weitere Tasse Kaffee? Lieber nicht - ihr war es auch ohne Heißgetränk schon warm genug.

Unentschlossen ließ sich Claire auf ihren Schreibtischstuhl sinken und schaute sich ratlos um. Sie konnte wohl schlecht den Rest des Tages in ihrer trostlosen Fünfzehn-Quadratmeter-Bude verbringen!

Was im Fernsehen lief, konnte sie nicht ertragen. Das meiste war belangloser Schrott. Und Lesen war auch keine Alternative. Sie konnte sich einfach nicht darauf konzentrieren. Spätestens nach einer halben Seite verlor sie den Faden, und ihre Gedanken gingen auf Wanderschaft. Weg von der Geschichte, hin zu Colin und ihrer Trauer.

Und das Internet hatte seit jenem dunklen Tag im Juni keinen Reiz mehr für Claire, im Gegenteil - die vielen Trauerpostings auf Facebook zu lesen, war für sie unglaublich schmerzhaft gewesen. Bestimmt hatten es alle nur gut gemeint, aber Claire ertrug es einfach nicht, immer wieder nachzulesen, welche Betroffenheit Colins Tod ausgelöst hatte. Was waren das überhaupt für Leute, die ihre Pinnwand mit Beileidsbekundungen vollschrieben? Sie kannte die wenigsten davon. Ein bisschen hatte sie auch das Gefühl, dass bei einigen Sensationsgier mit im Spiel war. Sie sonnten sich in der makabren Tatsache, einen tragisch Verunglückten gekannt zu haben. Irgendjemand hatte geschrieben: »RIP Colin. Du fehlst. Meine Tränen wollen nicht versiegen.« Das war ihr schlichtweg unverschämt vorgekommen. Sie war doch diejenige, die litt, die weinte, die nicht mehr ein noch aus wusste. Wie konnte eine entfernte Bekannte, die mit Colin nur ganz lose befreundet gewesen war, so etwas Theatralisches posten? Danach hatte sie die Nase von Facebook gestrichen voll gehabt.

Jetzt aber beschloss sie spontan, ihre Social-Media-Abstinenz zu unterbrechen. Sie zog ihr Handy hervor, loggte sich bei Facebook ein und tippte »Samuel« ins Suchfenster ein.

Das Ergebnis war niederschmetternd. Natürlich gab es unzählige User mit diesem Namen! Selbst in Kombination mit der Ortsangabe waren es noch unglaublich viele. Dennoch machte sich Claire die Mühe, sämtliche Seiten genau durchzugehen und jedes einzelne Profilbild anzuklicken. Es waren über hundert, und es dauerte über eine Stunde, sie alle zu checken, doch keiner sah aus wie der Unbekannte von heute Nacht.

Das hätte ich mir auch sparen können, dachte Claire und warf ihr Handy aufs Bett.

Dann blieb ihr Blick an dem Rucksack hängen. Sofort meldete sich das schlechte Gewissen. Sie hätte das Ding wirklich abgeben sollen! Theoretisch konnte sie das auch immer noch tun. Oder noch besser: Sie könnte sich tatsächlich auf die Suche nach Samuel machen.

Aber wo?

Sicher fuhr er öfter mit dem Stadtbus. Jedenfalls hatte er nicht wie jemand gewirkt, der das nicht gewohnt war. Solche Leute erkannte man an der nervösen Art, wie sie die Haltestellenanzeige im Blick behielten, am zögernden Nachdruck, mit dem sie den Stopp-Knopf betätigten, und an ihrer unübersehbaren Sorge, die Tür könnte klemmen.

Keins dieser Symptome traf auf Samuel zu. Er musste wohl ein regelmäßiger Fahrgast sein. Wenn also irgendwo die Chancen gut standen, ihm wieder zu begegnen, dann in einem Bus der Linie acht.

Warum eigentlich nicht? Sie hatte schließlich nichts Besseres vor. Und besaß eine Monatskarte. Also schnappte sie sich den Rucksack und machte sich auf den Weg.

 

Linie acht pendelte zwischen dem Waldfriedhof im Osten der Stadt und der Fünfzigerjahre-Wohnsiedlung ganz im Westen, nahe der Autobahnauffahrt. Die Fahrzeit von einer zur anderen Endhaltestelle betrug genau eine Stunde und vierzehn Minuten. Nachdem sie zum zweiten Mal hin und wieder zurück gefahren war, kannte sie die meisten der siebenunddreißig Haltestellen mit Namen.

Der Fahrer kommentierte ihren Linie-acht-Marathon nicht - jedenfalls nicht mit Worten. Aber mit einem Stirnrunzeln und immer häufigeren Blicken in den Rückspiegel.

Was er wohl...
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