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E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
288 Seiten
Deutsch
FISCHER E-Bookserschienen am04.03.20201. Auflage
Gerwin van der Werfs Roman »Der Anhalter« nimmt die Leser mit auf eine spannende Reise in die archaische Natur Islands und in das Herz einer Familie, die an ihren Geheimnissen zu zerbrechen droht. Für Tiddo, Isa und ihren Sohn Jonathan soll es die Reise ihres Lebens werden, mit dem Wohnmobil durch Island. Schon immer hat es sie auf die mystische Insel gezogen. Nun endlich wird es was, muss es was werden - Tiddo erhofft sich von der Reise nicht weniger als die Rettung seiner Ehe. Doch dann nehmen die drei auf ihrem Roadtrip einen merkwürdigen Anhalter mit, der immer neue Gründe findet, um weiter mitzureisen. Der Fremde durchbricht die Zurückhaltung Jonathans, fasziniert Isa und fordert Tiddo heraus. Als das fragile Gleichgewicht der Familie endgültig zu kippen droht, sieht Tiddo in einer halsbrecherischen Fahrt zum Kratersee Öskjuvatn den einzigen Ausweg. Wie weit geht ein Mensch, der Gefahr läuft, alles zu verlieren? »Das schwarze Land ist kahlgeschoren, von Wind und tausend Wintern. Kein Lebewesen hat dort etwas zu suchen, selbst die toten Steine liegen gegen ihren Willen da.« »Was für ein Erzähler, der van der Werf!« Trouw

Gerwin van der Werf (1969) ist ein Autor, der an einer internationalen Schule Musik unterrichtet, ein Niederländer, der über Island schreibt, ein Kolumnist, der in einer Band spielt. Zwei seiner vier Romane schafften es auf die Longlist des wichtigsten niederländischen Literaturpreises Libris Literatuurprijs. Mit »Der Anhalter« erscheint erstmals ein Buch von ihm auf Deutsch.
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Verfügbare Formate
BuchGebunden
EUR20,00
E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
EUR12,99

Produkt

KlappentextGerwin van der Werfs Roman »Der Anhalter« nimmt die Leser mit auf eine spannende Reise in die archaische Natur Islands und in das Herz einer Familie, die an ihren Geheimnissen zu zerbrechen droht. Für Tiddo, Isa und ihren Sohn Jonathan soll es die Reise ihres Lebens werden, mit dem Wohnmobil durch Island. Schon immer hat es sie auf die mystische Insel gezogen. Nun endlich wird es was, muss es was werden - Tiddo erhofft sich von der Reise nicht weniger als die Rettung seiner Ehe. Doch dann nehmen die drei auf ihrem Roadtrip einen merkwürdigen Anhalter mit, der immer neue Gründe findet, um weiter mitzureisen. Der Fremde durchbricht die Zurückhaltung Jonathans, fasziniert Isa und fordert Tiddo heraus. Als das fragile Gleichgewicht der Familie endgültig zu kippen droht, sieht Tiddo in einer halsbrecherischen Fahrt zum Kratersee Öskjuvatn den einzigen Ausweg. Wie weit geht ein Mensch, der Gefahr läuft, alles zu verlieren? »Das schwarze Land ist kahlgeschoren, von Wind und tausend Wintern. Kein Lebewesen hat dort etwas zu suchen, selbst die toten Steine liegen gegen ihren Willen da.« »Was für ein Erzähler, der van der Werf!« Trouw

Gerwin van der Werf (1969) ist ein Autor, der an einer internationalen Schule Musik unterrichtet, ein Niederländer, der über Island schreibt, ein Kolumnist, der in einer Band spielt. Zwei seiner vier Romane schafften es auf die Longlist des wichtigsten niederländischen Literaturpreises Libris Literatuurprijs. Mit »Der Anhalter« erscheint erstmals ein Buch von ihm auf Deutsch.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783104911267
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2020
Erscheinungsdatum04.03.2020
Auflage1. Auflage
Seiten288 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse1015 Kbytes
Artikel-Nr.4936537
Rubriken
Genre9201

Inhalt/Kritik

Leseprobe

4

Ein Gemälde hat Isa und mich zusammengebracht. Jede Liebe hat eine Geschichte, das hier scheint mir ein schöner Eröffnungssatz für unsere zu sein. Es war nicht gerade romantisch, das Gemälde, aber eines, das man nicht schnell vergisst - Barnett Newmans Cathedra. Ein paar Quadratmeter blaue Farbe auf einer Leinwand, wenn man es respektlos ausdrückt. Eine spirituelle Erfahrung, sagen die Wohlmeinenden, eine Darstellung des Himmelsgewölbes, der Thron Gottes, das Geheimnis des Lebens. Ich hatte irgendwo gelesen, dass man es aus der Nähe ansehen muss, ohne zu zwinkern, dann werde man in den blauen Pigmentschichten ertrinken. Angeblich war das Gemälde bedeutungsschwanger. Ich halte diese Bezeichnung für unglücklich. Man fragt sich dabei doch sofort, wann die Bedeutung denn endlich geboren wird. Nachdem ich das Blau eine Weile aus nächster Nähe angestarrt hatte, trat ich noch ein Schrittchen näher, ich konnte meine Nase fast auf die Leinwand drücken, versuchte, nicht das Bild zu sehen, sondern etwas, das sich dahinter befinden musste, die Tiefsee, die Ewigkeit, was weiß ich. Nicht weit von mir entfernt stand eine junge Frau und starrte genauso wie ich, und auch sie blieb lange stehen. Hinter uns warteten Leute darauf, dass wir endlich verschwinden, damit auch sie ertrinken könnten. Ich spürte ihre Blicke in meinem Rücken, kümmerte mich aber nicht darum, die Frau neben mir war genauso standhaft.

Wir widerstanden dem Druck, und wir schauten, ohne zu sehen. Na ja, was sie sah, wusste ich zu dem Zeitpunkt nicht, man kann schließlich auf dasselbe schauen und trotzdem etwas anderes sehen, selbst wenn es nur eine strahlendblaue Fläche ist. Aber mir wurde ein bisschen schwindlig davon. Na komm schon, blaue Farbe, dachte ich, enthülle dein Geheimnis.

»Stehen wir vielleicht zu nah dran?«, fragte sie.

Ich wollte etwas Witziges antworten, wurde aber nervös und mir fiel nichts ein. Wir traten gleichzeitig zwei Schritte zurück, ich machte verstohlen noch zwei Schrittchen zur Seite, so dass ich näher bei ihr stand.

»Was siehst du?«, fragte ich.

Sie antwortete nicht. Feine Gesichtszüge, blaugraue Augen, suchend, forschend. Sie schüttelte den Kopf.

»Es ist echt schön, aber es sagt mir nicht viel.«

Ich betrachtete sie verstohlen von der Seite, das Bild wurde zum blauen Schleier, es interessierte mich nicht mehr. Mir gefiel ihr Gesicht. Dunkelblonde Locken, die bis knapp über die Schultern fielen, links über der Stirn hatte sie einen charmanten Wirbel, wodurch sich ihr Haar nicht in der Mitte teilte. Eigentlich nichts Besonderes, solche Haare sieht man bei Hunderten von Frauen, aber diese Hunderte standen nicht neben mir. Der Blick ihrer großen Augen war weder herausfordernd noch selbstbewusst, sondern aufmerksam und neugierig, sie wollten verstehen, was sie sahen, und schienen sich gleichzeitig für ihre Begriffsstutzigkeit zu entschuldigen.

»Vielleicht will es gar nicht unbedingt etwas bedeuten«, sagte sie, »nur etwas bewirken.«

»Müde Füße und Durst«, sagte ich. »Das ist es, was so ein Museum immer bewirkt.«

Sie sah mich an, als würde sie mich erst jetzt wahrnehmen. Sie schlug die Augen nieder, zum Küssen, dieser sanfte, nach unten gerichtete Blick.

»Ich weiß eigentlich nicht, was ich hier will.« Der Anflug eines Lächelns, nicht kokett oder berechnend, sondern schüchtern und schlicht bezaubernd.

»Ich auch nicht«, sagte ich, und das war die Wahrheit, denn ich spielte damals ja gerade mit dem Gedanken, Kunstgeschichte zu studieren, weil mir nach einem abgebrochenen BWL-Studium eine sinnentleerte Zukunft im Büro Angst machte.

Doch nachdem ich jetzt dieser Frau begegnet war, überfiel mich eine ganz andere Angst - dass es eine Zukunft ohne sie sein würde.

»Hast du Lust auf einen Kaffee?«, fragte ich. »Dann lass uns doch eine Tasse trinken. Oder bist du nicht allein?«

Sie antwortete, sie sei allein, ein Satz, in dem sich Kummer verbarg, der mir aber in diesem Augenblick wie Musik in den Ohren klang. Ich weiß noch, dass ich mich leicht fühlte auf der großen, imposanten Treppe, meinetwegen konnten alle Bilder von den Wänden fallen, und gleichzeitig waren sie eins wie das andere Freunde, denn ich konnte über sie sprechen, und diese Frau mit dem netten Gesicht ließ mich erzählen. Es berührte mich, und ich fühlte mich dabei groß und stark. Wir tranken Kaffee, sie fragte alles Mögliche über Künstler, wo sie herkamen, nach Jahreszahlen, dies und das, ich weiß wirklich nicht mehr, was ich alles an Antworten gab, es muss eine peinliche Menge Unsinn dabei gewesen sein, obwohl ich mich noch erinnere, dass sie mich mehrmals mit der Frage unterbrach: »Du weißt das auch nicht genau, stimmt´s?« und ein paarmal mit »Woher weißt du das?«. Nicht um mich in Frage zu stellen, es war eine Prüfung. Ich konnte ihr kein einziges Zitat oder auch nur eine belegbare Quelle nennen. Nach einer Weile stellte ich fest, dass ich nichts mit Sicherheit sagen konnte, selbst die Datierungen der bedeutendsten Werke von Malewitsch oder Matisse waren keine harten Fakten mehr. In dieser halben Stunde Kaffeetrinken hatte ich so gut wie ständig das Wort geführt und dennoch hatte sie das Gespräch gelenkt. Sie war das außergewöhnlichste Geschöpf, dem ich je begegnet war.

»Hier, warte«, sagte ich schnell und besorgt, als sie aufstand (sie stand ohne Ankündigung auf, nicht wegen des Effekts, sie war einfach so), »ruf mich doch mal an, wenn du Lust hast, noch weiterzureden.« Ich schrieb meinen Namen und meine Telefonnummer auf ein leeres Zuckertütchen. Sie nahm es, Zuckerkörnchen rieselten auf den Tisch zwischen uns. »Oder darf ich dich einmal anrufen?«, fragte ich.

»Ich ruf dich an«, antwortete sie. »Tschüs Tiddo, danke für den Kaffee und die Unterhaltung.«

Ich wusste nicht einmal, wie sie hieß.

Sie rief mich nicht an, sie rief mich schrecklich lange nicht an, sie würde mich nie anrufen! Drei Wochen gingen vorüber, und obwohl ich natürlich nicht den ganzen Tag an sie dachte, wurden meine Versuche, mich an ihre Augen und ihr Gesicht zu erinnern, immer verzweifelter. Dann endlich meldete sie sich. »Hier ist Isa.« Ich wiederholte ihren Namen, um meine Nerven zu beruhigen. Es war der Tag, nachdem Cathedra im Stedelijk Museum von einem Verrückten mit einem Teppichmesser schwer beschädigt worden war. Sie fragte, ob ich es schon gehört hätte. Ich wusste von nichts und war zu verblüfft, um zu erfassen, was sie sagte.

»Das hast doch nicht etwa du gemacht?«

»Ich? Was hab ich gemacht?«

»Das Gemälde zerstört.«

»Natürlich nicht. Ich weiß nicht einmal, wovon du sprichst.«

»Ich bin die Frau aus dem Museum. Wir haben uns zusammen das Bild angesehen.«

»Mein Gott, natürlich, wie könnte ich das vergessen? Ich meine, was ist denn mit dem Bild?«

Sie erzählte mir in aller Ruhe, was geschehen war, und ich genoss es, ihre Stimme zu hören. Ihren Namen. Ich hätte jubeln können. Das Bild interessierte mich überhaupt nicht. Cathedra war angegriffen worden. Das waren ihre Worte: angegriffen worden. Drei meterlange, horizontale Schnitte in die Leinwand, ein paar schnelle, vertikale Hiebe. Ein Massaker. Und nur diesem aufgeschlitzten Bild hatte ich ihren Anruf zu verdanken. Wie man ein Gemälde doch liebgewinnen kann, wenn es zerfetzt ist!

»Sag mal, Isa.« Es war toll, ihren Namen auszusprechen.

»Hast du wirklich gedacht, dass ich das war?«

»Nein, nein, ich habe es in den Nachrichten gehört und musste an dich denken. Vielleicht wollte ich die Möglichkeit ausschließen.«

Die Möglichkeit ausschließen, mir schien dieser Spaß eher fragwürdig. Später habe ich das anders betrachtet. Wie das mit dem Zuckertütchen. Damals dachte ich noch, sie hätte es aufgehoben, aber nein, sie hatte sich meine Nummer gemerkt. In ihre Datenbank eingespeichert, wie sie es ziemlich nerdig ausdrückte. Ein Jahr darauf zogen wir zusammen, in Delft, wo sie an ihrer Doktorarbeit schrieb. Sie war dreiundzwanzig, beide Eltern waren bereits gestorben, die Mutter an Brustkrebs, der Vater an einem Schlaganfall, sie hatte einen zwölf Jahre älteren Bruder, der in San Francisco lebte. »Ich bin allein«, wieder hörte ich sie das sagen an dem Tag im Museum, es hatte sich angehört, als sei das immer so gewesen. Ich bewunderte alles an ihr. Isa war ein Mensch, der nicht vom Schicksal überwältigt wurde, sondern der in der Lage war, sein Leben in die Hand zu nehmen, und das obwohl sie schon mit neunzehn Waise geworden war. Für sie war es selbstverständlich, dass wir zusammenleben würden und dass dieses Leben dann so wäre, wie es jetzt war. Wie unglaublich mir das alles vorkam, das Haus, das wir zusammen kauften, Jonathans Geburt, für sie schien das alles völlig logisch zu sein. Sie genoss es genau wie ich, aber man konnte an ihrem Blick und ihrem Gang sehen, dass sie bei allem dachte: Natürlich geht das so, was hattest du denn gedacht, Tiddo? Ich fühlte mich als Teil von etwas Größerem, als Teil eines kosmischen Plans, den Isa entschlüsselt hatte und in dem ich offenbar ein kleines Rädchen war. Zwei Jahre nach Jonathans Geburt hatte Isa ihre erste Fehlgeburt, gut ein halbes Jahr später die zweite. Ein Sturm tobte über unserem Haus, riss am Dach, bis es wie ein Schiffsrumpf knarrte, doch das änderte nichts an Isas Grundeinstellung zum Leben. Auch Rückschläge gehörten ihrer Meinung nach zum natürlichen Lauf der Dinge, der Tod ihrer Eltern hatte sie das gelehrt. Rückschläge würden uns nie voneinander trennen können.

Es war ein Gemälde, das uns zusammengebracht hatte, ein zerstörtes Gemälde. Ohne...
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Gerwin van der Werf (1969) ist ein Autor, der an einer internationalen Schule Musik unterrichtet, ein Niederländer, der über Island schreibt, ein Kolumnist, der in einer Band spielt. Zwei seiner vier Romane schafften es auf die Longlist des wichtigsten niederländischen Literaturpreises Libris Literatuurprijs. Mit »Der Anhalter« erscheint erstmals ein Buch von ihm auf Deutsch.
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