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Mehr Mut!

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
256 Seiten
Deutsch
Herder Verlag GmbHerschienen am02.03.20201. Auflage
Was passiert um uns herum? In welcher Welt werden unsere Kinder und Enkel leben? Was können wir tun, damit sie frei und selbstbestimmt aufwachsen können? Sigmar Gabriel sieht als langjähriger sozialdemokratischer Spitzenpolitiker, vor allem aber als Vater von zwei kleinen Töchtern, mit Sorge, dass es für viele Menschen von Seiten der Politik und Wirtschaft keine glaubwürdigen Versprechen mehr gibt. Mit zunehmender Globalisierung, Digitalisierung und dem Erstarken des Nationalismus wächst auch ihre Zukunfts- und Abstiegsangst. In seinem bislang persönlichsten Buch beschreibt er die großen Herausforderungen für die Gesellschaft und für seine Partei und entwirft eine Vision für eine bessere Zukunft. Die großen Errungenschaften und Vorzüge des letzten Jahrhunderts scheinen immer weniger gesichert: das stabile Gesellschaftsmodell, das auf wirtschaftlichen Wettbewerb und ökonomischen Erfolg ebenso setzt wie auf sozialen Ausgleich und damit Wohlstand für alle versprach - die soziale Marktwirtschaft, die Vorteile eines freien Welthandels, die weltweiten Erfolge deutscher Industrie, die europäische Einigung, das Schutzschild der NATO und ihrer Führungsmacht USA. Gabriel stellt die Frage, wie Deutschland und Europa in zehn oder gar 15 Jahren aussehen werden. In diesem großen Transformationsprozess sieht er den Anfang dieses Jahrzehnts als Wendepunkt, der 'über vieles entscheiden [wird]: über die Rolle und Entwicklung Deutschlands und Europas in der Welt, über die Grundlagen unseres Wohlstands, über Erfolg oder Misserfolg im Kampf gegen den Klimawandel, über die geopolitische Machtverteilung und leider auch über Krieg und Frieden in den aktuellen Krisengebieten der Welt.' Der erfahrene Politiker stellt fundiert dar, wie Europa, Deutschland und seine demokratischen Kräfte mit der sich vollziehenden politischen Neuordnung der Welt umgehen sollten. Ebenso zeigt er auf, wie die inzwischen unübersehbaren ökonomischen Gewichtsverschiebungen sowie die rasanten gesellschaftlichen und kulturellen Wandlungsprozesse begleitet werden sollten, immer mit dem Ziel, dass sich Europa und die Bundesrepublik Deutschland auch zukünftig in der internationalen Politik behaupten können. Als Sozialdemokrat durch und durch wirft er außerdem einen kritischen Blick auf die SPD und sucht nach Antworten für eine erneuerte Sozialdemokratie und ihren eigentlichen Kern: eine Partei der Freiheit und der Emanzipationsfähigkeit zu sein. 'Wir haben in Deutschland und in Europa im gerade begonnenen neuen Jahrzehnt im Frühjahr 2020 die Wahl: zwischen mehr Mut mit positiver Emotion und einem ambitionierten Maßnahmen-Programm, um die Voraussetzungen für mehr Wachstum und mehr Wohlstand für möglichst alle zu schaffen - und dem gleichmütigen Driften des Weiter-so im Auto-Pilot-Modus, der sich eher mit ordentlichem Regierungshandwerk zufrieden gibt, aber die Menschen unsicher und unzufrieden macht und dem Unmut überlässt. Es liegt jetzt an uns, sich zu entscheiden. Aber es liegt vor allem an den politischen Kräften im Land, mehr Mut zu zeigen und etwas zu wagen. Zu verlieren haben die großen Parteien nicht mehr viel. Sie sollten es wagen!'

Sigmar Gabriel, geboren 1959, bis November 2019 Mitglied des Deutschen Bundestages, ist einer der prägendsten deutschen Politiker der letzten Jahrzehnte; von 1999 bis 2003 war er niedersächsischer Ministerpräsident, er bekleidete danach das Amt des Bundesumweltministers (2005 - 2009), des Bundeswirtschaftsministers (2013 - 2017) sowie des Bundesaußenministers (2017 - 2018); von 2013 bis 2018 war er Vizekanzler und von 2009 bis 2017 zugleich Vorsitzender der SPD. Seit Juni 2020 steht er der Atlantik-Brücke vor, die das Ziel hat, die transatlantische Zusammenarbeit zu vertiefen.
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Verfügbare Formate
BuchGebunden
EUR25,00
E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
EUR19,99

Produkt

KlappentextWas passiert um uns herum? In welcher Welt werden unsere Kinder und Enkel leben? Was können wir tun, damit sie frei und selbstbestimmt aufwachsen können? Sigmar Gabriel sieht als langjähriger sozialdemokratischer Spitzenpolitiker, vor allem aber als Vater von zwei kleinen Töchtern, mit Sorge, dass es für viele Menschen von Seiten der Politik und Wirtschaft keine glaubwürdigen Versprechen mehr gibt. Mit zunehmender Globalisierung, Digitalisierung und dem Erstarken des Nationalismus wächst auch ihre Zukunfts- und Abstiegsangst. In seinem bislang persönlichsten Buch beschreibt er die großen Herausforderungen für die Gesellschaft und für seine Partei und entwirft eine Vision für eine bessere Zukunft. Die großen Errungenschaften und Vorzüge des letzten Jahrhunderts scheinen immer weniger gesichert: das stabile Gesellschaftsmodell, das auf wirtschaftlichen Wettbewerb und ökonomischen Erfolg ebenso setzt wie auf sozialen Ausgleich und damit Wohlstand für alle versprach - die soziale Marktwirtschaft, die Vorteile eines freien Welthandels, die weltweiten Erfolge deutscher Industrie, die europäische Einigung, das Schutzschild der NATO und ihrer Führungsmacht USA. Gabriel stellt die Frage, wie Deutschland und Europa in zehn oder gar 15 Jahren aussehen werden. In diesem großen Transformationsprozess sieht er den Anfang dieses Jahrzehnts als Wendepunkt, der 'über vieles entscheiden [wird]: über die Rolle und Entwicklung Deutschlands und Europas in der Welt, über die Grundlagen unseres Wohlstands, über Erfolg oder Misserfolg im Kampf gegen den Klimawandel, über die geopolitische Machtverteilung und leider auch über Krieg und Frieden in den aktuellen Krisengebieten der Welt.' Der erfahrene Politiker stellt fundiert dar, wie Europa, Deutschland und seine demokratischen Kräfte mit der sich vollziehenden politischen Neuordnung der Welt umgehen sollten. Ebenso zeigt er auf, wie die inzwischen unübersehbaren ökonomischen Gewichtsverschiebungen sowie die rasanten gesellschaftlichen und kulturellen Wandlungsprozesse begleitet werden sollten, immer mit dem Ziel, dass sich Europa und die Bundesrepublik Deutschland auch zukünftig in der internationalen Politik behaupten können. Als Sozialdemokrat durch und durch wirft er außerdem einen kritischen Blick auf die SPD und sucht nach Antworten für eine erneuerte Sozialdemokratie und ihren eigentlichen Kern: eine Partei der Freiheit und der Emanzipationsfähigkeit zu sein. 'Wir haben in Deutschland und in Europa im gerade begonnenen neuen Jahrzehnt im Frühjahr 2020 die Wahl: zwischen mehr Mut mit positiver Emotion und einem ambitionierten Maßnahmen-Programm, um die Voraussetzungen für mehr Wachstum und mehr Wohlstand für möglichst alle zu schaffen - und dem gleichmütigen Driften des Weiter-so im Auto-Pilot-Modus, der sich eher mit ordentlichem Regierungshandwerk zufrieden gibt, aber die Menschen unsicher und unzufrieden macht und dem Unmut überlässt. Es liegt jetzt an uns, sich zu entscheiden. Aber es liegt vor allem an den politischen Kräften im Land, mehr Mut zu zeigen und etwas zu wagen. Zu verlieren haben die großen Parteien nicht mehr viel. Sie sollten es wagen!'

Sigmar Gabriel, geboren 1959, bis November 2019 Mitglied des Deutschen Bundestages, ist einer der prägendsten deutschen Politiker der letzten Jahrzehnte; von 1999 bis 2003 war er niedersächsischer Ministerpräsident, er bekleidete danach das Amt des Bundesumweltministers (2005 - 2009), des Bundeswirtschaftsministers (2013 - 2017) sowie des Bundesaußenministers (2017 - 2018); von 2013 bis 2018 war er Vizekanzler und von 2009 bis 2017 zugleich Vorsitzender der SPD. Seit Juni 2020 steht er der Atlantik-Brücke vor, die das Ziel hat, die transatlantische Zusammenarbeit zu vertiefen.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783451816796
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
Erscheinungsjahr2020
Erscheinungsdatum02.03.2020
Auflage1. Auflage
Seiten256 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse1201 Kbytes
Artikel-Nr.4937288
Rubriken
Genre9200

Inhalt/Kritik

Leseprobe

Einführung:
Die Wende der 20er-Jahre

Warum dieses Buch? Und warum schreibt man als Politiker überhaupt Bücher? Im vorliegenden Fall jedenfalls nicht mit dem Ziel, sich für das nächste angestrebte Amt in Position zu bringen oder als Teil einer umfassenden Marketingkampagne für die Vorbereitung des nächsten Wahlkampfes. Zugegeben: Das habe ich wie viele andere Politikerinnen und Politiker auch schon gemacht. Nun bin ich aber am Ende meiner politischen Laufbahn angekommen. Nicht ganz freiwillig, wie ich zugebe, aber so ist es nun einmal.

Aber auch außerhalb politischer Ämter hört ja das Nachdenken über das Politische nicht auf. Schreiben ist bei mir eine Methode, die mich zum Nachdenken zwingt. Beim Schreiben ordnen sich meine Gedanken, merke ich, wenn das Geschriebene Lücken und Fragen hinterlässt oder schlicht keiner nachvollziehbaren Logik folgt. Schreiben ist so etwas wie eine Selbstvergewisserung für mich.

Während meiner politischen Karriere haben sich immer wieder politische »Gefährten« und Journalisten lustig darüber gemacht, dass ich selbst schreibe. »Gabriel arbeitet mal wieder selbst am Computer«, lautete dann die ironische Kommentierung. So, als ob Spitzenpolitiker immer ihre Mitarbeiter bitten müssten, für sie zu denken und zu schreiben. Gewiss war nicht alles richtig oder auch nur klug, was ich so im Laufe von 30 Jahren beruflicher Tätigkeit in der Politik zu Papier gebracht habe. Aber es hat mir immer geholfen, meine Gedanken zu ordnen. Politiker sollen gewiss auch über das »nachdenken«, was ihnen ihre engagierten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aufgeschrieben haben, Sie sollen aber vor allen Dingen vordenken, was an Herausforderungen auf unser Land und seine Menschen zukommt.

Und damit wären wir bei dem eigentlichen Grund für dieses Buch: Es sind meine drei Töchter Saskia (31), Marie (8) und Thea (3). Ich frage mich seit Längerem, wie meine drei Töchter wohl leben werden, wenn sie so alt sind wie ich heute. Werden sie die gleiche Chance haben wie ich, aus ihrem Leben etwas zu machen? Werden sie selbstbewusst und selbstständig in einem demokratischen und friedlichen Land und in einem einigen und souveränen Europa leben? Denn wenig scheint in der großen Transformation, in der wir uns wirtschaftlich, technologisch, geopolitisch, kulturell und sozial befinden, noch sicher und vorhersehbar. Das war für mich noch ganz anders.

Ich selbst gehöre zu einer goldenen Generation: Wir sind im Frieden geboren und werden wohl auch im Frieden sterben. Wir konnten erleben, wie sich dieses Land Deutschland von Jahr zu Jahr besser, sozialer, liberaler und weltoffener entwickelte.

In den letzten 50 Jahren liberalisierte sich in Deutschland die ganze Gesellschaft. Freiheit nicht nur von Not und Unterdrückung, sondern vor allem zu einem selbstbestimmten Leben, so könnte man wohl die Idee der damaligen sozialliberalen Politik zusammenfassen. Der Lebensweg eines jeden sollte offen sein und nicht geprägt von Einkommen, Herkunft, Geschlecht, Hautfarbe, Religion oder Beziehungen. Ein gelungenes Leben muss jeder Mensch selbst führen, denn das kann kein Staat und keine Partei stellvertretend übernehmen oder gar garantieren. Aber Bedingungen schaffen, unter denen jedes Leben gelingen KANN, dass das Leben nicht abhängig sein sollte vom Einkommen der Eltern, vom Geschlecht, der Hautfarbe oder Religion: das war der emanzipatorische Kern des Sozialstaatsgedankens der 1960er- und 1970er-Jahre.

Leider ist diese emanzipatorische Idee heute weitgehend verschüttet und häufig genug zum Sozial-Hilfe-Staat degeneriert. Nicht zufällig trug eines der populären Bücher Willy Brandts den Titel »links und frei« und nicht etwa »links und sozial gerecht«. Soziale Gerechtigkeit und die soziale Verfasstheit des Gemeinwesens waren gedacht als das Unterpfand der Freiheit zu einem selbstbestimmten Leben. Sie waren Instrument, aber nicht Ziel sozialdemokratischer und sozialliberaler Politik. Eine auf Emanzipation ausgerichtete Politik wollte die Menschen aus den Zufälligkeiten und Bedingungen - manchmal auch aus den Unfreiheiten - des Lebens befreien, in das sie hineingeboren wurden.

Emanzipatorische Politik wollte nicht den allumfassenden Versorgungsstaat, keinen gesellschaftlichen »Club Méditerranée«, in dem alles »all inclusive« geliefert wird. Sondern sie wollte Chancen eröffnen, durchaus auch mehrfach im Leben jedes Einzelnen. Und viele in meiner Generation nutzten diese Chancen.

Nicht alles wurde gut in Deutschland und schon gar nicht perfekt. Und doch kann man wohl trotz aller Ungleichheit und weiterhin existierender Ungerechtigkeiten und Unzulänglichkeiten sagen, dass über die Jahrzehnte hinweg bis heute das beste Deutschland entstand, das es jemals gab.

Die mich bewegende Frage ist: Werden meine Kinder ähnlich über ihr eigenes Leben und über ihr Land sprechen können, wenn sie einmal so alt sind, wie ich es jetzt geworden bin?

Meine Generation konnte selbst erfahren, dass die Mahnungen unserer Eltern berechtigt waren, obwohl wir sie manchmal nicht mehr hören konnten: »Streng dich an, dann wird was aus dir« und »Du sollst es mal besser haben als wir«. Und genauso war es: Es wurde für viele von uns jedes Jahr ein bisschen besser. Keine paradiesischen Zustände, aber eben doch Schritt für Schritt besser. Und die Politik, vor allem die sozialdemokratische, machte den Weg für uns frei.

Die Familien- und Eherechtsreform der Regierung des ersten SPD-Bundeskanzlers Willy Brandt Anfang der 1970er-Jahre und die allgemeine Liberalisierung unserer Gesellschaft halfen meiner Mutter, sich von der Gewalt meines Vaters zu lösen und meine Schwester und mich aus einer außerordentlich schwierigen Familiensituation zu befreien. Die Bildungsreformen der Sozialdemokratie ermöglichten es mir und vielen meiner Generation zum ersten Mal, höhere Bildungsabschlüsse zu machen und sogar zu studieren. In meinem Jahrgang und in dem Stadtviertel, in dem ich aufwuchs, war es noch üblich, dass nach der »Volksschule« oder spätestens nach der »Mittelschule« die Berufsausbildung folgte, damit »Geld ins Haus« kam. Ganze zehn Prozent unseres Jahrgangs gingen nach der Grundschule ans Gymnasium. Auch ich wurde in die »Mittelschule für Knaben« eingeschult, aber die Oberstufenreform der SPD in Niedersachsen ermöglichte es mir und anderen, anschließend weiter zur Schule zu gehen.

So war ich der Erste in unserer Familie, der nach der Mittleren Reife noch zum Gymnasium gehen und Abitur machen konnte. Und dann zur Universität. Und auch wenn das wirklich nicht sehr hohe Gehalt einer alleinerziehenden Krankenschwester damals immer noch nicht für den Bezug von BAföG ausreichte und ich parallel zur Schulzeit am Gymnasium und später an der Uni immer auch arbeiten musste, erlebte ich den berühmten »Aufstieg durch Bildung«, wie ihn die ganze sozialdemokratische Idee damals verkörperte.

Die Arbeit am Hochofen einer Glasfabrik, am Fließband, im Labor, als Ausfahrer für Waschmaschinen und Kühlschränke bei Quelle, als »Bierkutscher« bei der Einbecker Brauerei, als Nachtportier in einem Göttinger Hotel oder in der gewerkschaftlichen Erwachsenenbildung hat mir übrigens den Respekt vor körperlicher Arbeit und vor Menschen beigebracht, die mit ihrer Hände Arbeit die Steuern erarbeiteten, die mir den Besuch einer Universität ermöglichten. Es war wohl diese Demut vor denen, die ein härteres Leben als ich zu bewältigen hatten, die mich immer davor bewahrt hat, hochmütig auf den Teil unserer Gesellschaft herabzublicken, der nicht so liberal, weltoffen, klimabewusst und multikulturell denkt und lebt, wie es sich die Tugendwächter unseres Landes oft vorstellen. Schlicht, weil sie im Alltag durch Niedriglohnkonkurrenz, teure Mieten und zu große Klassen für ihre Kinder verletzbarer sind als die liberalen Eliten unseres Landes, zu denen heute auch die Sozialdemokratie zählt.

Vielleicht liegt es an meinem Alter, dass diese Frage nach der Zukunft meiner Kinder zunehmend bei mir auftaucht. Ich habe gerade mein sechstes Lebensjahrzehnt beendet. Spätestens im Alter von 60 bemerkt man, dass die eigene Lebensspanne begrenzt ist und dass das eigene Lebensende nicht mehr so unendlich weit entfernt liegt, wie das noch vor einigen Jahren der Fall war. Ich weiß nicht, wie andere mit der Endlichkeit ihres Lebens umgehen, aber bei mir werden die Fragen, die ich mir stelle, existenzieller. Mir scheint, dass ich mit der verbleibenden Lebenszeit - wie groß oder klein sie auch sein mag - achtsamer umgehen muss als mit der bereits vergangenen.

Manchmal kommt man sogar erst wieder zum wirklichen Nachdenken über das wahrhaft Politische, wenn der tägliche Druck im Kampf um mediale und öffentliche Aufmerksamkeit und die Jagd von Termin zu Termin vorbei ist. Zuvor - und so erlebte ich es auch allzu häufig - ging es allzu oft eher um das Wie und nicht um das Was und das Wozu. Kommunikation und Selbstdarstellung gehörten und gehören im politischen Alltag immer dazu. Die rasende Geschwindigkeit sich abwechselnder Themen und die sich ständig verändernde Aufmerksamkeitsspirale führt heute allzu schnell dazu, dass es nur noch um die Pose geht und gar nicht mehr um die Substanz. Auch das eine Falle, in die ich selbst oft genug getappt bin.

Wir stehen mit dem Jahr 2020 ja am Beginn eines neuen Jahrzehnts. Wie schon vor 100 Jahren sind es wieder die 20er-Jahre, die viel Bewegung in die Welt bringen. Rückblickend sprechen wir über die aufregenden »Roaring Twenties« und die angeblich »Goldenen 20er« des vergangenen Jahrhunderts. Mit Jazz, Glamour und einem zumindest in Berlin schillernden und verruchten Nachtleben wollte man die Entbehrungen des Weltkriegs hinter...

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Autor

Sigmar Gabriel, geboren 1959, bis November 2019 Mitglied des Deutschen Bundestages, ist einer der prägendsten deutschen Politiker der letzten Jahrzehnte; von 1999 bis 2003 war er niedersächsischer Ministerpräsident, er bekleidete danach das Amt des Bundesumweltministers (2005 - 2009), des Bundeswirtschaftsministers (2013 - 2017) sowie des Bundesaußenministers (2017 - 2018); von 2013 bis 2018 war er Vizekanzler und von 2009 bis 2017 zugleich Vorsitzender der SPD. Seit Juni 2020 steht er der Atlantik-Brücke vor, die das Ziel hat, die transatlantische Zusammenarbeit zu vertiefen.