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Nix passiert

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
352 Seiten
Deutsch
Ullstein Taschenbuchvlg.erschienen am31.01.2020Auflage
Alex ist verlassen worden. Und ohne Jenny ist Berlin einfach nichts. Kurzentschlossen nimmt Alex sich eine Auszeit im Kaff seiner Kindheit. Doch statt Erholung sieht er sich mit einer Idylle konfrontiert, die keine ist, nie wirklich eine war - auf jeden Fall nicht für ihn. Statt Unterstützung gibt es Familienstreit, offene Rechnungen mit alten Freunden und vor allem Langeweile. Und Alex fragt sich, ob er die Kleinstadt eigentlich jemals hinter sich gelassen hat. Und was überhaupt Zuhause bedeutet. Intensiv und unerschrocken, klar und kompromisslos erzählt Kathrin Weßling die Geschichte eines jungen Mannes, der nicht nur alle anderen, sondern vor allem sich selbst belogen und betrogen hat - das Abbild einer Generation auf der Suche nach allem und nichts, nach Heimat zwischen Provinz und Großstadt, vor allem aber nach sich selbst.

Kathrin Weßling ist Autorin und Social-Media-Expertin. Auf Twitter und Instagram folgen ihr über 30.000 Menschen, die ihre Postings und Beiträge über Themen wie Feminismus, psychische Erkrankungen und Popkultur verfolgen.  Ihr letztes Buch, »Super, und dir?«, wurde von Presse und Leser*innen als »der Roman ihrer Generation« gefeiert. Sie schreibt außerdem regelmäßig für ZEIT ONLINE, Spiegel, MySelf uvm. Kathrin Weßling lebt in Berlin.
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Produkt

KlappentextAlex ist verlassen worden. Und ohne Jenny ist Berlin einfach nichts. Kurzentschlossen nimmt Alex sich eine Auszeit im Kaff seiner Kindheit. Doch statt Erholung sieht er sich mit einer Idylle konfrontiert, die keine ist, nie wirklich eine war - auf jeden Fall nicht für ihn. Statt Unterstützung gibt es Familienstreit, offene Rechnungen mit alten Freunden und vor allem Langeweile. Und Alex fragt sich, ob er die Kleinstadt eigentlich jemals hinter sich gelassen hat. Und was überhaupt Zuhause bedeutet. Intensiv und unerschrocken, klar und kompromisslos erzählt Kathrin Weßling die Geschichte eines jungen Mannes, der nicht nur alle anderen, sondern vor allem sich selbst belogen und betrogen hat - das Abbild einer Generation auf der Suche nach allem und nichts, nach Heimat zwischen Provinz und Großstadt, vor allem aber nach sich selbst.

Kathrin Weßling ist Autorin und Social-Media-Expertin. Auf Twitter und Instagram folgen ihr über 30.000 Menschen, die ihre Postings und Beiträge über Themen wie Feminismus, psychische Erkrankungen und Popkultur verfolgen.  Ihr letztes Buch, »Super, und dir?«, wurde von Presse und Leser*innen als »der Roman ihrer Generation« gefeiert. Sie schreibt außerdem regelmäßig für ZEIT ONLINE, Spiegel, MySelf uvm. Kathrin Weßling lebt in Berlin.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783843721745
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2020
Erscheinungsdatum31.01.2020
AuflageAuflage
Seiten352 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse2658 Kbytes
Artikel-Nr.4937466
Rubriken
Genre9201

Inhalt/Kritik

Leseprobe
#2

Ich schau ständig, ob ich irgendwo ihre Beine sehe. Die mochte ich am meisten, diese Beine. Die waren so elegant und sehnig, seltene Beine waren das. Sind es noch. Die sind ja noch an Jenny dran. Nur ich kriege die eben nicht mehr zu sehen. Ich kriege den ganzen Jenny-Körper nicht mehr zu sehen. Denn der Jenny-Mensch hat beschlossen, dass unsere Beziehung vorbei ist, dieses Arschloch einfach, Jenny, du dummes Arschloch. Entschuldigung. Ich befinde mich in Phase zwei des Liebeskummers: »Aufbrechende Gefühle«.

Da schwankt man ständig zwischen Wut, Trauer, Enttäuschung und so anderem Wahnsinn, weil man aus Phase eins raus ist, in der man einfach leugnet, dass man verlassen wurde. Zur Belohnung kriegt man alle schlechten Gefühle, die es gibt, in die Fresse geschleudert. Toll, danke, supernice. Leugnen ist natürlich auch keine Option, denn das ist ja leider ein wenig geisteskrank, so zu tun, als sei man noch in einer Beziehung mit jemandem, der aber nicht mehr in einer Beziehung mit einem ist. Das kann man schon bringen, aber dann ist man halt verrückt. Weil ich das nicht sein will, nicht DAS auch noch, habe ich mich vor den Spiegel gestellt und gesagt:

»Okee, also Alex, Jenny hat dich verlassen. Du bist verlassen worden. Das ist jetzt so. Okay, das wollte ich dir nur kurz sagen, nicht, dass du nachher so tust, als wüsstest du das nicht, ne? Also ciao dann.«

Dann habe ich mich sehr lange angestarrt, so direkt in die Augen, in mein Innerstes sozusagen, damit ich mir das einpräge: Ich bin verlassen worden. Dann habe ich versucht, zu weinen, aber das ging einfach nicht, egal, wie fest ich gepresst habe, egal, wie oft ich geblinzelt habe, da kam einfach keine einzige Träne und dabei löst Heulen doch die Anspannung, glaube ich, und dann würde sich meine Brust nicht mehr so anfühlen, so, als würde Jennys Faust noch da drinstecken, weil sie so doll zugeschlagen hat, dass sie stecken geblieben ist und ihren Arm aus meiner Brust gar nicht mehr herauskriegt. So fühlt sich das an, ich laufe mit Jennys Arm in der Brust durch Berlin und keiner sieht´s außer ich.

Jetzt gerade habe ich eine Menge Gefühle, die sich anfühlen wie Risotto. Alles eine einzige Matsche, alles auf einmal und am Ende noch Parmesan drüber. Mein Parmesan ist Angst. Angst verleiht dem Gefühlsmatsch einen ganz besonderen Geschmack, das ist quasi dann ein ganz besonderes Drei-Gänge-Menü. Erster Gang: Trauer. Zweiter Gang: Alle anderen miesen Gefühle, die es gibt. Zum Nachtisch gibt es Panikattacken. Und Angst oben drüber gestreut. Einfach geil, so ein Leben, oder, da hat man gleich so richtig Bock auf die Liebe, oder? Ich würde am liebsten alle Gefühle auskotzen, deshalb muss ich auch ständig würgen. Weil ich die eigentlich alle nicht haben will, aber Jennys Faust hält die fest in mir und lässt die nicht los, deshalb habe ich diesen Scheißarm in der Brust und dieses Risotto aus Gefühlen. Ekelhaft.

Ich schaue ständig auf mein Smartphone, ob sie geschrieben hat. Keine Ahnung, warum ich das mache. Also doch, natürlich weiß ich, wieso: Ich will, dass sie schreibt, dass sie mich vermisst und zurück zu mir will. Keine Ahnung, warum Leute Hoffnung so geil finden. Hoffnung ist einfach das Letzte. Hoffnung macht, dass man glaubt, dass die Person, die einem in ungefähr dreizehntausend Wörtern gesagt hat, dass sie einen nicht mehr liebt, es sich anders überlegt und dann vor der Tür steht und in dreizehntausendunddrei Wörtern sagt, dass das doch alles nicht so stimmt und dass sie einen doch liebt, sorry, Kommando zurück.

Es gibt bestimmt Statistiken darüber, wie oft so was passiert, ich bin mir aber sicher, ohne je eine gelesen zu haben, dass die Wahrscheinlichkeit so bei unter einem Prozent liegt. Trotzdem verbringt man Stunden damit, darauf zu warten, dass das Unwahrscheinlichste eintritt, Tage verbringt man so, Wochen, Nächte, Arbeitsmeetings, immer schnell aufs Handy schielen, selbst, wenn man doch Vibration eingestellt hat und es spüren würde, wenn eine neue Nachricht kommt, aber nein, hat man ja vielleicht ausnahmsweise nicht gemerkt und das Display leuchtet auf, leer und hell oder, noch schlimmer: da, oh, eine Nachricht - bloß leider nicht von ihr. Man verschwendet sich also an diese dumme Hoffnung, diese Ein-Prozent-Hoffnung, und wird ganz irre dabei, weil einfach nix passiert, es passiert einfach nichts, außer dass Zeit vergeht und genau das dann am Ende das ist, was hilft, auch wenn man es nicht glaubt, auch wenn man es schon tausendmal erlebt hat. Hoffnung stört da wirklich nur, Hoffnung ist wie eine Wand aus Frischhaltefolie, mit der man eine Lawine aufhalten will. Hoffnung ist wirklich so ein Dreck.

Am schlimmsten an der Hoffnung ist, dass sie den Arm in der Brust fixiert, da kann man so fest dran ziehen, so richtig heftig dran rütteln, wenn da noch Hoffnung ist, bewegt sich die Faust keinen Millimeter, ganz im Gegenteil: Die versteinert und bleibt.

Ich will die Scheißhoffnung nicht, aber die ist leider einfach irgendwie da, hat sich reingeschlichen wie resistente Keime in eine Wunde, die ich ja nun mal mit mir herumtrage. Plötzlich war die Hoffnung da. Überall: Jenny meldet sich bestimmt wieder, die kommt zurück. Die merkt, dass sie einen Fehler gemacht hat, und dann kommt sie angekrochen, aber dann bleibe ich erst mal hart und sage so was wie: »Das fällt dir jetzt ein? Dafür ist es zu spät!« - wobei ich ganz genau weiß, dass es dafür natürlich nicht zu spät ist, klar nehme ich sie zurück, sie müsste sich noch nicht mal entschuldigen, ich bin so bedürftig und verletzt, so jämmerlich und voller Sehnsucht, dass ich nur noch Linderung will und sie ist die Medizin, sie soll mich heilen, sie soll kommen und die Bepanthensalbe für diese monströse Wunde sein. Und obwohl ich weiß, dass das wahrscheinlich nicht passiert, checke ich manisch ständig mein Telefon, ob sie jetzt endlich zurückkommt, 17:01 Uhr: nee, noch nicht. 17:08 Uhr: nein. 17:10 Uhr: immer noch nicht. 17:14 Uhr: nope. 17:17 Uhr: leider nein, leider nicht.

So was kann sich ja innerhalb von Millisekunden ändern, so stelle ich mir das jedenfalls vor, so hab ich das in meinem Kopf inszeniert: Jenny auf Station, sie läuft über den stinkigen Krankenhausflur, bleibt plötzlich stehen, runzelt die Stirn, sagt tonlos »Fuck« oder »Oh mein Gott, ich bin so eine Idiotin«, und dann dreht sie auf dem Absatz um, rennt los, eine Kollegin ruft ihr hinterher: »Jenny, was ist denn los?«, und Jenny ruft, ohne auch nur ein minibisschen langsamer zu laufen: »Ich muss einen schrecklichen Fehler wieder gutmachen!«, und dann ist sie auch schon im Fahrstuhl verschwunden. Klar, man könnte jetzt sagen: Alex, das klingt wie eine Szene, die man so immer im Film sieht oder im ZDF. Aber ich sag nur: ein Prozent. Ein Prozent ist immer noch mehr als nichts.

Manchmal wünsche ich mir nur deshalb, dass sie zurückkommt, damit ich sagen kann: Nee, sorry, ich bin über dich hinweg. Einfach für den Effekt, einfach für das geile Machtgefühl, wenn ICH nein sage und ihren Arm aus meiner Brust ziehe und ihr damit ins Gesicht schlage, ha ha, wie gut wäre das? Passiert natürlich nicht, aber ich hoffe es trotzdem, weil ich ja auch einfach sehr viel Zeit hab, die muss man ja mit etwas verbringen, wieso dann nicht damit. Ich meine, zwischen den Daily Tasks wie Selbsthass, Panikattacken und das Smartphone checken hab ich noch einen Time-Slot frei für irre Hoffnung auf Dinge, die niemals passieren werden. Keine Ahnung, wann ich endlich ein Gefühlsburnout habe und mein Gehirn keinen Bock mehr auf diese Qual hat, aber erfahrungsgemäß kommt irgendwann immer der Tag, an dem man begreift, dass kein Gedanke Liebeskummer heilt. Weil ein gebrochenes Herz keine komplizierte Aufgabe ist, die man lösen kann, denkt man nur lange und ehrgeizig genug darüber nach. Kein einzelner Gedanke wird es je sein, der heilt. Es gibt keine richtige Lösung, weil Liebeskummer ein Problem ist, das sich selber löst, eine Gleichung, die man einfach in Ruhe lässt und eines Tages schaut man wieder hin und sieht, dass die Aufgabe verschwunden ist und das Ergebnis ist man selber, so einfach ist das, so banal, so schwer zu ertragen, dass man da wirklich nicht viel machen kann.

Denn man will ja was tun, damit man das Gefühl hat, wenigstens zu irgendwas nützlich zu sein - und nicht einfach nur so ein erbärmliches Opfer, so ein Verwundeter, so ein bemitleidenswerter Idiot. Deshalb macht man Sport, weil Bewegung helfen soll, und man macht Yoga vielleicht oder meditiert, man beginnt eine Therapie, man beschäftigt sich mit sich selbst, man MACHT unheimlich viele Sachen, einfach, um nicht fühlen zu müssen, dass all das nicht die Fäden sind, mit denen man das verwundete Herz zusammenflickt, weil es von alleine heilen muss, einfach nur durch Zeit. Im Grunde sind all diese manischen Aktivitäten nichts anderes, als diese Zeit mit IRGENDWAS zu füllen, weil den ganzen Tag im Bett liegen und die Decke anstarren irgendwann auch körperlich unangenehm wird, also muss man raus, raus, raus, Hauptsache, man verlässt den Kopfknast, in dem man in Endlosschleifen immer wieder das Gleiche denkt, das eigentlich in wenigen Sätzen zusammengefasst wär:

Ich wurde verlassen, aua, es tut weh, ich werde aber nie erfahren, was genau die andere Person fühlt, weil wir...
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Autor

Kathrin Weßling ist Autorin und Social-Media-Expertin. Auf Twitter und Instagram folgen ihr über 30.000 Menschen, die ihre Postings und Beiträge über Themen wie Feminismus, psychische Erkrankungen und Popkultur verfolgen.  Ihr letztes Buch, "Super, und dir?", wurde von Presse und Leser*innen als "der Roman ihrer Generation" gefeiert. Sie schreibt außerdem regelmäßig für ZEIT ONLINE, Spiegel, MySelf uvm. Kathrin Weßling lebt in Berlin.