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Die Stunde der Ökonomen

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
560 Seiten
Deutsch
FISCHER E-Bookserschienen am27.05.20201. Auflage
Als die Ökonomen die Weltbühne betraten. Binyamin Appelbaum legt eine originelle Ideengeschichte und ein unvergessliches Porträt der Wirtschafts-Wissenschaftler vor, die in der Mitte des 20. Jahrhunderts zum weltweiten Aufstieg des Neo-Liberalismus beigetragen haben. Sie waren die Vertreter des deregulierten Marktes: Milton Friedman mit seinen libertären Idealen, Arthur Laffer, dessen Kurve auf einer Cocktailserviette dazu beitrug, Steuersenkungen zu einem wesentlichen Bestandteil konservativer Wirtschaftspolitik zu machen, oder Thomas Schelling, der dem menschlichen Leben einen monetären Wert beimessen wollte. Ihre Grundüberzeugung? Die Regierungen sollten aufhören zu versuchen, die Wirtschaft zu steuern. Ihr Leitsatz? Die Märkte würden ein stetiges Wachstum bringen und sicherstellen, dass alle von den Vorteilen profitieren. Aber die Ökonomen konnten ihr Versprechen auf breiten Wohlstand nicht einlösen. Und der Glaube an den uneingeschränkten Markt ging auf Kosten der wirtschaftlichen Gleichheit, der Stabilität liberaler Demokratien und zukünftiger Generationen. Fesselnd erzählt Appelbaum vom Aufstieg und Fall der Ökonomen sowie ihrer Ideen und macht deutlich: Das uneingeschränkte Vertrauen in den Markt gefährdet die Zukunft der liberalen Demokratie.

Binyamin Appelbaum ist Finanz- und Wirtschaftsjournalist der »New York Times«. Von 2010 bis 2019 war er Korrespondent der »Times« in Washington und berichtete über die Wirtschaftspolitik nach der Krise von 2008. Zuvor arbeitete er für die »Washington Post«, den »Boston Globe« und den »Charlotte Observer«. Er gewann den George Polk Award und war nominiert für den Pulitzer-Preis.
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Verfügbare Formate
BuchGebunden
EUR26,00
E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
EUR16,99

Produkt

KlappentextAls die Ökonomen die Weltbühne betraten. Binyamin Appelbaum legt eine originelle Ideengeschichte und ein unvergessliches Porträt der Wirtschafts-Wissenschaftler vor, die in der Mitte des 20. Jahrhunderts zum weltweiten Aufstieg des Neo-Liberalismus beigetragen haben. Sie waren die Vertreter des deregulierten Marktes: Milton Friedman mit seinen libertären Idealen, Arthur Laffer, dessen Kurve auf einer Cocktailserviette dazu beitrug, Steuersenkungen zu einem wesentlichen Bestandteil konservativer Wirtschaftspolitik zu machen, oder Thomas Schelling, der dem menschlichen Leben einen monetären Wert beimessen wollte. Ihre Grundüberzeugung? Die Regierungen sollten aufhören zu versuchen, die Wirtschaft zu steuern. Ihr Leitsatz? Die Märkte würden ein stetiges Wachstum bringen und sicherstellen, dass alle von den Vorteilen profitieren. Aber die Ökonomen konnten ihr Versprechen auf breiten Wohlstand nicht einlösen. Und der Glaube an den uneingeschränkten Markt ging auf Kosten der wirtschaftlichen Gleichheit, der Stabilität liberaler Demokratien und zukünftiger Generationen. Fesselnd erzählt Appelbaum vom Aufstieg und Fall der Ökonomen sowie ihrer Ideen und macht deutlich: Das uneingeschränkte Vertrauen in den Markt gefährdet die Zukunft der liberalen Demokratie.

Binyamin Appelbaum ist Finanz- und Wirtschaftsjournalist der »New York Times«. Von 2010 bis 2019 war er Korrespondent der »Times« in Washington und berichtete über die Wirtschaftspolitik nach der Krise von 2008. Zuvor arbeitete er für die »Washington Post«, den »Boston Globe« und den »Charlotte Observer«. Er gewann den George Polk Award und war nominiert für den Pulitzer-Preis.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783104906270
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2020
Erscheinungsdatum27.05.2020
Auflage1. Auflage
Seiten560 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse1477 Kbytes
Artikel-Nr.4936557
Rubriken
Genre9201

Inhalt/Kritik

Leseprobe

Einleitung


Als im Mittelalter die moderne Wissenschaft aufkam, bot das Christentum ein umfassendes Erklärungssystem des Menschen und der Welt; es diente den Völkern als Regierungsgrundlage, brachte Wissen und Werke hervor, entschied über Frieden wie auch Krieg, regelte die Produktion und die Verteilung der Reichtümer; nichts davon konnte es jedoch vor dem Niedergang schützen.

Michel Houellebecq, Elementarteilchen (1999)[1]



Ich kann die Bewegungen der Himmelskörper berechnen, aber nicht die Verrücktheit der Menschen.

Isaac Newton (1720)


Anfang der 1950er Jahre arbeitete ein junger Ökonom namens Paul Volcker als menschliche Rechenmaschine in einem Büro tief im Innern der Federal Reserve Bank of New York. Im Dienste der Leute, die die Entscheidungen trafen, brütete er über Zahlen und eröffnete seiner Frau, dass er wohl niemals weiter aufsteigen werde.[2] Zur Führungsriege der Zentralbank gehörten Banker, Anwälte und ein Schweinezüchter aus Iowa, aber kein einziger Ökonom.[3] Chef des Federal Reserve System war William McChesney Martin, ein Börsenmakler, der von der Spezies der Ökonomen keine hohe Meinung hatte. »Wir beschäftigen fünfzig Ökonometriker«, teilte er einem Besucher mit. »Sie arbeiten alle im Untergeschoss dieses Gebäudes, und das aus gutem Grund.« Wie er meinte, befänden sie sich im Gebäude, weil sie gute Fragen stellten. Im Untergeschoss, fuhr er fort, befänden sie sich, weil »sie ihre Grenzen nicht kennen, und sie vertrauen ihren Analysen sehr viel mehr, als meiner Erfahrung nach gerechtfertigt wäre«.[4]

Mitte des 20. Jahrhunderts war Martins Antipathie gegenüber Ökonomen unter der US-amerikanischen Elite weit verbreitet. Präsident Franklin Delano Roosevelt tat John Maynard Keynes, den bedeutendsten Ökonom seiner Generation, insgeheim als unpraktischen »Mathematiker« ab.[5] Präsident Dwight D. Eisenhower beschwor die Amerikaner in seiner Abschiedsrede, keine Technokraten an die Macht kommen zu lassen, und warnte, »die öffentliche Politik selbst könnte in die Fänge einer Elite aus Wissenschaft und Technik geraten«. Der Kongress hörte sich an, was Ökonomen zu sagen hatten, nahm ihre Aussagen aber nicht allzu ernst. »Die Ökonomik galt unter den obersten politischen Entscheidungsträgern, insbesondere im Regierungsviertel, als esoterische Disziplin, die außerstande war, ernsthafte Probleme konkret anzugehen«, schrieb ein Berater von Senator William Proxmire aus Wisconsin, einem führenden Demokraten in der Innenpolitik, zu Beginn der 1960er Jahre.[6]

Als der US-amerikanische Finanzminister C. Douglas Dillon 1963 zwei Untersuchungen über mögliche Verbesserungen des internationalen Währungssystems in Auftrag gab, verzichtete er ausdrücklich auf die Beteiligung akademischer Ökonomen. Wie ein anderer Beamter erläuterte, sei ihr Rat »für die Entscheidungsträger praktisch nutzlos«.[7]

Im selben Jahr bekräftigte der Oberste Gerichtshof die Regierungsentscheidung, die Fusion von zwei Banken aus Philadelphia zu verhindern, obwohl es Belege für den voraussichtlichen wirtschaftlichen Nutzen der Fusion gab. Das Gericht beschied die von Ökonomen vorgebrachten Argumente als irrelevant.[8]

 

Doch es kündigte sich bereits eine Revolution an. Bald schon sollte der Einfluss von Ökonomen, die an die Kraft und die Herrlichkeit der Märkte glaubten, seinen Siegeszug antreten und die Politik, die Abwicklung von Geschäften und infolgedessen auch die Abläufe des täglichen Lebens von Grund auf umwandeln.

Als das vom Wachstum geprägte Vierteljahrhundert, das auf den Zweiten Weltkrieg folgte, in den 1970er Jahren ins Stottern geriet und sich dem Ende zuneigte, überzeugten diese Ökonomen die politischen Entscheidungsträger, die staatlichen Eingriffe in die Wirtschaft herunterzufahren - und darauf zu vertrauen, dass Märkte bessere Resultate als Bürokraten erzielen.

Die Ökonomik wird oftmals als »trübsinnige Wissenschaft« bezeichnet, weil sie darauf beharrt, dass die Beschränktheit der Ressourcen uns dazu zwingt, Entscheidungen zu treffen. Die eigentliche Botschaft der Ökonomik und der Grund für ihre Popularität ist jedoch die verlockende Verheißung, dass sie der Menschheit dabei helfen kann, jene betrüblichen Fesseln des Mangels zu sprengen. Alchemisten versprachen, aus Blei Gold zu machen; Ökonomen behaupteten, mit einer besseren Politik aus dem Nichts Gold hervorzubringen.

Die vierzig Jahre von 1969 bis 2008 möchte ich in Anlehnung an den Historiker Thomas McCraw als die »Stunde der Ökonomen« bezeichnen.[9] In dieser Zeitspanne hatten Ökonomen entscheidenden Anteil daran, Besteuerung und öffentliche Ausgaben anzukurbeln, große Wirtschaftsbereiche zu deregulieren und der Globalisierung den Weg zu bereiten. Ökonomen überzeugten Präsident Nixon, die Wehrpflicht abzuschaffen. Ökonomen überzeugten die Bundesgerichte, die Durchsetzung von Kartellrechten weitgehend abzuschaffen. Ökonomen überzeugten sogar die Regierung, menschlichem Leben einen Wert in Dollar beizumessen - im Jahr 2019 rund 10 Millionen US-Dollar -, um zu bestimmen, ob Regulierungen sich lohnten.

Ökonomen wurden auch zu politischen Entscheidungsträgern. Im Jahr 1970 wurde William McChesney Martin als Vorsitzender der Fed durch den Ökonomen Arthur F. Burns ersetzt, was eine Epoche einläutete, in der Ökonomen - unter anderem Paul Volcker - die Zentralbank leiteten.[10] Zwei Jahre später, im Jahr 1972, wurde George Shultz als erster Ökonom Finanzminister und damit zu einem Nachfolger Dillons.[11] Die Zahl der im Dienst der US-Regierung stehenden Ökonomen stieg von Mitte der 1950er Jahre bis Ende der 1970er Jahre von etwa 2000 auf über 6000.[12]

Die USA waren das Epizentrum der geistigen Umwälzung und die wichtigste Schmiede für die Übertragung dieser Ideen in die Politik; die Einbeziehung der Märkte als Heilmittel gegen die wirtschaftliche Stagnation war jedoch ein weltweites Phänomen, das die Phantasie von Politikern in Staaten wie Großbritannien, Chile und Indonesien beflügelte. Mitte der 1970er Jahre begannen die USA staatliche Preisregulierungen abzuschaffen. Gegen Ende des Jahrzehnts erlaubte Frankreich den Bäckern zum ersten Mal in seiner Geschichte, den Preis für Baguettes selbst zu bestimmen.[13]

Sogar das größte kommunistische Land der Erde schloss sich der Revolution an. Im September 1985 lud der chinesische Premierminister Zhao Ziyang acht prominente westliche Ökonomen zu einer einwöchigen Kreuzfahrt auf dem Jangtsekiang ein, begleitet von einer großen Abordnung hoch angesehener wirtschaftspolitischer Entscheidungsträger Chinas. Mao Zedong hatte gepredigt, dass ökonomische Erwägungen politischen Erwägungen stets untergeordnet seien. Die in jener Woche geführten Diskussionen trugen dazu bei, dass eine neue Generation von chinesischen Führern größeres Vertrauen in die Märkte setzte und Chinas Aufbau einer eigenen Version von einer marktbasierten Wirtschaft in die Wege leitete.[14]

 

Dieses Buch ist eine Biographie der Revolution. Einige wichtige Protagonisten sind recht bekannt, wie Milton Friedman, der das amerikanische Leben wie kein anderer Ökonom seiner Zeit beeinflusst hat, und Arthur Laffer, der 1974 eine Kurve auf eine Serviette malte, die dazu beitrug, Steuersenkungen zu einem Grundmerkmal republikanischer Wirtschaftspolitik zu machen. Andere sind vielleicht unbekannter, wie Walter Oi, ein blinder Ökonom, der seiner Ehefrau und seinen Assistenten einige Berechnungen diktierte, die Nixon bewogen, die Wehrpflicht abzuschaffen; Alfred Kahn, der den Flugverkehr deregulierte und sich über die überfüllten Kabinen bei kommerziellen Flügen freute, die seinen Erfolg dokumentierten; und der Spieltheoretiker Thomas Schelling, der die Regierung unter Kennedy dazu brachte, eine Hotline in den Kreml zu installieren, und überdies herausfand, wie sich der Wert eines Menschenlebens in US-Dollar ausdrücken lässt.

Dieses Buch legt darüber hinaus die Folgen dieser Entwicklungen dar.

Die Einbeziehung der Märkte erlöste Milliarden Menschen auf der ganzen Welt aus jämmerlicher Armut. Der Handelsverkehr von Waren, Geld und Ideen knüpfte Bande zwischen Nationen, und ein großer Teil der 7,7 Milliarden Menschen auf der Erde führen dank dieser Tatsache ein wohlhabenderes, gesünderes und glücklicheres Leben.

Märkte machen es Menschen leichter, unter verschiedenen Dingen diejenigen zu erwerben, die sie gerne hätten - was von besonderer Bedeutung in pluralistischen Gesellschaften ist, in denen Vielfalt und freie Wahlmöglichkeiten einen hohen Stellenwert haben. Zudem haben Ökonomen mit Hilfe von Märkten elegante Lösungen für drängende Probleme gefunden, etwa für das Schließen eines Ozonlochs oder die Bereitstellung von mehr Nieren zur Transplantation.

Die Marktrevolution schoss jedoch übers Ziel hinaus. In den Vereinigten Staaten und anderen entwickelten Ländern bedroht sie zunehmend die wirtschaftliche...
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Autor

Binyamin Appelbaum ist Finanz- und Wirtschaftsjournalist der »New York Times«. Von 2010 bis 2019 war er Korrespondent der »Times« in Washington und berichtete über die Wirtschaftspolitik nach der Krise von 2008. Zuvor arbeitete er für die »Washington Post«, den »Boston Globe« und den »Charlotte Observer«. Er gewann den George Polk Award und war nominiert für den Pulitzer-Preis.Martina Wiese studierte Anglistik und Linguistik an der Universität Düsseldorf und ist seit 1984 als freie Übersetzerin und Lektorin tätig. Sie hat u.a. Steven Pinker, Richard E. Nisbett sowie die Nobelpreisträger Peter Doherty und Eric Kandel ins Deutsche übersetzt.